Madam Pince schrie mich an, weil ich durch die Bibliothek rannte. Ich verlangsamte meinen Schritt und fand Hermine kurz darauf. Sie hatte geweint. Aber um das zu verstecken, las sie in einem Buch über die Unterdrückung von Kobolden. Ich setzte mich ihr gegenüber.
Sie sah auf. "Hi Ginny", murmelte sie und versuchte von ihren tränennassen Wangen abzulenken. "Mir ist egal, was Harry sagt, ich weiß, dass er Probleme mit der zweiten Aufgabe hat ..."
Ehrlich gesagt kümmerte mich das im Moment herzlich wenig. "Ich habe mir überlegt", begann ich, "dass du ..."
Sie unterbrach mich, so als ob sie überhaupt nicht gehört hätte, was ich gesagt hatte. "Ich werde nicht darauf warten, dass Ron mich fragt.", sagte sie leise.
Ich starrte sie an. Wenigstens war es nicht schwierig, sie zu überzeugen. "Ich stimme dir zu.", erwiderte ich. "Du machst dich wegen ihm verrückt. Er ist diese vielen Tränen nicht wert ..." Und ich hörte auf zu reden und dachte an Harry. War er den Ärger wert? War er es wert, dass ich auf ihn wartete?
"Ich weiß", flüsterte Hermine. Ich nahm ihre Hand und lächelte mitfühlend. "Willst du wirklich auf den Ball gehen, Ginny?" Ich nickte. "Es tut mir Leid, dir das zu sagen, aber ich finde, dass du aufhören solltest, darauf zu warten, dass Harry dich fragt."
Ich nickte langsam und verstand. Er war nicht interessiert. Er würde mich nicht fragen. Er würde Cho fragen. Meine Innereien zogen sich beim Gedanken an sie zusammen. Für einen Moment zog ich in Erwägung, sie mit jemand anderem zu verkuppeln, aber das wäre gemein und das konnte ich Harry nicht antun.
"Wir sind so bescheuerte kleine Mädchen.", sagte Hermine und lachte falsch. "Und weinen wegen blöden Jungs." Sie schlug das Buch zu und schob es von sich weg. "Ich habe keine Lust mehr zu lesen." Sie legte ihren Kopf auf den Tisch und seufzte. Es war ein deutliches Anzeichen der Frustration, wenn dieses Mädchen nicht mehr lesen wollte.
Ich nahm ihr das Buch weg. "Willst du, dass ich es aufräume?", fragte ich und sie murmelte etwas, das wie Ist mir egal klang. Ich stand auf und ging zu dem richtigen Regal, um das Buch zurückzustellen. Ich fand den richtigen Platz, stellte ein umgefallenes Buch auf und schaute durch die Lücke im Regal.
Viktor Krum stand vor Hermine am Tisch. Sie hatte noch gar nicht bemerkt, dass er da stand. Vielleicht hatte sie gedacht, dass ich es bin, die wieder zurück gekommen war.
"Entschuldige bitte", sagte Krum so sanft er konnte, für den Fall, dass Hermine schlief.
Hermines Kopf schoss nach oben. Hätte ich ihren Gesichtsausdruck sehen können, ich war mir sicher, dass ich gelacht hätte. "Oh", sagte sie etwas zu lebhaft. "Hi."
"Ich habe schon lange mit dir spreche wollen.", sagte Krum und wirkte etwas kleinlaut. "Du siehst mich nicht so an wie die andere Mädchen."
"Oh, naja ... ich ..."
"Ich bin hierher gekomme, wenn du hier warst, aber ich war zu schüchtern, um dich anzuspreche."
Ein internationaler Quidditchstar war zu schüchtern, um ein Mädchen anzusprechen? Oh, wenn Ron das nur hören könnte. Ich fragte mich, was er wohl darüber denken würde.
"Zu schüchtern?", flüsterte Hermine.
Er streckte seine Hand aus. "Mein Name ist Viktor Krum.", sagte er und ich verdrehte die Augen. Wer wusste nicht, wer er war? Er nahm Hermines Hand und küsste sie auf den Handrücken. "Wie heißt du?"
"Hermine Granger." Ihre Stimme zitterte leicht.
Krum nickte und versuchte, sich den schwierigen Namen zu merken. Er runzelte die Stirn.
Damit wirst du noch deine Probleme haben, oder?, dachte ich.
Krums Stirnrunzeln verschwand und er lächelte. "Erminne.", sagte er. "Die Zeitungen sage, dass du Harry Potters Freundin bist."
Ich glaubte, dass ich die Hitze spüren konnte, die von Hermines Gesicht ausging. "Die Zeitungen lügen."
Krums Lächeln wurde breiter. Das war offensichtlich genau das, was er hatte hören wollen. "Erweist du mir die Ehre und gehst mit mir zusamme zum Weihnachtsball?"
"Was ...? Du meinst, ich soll mit dir gehen?" Hermine schnappte nach Luft. "Viktor, ich würde liebend gerne mit dir zum Ball gehen."
Krum verbeugte sich leicht. Er drehte sich um und verließ die Bibliothek. Ich beobachtete, wie Hermine die Hände auf ihr Gesicht legte und quietschte vor Aufregung.
"Du kannst jetzt rauskommen.", rief sie und warf mir über ihre Schulter einen Blick zu.
Ich kam hervor, als ob mir alles gehören würde, und setzte mich in den Stuhl, der ihr gegenüber stand. Ich tat so, als ob ich das eben nicht gesehen hätte. "Ich hatte Probleme damit, das richtige Regal für das Buch zu finden.", sagte ich lässig.
"Natürlich", sagte sie. Ihr Lächeln war so groß. "Jetzt müssen wir für dich eine Verabredung finden."
Etwas später verließ ich das Klassenzimmer für Zaubertränke mit Delia. Sie sprach darüber, dass sie nicht zum Ball gehen würde, weil sie noch niemand gefragt hatte. Sie sagte, dass sie zum Gemeinschaftsraum gehen, auf den nächsten älteren Schüler warten und ihn dazu überreden würde, sie mitzunehmen. Ich entdeckte Neville, der alleine auf einer Bank saß. Er sah so traurig aus. Ich sagte Delia, dass sie ohne mich gehen sollte.
Ich setzte mich neben den deprimierten Jungen. "Warum so traurig, Neville?"
Er sah überrascht auf. Ich bezweifelte, dass er bemerkt hatte, dass ich mich neben ihn gesetzt hatte. Er zwang sich zu einem Lächeln und sagte: "Nichts, Ginny."
"Ich bin Experte darin, so zu tun, als ob nichts wäre. Du kannst mir nichts vormachen."
Neville sah mich verlegen an. Ich nahm an, dass es nicht sein Fehler war. Gryffindors waren nicht bekannt dafür, dass sie ihre Gefühle leicht verstecken konnten. Es war ein Segen und ein Fluch zugleich. "Ich hab Hermine gefragt, ob sie mit mir zum Ball gehen will und sie hat nein gesagt."
Er hatte Hermine gefragt? Das war mir neu. Ich hatte nie daran gedacht, dass Neville jetzt wirklich Mädchen mochte. Es ergab wahrscheinlich Sinn. Hermine war immer nett zu Neville gewesen, hatte ihm mit den Hausaufgaben geholfen und schenkte ihm sehr viel mehr Aufmerksamkeit als die meisten Mädchen.
"Glaubst du, dass Hermine mich angelogen hat, als sie gesagt hat, dass sie schon eine Verabredung hat?"
"Vertrau mir, Neville. Sie hat eine Verabredung."
Neville nickte. Er glaubte nicht wirklich daran, dass Hermine so oberflächlich sein würde. Er lehnte sich nach vorne und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. "Ginny", fing er an.
Ich wusste genau, was er mich fragen würde, bevor er es sagte. Neville fühlte sich in meiner Gegenwart wohl. Ich wusste, dass er nicht auf mich stand und er wusste, dass ich nicht auf ihn stand. Und bevor er fragte, wusste ich bereits, dass ich seinen Vorschlag akzeptieren würde. Er war ein süßer junger Mann, vielleicht nicht der schlauste, gut aussehendste oder bestorganisierteste Typ, aber er nahm Aussehen nicht so wichtig wie mein Bruder und Harry. Okay, vielleicht war Harry Aussehen nicht wichtig und seine Schwärmerei für Cho war tiefgehender und nicht nur wegen ihrer Schönheit. Wenn Harry mich schon nicht zum Ball einlud, dann konnte ich auch genauso gut mit Neville gehen und Spaß haben.
"Würdest du, ähm, ich meine, wirst du zum, zum, äh, zum Ball ..."
"Natürlich werde ich das, Neville.", erwiderte ich.
"Ich bin mir nicht sicher, wer von beiden armseliger ist." Das war Harper, der aus dem Klassenzimmer kam. "Entweder Longbottom, der so verzweifelt ist, dass er ein Schlammblut und ein Wiesel an einem Tag gefragt hat", schnarrte er, "oder das Wiesel, das tatsächlich mit ihm gehen will."
Neville sagte nichts, als ich aufstand. "Harper, wenn du nicht die Klappe hälst, dann werde ich dich so verhexen wie während der Weltmeisterschaft."
Harper fasste sich automatisch an die Schulter, dort, wo der Spruch ihn getroffen hatte. "Ich schulde dir immer noch was dafür, Weasley. Du passt besser auf dich auf."
Ich trat näher zu ihm. "Warum sollten wir das nicht gleich regeln? Ich muss nirgendwo hin." Unsere Nasen berührten sich und bettelte ihn insgeheim an, dass er es versuchen würde. Ich brannte darauf, den Flederwichtfluch auszuprobieren.
"Drohungen, Weasley?" Dieses Mal war es Snape. Er stand hinter Harper und demonstrierte seinen kalten Blick. "Zehn Punkte Abzug von Gryffindor.", sagte er. "Und warum lungern Sie in den Kerkern rum, wenn der Unterricht schon seit zehn Minuten beendet ist?"
"Longbottom hat sie angefleht, mit ihm zum Ball zu gehen." Harper grinste.
"Wie ... rührend.", sagte Snape. Er schaute mich voller Abneigung an. "Wenn seine Verabredungsfähigkeiten nur halb so gut sind wie sein Talent für Zaubertränke, dann ist das wirklich etwas begehrenswertes, Weasley."
Ich versuchte mein Temperament zurückzuhalten. Ich konnte nichts auf Snapes Bemerkung erwidern, oder wir würden noch mehr Punkte verlieren. Ich wollte ihn verhexen, aber das würde eine noch größere Strafe nach sich ziehen. Ich warf Harper einen Blick zu. Er grinste mich an. Ich schoss Dolche aus meinen Augen ab.
"Verschwinden Sie, Weasley", befahl Snape. "Oder ich werde weitere fünf Punkte abziehen, weil Sie die Gänge blockieren."
Ich warf Snape den gleichen Blick zu und drehte mich um, um mit Neville zu gehen, aber er war weg.
Tage später schlug ich das Porträt der Fetten Dame auf und verließ den Gemeinschaftsraum. Als ich draußen stand, schüttelte ich mich vor Wut und Traurigkeit. Du wirst nicht weinen, Ginny aber ich konnte zwei Tränen nicht daran hindern, zu entkommen. Ich hatte gerade herausgefunden, dass Harry Cho zum Ball eingeladen hatte.
Ich hatte nie gedacht, dass Harry den Mut dazu aufbringen würde. Nach den ganzen nervösen Blicken, die er ihr letztes Jahr zugeworfen hatte, hatte ich gedacht, dass er zu feige dazu war. Ich hatte mir selbst gesagt, dass ich nicht wütend sein würde, egal, wen Harry fragen würde. Ich hatte mir geschworen, dass ich mich für ihn freuen würde.
Ich trat die erste Stufe einer Treppe und grunzte frustriert. Ich spürte, wie der Fortschritt, den ich bezüglich meiner Schwärmerei für Harry gemacht hatte, wieder zurückging. Ich begann, lächerliche Argumente zu suchen.
Er mag sie nur, weil sie schön ist. Na und, bin ich nicht auf schön? Die Jungs, die mich zum Ball eingeladen haben, sind der Beweis dafür. Jemand denkt, dass ich den Ärger wert bin. Vielleicht ist es, weil sie eine gute Quidditchspielerin ist. Ich bin gut, ich hatte nur noch nicht die Gelegenheit, das zu beweisen. Ich weiß, es ist, weil sie älter ist. Okay, dagegen kann ich nichts tun. Die Runde hat sie gewonnen.
Außerdem hatte sie schon eine Verabredung. Der Gedanke allein hätte mich beruhigen sollen. Aber er schaffte es nicht. Harry hatte sie immer noch gefragt ... sie, nicht mich. Ich sollte nicht so wütend sein. Harry gehörte nicht mir, deshalb konnte ich mich nicht aufregen. Er konnte sich verlieben in wen immer er wollte.
Und dann hat Ron, mein bescheuerter Bruder, mich Harry angeboten, als ob ich ihm gehören würde. Harry hätte das Netteste getan, was er tun konnte und zugestimmt, mit mir zu gehen. Er war diese Sorte Junge. Ich wusste, dass ich, wenn ich Harry nur zeigen konnte, wie viel Spaß man mit mir haben konnte, ihn für immer von Cho ablenken konnte. Aber ich hatte eine Verabredung. Ich hatte nicht noch länger warten können. Ich hatte ja unbedingt eine Verabredung haben müssen.
Schäm dich!, schalt ich mich selbst. Neville ist ein netter, aufmerksamer Mensch und ich sollte glücklich sein, mit ihm verabredet zu sein. Er war nur einfach nicht ... er war nicht ... Sag es bloß nicht, Ginny ... wag es bloß nicht, das zu sagen ...
Das Porträt schwang auf und Hermine kam heraus. Sie begrüßte mich mit einem halbherzigen Lächeln. "Sie haben uns endlich gefragt.", sagte sie sanft.
"Theoretisch.", sagte ich. "Harry hat mich nicht gefragt. Ron hat das für mich getan." Ich zog sie näher an mich heran und legte meinen Arm um ihre Schultern. "Wird er mich jemals bemerken, Hermine?"
Hermine lächelte und zuckte mit den Schultern. "Er ist im Moment zu sehr mit Cho beschäftigt.", gab sie zu. Sie war für ein paar Sekunden still. "Aber nur, weil er nicht weiß, wer du bist."
"Er weiß, wer ich bin."
"Du hast zu viel Angst, vor ihm du selbst zu sein.", stellte Hermine fest. "Du bist genau das, was er in seinem Leben braucht, aber alles, was er sieht ist die schüchterne, rot werdende kleine Schwester seines besten Freundes. Wenn du dich entspannen und du selbst sein würdest, würde er das erkennen. Aber du musst damit aufhören zu warten, dass er dich zufällig bemerken wird und dafür sorgen, dass er dich absichtlich bemerkt."
Sie war nicht gemein. Sie war ehrlich. Und ich wusste, dass sie es auf eine Weise gesagt hat, in der sie nicht nur auf Harry und mich anspielte. Sie hatte Recht. Zum ersten Mal zog ich es in Erwägung, Harry aufzugeben, aber ich weigerte mich. "Ich bin noch nicht bereit dazu, das zu tun."
"Ich auch nicht.", flüsterte sie. "Lass uns essen."
TBC...
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Wenn man wie ich über Böses schreibt und wenn einer der beschriebenen Figuren im Grunde ein Psychopath ist, hat man die Pflicht, das wirklich Böse zu zeigen, nämlich, dass Menschen getötet werden.