21. Dezember: Die Gefahren des Weihnachtsbaumschmückens
"Höher!"
"So?"
"Noch höher!"
"Und jetzt?"
"Noch höher!"
"Und jetzt?"
"Höher!"
"Soll ich die Kugel vielleicht in der Wohnung über uns aufhängen oder ist das immer noch nicht hoch genug?", fragte Ron genervt und ließ den Arm mit der roten Weihnachtsbaumkugel hängen. Seit einer halben Stunde versuchte er den Baum zu schmücken, aber ständig unterbrach ihn Hermine, die ihm versuchte mitzuteilen, wo er was hinzuhängen hatte.
"Ach komm schon, Ron, du siehst doch, dass die Kugel da nicht hingehört.", versuchte Hermine ihren Mann zu überzeugen. Sie stand mit verschränkten Armen vor dem Baum und musterte ihn kritisch. Sie fand, dass er viel zu groß war für ihre Wohnung, auf dem Balkon hatte er viel kleiner ausgesehen. Außerdem machte Ron alles falsch, hängte zu viele Dinge auf die eine Seite und viel zu wenig auf die andere. Die Kerzen waren falsch verteilt und sie hatte den Eindruck, dass die Tanne schief stand.
"Hermine, ich hab die Schnauze voll! Wenn du meinst, dass du es besser machen kannst, dann mach's doch!", erwiderte Ron höchstgradig genervt und schmiss Hermine die Kugel vor die Füße. Sie ging kaputt und zersprang in hundert Einzelteile. Hermine war erschrocken zurückgesprungen.
"Sag mal, was soll das?", fragte sie gereizt, beugte sich nach unten und zog ihren Zauberstab. "Reparo!" Die Kugel fügte sich wieder zusammen.
"Du sollst den Baum schmücken, wenn du so viel zu meckern hast. ", erklärte Ron, stieg von der Leiter und klappte sie lautstark zusammen. "Frag Cathy doch, ob sie für dich den Hampelmann spielt." Er ging in zu ihrem Schlafzimmer. Bevor er die Tür zuknallte, drehte er sich um und fügte hinzu: "Ich mach das nämlich nicht mehr!"
Hermine sah ihm seufzend hinterher und schüttelte den Kopf. Er war in den letzten Tagen wirklich viel zu genervt, so kannte sie ihn gar nicht. Diese Jahresbilanz war wirklich eine idiotische Idee von dem Minister gewesen, auf die Bürokratie war eigentlich nie wirklich viel Wert gelegt worden.
"Was ist denn los, Mum?", wollte Cathy wissen. Sie hatte den Knall gehört und war neugierig aus dem Zimmer gekommen.
"Nichts weiter, Schatz.", erwiderte Hermine und hängte lustlos die Kugel an die Stelle, die sie für perfekt hielt. Sie trat einen Schritt zurück und erkannte, dass der Baum jetzt noch schlimmer aussah als vorher. Seufzend richtete sie ihren Zauberstab darauf und murmelte: "Accio!" Der Baumschmuck flog ihr in die Arme.
"Ihr streitet doch nicht schon wieder, oder?", erkundigte sich Cathy vorsichtig und kam näher.
"Vielleicht sollten wir den Baum einfach so lassen.", überlegte Hermine und legte den Kopf schief. Wenigstens wirkte er jetzt nicht mehr überladen und er stand nicht mehr schief.
"Aber an einem Weihnachtsbaum hängt doch immer Schmuck!", widersprach Cathy entrüstet. Was sollten sie mit einer Tanne ohne Schmuck im Wohnzimmer, das war doch Schwachsinn!
"Ich weiß nicht, Cathy. Das ist doch nur eine Tradition, die wir getrost vergessen können.", erwiderte Hermine und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Er sieht doch viel schöner aus, wenn dieses viele Zeug nicht an ihm dran hängt, oder?", fragte sie mit träumerischem Blick.
Cathy musterte ihre Mutter entgeistert und winkte sie zu sich. Hermine beugte sich zu ihrer Tochter, die ihr schließlich besorgt die Hand auf die Stirn legte. "Alles in Ordnung mit dir? Normalerweise hast du doch den Schmuck so gerne."
Hermine lächelte. Cathy war schon ein wunderbares Kind. "Ja, mit mir ist alles in Ordnung. Ich dachte nur, es wäre eine ... nette Abwechslung.", erklärte sie und richtete sich wieder auf.
"Also ich find das doof, Mum. Ein Weihnachtsbaum muss geschmückt sein, sonst ist es doch kein Weihnachtsbaum.", erklärte sie Hermine und grinste. Hermine strich ihr die Haare aus der Stirn und nickte.
"In Ordnung, Cathy, du hast mich überzeugt.", meinte sie und richtete sich wieder auf. "Aber dann schmückst du den Baum alleine, einverstanden? Ich bezweifle, dass er schön aussehen würde, wenn ich das heute mache."
Cathys Augen wurden klatschergroß. "Ich darf den Baum wirklich alleine schmücken?" Bis jetzt hatte sie ihren Eltern, die sich bei diesem Thema immer gestritten hatten, nur etwas helfen dürfen. Den ganzen Baum alleine schmücken, das war für Cathy eine unglaublich verantwortungsvolle Aufgabe.
Hermine nickte. "Ja, ich glaube du bist jetzt alt genug dafür.", sagte sie und kam sich beinahe etwas feierlich vor. "Und ich hoffe sehr, dass du es besser hinkriegst als Ron und ich.", fügte sie noch hinzu und drückte Cathy den ganzen Schmuck in die Hände. Das Mädchen hatte Mühe damit, nichts fallen zu lassen und legte es schnell auf dem Sessel ab. "Ich geh mal nach deinem Dad schauen.", informierte Hermine ihre Tochter. Mal sehen, ob er sich schon wieder beruhigt hat.
Cathy nickte, kniete sich hin und wühlte in dem Schmuck. Sie suchte nach der passenden Kugel. "Ja, in Ordnung.", murmelte sie und beachtete ihre Mutter nicht weiter.
Hermine schaute ihr noch einen Moment zu und freute sich, dass Cathy so begeistert davon war, dann ging sie in Richtung Schlafzimmer. Sie klopfte an, wartete aber nicht auf eine Antwort und öffnete die Tür.
Ron saß auf dem Bett und schrieb mit einer Feder etwas auf ein Pergament. Er sah auf und stieß dabei versehentlich sein Tintenfass um, das auf dem Bett stand. Sie verteilte sich über die Bettwäsche. Erschrocken stellte er das Fass wieder hin; für die Tinte jedoch kam jede Rettung zu spät.
Hermine zog wortlos ihren Zauberstab und richtete ihn auf das Unglück. "Ratzeputz!" Der Fleck verschwand in sekundenschnelle. Zufrieden steckte Hermine den Zauberstab wieder weg und schaute Ron erwartungsvoll an. Eine Entschuldigung dafür, dass er sie so angefahren hatte, konnte sie doch wenigstens erwarten. Aber nichts kam. Ron schrieb stumm weiter und kratzte zwischendurch die übrig gebliebene Tinte aus dem Fass zusammen.
"Danke.", sagte er nach einer Weile ohne aufzusehen.
Hermine seufzte und ging zum Bett. Sie setzte sich auf ihrer Seite ans Fußende.
Stille.
"Was machst du da?", fragte Hermine ein paar Minuten später, um irgendetwas zu sagen. Sie rutschte etwas näher zu ihm.
"Arbeiten.", sagte er knapp. "Ich bin im Ministerium nicht mehr dazu gekommen, weil ich euch helfen musste, den Baum aufzustellen. Deshalb bin ich früher gegangen.", fügte er noch hinzu und schrieb unbeirrt weiter.
Hermine schaute beschämt auf die weiße Bettdecke. Sie hatte ganz vergessen, dass er heute wegen dem Baum früher Schluss gemacht hatte. Sie brauchten ihn eigentlich nicht unbedingt, aber in den letzten Jahren war es immer so gewesen, dass sie am 21. Dezember zusammen den Baum geschmückt hatten. Und jetzt hatte sie ihm wegen ihrem Herumgemeckere den Spaß verdorben und ihn auch noch dazu gebracht, Arbeit mit nach Hause zu nehmen - was er hasste. Besonders, weil er gestern wegen dem Schnee so spät gekommen war.
"Es tut mir Leid.", sagte sie kleinlaut und legte langsam ihre Hand auf seinen Knöchel (das Körperteil, das ihr am nächsten war). Endlich blickte er von dem Pergament auf und schaute ihr in die Augen.
"Ich dachte schon, das sagst du nie.", sagte er lachend, legte das Pergament neben sich auf den Boden und beugte sich vor, um ihre Hand zu berühren, die immer noch auf seinem Fuß war. Er zog sie an der Hand mit einem Ruck zu sich. Hermine hatte nicht damit gerechnet und fiel auf ihn. Ron strich ihr die Haare aus dem Gesicht und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. "Ich hab keine Lust mehr, ständig mit dir zu streiten.", meinte er und lehnte sich nach hinten in die Kissen.
"Denkst du ich?", erwiderte sie schnippisch und lächelte.
"Ach weißt du, so sicher bin ich mir da nicht.", erwiderte Ron. Hermine schlug ihn spielerisch auf den Arm. "Eigentlich streite ich sehr gerne mit dir, das konnten wir seit dem Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben, besonders gut.", gestand er ihr.
Sie nickte. "Ich weiß, Ron. Du hast übrigens Tinte an der Nase." Sie fuhr sanft mit der Hand über die Stelle. Ron musste lachen.
"Aber in der letzten Zeit sind unsere Streits irgendwie anders.", überlegte er und rieb sich über die Nase. "Nicht mehr so lustig wie sonst, wir nehmen alles viel zu persönlich, glaube ich.", meinte er.
"Ich denke, das liegt einfach an Weihnachten und dem Ministerium. Dieser ganze Druck in der Arbeit, die Vorbereitungen ... wir sind noch gar nicht richtig dazu gekommen, irgendetwas davon wirklich zu genießen.", vermutete sie. "Wir haben immer nur daran gedacht, was wir noch erledigen müssen und wie viel wir noch abarbeiten müssen, dass diese weihnachtliche Stimmung noch gar nicht bis zu uns durchgedrungen ist."
Ron lachte und strich ihr über den Rücken. "Da könntest du tatsächlich Recht haben.", stellte er fest. "Vielleicht sollten wir uns dann einfach nur noch freuen? Am 22. Dezember ist unser letzter Arbeitstag, den Rest des Jahres haben wir frei und dann können wir die Zeit richtig genießen, die Zeit mit Cathy."
Hermine nickte. "Ja, vielleicht hast du Recht."
"Das ist ein Satz, den man wirklich sehr selten aus deinem Mund hört.", stellte Ron mit schiefem Grinsen fest und gab ihr einen weiteren Kuss.
"Schreib ihn dir lieber auf, in der nächsten Zeit werde ich ihn wohl nicht sagen.", erwiderte Hermine und schob sich etwas hoch, damit Ron sich nicht so verrenken musste, um sie zu küssen. Diesmal ging es wirklich leichter und deshalb wurde der Kuss auch viel intensiver und leidenschaftlicher. Rons Hände fanden unter ihren Pullover, Hermines vergruben sich in seinem Haar. Aber kurz bevor er ihr den Pullover über den Kopf ziehen konnte, stoppte sie ihn. "Nicht. Ich glaub nicht, dass mir für Cathy schon wieder eine glaubwürdige Ausrede einfällt.", bremste sie ihn und schnappte nach Luft.
Ron schob den Pullover enttäuscht wieder nach unten. "Warum mussten wir nur Kinder haben?", murmelte er. Hermine lächelte nur, sie wusste, dass Cathy Rons Ein und Alles war. "Wenn es dir dann nichts ausmacht, könntest du bitte von mir runter gehen? Du bist ziemlich schwer.", fügte er hinzu und schob Hermine von sich.
"Du weißt wirklich, wie man seiner Frau Komplimente machen kann.", erwiderte Hermine augenverdrehend, rollte sich aber schließlich doch zur Seite, da die Position langsam ziemlich unbequem für sie wurde.
"Das war schon immer meine Spezialität, das weißt du doch.", meinte Ron und legte einen Arm um sie, als sie sich neben ihn kuschelte. Er mochte ihre Streitereien zwar nicht mehr so wie früher, wahrscheinlich vor allem auch, weil jetzt wohl mehr auf dem Spiel stand, als nur ihre Freundschaft, aber in den letzten Wochen war es einfach nur noch nervig geworden. Das einzige, was er daran mochte, waren ihre Versöhnungen.
"Ja, ich erinnere mich.", murmelte Hermine mit geschlossenen Augen und rückte noch etwas näher zu ihrem Mann. Sie war heute irgendwie so müde gewesen und hier war es so bequem...
/-/
"Hey, ich bin fertig!", platzte jemand in ihren angenehmen Traum. Hermine schreckte hoch und rieb sich müde die Augen. Ron neben ihr schien nicht minder durcheinander zu sein.
"Was ist denn los?", fragte sie benommen und schaute sich verwirrt um. "Wer ist fertig?"
Cathy, die in der Tür stand, seufzte genervt. Sie verstand nicht, wie jemand mitten am Nachmittag schon so tief und fest schlafen konnte, wozu gab es denn schließlich die Nacht? "Na ich bin fertig, Mum.", erklärte sie langsam, so als würde sie mit einem kleinen Baby sprechen.
"Und womit?", fragte Hermine verständnislos.
"Na mit dem Baum schmücken.", half Cathy ihrer Mutter auf die Sprünge. Warum sind Erwachsene manchmal so doof?
"Mit dem Baum schmücken?", wiederholte Ron und schaute Hermine erstaunt an. "Du lässte sie tatsächlich alleine den Baum schmücken?", fragte er sie ungläubig. "Alleine?!" Er schaute von seiner Frau zu seiner Tochter und wieder zurück zu seiner Frau.
Hermine zuckte mit den Schultern. "Ich dachte, sie kann es dieses Jahr vielleicht besser hinkriegen als wir beide."
"Keine schlechte Idee.", sagte Ron. Cathy nickte zustimmend und lächelte. Gut, das ihre Eltern wohl keinen schlimmen Streit hatten, bestimmt war es nur eine kleine Auseinandersetzung gewesen. "Und der Baum ist schon fertig?"
Cathy nickte erneut. "Mum ist doch schon vor einer Stunde gegangen, also würde ich nicht unbedingt 'schon' sagen.", meinte Cathy und wurde langsam unruhig. Warum standen ihre Eltern denn nicht endlich auf, um sich den tollen Baum anzusehen?
"Eine Stunde?", fragte Hermine erschrocken und warf einen Blick auf den Wecker, der auf ihrem Nachttisch stand. Tatsächlich, eine Stunde war vergangen...
"Kommt ihr jetzt endlich?", fragte Cathy hibbelig und trat von einem Fuß auf den anderen.
Ron nickte und stand neugierig auf, Hermine folgte ihrem Mann und ihrer Tochter schnell, die beide schon ins Wohnzimmer geeilt waren. Erstaunt blieb sie vor dem Baum stehen. Cathy hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, er sah prachtvoll aus, nicht zu überladen, nicht zu leer, genau richtig. Er war wunderschön und wirkte überhaupt nicht mehr schief.
"Der ist super!", sagte Ron begeistert und hob seine Tochter hoch. Sie hielt sich quietschend an ihrem Vater fest, als er ihr einen Kuss auf die Wange gab.
Hermine ging zu den beiden und gab erst Cathy und dann Ron einen Kuss. "Der Baum ist perfekt, Cathy. Das hast du toll gemacht, so gut hätten wir das nie im Leben hingekriegt.", sagte sie stolz und versuchte ihre Tochter zu umarmen, was ziemlich schwierig war, weil Ron sie noch auf dem Arm hatte. Schließlich umarmte sie einfach beide.
"Wirklich?", fragte Cathy strahlend.
"Auf jeden Fall.", versicherte Ron und nickte heftig. Cathy lachte. Sie hatte schon tolle Eltern.
TBC...
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