Slytherin Hearts - Guess Why
von SaphiraMalfoy
Zaghaft wurde die Türe aufgeschoben und ein blonder Lockenkopf, der nicht Narzissa Malfoy gehörte, lugte hindurch.
„Darf ich reinkommen?“, fragte Saphira leise und Dracos Herz machte einen kleinen Hüpfer. Natürlich durfte sie.
Grinsend nickte er und die kleine, blonde Hexe betrat leise das Zimmer mit nichts weiter als einem Nachthemd bekleidet. Einem Nachthemd, das alles andere als erotisch war ... Schwarz und enganliegend, was einen schönen Kontrast zu ihrer hellen Haut geboten hätte, wäre es nicht langärmlig gewesen und hätte sie nicht unverständlicherweise eine Strumpfhose darunter getragen, die angesichts der lauen Sommernacht ziemlich fehl am Platz wirkte.
Das Licht des Vollmonds schien hell auf ihren blonden Haaren, die sie locker zusammengebunden hatte, und sein Blick folgte einer verirrten Strähne, die über ihre rechte Schulter fiel, von dem herausragenden Schlüsselbein davon abgehalten wurde, in ihrem runden Ausschnitt zu verschwinden. Der Rest ihres Körpers wurde von dem dunklen Stoff vollkommen verhüllt. Es mutete seltsam an, doch was hatte er erwartet? Dass sie ein knappes Spitzennegligé tragen würde? Wohl kaum ... Nein, gewissermaßen passte dieser Aufzug zu Saphira Black und es hatte auch etwas für sich: Sie war kein leichtes Mädchen, niemand, der sich schnell herumkriegen ließ, doch sie war seine Freundin. Seine.
Eingehend betrachtete er die junge Hexe, in deren Augen sich das Mondlicht spiegelte, sie unnatürlich hell funkeln ließ, während ihn das starke Bedürfnis befiel, aufzuspringen und ihr das verdammte Schlafgewand vom Leib zu reißen, um ...
Schnell schüttelte er diesen abstrusen Gedanken ab. Zwar war es eine reizvolle Vorstellung, aber Saphira würde dies sicherlich ganz und gar nicht gefallen und Draco wusste aus eigener Erfahrung leider nur zu gut, wie leicht sie eingeschnappt und wie nachtragend sie manchmal sein konnte. Um nichts in der Welt wollte er das, was so wunderbar angefangen hatte, nun aufs Spiel setzen. Das würde schon werden, mit der Zeit. Er musste sich nur gedulden.
Grinsend streckte der junge Malfoy die Arme nach ihr aus, ergriff ihre Hände und zog sie zu sich auf das Bett.
„Und, gab es Probleme mit deiner Mum?“, wollte er wissen und kam nicht umhin, seine Hand auf ihr Knie zu legen, sacht über den seidigen Stoff ihrer Strumpfhose zu streichen und sich vorzustellen, ihre nackte Haut zu berühren.
„Nein, schon in Ordnung“, antwortete Saphira ungewohnt locker und warf seiner Hand einen skeptischen Blick zu. Als diese ein wenig höher wanderte, versteifte sich die Blonde plötzlich und runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts. Draco zwang sich dazu, seine Finger bei sich zu behalten und versuchte, sich nicht davon ablenken zu lassen, dass sie offenbar keinen BH trug. Zumindest konnte er an ihren Schultern keine Träger ausmachen und als sie sich ein wenig vorbeugte, der schwarze Stoff sich enger an ihre kaum vorhandenen Brüste schmiegte bemerkte er eindeutig, dass -
„Hat Zissy denn etwas dazu gesagt?“, durchbrach Saphira seine nicht ganz jugendfreien Gedankengänge.
„Bitte?“, krächzte er, räusperte sich verärgert und blinzelte ein paar Mal, ehe er die Augen von ihrer flachen Oberweite abwandte und die Bettdecke bis zur Hüfte hochzog. Sicherheitshalber. Nicht dass noch offensichtlich wurde, wie sehr er sich freute, sie zu sehen.
„Ähm, nicht viel, nein“, meinte er schließlich hastig und schlang ihr lässig einen Arm um die Taille, um seine Verwirrung zu kaschieren.
Zaghaft legte Saphira ihren Kopf an seine Schulter und lächelte ihn von unten herauf an. Irgendwie fühlte es sich auf merkwürdige Weise neuartig und gleichzeitig so vertraut an, ihm nahe zu sein. Etwa ein halbes Jahr lang waren sie nun ein Paar, hatten leidenschaftlich über belanglose Kleinigkeiten gestritten und sich hinterher wieder hemmungslos knutschend in einem der Sessel des Gemeinschaftsraumes wiedergefunden. Dieser Zustand war eine Art Normalität geworden, nicht mehr ungewöhnlich, weder für sie noch für ihre Mitschüler, doch die jetzige Situation war eine andere. Das vergangene Schuljahr war ihr bereits unwirklich genug vorgekommen, aber sich nun mit dem Jungen, den sie schon ihr ganzes Leben lang kannte, in diesem Haus, in welchem sie unzählige Monate verbracht hatte, aufzuhalten und ihm nicht wie sonst die meiste Zeit über aus dem Weg zu gehen, oder ihn als normalen Mitbewohner anzusehen, war komisch. Sich in diesem Zimmer zu befinden, das sie seit Jahren selten betreten hatte, und mit ihm in seinem Bett zu sitzen, sich zu berühren war ... Saphira fand nicht einmal Worte, die es angemessen beschreiben würden. Einerseits war es schön, andererseits unwirklich und unerklärlicherweise auch beängstigend.
Als Draco seine Sinne endlich wieder beisammen hatte und versuchte, das Gespräch einfach weiterlaufen zu lassen, als hätte diese kleine Unterbrechung nie stattgefunden, kicherte sie verlegen und rutschte noch ein wenig näher an ihn heran.
„Und wegen mir? Hat sie sich dazu geäußert? Ist es dir nun verboten, mit mir zusammen zu sein, weil ich nicht gut genug bin?“, fragte er scherzhaft und begann mit dem Zeigefinger kleine Kreise auf ihrem Oberschenkel zu zeichnen und seine Hand langsam nach oben wandern zu lassen. In Gedanken schon wieder völlig woanders.
„Nein, sie akzeptiert es, denke ich. Zwar findet sie es eindeutig zu früh, jedoch musste sie eingestehen, dass sie sich keinen besseren Partner für mich vorstellen kann“, sagte Saphira leise und ganz plötzlich, ohne Vorwarnung, saß sie auf seinem Schoß und schlang ihre Arme um seinen Oberkörper.
Ãœberrascht sah der Blonde sie an, während ihm in kurzen Abständen heiß und kalt und wieder heiß wurde. Es war so verdammt lange her, dass er einem Mädchen auf diese Weise nahe gekommen war, dass es ihm für einen Augenblick die Sprache verschlug. Sicher hatte er sich danach gesehnt, doch bislang war Saphira nicht bereit gewesen, mehr als ein paar Küsse in der Öffentlichkeit mit ihm auszutauschen. In den Jungenschlafsaal hatte sie ihn ebenfalls nur begleitet, wenn noch mindestens ein anderer Mitschüler dabei gewesen war.
„Zu nah ...“, hauchte sie ihm ins Ohr und Draco vermochte nicht zu definieren, ob sie dies als Frage oder Aussage gemeint hatte. In seinem Nacken breitete sich eine wohlige Gänsehaut aus, was seiner Freundin nicht entging. Die Wirkung, welche sie ganz offensichtlich auf ihn hatte, gefiel ihr. Es war so fremdartig und aufregend, obgleich sich ein Gefühl der Unsicherheit dazu mischte, ihre Hände leicht zittern ließ.
„Bleib genau da, wo du bist“, nuschelte der junge Malfoy, legte seine Hände an ihre Wangen und küsste sie weniger zärtlich, als er es ursprünglich vorgehabt hatte, doch wie um alles in der Welt sollte man in einer solchen Situation noch Zurückhaltung üben?
Mit eiskalten Fingern strich sie ihm sanft den Nacken entlang und ließ sie dann über die nackte Haut an seinem Rücken wandern, bedächtig und unschlüssig.
„Hast du mich vermisst, Draco?“, flüsterte sie und küsste vorsichtig seinen Hals.
Der junge Magier erschauderte und war sichtlich darum bemüht, sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen, was in ihm vorging. Dieses Mädchen brachte ihn um den Verstand und er wünschte sich nichts sehnlicher, als sie noch enger an sich zu drücken, ihre Haut zu berühren an Stellen, die sie so gut verhüllt hatte, dass es schwer war, sie ohne Weiteres zu erreichen. Da saß diese eine, ganz besondere junge Hexe, für die er mehr empfand als er es je für möglich gehalten hätte, auf seinem Schoß, drückte sich eng an ihn und alles, was ihre Körper noch voneinander trennte, war der dünne Stoff ihres langen Nachthemdes, durch den er mittlerweile deutlich spüren konnte, dass er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte. Sie trug tatsächlich keinen BH.
Das kleine Lächeln, welches ihre dünnen Lippen umspielte, ließ ihn annehmen, dass sie sich ihrer Reize durchaus bewusst war und diese mit voller Absicht einsetzte. Spielte sie ihre Schüchternheit nur oder irrte er sich und war sie wirklich so unerfahren und nervös, wie es zuvor den Anschein gehabt hatte?
Mit einer Hand strich Saphira sich eine Locke aus dem Gesicht und legte ihren Kopf leicht in den Nacken, betrachtete Draco, dessen Zeigefinger sich von ihrem Gesicht halsabwärts bewegte, fast bis in ihr Dekolleté, als die Türe sich erneut öffnete.
Noch bevor Draco überhaupt registriert hatte, dass sie nicht mehr alleine waren, war die Blonde bereits aufgesprungen und stand nun mit Unschuldsmiene neben seinem Bett.
Kopfschüttelnd gab sich Narzissa Malfoy, die soeben das Zimmer betreten hatte, wirklich große Mühe dabei, sich das Grinsen zu verkneifen und stattdessen einen tadelnden Blick aufzusetzen.
„Habe ich es mir doch gedacht“, sagte sie nachsichtig lächelnd.
„Ich gebe euch fünf Minuten und dann gehst du“, sie deutete auf Saphira, „wieder dahin, wo du hingehörst. Ihr habt euch schließlich noch die ganzen Ferien über.“ Dracos Mutter zwinkerte kurz und wandte sich dann zum Gehen um, doch bevor sie den Raum endgültig verließ, ergänzte sie noch:
„Sei mir nicht böse, Draco, aber ich bewahre dich nur vor Schlimmerem. Stell dir vor, nicht ich, sondern dein Vater hätte euch erwischt. Ich schätze du kannst dir in etwa ausmalen, was dann los gewesen wäre. Wobei Lucius in eurem Alter ...“
Draco hob fragend eine Augenbraue und sah Narzissa erwartungsvoll an, doch diese schüttelte nur den Kopf, lachte kurz und verschwand dann.
Missmutig atmete der blonde Magier aus und verfluchte seine Mutter in Gedanken, zwar hatte sie recht, aber trotzdem ... Doch noch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, saß Saphira auch schon wieder auf seinem Schoß und ließ ihre Hände sanft über seine Haut gleiten, während ihre Lippen seinen Hals erkundeten. Ihr Atem war heiß, ihre Lippen ein wenig rau und trocken, ihre Finger wie immer eiskalt. Mit geschlossenen Augen krallten sich seine Finger in ihre Haare; er zog sie näher zu sich heran und drückte seinen Mund fest auf den ihrigen, spürte ihre Zunge ungewohnt fordernd und hatte die Worte seiner Mutter längst vergessen. Vorsichtig ließ Draco seine Hand an ihrem Bein entlang wandern und langsam unter dem Saum ihres Nachthemdes verschwinden.
„Darf ich?“, fragte er leise, als er ihre Hüfte erreicht hatte und merkte, wie Saphira in ihren Bewegungen inne hielt, sich versteifte und ein wenig von ihm weglehnte.
„Ich weiß nicht“, murmelte sie und biss sich stirnrunzelnd auf die Unterlippe.
„Warum nicht?“, wollte er wissen, doch ehe die Blonde antworten konnte, schreckten sie auseinander, als sie das Geräusch zerbrechenden Glases vernahmen, das aus den unteren Etagen des Hauses zu kommen schien.
* * *
Ein Stockwerk tiefer stritten Dracos Eltern lautstark miteinander.
„Sind wir wieder an diesem Punkt angelangt, Lucius? Soll ich wieder ausziehen? Müssen wir das ganze Szenario wirklich ein weiteres Mal durchspielen? Denk doch bitte einmal, nur ein einziges Mal an deine Familie.“
Was mit einer kleinen Auseinandersetzung begonnen hatte, entwickelte sich langsam aber sicher zu einem ausgewachsenen Streit. In ihrer Verzweiflung hatte Narzissa ihrer Schwester Andromeda einen Brief geschrieben; sie um Verzeihung gebeten und ihr gestanden, wie sehr sie die Ältere vermisste und dass sie sich so sehr wünschte, ihre Beziehung könnte wieder so werden wie früher. Als schließlich die Eule mit Andromedas Antwort zurückgekehrt war, hatte Lucius den Brief entgegen genommen, seine Frau gefragt, was sie mit dieser Blutsverräterin zu tun hatte und das Pergament, noch bevor Narzissa es lesen konnte, ins Feuer geworfen. Daraufhin hatte seine Frau die Beherrschung verloren und eine sündhaftteure Vase vom Schrank gefegt, die für das laute Klirren verantwortlich gewesen war, welches Saphira und Draco unweigerlich daran erinnert hatte, dass sie in diesem Haus nicht alleine waren.
„Zissy, ich ...“, begann Mr. Malfoy, doch seine Frau unterbrach ihn.
„Nichts Zissy! Spar dir deinen Atem, Lucius! Ich habe wirklich keine Lust mehr darauf. Wir haben das einmal zusammen durchmachen müssen, aber ich weiß nicht, ob ich das ein zweites Mal durchstehe. Das kann doch nicht der richtige Weg sein. Da draußen sterben Menschen und ihr seid dafür verantwortlich. Stell dir nur vor, die Auroren nehmen dich fest! Was denkst du, wie wir dann da stehen? Hausdurchsuchungen, stundenlange Verhöre ... Ich habe es satt. Was ist, wenn Draco dann nicht mehr nach Hogwarts darf? Wie stellst du dir das alles vor?“ Obwohl Narzissa sich elend fühlte war alles, was sich in ihrem Gesicht widerspiegelte, kalte Abscheu. Keine Träne war in ihren blauen Augen zu sehen, die ihren Mann fixierten, der diesem durchdringenden Blick kaum länger als ein paar Sekunden standhalten konnte. Narzissa verstand es, sich zu beherrschen, nicht umsonst war sie im Hause Black aufgewachsen und mit Tränen kam man bei ihrem Mann ohnehin nicht weit, das wusste sie.
„Was soll ich denn ...“ Noch bevor er den Satz beenden konnte, griff Lucius sich mit der rechten Hand an den linken Unterarm und spürte den stechenden Schmerz, der sich von seinem Dunklen Mal ausgehend im kompletten, linken Arm ausbreitete. Mit einem ziemlich schlechten Gewissen warf er seiner Frau einen entschuldigenden Blick zu. Es behagte ihm überhaupt nicht, sie so zurückzulassen. Eigentlich hatte er die Angelegenheit heute noch klären wollen, denn damals, bevor der Dunkle Lord gefallen war, hatten sie sich geschworen, niemals im Streit auseinander zu gehen, schließlich wusste man nie, wann und ob man sich überhaupt wiedersähe, doch heute ließ es sich wohl nicht vermeiden.
„Los, geh schon! Geh!“, fuhr Narzissa ihn an und als er sich nicht rührte, schubste sie ihn in Richtung der Türe, riss seinen Umhang von der Garderobe und warf ihn Lucius vor die Füße.
„Verschwinde! Hau ab! Ich hoffe ihr habt Spass!“, schrie sie ihm nach und warf die Tür sehr viel heftiger als es von Nöten gewesen wäre ins Schloss.
* * *
Im Halbdunkel des Flures stand Draco mit klopfendem Herzen und klammerte sich an das Treppengeländer. Krampfhaft zog sich sein Magen zusammen; er versuchte zu schlucken, doch es wollte ihm nicht gelingen. Seine Eltern stritten nie, jedenfalls nicht richtig, doch die Worte seiner Mutter trafen ihn nun mit einer Heftigkeit, die er niemals erwartet hatte.
Waren sie nicht die perfekte Familie?
Reich, hoch angesehen, ohne Probleme ...
Wollte seine Mutter wirklich ausziehen? Hatte sie das etwa schon einmal getan?
„Draco?“ Vorsichtig legte Saphira ihm eine Hand auf den Rücken, doch er schüttelte sie unsanft ab und drehte sich von ihr weg.
„Lass mich!“, zischte er und verschwand dann ohne ein weiteres Wort, doch nicht ohne dabei laut die Türe zuzuknallen, in seinem Zimmer.
Nachdem sie einen Moment lang fassungslos auf die Stelle gestarrt hatte, an der er verschwunden war, ging die Blonde langsam die Treppe hinunter und fand ihre Tante schließlich im Wohnzimmer vor dem Kamin - in welchen Lucius zuvor Andromedas Brief geworfen hatte - sitzend und mit abwesendem Blick in die Flammen starrend.
Als sie ihre Nichte bemerkte, lächelte sie kurz, erhob sich und straffte die Schultern, als wäre nichts gewesen.
„Tut mir leid, Liebes. Ich weiß, du willst nur helfen, aber ich wäre wirklich lieber alleine. Es ist aber okay, wenn du jetzt nochmal zu Draco gehen möchtest.“
Saphira nickte und murmelte so leise, dass Narzissa es nicht verstehen konnte:
„Mit Sicherheit nicht.“
Dann begab sie sich in ihr eigenes Zimmer, wo sie sich seufzend aufs Bett fallen ließ.
Malfoys ..., dachte die junge Hexe kopfschüttelnd und betrachtete noch eine Weile lang nachdenklich das Muster ihrer Bettwäsche, bevor sie endgültig das Licht löschte.
* * *
„Morgen!“, rief Draco und stieß die Zimmertüre auf, ohne vorher anzuklopfen. Verschreckt sprang Saphira von ihrem Bett und sah dabei fast so aus, als hätte er sie bei irgendetwas erwischt. Sie fuhr sich kurz verlegen mit der Hand durch die Haare, fasste sich jedoch schnell wieder.
„So früh schon auf den Beinen?“, fragte sie ein wenig unterkühlt. Seine gestrige Unfreundlichkeit war ihr noch gut in Erinnerung.
Draco zuckte nur die Schultern und überging den scharfen Unterton in ihrer Stimme.
„Ich dachte mir, wir könnten heute eventuell etwas unternehmen.“
„Und an was hast du im Speziellen gedacht?“, fragte sie.
„Keine Ahnung ... Wie wäre es denn mit Fliegen?“
Unwillig verzog Saphira das Gesicht, das würde doch nur wieder auf Quidditch hinauslaufen und darauf hatte sie nun wirklich keine Lust.
„Ein Besuch in der Winkelgasse?“, schlug sie vor.
Nun war Draco derjenige, der weniger begeistert aussah, aber da ihm sonst auch nichts einfiel, zuckte er nur die Schultern und nickte ergeben.
„Gut, dann wäre das geklärt. Ich geh noch schnell duschen. Ich beeile mich.“
Bevor die Blonde in ihrem Badezimmer verschwand, gab sie ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, verwuschelte seine Haare und lachte:
„Du solltest dich kämmen.“
Gelangweilt ließ sich der junge Magier, der nun wieder alleine war, auf ihr Bett fallen, legte sich hin, stutzte und richtete sich wieder auf, als ihm etwas Spitzes in den Rücken piekste.
Er drehte sich um und entdeckte ein Feder, die in einem kleinen, schwarzen, unscheinbaren Buch steckte. Neugierig wie er war, schlug er es an der Stelle, an welcher die Schreibfeder steckte, auf und begann zu lesen. Es schien sich hierbei um eine Art Tagebuch zu handeln, allerdings waren es keine Ausformulierten Sätze, eher Notizen, die sie sich gemacht hatte. Mit dem gestrigen Datum versehen stand da zum Beispiel:
21. Juli 1995 (spät abends)
Malfoys ...
Komplizierte Menschen. Man soll offen und ehrlich zu ihnen sein, doch selber sprechen sie nie über ihre Probleme.
Wollen für mich da sein, doch wenn sie selber jemanden brauchen könnten, blocken sie stets ab.
Schwierige Familie.
Warum genau willst du eigentlich so unbedingt dazugehören?
So sehr du dich auch aufdrängst, du wirst nie Teil dieser Familie.
Niemals.
Sie sind komplett, du bist nur ein Anhängsel.
Sieh es ein, kleine Black. Niemand will dich. Niemand braucht dich.
Unfall.
Nicht gewollt.
Besser, wenn es dich nicht geben würde.
Einfacher.
Du stehst deiner Mutter im Weg, drängst dich in das Familienleben der Malfoys.
Platzverschwendung.
Draco? Warum machst du es mir so schwer?
Beziehungen sind soziale Trugschlüsse. Niemand liebt wahrhaftig, bedingungslos. Niemand kann auf Dauer mit einem anderen Menschen zusammenleben, glücklich sein.
Beziehungen sind Lügen.
Ehen gesellschaftlicher Unfug.
Ungläubig schüttelte er den Kopf, das war doch kompletter Unsinn! Wie kam sie denn nur auf so etwas? Wenn es jemanden gab, der in diesem Haus gern gesehen war, dann war es Saphira und Draco war sich auch ziemlich sicher, dass seine Mutter Saphira - genauso wie ihn und seinen Vater - abgöttisch liebte.
Und was sollten diese Anspielungen auf Beziehungen? Wollte sie Schluss machen??
21. Juli 1995 (abends)
38
Ein kleines bisschen zu Hause.
Draco einen Besuch abstatten.
Mein Freund.
Mein Ge-
Mein-
Ich habe mich so nach ihm gesehnt.
Er quittierte dies mit einem Lächeln, hätte er seine Freundin doch gestern Abend nur nicht weggeschickt ... Er blätterte weiter zurück. In den letzten paar Tagen schien alles, was sie aufgeschrieben hatte, das Datum zu sein. Und irgendwelche Zahlen, dazu einzelne Worte, auf die er sich keinen Reim machen konnte.
20. Juli 1995
37
Besser.
19. Juli 1995
39
Nichts, nichts, gar nichts.
18. Juli 1995
40
Undiszipliniert, widerwärtig.
...
14. Juli 1995
42
Unfall.
Platzverschwendung.
Billiges Flittchen.
Deines Namens unwürdig.
Zu viel, viel zu viel, zu viel, immer mehr.
[Besser, wenn] Der Satz blieb unvollendet und war durchgestrichen worden.
Draco stockte, war das ein ... Blutfleck?
Unsicher strich er mit einem Finger darüber und schüttelte den Kopf. Das konnte alles Mögliche gewesen sein.
Weitere Tage, an denen offensichtlich nichts Nennenswertes geschehen war, folgten.
10. Juli 1995
39
Danke, Blaise.
Danke, dass du mein bester Freund bist,
für diesen schönen Tag
& dafür, dass ich einen so wunderbaren Menschen wie dich kenne.
Dracos Magen zog sich krampfhaft zusammen.
Ein Stich ins Herz.
Grausam, unnachgiebig, ständig vorhanden nagte die Eifersucht ein weiteres Mal an ihm.
Warum war sie denn nicht mit Blaise zusammen, wenn er doch so wunderbar war?
Schnell blätterte er weiter. Was folgte waren leere Seiten, keine Notizen.
Doch da ... da war es schon wieder.
Blut?
Draco war sich nicht sicher.
6. Juli 1995
40
Wieder allein.
Ist das zu fassen?
Schule vermissend.
Draco, du fehlst mir jetzt schon.
Nebst ein paar recht unterhaltsamen Dingen, die sie Aufgeschrieben hatte, welche davon zeugten, dass sie selbst in den unpassendsten Situationen stets darum bemüht war, sich ihren seltsamen Humor zu bewahren, fanden sich auch ein paar recht interessante Vermutungen darin.
Stand Zabini etwa auf die kleine Weasley? Blutsverräterpack ...
Oder hatte er Gefallen an Davis gefunden? Darauf wäre Draco bisher noch gar nicht gekommen. Immerhin waren die zwei Augenscheinlich verfeindet, aber was sich liebt ...
Nebenbei erwähnte sie auch ihn fast an jedem Tag, zu dem sie etwas aufgeschrieben hatte.
Mal mehr, mal weniger freundlich, doch Draco zweifelte keine Sekunde lang an der Aufrichtigkeit ihrer Zuneigung ihm gegenüber. Besonders lustig wurde es, je weiter er zurück blätterte.
Wüste Beschimpfungen gegen ihn, die jedoch meist mit Sätzen wie
Will ihn hassen, kann ihm nicht böse sein.
oder
Arsch! Hör auf dabei so gut auszusehen, wäre bedeutend einfacher, nicht mehr an dich zu denken.
endeten.
Zur Quidditch-Weltmeisterschaft schrieb sie:
Draco ... ist seltsam!
Abstand suchen.
Verwirrt.
Zum ersten Mal fragte sich der junge Magier, seit wann Saphira in ihn verliebt war. Bisher hatte ihn das nicht gekümmert und auch aus ihren Notizen ging es nicht klar hervor, doch das hier ließ ihn nachdenklich werden.
Bei der Weltmeisterschaft ... hatte er da irgendwas komisches getan?
Wie meinte sie das? Draco ... ist seltsam!
Bezog sie dies auf ihre eigenen Gefühle ihm gegenüber, oder hatte er damals schon unbewusst etwas durchblicken lassen? Eigentlich ahnte er zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht, dass mehr zwischen ihnen sein könnte. Interessant.
Mal sehen, was sie im dritten Schuljahr so gedacht hatte ...
Und abermals sah er sie, die roten Flecken, die nun nicht mehr vereinzelt auftraten, sondern gehäuft, sich über ganze Seiten zogen und ganz eindeutig war noch zu erkennen, dass hier mehr als nur eine Seite unsauber herausgerissen worden war.
Das Einzige, was undeutlich, vor seinen Augen verschwimmend auf einer dieser Seiten zu lesen war, war ordentlich, beinahe malerisch, in einer merkwürdig, silbrig schimmernden Farbe geschrieben worden.
Irgendwas an diesen Worten war seltsam, die Schrift, die Tinte, der bittere Nachgeschmack, den sie hinterließen ...
Einfach alles.
Einer Intuition folgend, legte der blonde Magier seine Finger auf den Schriftzug und fühlte, wie er augenblicklich in einen Sog von Erinnerungen hineingezogen wurde ...
* * *
Urplötzlich wurde er am Arm zurückgerissen, fand sich unter Schock stehend auf Saphiras Bett sitzend wieder und ehe er sich versah, hatte sie ihm auch schon eine dermaßen heftige Ohrfeige verpasst, dass diese noch Sekunden später in Raum nachzuhallen schien.
Mit einer Hand hielt Draco sich die schmerzende Wange, mit der anderen knallte er das Tagebuch zu. Hin- und hergerissen zwischen Verwirrung, schlechtem Gewissen, Empörung, Trauer und Verständnislosigkeit starrte er die junge Hexe vor sich an und schüttelte ungläubig den Kopf.
Saphira hatte Schwierigkeiten damit, vor bebender Wut nicht auf ihn loszugehen und überhaupt ein vernünftiges Wort herauszukriegen.
„Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast!“, schrie sie ihn an und riss Draco das schwarze Notizbuch aus den Händen. Einen Moment lang herrschte absolute Stille, dann murmelte Draco fassungslos:
„Und ich kann nicht glauben, dass du das“, er deutete auf das Buch, welches sie fest mit beiden Händen umklammerte, als hätte sie Angst, es würde gleich all ihre Geheimnisse ausplaudern, „getan hast.“
Tränen stiegen ihr in die Augen und sie biss sich auf die Unterlippe, darum bemüht, sich zu beruhigen. Er war derjenige, der einen Fehler gemacht hatte und nicht sie!
Aber das ... das hätte er niemals erfahren sollen. Niemand durfte davon wissen.
„Warum, Saphira? Sag mir, wieso.“
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Mein Vater lebt in Irland, und nun fahren Autos langsam um sein Haus, weil alle sagen, dass Harry Potters Großvater dort lebt. Er ist ganz und gar verwirrt durch diese Tatsache.
Fiona Shaw