von ChrissiTine
1. Dezember: Das Adventskalenderbuch
2042
„Mummy? Was ist das?" Die kleine fünfjährige Elizabeth Mitchell schaute ihre Mutter mit großen neugierigen Augen an und hielt ihr ein dickes Buch unter die Nase, das sie heute Morgen vor ihrer Zimmertür gefunden hatte.
Lily schaute ihr kleines Mädchen liebevoll an und strich ihr eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das, Lizzie, ist ein Adventskalender."
Lizzie runzelte die Stirn und schaute sich das Buch von allen Seiten an. „Sind da nicht immer Süßigkeiten drin?" Sie blätterte es durch, sie drehte es um und schüttelte es in der Hoffnung, dass etwas herausfallen würde. Sie überlegte sogar, hineinzubeißen, für den Fall, dass das Buch selbst eine Süßigkeit war.
Lily schüttelte lachend den Kopf und zog ihre Tochter auf den Schoß. „Ein Adventskalender besteht nicht immer nur aus Süßigkeiten, Prinzessin.", sagte sie und lachte noch mehr, als sie die enttäuschte Miene von Lizzie sah. In ihrem Alter war sie genauso enttäuscht gewesen, daran konnte sie sich noch gut erinnern.
„Keine Süßigkeiten?", fragte Lizzie traurig. „Was dann?"
„Worte, mein Schatz."
„Worte?" Lizzie schaute Lily an, als ob sie verrückt geworden wäre. „Wie kann man denn aus Worten einen Adventskalender machen, Mummy? Das geht doch gar nicht."
„Natürlich geht das", widersprach Lily amüsiert und nahm ihrer Tochter das Buch aus der Hand. Sie schlug es auf der ersten Seite auf und hielt es so, dass Lizzie es sehen konnte, wenn sie sich nahe genug an Lily herankuschelte und sich lang genug machte. „Und es macht mehr Spaß, als du denkst. Deine Großmutter hat mir dieses Buch gegeben, als ich so alt war wie du, und ich hab es seitdem jedes Jahr als Adventskalender benutzt. Jetzt, wo du lesen kannst, bist du alt genug, und du kannst es behalten, bis deine Tochter alt genug ist."
„Wirklich?" Auch wenn Lizzie immer noch nicht verstand, was so toll an einem Buch als Adventskalender sein sollte, so war es doch zumindest etwas Besonderes, dass ihre Mummy ihr das Buch schenkte, welches sie von Grandma vor Ewigkeiten bekommen hatte. Jetzt, wo sie es sich genauer anschaute, bemerkte sie auch, dass der Einband schon ziemlich abgenutzt war.
„Ja. Und es ist viel besser als die langweilige Schokolade, die deine Onkel jedes Jahr bekommen haben", fügte Lily hinzu und blätterte zu der Seite, auf der 1. Dezember stand. „Du bekommst nämlich jeden Tag eine andere Geschichte. Und wenn du das Buch nächstes Jahr wieder in die Hand nimmst, dann kriegst du neue Geschichten. Jedes Jahr."
„Wirklich?" Das klang ja gar nicht so schlecht.
„Und das Beste ist, dass du dir aussuchen kannst, was für eine Geschichte du bekommst. Etwas lustiges, oder trauriges, oder gruseliges. Manchmal hab ich mir auch ein Gedicht gewünscht, oder einen Witz, den Onkel James noch nicht kannte, oder eine Geschichte von deinen Großeltern, als sie noch jung waren. Und das Buch hat meinen Wunsch jedes Mal erfüllt." Lily schaute wehmütig auf das Buch. „Irgendwie werde ich es vermissen, jeden Dezember darin zu lesen. Es ist schon etwas Besonderes."
Lizzie drehte den Kopf und küsste ihre Mutter aufmunternd auf die Wange. „Sei nicht traurig, Mummy. Wir können das Buch ja immer zusammen lesen."
Lily lächelte. „Das wäre schön. Aber wenn du doch mal eine Geschichte alleine lesen willst, dann kannst du das auch machen. Das wichtige ist, dass du jeden Tag nur eine Geschichte lesen kannst, und zwar nur vom ersten bis zum vierundzwanzigsten Dezember. Das Buch weiß ganz genau, was für ein Tag ist und ob du schummeln willst. Dann funktioniert es nicht mehr."
„Oh" Lizzie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber sie hatten schon überlegt, ob sie nicht viel mehr als nur vierundzwanzig Geschichten lesen konnte.
„Aber so kannst du dich jeden Tag auf eine Geschichte freuen, und das ist doch auch schön."
Sie nickte. Ja, so schlecht klang das wirklich nicht. Und sie liebte Geschichten, besonders die lustigen. Bevor sie lesen gelernt hatte, hatte sie immer alle Erwachsenen gebeten, ihr vorzulesen, besonders ihre Lieblingsgeschichten, bis die Erwachsenen irgendwann keine Lust mehr gehabt hatten, immer das gleiche zu lesen. Ihre Enttäuschung, keine Süßigkeiten bekommen zu haben, so wie jeder andere, den sie kannte, war verflogen. Dieses Buch hatte sonst keiner, nur sie. Und von einer Geschichte hatte sie viel mehr als von Schokolade, die sie in einer Minute aufgegessen hatte. Ihre Mummy wusste wirklich, wie man sie glücklich machen konnte.
„Können wir es gleich ausprobieren?", fragte sie gespannt.
Lily nickte. „Natürlich. Was möchtest du denn heute lesen?"
„Etwas lustiges", sagte Lizzie sofort. Für etwas Lustiges war sie immer zu haben. „Und vielleicht etwas mit einem Kind.", fügte sie noch hinzu. „Wenn das Buch so etwas hat."
Lily lächelte. „Dieses Buch hat alles. Das ist ja das tolle daran." Sie zeigte auf die Seite, auf der vor kurzem nur 1. Dezember gestanden hatte. „Schau mal."
Lizzie schaute mit großen Augen zu, wie immer mehr und mehr Buchstaben auf der Seite erschienen und sie füllten. Sie blätterte rasch um und sah, dass auch die nächsten Seiten plötzlich voller Buchstaben waren, obwohl sie vor ein paar Sekunden noch ganz weiß gewesen waren. Das war ja wirklich tolle Magie! Dann blätterte sie wieder zurück zum Anfang und fing gespannt an zu lesen.
Ein Schüleraufsatz zum Advent
Der Advent
Der Advent ist die schönste Zeit im Winter. Die meisten Leute haben im Winter eine Grippe. Die ist mit Fieber. Wir haben auch eine, aber die ist mit Beleuchtung und man schreibt sie mit K.
Drei Wochen bevor das Christkind kommt, stellt der Papa die Krippe im Wohnzimmer auf und meine kleine Schwester und ich dürfen mithelfen.
Viele Krippen sind langweilig, aber die unsere nicht, weil wir haben mords tolle Figuren darin. Ich habe einmal den Josef und das Christkind auf den Ofen gestellt, damit sie es schön warm haben und es war ihnen heiß. Das Christkind ist schwarz geworden und den Josef hat es in lauter Trümmer zerrissen. Ein Fuß von ihm ist bis in den Plätzchenteig geflogen und es war kein schöner Anblick.
Meine Mama hat mich geschimpft und gesagt, dass nicht einmal die Heiligen vor meiner Blödheit sicher sind.
Wenn die Maria ohne Mann und ohne Kind rumsteht, schaut es nicht gut aus. Aber ich habe Gott sei dank viele Figuren in meiner Spielkiste und der Josef ist jetzt Donald Duck. Als Christkind wollte ich Asterix nehmen, weil der ist als einziger so klein, dass er in den Futtertrog gepasst hätte. Da hat meine Mama gesagt, man kann doch keinen Asterix als Christkind nehmen, da ist das verbrannte Christkind noch besser. Es ist zwar schwarz, aber immerhin ein Christkind.
Hinter dem Christkind stehen zwei Ochsen, ein Esel, ein Nilpferd und ein Brontosaurier. Das Nilpferd und den Saurier habe ich hinein gestellt, weil die Ochsen und der Esel waren mir allein zu langweilig. Links neben dem Stall kommen gerade die heiligen drei Könige daher. Ein König ist dem Papa im letzten Advent beim Putzen herunter gefallen und er war total hin. Jetzt haben wir nur noch zwei heilige Könige und einen heiligen Batman als Ersatz.
Normal haben die heiligen Könige einen Haufen Zeug für das Christkind dabei, nämlich Gold, Weihrauch und Pürree oder so ähnlich. Von den unseren hat einer anstatt Gold ein Kaugummipapier dabei, das glänzt auch schön. Der andere hat eine Malboro in der Hand, weil wir keinen Weihrauch haben. Aber die Malboro raucht auch schön, wenn man sie anzündet. Der heilige Batman hat eine Pistole in der Hand. Das ist zwar kein Geschenk für das Christkind, aber damit kann er es vor dem Saurier beschützen.
Hinter den drei Heiligen sind ein paar rothäutige Indianer und ein Engel. Dem Engel ist ein Fuß abgebrochen, darum haben wir ihn auf ein Motorrad gesetzt, damit er sich leichter tut. Mit dem Motorrad kann er fahren, wenn er nicht gerade fliegt. Rechts neben dem Stall haben wir das Rotkäppchen hingestellt. Sie hat eine Pizza und drei Bier für die Oma dabei. Einen Wolf haben wir nicht, darum lauert hinter dem Baum ein Bär als Ersatzwolf hervor.
Mehr steht nicht in unserer Krippe, aber das reicht voll.
Am Abend schalten wir die Lampe an und dann ist unsere Krippe erst so richtig schön. Wir sitzen so herum und singen Lieder vom Advent. Manche gefallen mir, aber die meisten sind mir zu langweilig.
Mein Opa hat mir ein Gedicht vom Advent gelernt und es geht so:
" Advent, Advent, der Bärwurz brennt,
Erst trinkst ein, dann zwei, drei, vier,
dann haut es dich mit dem Hirn an die Tür! "
Obwohl dieses Gedicht recht schön ist, hat Mama gesagt, dass ich es mir nicht merken darf.
Eher es man sich versieht ist der Advent vorbei und Weihnachten auch und mit dem Jahr geht es auch dahin.
Die Geschenke sind ausgepackt und man kriegt vor Ostern nichts mehr, höchstens man hat vorher Geburtstag.
Aber eins ist gewiss: Der Advent kommt immer wieder.
Autor unbekannt
„Wow, das war ja klasse", sagte Lizzie begeistert, nachdem sie fertig gelesen hatte. Sie drehte sich um und umarmte ihre Mutter. „Vielen, vielen Dank, Mummy, das ist der tollste Adventskalender, den ich je bekommen habe."
Lily lächelte. Ihre Tochter kam wirklich ganz nach ihr, genauso verrückt nach Büchern, wie sie es schon immer gewesen war. Und sie würde das Buch genauso lieben wie Lily es getan hatte, seit sie es zum ersten Mal in der Hand gehalten hatte.
TBC…
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A/N: Link zu der Geschichte: http://www.geldgeschenke-idee.de/html/kurze_weihnachtsgeschichten.html
Und noch einmal der Link zur Umfrage: http://de.surveymonkey.com/s/3WYS2V2
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