von ChrissiTine
18. Dezember: Keine Augen im Kopf
„Wow, du bist heute aber sehr nervös", stellte Hugo misstrauisch fest und beäugte seine große Schwester, die ihm gegenüber in einem Abteil des Hogwartsexpresses saß.
Rose versuchte so unbeteiligt wie möglich auszusehen und biss unschuldig in einen Schokofrosch. Al neben ihr versuchte sich das Lachen zu verkneifen. „Ich weiß nicht, was du meinst, ich bin doch so wie immer."
„Und deshalb stopfst du schon den zehnten Schokofrosch in dich hinein", erwiderte Hugo sarkastisch. „Ich weiß gar nicht, was dein Problem ist. Du hast doch für alle Hausaufgaben bisher ein O bekommen. Mum wird dir bestimmt keinen Vortrag darüber halten, dass du dein Potential nicht voll ausschöpfst." Er verdrehte die Augen. Er hingegen durfte sich die Rede von seiner Mutter jedes Mal anhören, wenn er von der Schule kam, weil seine Noten sich immer noch nicht verbessert hatten. Was auch völlig unnötig war, da er schon lange wusste, dass er einmal bei Onkel George arbeiten wollte und wenn es einen Arbeitgeber gab, der sich nicht um seine Noten scherte, dann war er das. Er wusste, dass Hugo talentiert genug für den Beruf war und das war genug. Hugo quälte sich nur durch die Schule, um ein gewisses Basiswissen und die Grundfähigkeiten der Zauber zu erlernen, damit er später vernünftige Scherzartikel herstellen konnte.
„Aber sie hat doch Recht", erwiderte Rose und schluckte den Rest ihres Frosches hinunter, während sie die Schokofroschkarte von Neville in ihre Tasche steckte. Von ihm hatte sie schon fünfzehn. „Wenn du dich nur ein bisschen mehr anstrengen würdest, dann könntest du-"
„Hör bitte auf damit", unterbrach Hugo sie gequält. „Mir reicht schon Mum, da muss ich das nicht auch noch von dir hören."
„Von mir aus", murmelte sie beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie hat trotzdem Recht."
„Ich finde ja, dass Hugo sein Potential dieses Jahr schon sehr ausgeschöpft hat", meldete sich James zu Wort, der bisher seinen Kopf in eine Quidditchzeitschrift gesteckt hatte. „So wie wir euch dieses Jahr fertig gemacht haben, Brüderchen, habt ihr keine Chance auf den Pokal. Der gehört uns!"
„Das wollen wir doch noch sehen!", rief Al, sofort wieder auf hundertachtzig. „Ihr habt überhaupt nur gewonnen, weil euer Treiber meinen Sucher mit seinem Klatscher außer Gefecht gesetzt hat!"
„Dein Sucher ist eine Memme!", widersprach James sofort. „Ein echter Quidditchspieler hält sowas aus."
„Ich möchte mal sehen, wie du mit einem Schulterbruch noch Tore machst!"
„Mit Links, Al, einfach mit Links", grinste James. „Jetzt hab dich doch nicht so, ihr habt ja nur mit 200 Punkten Unterschied verloren."
„Und ihr habt völlig unverdient gewonnen! Ich wünsche euch, dass Ravenclaw euch fertig macht! Die spielen noch unfairer als ihr!"
Wütend knallte James das Magazin auf den Boden und sprang auf. „Wenn du noch einmal behauptest, dass wir unfair gewonnen haben, dann … dann … dann …"
Al zog unbeeindruckt eine Augenbraue hoch. „Was dann? Brichst du mir auch die Schulter? Das war sowas von mutwillig! Es ist eine Schande, dass ihr solche Fouls überhaupt nötig habt, aber wenn ihr sonst nicht gewinnen könnt-"
„Das war überhaupt keine Absicht, du Idiot! Wie können wir denn ahnen, dass euer Sucher zu blöd ist, um auszuweichen? Solche Unfälle passieren nun mal manchmal. Dad hatte auch mal einen Schädelbruch-"
„Weil ein völlig inkompetenter Spieler den Klatscher getroffen hat. Die Tradition scheint sich wohl fortzusetzen!"
„Inkompetent ist höchstens dein Sucher, weil der blind wie ein Maulwurf ist!"
Rose schaute die beiden Brüder kopfschüttelnd an. „Das Spiel war vor drei Wochen, wie lange wollen die sich denn noch darüber streiten?", flüsterte sie Scorpius genervt zu, während Al und James sich weiterhin Beleidigungen an den Kopf warfen. Scorpius zuckte mit den Schultern und zog es vor, nicht zu antworten. Obwohl sich Al viel zu sehr in die ganze Sache hineinsteigerte, war Scorpius auch der Meinung, dass der Spielzug viel zu geplant gewirkt hatte, um ein blöder Zufall zu sein. Ohne den Ausfall ihres Suchers hätten sie wirklich gute Chancen auf den Sieg gehabt. Aber Hugo hatte sich dennoch als überraschend talentierter Jäger entpuppt, daran war nichts zu rütteln. Zusammen mit seinem besten Freund Tommy waren sie ein wirklich gutes Team.
„Du musst dir die Scheiße wenigstens nicht die ganzen Weihnachtsferien anhören", erwiderte Lily missmutig. Sie hatte versucht, das Kreuzworträtsel des Klitterers zu lösen, aber bei dem Geschrei konnte man sich ja nicht konzentrieren. „Da wäre es sogar besser, wenn Al wieder diese bescheuerten Schnulzen hören würde, wie damals, als er sich von Della getrennt hat. Am besten sollte er in der Hölle schmoren." Missmutig kreuzte sie die Arme vor der Brust. Sie hatte sich immer noch nicht mit Al vertragen, weil er sich in ihre Beziehung zu Leonard McLaggen eingemischt hatte. Nur weil sie Zeit mit dem Rest der Familie verbringen wollte, war sie überhaupt in dem Abteil.
„Also mir ist es lieber, er streitet sich mit James, als dass er wieder so depressiv ist. Ich hatte wirklich Angst, dass er sich vom nächsten Turm wirft", wandte Scorpius ein. Er hatte sich wirklich große Sorgen um seinen besten Freund gemacht und war mehr als erleichtert gewesen, als Al sich endlich so erholt hatte von seiner Trennung, dass er sich wieder auf Quidditch konzentrieren konnte.
„Letzte Weihnachten warst du aber auch nicht besser, so, wie du Enid hinterhergeheult hast", gab Hugo schulterzuckend zu bedenken. „Auf Mollys Hochzeit saht ihr eher aus wie auf einer Beerdigung."
„Also da übertreibst du jetzt aber", erwiderte Scorpius. Sicher, er war deprimiert gewesen, weil Enid lieber James wollte als ihn, aber so schlimm wie Al war er auf keinen Fall gewesen. Er hatte Spaß gehabt auf Mollys Hochzeit.
„Nicht wirklich", gab Rose ihrem Bruder Recht. Scorpius schaute sie zweifelnd an. „Ach komm schon, auf den meisten Fotos habt ihr ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter gemacht. Und James hat fast euer ganzes Essen gegessen und wann habt ihr das schon jemals zugelassen?"
„Nie im Leben", beharrte Scorpius. „Al vielleicht, aber ich nicht."
„Doch, du auch."
„Stimmt nicht."
„Stimmt doch."
„Nein."
„Doch."
„Nein."
„Doch."
„Das nimmst du zurück."
Sie schüttelte den Kopf. „Das kannst du vergessen."
„Ich warne dich."
„Jetzt hab ich aber Angst."
„Ich mein das Ernst, Rose. Nimm's zurück."
„Sonst was?"
„Sonst … sonst …" Er fing an sie zu kitzeln und sie schrie auf. Das war besonders gemein, denn sie war sehr kitzelig und der Mistkerl wusste auch ganz genau, an welchen Stellen, da es ihr häufig passiert war, dass sie angefangen hatte zu lachen, während sie herumgeknutscht hatten. Scorpius hatte eine Weile gebraucht, bis er das nicht mehr persönlich genommen, sondern sich darüber amüsiert hatte.
Sie schlug um sich, bis sie es schließlich geschafft hatte, ihn dazu zu bringen, wieder damit aufzuhören. Schwer atmend schaute sie ihn an. „Frieden?", fragte sie lachend.
„Frieden", erwiderte er grinsend und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund, weil sie so süß aussah. „Aber nur weil du es bist."
Erschrocken fuhren sie auseinander, als Lily hinter ihnen quietschte. Sie hatte die Hände vor den Mund geschlagen und schaute die beiden mit großen Augen an. Sogar Al und James hatten ihren Streit unterbrochen, um das Paar neugierig zu mustern. Nur Hugo schien gänzlich unbeeindruckt zu sein.
„Oh mein Gott!", rief Lily aufgedreht. „Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott!" Aufgeregt hopste sie auf ihrem Sitz auf und ab. „Ihr zwei … ihr … ihr beide … ihr … ihr seid … ihr seid … oh mein Gott!"
„Willst du damit sagen, dass zum ersten Mal etwas vor deinem allwissenden Auge verborgen geblieben ist?", fragte Al amüsiert.
Lily durchbohrte ihn mit ihrem Blick und Al zuckte zusammen. Sie konnte sehr viel beängstigender sein als James, egal, was der ihm an den Kopf warf. Bei ihm war es nur heiße Luft.
„Jetzt tu nicht so, als ob du Bescheid wusstest", sagte sie und verdrehte die Augen.
„Und ob ich Bescheid wusste. Schon seit Wochen."
„Aber auch nur weil du uns gesehen hast", warf Rose ein. Lily und Al konnten weiß Gott kein weiteres Streitthema gebrauchen.
„Trotzdem wusste ich es", beharrte Al triumphierend. „Ich weiß mehr als du denkst, und nicht nur was die zwei angeht. Manchmal solltest du wirklich auf mich hören, Lil."
„Ach halt die Klappe", erwiderte sie wütend.
James fing an zu lachen. „Bitte sag es Onkel Ron, wenn ich dabei bin. Sein Gesicht muss herrlich sein. Vielleicht kippt er sogar um. Da muss ich dabei sein."
„Das kannst du vergessen", Rose schüttelte entschieden den Kopf. Soweit kam es noch, dass James seine sinnlosen und absolut nicht witzigen Kommentare abgab, wenn sie ihrem Dad so etwas Wichtiges sagte. Da musste nicht auch noch die ganze Familie dabei sein.
„Dann muss Hugo wenigstens Fotos machen", wies er Roses Bruder an. „Du wunderst dich gar nicht. Hast du die zwei auch in flagranti ertappt wie Al?"
„Also in flagranti würde ich jetzt nicht unbedingt sagen …" widersprach Rose, während Al bekräftigend nickte.
„Nö, aber so überraschend ist das jetzt auch nicht", erwiderte Hugo schulterzuckend und blätterte eine Seite um. „Habt ihr denn keine Augen im Kopf?"
TBC…
_________________________________________________________
A/N:
@Dolohow: Ah ja, da hast du dir gerade die langen ausgesucht, da liest man schon eine Weile (ich muss gestehen, ich hab gestern Abend auch mal Baby an Bord ein bisschen quergelesen, da sitzt man schon lange dran). Schön, dass sie dir immer noch gefallen und einen Wiederlesewert haben.
@jujaja: Ah, du hast meinen Test bestanden und entdeckt, wo ich den falschen Namen benutzt habe ;). War nur ein Scherz, den Namen da hab ich komplett übersehen (aber im großen und ganzen bin ich wenigstens beim richtige geblieben. Keine Ahnung, was ich mit diesem Namen hab, das ich den ständig verwechsel.), danke für den Hinweis. Soweit ich mich erinnere, kommt Carolina aber nicht mehr vor, da ist die Chance wenigstens gering, dass ich die Namen nochmal vertausche.
@Leni-04: Kein Problem, dass du die Momentaufname vergessen hast, die hab ich auch schon vor drei Jahren geschrieben. Ich hab das Thema hier auch nur nochmal am Rande aufgegriffen, weil es gerade in die Zeit dieser FF fällt und mir diese Verwobenheit gut gefällt. Und ihre Eltern weihen Rose und Scorpius schon noch in diesem Adventskalender ein (auch wenn es wahrscheinlich wesentlich unspektakulärer ist, als viele erwarten), das gab es nicht in den Momentaufnahmen. Und dein Gedächtnis ist sehr gut, in den Momentaufnahmen wird tatsächlich nur von Roses Schwangerschaft berichtet.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel
