von ChrissiTine
7. Dezember: Heimweh
2025
Scorpius starrte aus dem Fenster auf die Schneemassen, die vom Himmel fielen. Die Nacht war stockdunkel, aber direkt vor dem Fenster konnte er sehen, wie dicht die weißen Flocken waren.
Der Schnee erinnerte ihn an Hogwarts. Im Winter lag so viel auf dem Schlossgelände, dass man kaum nach draußen gehen konnte. Die Hogsmeadewochenenden um die Zeit waren immer eine Herausforderung gewesen. Und es war eine sehr interessante Erfahrung gewesen, im Schnee mit Rose herumzuknutschen. Am Ende war ihm immer so viel Schnee in den Kragen gefallen, dass er ganz durchgefroren war, wenn er im Schloss angekommen war. Aber das war es wert gewesen.
Auf dem Anwesen seiner Großeltern lag auch immer so viel Schnee, aber da war es ihm nie erlaubt gewesen, auch nur einen Fuß nach draußen zu setzen, um im Schnee zu spielen. Das war unter der Würde eines Malfoy.
In der Gegend seines Elternhauses schneite es leider viel zu selten, denn das war direkt in London. Aber der Fuchsbau war auch immer wunderschön verschneit und da kümmerte es keinen, wenn vor oder während der Weihnachtsfeier eine Schneeballschlacht stattfand.
Er seufzte. Er hätte nie gedacht, dass ihm Weihnachten im Fuchsbau so fehlen würde. Als sein bester Freund Al ihn mit dreizehn das erste Mal zur Feier eingeladen hatte, hatte Scorpius lange gezögert, ob er kommen sollte oder nicht. Der Fuchsbau war voller Weasleys, die auf seine Familie nicht gerade gut zu sprechen waren, egal, wie viel Zeit vergangen war. Aber Al war sein bester Freund und er hatte ihn eingeladen und Scorpius wusste, dass es ihm wichtig war, dass er kam. Außerdem verspürte er das brennende Verlangen, den Feiertag mit diesem bunten Haufen zu verbringen, anstatt alleine mit seinen Eltern in ihrem großen Haus. Er hasste es, ein Einzelkind zu sein. Solange er denken konnte, hatte er sich ein Geschwisterchen gewünscht, jemanden, mit dem er spielen konnte und der verstand, was es bedeutete, ein Malfoy zu sein, die Vorurteile von dem Gesicht eines Fremden abzulesen, sobald er wusste, wer man war. Aber seine Eltern hatten seinen Wunsch nicht erfüllt und als seine Mutter einmal angefangen hatte zu weinen, als er sie wieder einmal gefragt hatte, hatte er es aufgegeben.
Aber Al verstand ihn. Al verstand die Vorurteile der Leute, auch wenn sie den Potters gegenüber viel positiver waren als den Malfoys. Nichtsdestotrotz kannte er all die Erwartungen, die die Leute hatten und den Druck, sie entweder zu erfüllen oder zu widerlegen.
Al war der Bruder, den er sich immer gewünscht hatte und für ihn war er gerne in den Fuchsbau gekommen. Und er war viel herzlicher empfangen worden, als er gedacht hatte. Als Großmutter hatte ihm sogar einen Pullover gestrickt – ihm! – und bis auf Ron Weasley schien es jedem egal zu sein, wer seine Familie war. Aber sogar Rons missbilligende Blicke fehlten ihm. Ohne sie war es nicht Weihnachten. Er lächelte. Er hatte nicht gedacht, dass die Blicke noch feindseliger hätten werden können, aber seit er mit Rose zusammen war, war es tatsächlich passiert. Aber das nahm er gerne in Kauf, solange er Rose hatte.
Wenn sie nur da wäre. Er wusste, dass er sie vermissen würde, aber er hatte keine Ahnung, wie schlimm es sein würde. Er hatte einen Monat gebraucht, um sich daran zu gewöhnen, dass sie nicht neben ihm lag, wenn er aufwachte, oder zumindest lauten Krach in der Küche veranstaltete, während sie Kaffee kochte. Er hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, dass er ihr keinen Gute-Nacht-Kuss geben konnte. Über das Flohnetzwerk funktionierte das einfach nicht richtig. Einmal wäre er fast an dem Ruß erstickt.
In ein paar Tagen würde sie endlich hier sein. In ein paar Tagen würde er sie endlich wieder küssen und in den Arm nehmen können und neben ihr einschlafen und neben ihr aufwachen. Und im nächsten Jahr würde sie auch mehr Zeit haben, ihn öfter zu besuchen, weil sie nicht so viele Prüfungen schreiben musste. Er wollte ihr einiges von Amerika zeigen, was er schon gesehen hatte, und noch vieles mehr, was er sehen wollte, auch wenn er das Gefühl hatte, dass sie weniger Zeit draußen verbringen würden als sie jetzt planten. Aber kein Moment mit Rose war verschwendet.
Und Al plante auch, in den nächsten Monaten mal vorbeizuschauen, wenn er ein paar Tage frei hatte und auf der Grabstätte in Neuseeland nicht gebraucht wurde, das würde auch super werden.
Eine Sache mussten sie auf jeden Fall machen: Er hatte gehört, dass eine Bibliothek in der University of Washington in Seattle aussah wie die große Halle, und das wollte er mit eigenen Augen sehen. Er hatte großen Respekt vor Muggeln, er wusste, wie viel sie konnten und wie sehr sie von Zauberern unterschätzt wurden (nicht umsonst hatte er schließlich Muggelkunde belegt und arbeitete in der Muggelabteilung des Ministeriums, die ihn überhaupt erst nach Amerika geschickt hatte, um von dem Umgang hier zu lernen), aber dass sie es wirklich schafften, einen Raum zu bauen, der aussah wie die große Halle … das war schon eine beeindruckende Leistung.
„Scorpius, das Essen ist fertig."
Scorpius sah auf. Tori, eine Kollegin aus der Muggelabteilung hier, stand in der Tür und lächelte ihn an. Sie trug einen Pullover, auf dem ein Rentier abgebildet war und hatte eine Weihnachtsmütze auf dem Kopf. „Denkst du wieder an Rose?"
Scorpius lachte und stand auf. Tori war so nett gewesen, ihn zum Weihnachtsfest ihrer Familie einzuladen, damit er ein echtes amerikanisches Weihnachten erleben konnte.
„Nicht nur", erwiderte er und folgte ihr zum Esszimmer. „Ich hab an meine Familie gedacht. Und diese Pseudo-Hogwartshalle."
Tori lachte. „Die ist wirklich beeindruckend. Viel besser als Hogwarts."
„Ich weiß ja nicht", erwiderte Scorpius grinsend. Nichts war besser als Hogwarts. Aber das konnten Amerikaner einfach nicht verstehen.
TBC…
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A/N: Scorpius alleine hat heute nur ganz knapp gewonnen (15,8%/6 Stimmen), dicht gefolgt von ihm und Rose in Seattle (13,5%/5 Stimmen). Seattle hat leider keine Mehrheit an einem der anderen Tage, also werde ich es wahrscheinlich posten, wenn kein anderes Kapitel eine Mehrheit hat. So einfach ist diese Demokratie-Sache gar nicht ;).
@Toffi: Ich hatte nicht immer Zeit für ellenlange Kapitel und einige werden sehr kurz sein, weil ich sie in Amerika zwischen Papers und 100-Seiten-Texten, die ich in zwei Tagen lesen musste, geschrieben habe, aber bei dem ist mir glaub ich einfach nicht mehr eingefallen. Und George hat doch keinen Filter, dem ist es glaube ich immer egal, wer da ist, wenn er solche Sachen sagt.
@spiria: Kein Problem, dass du keine Zeit hattest, Dezember kann sehr stressig sein. Was Ron und Scorpius betrifft, seit er Enkelkinder hat und sich damit abgefunden hat, dass er Scorpius nicht so einfach loswerden kann, hat er ihn akzeptiert und im Laufe der Zeit sogar angefangen zu mögen, aber sowas dauert seine Zeit und bei einem Sturkopf wie Ron kann es doppelt so lange dauern. Und Fred und Ellen ... sie sind für meinen Geschmack noch zu jung für irgendwelche wirklich starken Gefühle, aber zumindest eine gewisse Sympathie und Zuneigung (die man meiner Meinung nach auch bei Ron im 2. Buch sehen kann, wo die Versteinerung von Hermine seine Motivation ist, den Spinnen zu folgen und nicht nur Neugier wie bei Harry, irgendwer hat das mal wunderbar analysiert), die sich im Laufe der Zeit zu mehr entwickelt, ist da, wenn auch nur sehr unterschwellig.
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