von ChrissiTine
21. Dezember: Sie ist es wert
„Na, hast du alles bekommen?"
Scorpius zuckte überrascht zusammen. Seine Mutter stand am Fuß der Treppe in der großen Eingangshalle und betrachtete amüsiert ihren Sohn, der umgeben war von lauter Einkaufstüten. Scorpius wischte sich den Schweiß von der Stirn und nickte. „Die Winkelgasse war so was von vollgestopft … warum die Leute nicht früher einkaufen …"
„So wie du?", lachte sie und kam zu ihm, um einige der Tüten aufzuheben, die auf den Boden gefallen waren.
„Wenn es in Hogsmeade eine größere Auswahl geben würde, dann wäre das gar nicht nötig", verteidigte sich Scorpius. „Aber ich kann doch nicht nur Süßkram und Scherzartikel verschenken." Wobei er mehr als einmal mit dem Gedanken gespielt hatte, seinem Großvater Nasenblutnugat zu schenken. Doch wenn er an die Gardinenpredigten seiner Großmutter und seines Vaters dachte, die das zur Folge hätte, ließ er es doch lieber bleiben.
„Es geht doch nicht um das eigentliche Geschenk, sondern um die Geste", erwiderte seine Mutter und folgte ihm die Treppe hoch in sein Zimmer, um die Einkaufstaschen abzustellen.
„Also wenn ihr mir damals nicht die Eisenbahn geschenkt hättet, sondern irgendetwas anderes, dann wäre mir die Geste scheißegal gewesen", wandte Scorpius ein. Vor acht Jahren hatte er sich sehnlichst eine Modelleisenbahn gewünscht und als er sie tatsächlich bekommen hatte, hatte er die ganzen Ferien über damit gespielt. Sie war noch heute in seinem Spielzimmer aufgebaut und wenn er seine Ruhe haben wollte, verzog er sich dahin und ließ sie wieder fahren. Das hatte immer eine sehr beruhigende Wirkung auf ihn.
„Ja, in dem Alter wahrscheinlich schon", gab seine Mutter zu und stellte die Tüten auf seinem gemachten Bett ab. Scorpius ergriff die ersten zwei, um sie in seinem Schrank zu verstauen. „Aber wenn man mal älter ist, dann haben Geschenke eine andere Bedeutung. Ich hab mich immer sehr über deine gemalten Bilder gefreut, mein kleiner Picasso." Zärtlich strich sie ihm über sein blondes Haar. Seine Bilder waren immer schrecklich gewesen und er hatte Glück, dass sie ihn an abstrakte Kunst erinnert hatten und sie immer sehr begeistert darüber gewesen war. Aber vielleicht hatte sie ihm auch nur eine Freude machen wollen. So waren Mütter.
„Dann heb sie gut auf. Ich glaube nicht, dass ich noch irgendwann mal ein Bild malen werde", erwiderte er entschieden. Diese Papierverschwendung war vorbei.
„Schade", sagte sie und klang tatsächlich enttäuscht. „Ich finde wirklich, dass du ein sehr gutes Auge für Farbkompositionen hast und deine Pinselführung…"
Scorpius sah auf, als sie plötzlich verstummte und erkannte erschrocken, dass sie das kleine Tütchen in der Hand hatte, das er vom Juwelier bekommen hatte.
„Scorpius", sagte sie fassungslos, „du hättest dich doch für mich nicht in solche Unkosten stürzen müssen. Dein Vater schenkt mir doch schon Schmuck."
Er schüttelte hastig den Kopf und biss sich auf die Lippe. Würde sie jetzt enttäuscht sein, wenn sie die Wahrheit erfuhr? „Das ist nicht für dich", sagte er schnell und nahm ihr die Tüte aus der Hand.
„Ach nein?", fragte sie überrascht und runzelte die Stirn. „Seit wann schenkst du denn deiner Großmutter-"
„Es ist auch nicht für sie", unterbrach er sie. „Es ist für ein Mädchen."
Ihre Augen wurden groß und sie schaute ihn neugierig an. „Ein Mädchen?", fragte sie amüsiert. „Wow, das muss ja was ernstes sein, wenn du ihr jetzt schon Schmuck kaufst. Dein Vater hat mir erst zu unserem zweiten Weihnachten ein paar Ohrringe geschenkt." Wunderschöne Bernsteinohrringe aus Silber, die zu ihren Augen passten und die sie bis heute gerne trug. Sie lächelte, als Scorpius rot anlief. „Wer ist es denn? Carolina Matthews? Habt ihr euch wieder vertragen?"
„Bloß nicht", wehrte er ab. „Mit ihr will ich nie wieder zusammen sein." Nicht nach ihrem letzten Gespräch, als sie ihn so überraschend geküsst hatte. Er war sich nicht sicher, ob sie endlich akzeptiert hatte, dass aus ihnen nichts mehr werden würde, weil er den Teufel tun und noch einmal das Gespräch mit ihr suchen würde, aber sie war zumindest nicht mehr auf ihn zugekommen, wenn sie ihn in der großen Halle gesehen hatte. Im Zug war sie an seinem Abteil vorbeigekommen, aber als er demonstrativ den Arm um Rose gelegt hatte, während Lily sie wegen ihrer heimlichen Beziehung gelöchert hatte, hatte sie resigniert geseufzt und war einfach weitergegangen. Hoffentlich hatte sie begriffen, dass er Rose liebte und nicht sie.
„Und wer ist es dann?", hakte seine Mutter weiter nach. „Du hast niemanden erwähnt. Kenn ich sie vielleicht?"
„Nicht direkt." Ihre Mutter hatte Rose höchstens mal von weitem am Bahnhof gesehen, denn der einzige der Weasleys, den er je zu sich nach Hause eingeladen hatte, war Al gewesen. „Aber du weißt, wer sie ist."
„Und?" Er schluckte. „Meine Güte, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen! Wenn du ihr so ein Weihnachtsgeschenk kaufst, dann muss sie was Besonderes sein und ich als deine Mutter hab ja wohl ein Recht darauf, zu wissen, wer sie ist."
„Rose", murmelte er leise.
Sie runzelte die Stirn. „Wer?" Scorpius antwortete nicht, sondern starrte sie nur angespannt an und dann schien es ihr zu dämmern. Ihre braunen Augen wurden noch größer, als sie es vorhin schon gewesen waren. „Rose Weasley?", fragte sie mit dünner Stimme. Scorpius nickte nur. „Oh Merlin." Schockiert ließ sie sich auf sein Bett sinken. „Rose Weasley", flüsterte sie kopfschüttelnd. „Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet." Sie seufzte. „Dein Großvater wird sich freuen." Sie konnte schon hören, wie er ihr die Schuld dafür gab, dass ihr Sohn auf Abwegen wandelte. So wie sie immer an allem Schuld war.
„Das musst du mir nicht sagen", erwiderte Scorpius resigniert. Sein Großvater setzte große Hoffnungen in ihn als Erben der Familie Malfoy. Hoffnungen, die Scorpius nicht im Geringsten erfüllen wollte. Er hatte zwar nie wirklich mutwillig gegen den Willen seines Großvaters gehandelt, aber er würde sich auch nicht verbiegen und zu einem Menschen manchen lassen, der er nicht war. Er würde mit keiner Frau zusammen sein, die reinblütig war, nur um ihre bescheuerte Blutlinie aufrecht zu erhalten, wenn er diese Frau nicht liebte. Außerdem konnte er nur zu gut an seiner Mutter sehen, dass Reinblütigkeit kein Garant dafür war, von Lucius Malfoy akzeptiert zu werden. Und er würde auch keinen akzeptablen Beruf wählen, wenn dieser ihn nicht interessierte.
Er liebte Rose und wenn es irgendwie möglich war, dann würde er nach seinem Abschluss in der Muggelabteilung des Ministeriums arbeiteten. Die suchten schon lange weitere kompetente Leute. Scheiß egal, was sein Großvater davon halten würde und wie sehr es die Familienehre „ruinieren" würde. Lucius Malfoy hatte selbst mehr als genug dafür getan, das Ansehen der Familie Malfoy anzukratzen.
„Du hast sie wirklich gern, oder?", fragte seine Mutter schließlich sanft.
Er nickte. „Ich liebe sie, Mum. Und mir ist egal, was der Rest der Familie davon hält." Weder seine Großeltern noch sein Vater würden etwas an seinen Gefühlen für sie ändern können. Niemand.
Sie stand langsam auf und strich ihm zart über die Wange. „Das wird es auch sein müssen, wenn du mit ihr zusammenbleiben willst."
„Ich weiß", erwiderte er. „Aber sie ist es wert, Mum." Wenn es nach ihm ging, würde er sie nie wieder hergeben. Nie wieder.
„Ich weiß", konterte sie lächelnd und schaute auf die Juweliertüte. „Wenn du sie liebst, dann ist sie das. Ich hoffe nur, es ist genug."
Er schluckte. „Ich auch." Und wie.
TBC…
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A/N:
@jujaja: Sie müssen ja auch ein paar erkennbare weihnachtliche Muggelprobleme haben, wo bleibt sonst die weihnachtsliche Stimmung, die ich dieses Jahr ja sehr außen vor gelassen hab?
Morgen wird Ron es auch endlich erfahren, wobei das wahrscheinlich nicht so spektakulär von statten gehen wird, wie manche vielleicht erwarten werden.
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