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Fanfiction

James Potter und die Schwestern des Schicksals - Kapitel 37

von Jojoi

Zum Beginn des neuen Semesters hier das neue Kap :D Danke für die Kommis, würde mich über weitere freuen!!
glg, jojoi
_______________________________________

»Und das hier ist das Badezimmer.« Die Frau mittleren Alters öffnete eine Tür und ein dunkler Raum mit olivgrünen Keramikwannen und braunen Kacheln gähnte ihnen entgegen. Lily und Julia warfen einen kurzen Blick hinein, tauschten kurze Blicke und traten dann zurück, damit sich auch die anderen Interessenten das Badezimmer anschauen konnten. Die Frau hatte ein Dauergrinsen im Gesicht, das schon aus zehn Metern Entfernung so falsch wirkte, wie Sirius’ unschuldiger Hundeblick.
»Lily, ernsthaft, lass uns gehen.«, grummelte Julia und hakte sich bei ihrer Freundin unter.
»Mit ein bisschen Magie sieht es sicherlich gar nicht mehr so schlecht aus.«, raunte Lily zurück.
»Das ist nicht wirklich die Wohnung, in der du sehnsüchtig auf James warten willst, wenn er mal wieder mit seinem Quidditchteam im Trainingslager ist.«
»Sie ist billig.«
»Ja, zurecht.« Julia sah sich in dem öden Flur um und schnaubte. »Ich habe Angst, dass mir jeden Moment die Wände entgegen kommen. Und es stinkt nach Pisse. Willst du das auch wegzaubern?«
Lily seufzte. Es war jetzt schon die dritte Wohnung, die sie an diesem Tag anschauten. Diese hier befand sich in einem kleinen Küstenort in Wales, die zwei anderen waren in Kent gewesen und noch teurer und schlechter gewesen. Nachdem Lily die letzten Wochen sämtliche Zeitungen, die sie in York hatte kaufen können, nach Immobilien durchstöbert hatte, war sie schließlich doch nur an ein paar wenigen hängen geblieben, die sie sich leisten konnte. James behauptete zwar immer noch, dass Geld keine Rolle spielte, aber Lily wollte nicht ihn die Hauptlast tragen lassen. Auf ihrem Muggelgeldkonto sah es allerdings nicht allzu rosig aus.
Julia schlug raschelnd die Zeitung auf, die sie die ganze Zeit über in der Tasche trug und tippte auf eine gelb markierte Anzeige. »Lass uns dorthin gehen! Es ist zwar Dublin, aber hey, die Iren sind ein lustiges Völkchen. Zweiter Stock, Balkon, vor zwei Jahren renoviert, drei Zimmer-«
»Ich kenne die Anzeige, Juli.«, unterbrach Lily und lief noch einmal den Flur entlang zur Küche. »Ich kenne den Preis…«
»Aber ansehen kostet nichts, oder?« Julia folgte ihr eilig und hielt sie wieder am Arm fest. »Komm schon. Willst du hier deine Kinder großziehen?«
Lily seufzte. James hatte selbst jetzt alle Hände voll zu tun mit der Arbeit in seinem Verein. Die vielen Aufgaben, die die verstorbenen Spieler und Coaches der Puddlemere übernommen hatten, mussten trotz allem erledigt werden. Als Julia am Morgen auf einen Besuch im Potterhaus aufgetaucht wer, hatte er vorgeschlagen, dass sie Lily begleiten solle. Anfangs war Lily nicht begeistert gewesen, doch Julia war sofort Feuer und Flamme. Aber vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn James nicht sah, was für Wohnungsbesichtigungen sie herausgepickt hatte…
»Wir wollen doch nicht gleich Kinder kriegen«, murmelte Lily und versuchte eine Tapete, die sich wellte und halb eingerissen war, wieder glatt zu streichen.
»Naja, aber das wäre der einzige Grund, weswegen man in diesem düsteren und unheimlichen Schlafzimmer Sex haben sollte.« Julia nickte zu der Schlafzimmertür und ein kurzes Grinsen huschte über Lilys Gesicht. Die Schlafzimmertür hatte gequietscht wie die eines Geisterschlosses, als die Frau sie zur Besichtigung geöffnet hatte. »Das sieht aus wie ein Motelzimmer, in dem schon drei Morde begangen wurden«, hatte Julia ihr zugeraunt und die kargen Wände und das winzige Fensterchen betrachtet, das schon ganz milchig war.
»Lass uns gehen, Lily.« Noch einmal zog Julia an ihrem Ärmel und dieses Mal gab Lily nach. Sie verließen das Haus und liefen das Wohnviertel entlang auf der Suche nach einem guten Platz zum apparieren.
»Es ist eine Schande, dass wir uns nicht die Anzeigen im Tagespropheten anschauen können… Da ist bestimmt was Hübsches dabei. Leben Muggel wirklich in solchen... Ich finde nicht mal Worte dafür.« Julia schüttelte den Kopf. »Wieso tun sie sich das an?«
»Wenn man kein Geld hat… Nicht jeder kann in einer Luxusvilla wohnen.«
»Nein, nicht jeder, aber hör mal, du tust gerade so, als wärst du arm wie eine Kirchenmaus!«
»Ich BIN arm wie eine Kirchenmaus!« Lily warf ihrer Freundin einen wütenden Blick zu und Julia lächelte versöhnlich.
»Nein, bist du nicht. James hat bestimmt was auf der hohen Kante liegen. Du findest einen Job und dann sieht die Welt nicht mehr so grau aus.«
»James’ Geld ist nicht mein Geld!«
»Nein, aber falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Dein Freund ist der Schnöselspross von zwei ziemlich erfolgreichen und ergo reichen Auroren. Ich bin mir sicher, bis du ihm die Schulden zurückzahlen kannst, wovon ich nicht ausgehe, dass er das überhaupt will, könnte er die Miete bezahlen. Du musst also nicht nach einer Wohnung suchen, die DU dir leisten kannst, sondern nach einer Wohnung, die ER sich und dann IHR euch leisten könnt.«
»Woher soll ich wissen, was ich mir leisten kann, wenn ich noch nicht mal einen Job habe!« Wütend verschränkte Lily die Arme vor der Brust. »Außerdem kann ich nicht einfach in einen Laden gehen und nach einem Job fragen, wir sind im Krieg, ich bin muggelstämmig und Todesser haben es auf mich abgesehen! Ich müsste schon einen Muggeljob annehmen… So wie ich eine Muggelwohnung suchen muss. Aber ich hab noch nicht mal einen Muggelschulabschluss!« Die Verzweiflung in Lilys Stimme war so tief, dass Julia einen Arm um ihre Freundin schlang und sie fest an sich drückte
»Vielleicht könnten James und ich mal die Wohnungen aus dem Tagespropheten anschauen? Ich verspreche dir, ich werde dich würdig vertreten. Niemand wird wissen, wo du dich aufhältst. Und dein Jobproblem wird sich auch lösen, ganz bestimmt! Du könntest doch Zaubertränke herstellen und verkaufen?«
Zweifelnd sah Lily ihre Freundin an. »Wo? Auf dem Schwarzmarkt?«
»Lass Sirius sie verkaufen.« Julia kicherte. »Er hat mal so was angedeutet, dass er sich recht gut in der Nokturngasse auskennt.«
Lily seufzte. Sie wusste, dass Julia es nur gut meinte, doch ihre Vorschläge halfen nicht wirklich weiter. Schließlich gab sie doch nach, die Wohnung in Dublin anzuschauen und die beiden Hexen machten sich auf den Weg. Die Besichtigung hatte schon begonnen und die beiden Mädchen mussten kurz vor der Tür warten, bis die Maklerin kam, um ihnen aufzumachen.
Schon das Treppenhaus machte einen viel besseren Eindruck: Gepflegter Steinfußboden, Fußabstreifer und ein Welcome-Schild an der Tür der Wohnung im ersten Stock. Die Wohnung war bereits leergeräumt und ab Januar beziehbar, wie die Maklerin verkündete. Hohe, weiße Decken und ein grauer Teppich erwarteten die Mädchen. Die anderen Interessenten hatten sich in der Küche versammelt, Lily und Julia wurde es gestattet, sich selbstständig umzusehen.
»Das sieht doch schon mal viel besser aus«, lobte Julia die weißen Sanitäranlagen im Bad. Lily musste ihrer Freundin wohl oder übel recht geben, die Wohnung war besser, aber bisher gab es noch nichts, das sie wirklich umhaute.
Bis sie in das letzte und auch kleineste Zimmer der Wohnung kamen. Es hatte einen Ausgang zum Balkon und daneben eine runde Fensternische, die Lily sofort an ein Turmzimmerchen erinnerte.
»Oh, das ist hübsch!«, meinte auch Julia und stürzte zu der Fensternische. »Sie mal, du kannst dich auf die Fensterbank setzten und hinunter schauen auf Dublins’ Parkanlage!«
»Seeblick wäre James lieber.«, meinte Lily, drehte sich einmal in dem Raum und setzte sich schließlich neben Julia auf die breite Fensterbank.
»Das ist hundert Mal besser, gib’s zu«, meinte die ehemalige Ravenclaw mit einem breiten Grinsen und lehnte den Kopf gegen das Fenster.
»Ja, ist es.« Lily seufzte. »Aber auch 600 Pfund teurer.«
»Naja, also, schau mal, dank unserem Freund der Magie werdet ihr keine Heizkosten haben! Da bekommt ihr einiges am Ende des Jahres wieder raus. Und auch sonst könnt ihr sparen!«
»Das wäre doch total auffällig, wenn wir keine Heizkosten hätten!«
»Lily, das sind Muggel, ein oder zwei Verwechslungszauber und keiner wird sich wundern.«
»Das kann ich doch nicht machen!«
Julia seufzte. Dann kam die Maklerin und die Mädchen begaben sich zu den anderen in die Küche. Lily bekam ein Formular auf dem sie ausfüllen musste, wie viel James und sie verdienten. Panik breitete sich in ihr aus und zum Glück war Julia geistesgegenwärtig zu fragen, ob Lily das Schreiben der Maklerin auch zuschicken könne. »Selbstverständlich«, antwortete diese.
»Ich hätte nie gedacht, dass Wohnungsuchen so kompliziert sein kann.«, meinte Julia, als sie das Haus verlassen hatten. Lily nickte betrübt und die Mädchen apparierten zurück nach Hause. James war bereits von der Arbeit zurück, drückte Lily einen Kuss aufs Haar und fragte natürlich, wie es gelaufen ist.
»Schrecklich«, antwortete Julia für Lily. »Bis auf die letzte Wohnung.«
»Nehmen wir die?«, fragte James und sah dabei nicht Lily, sondern Julia an. Mit einem Mal fühlte sich Lily etwas übergangen…
»Nein!«, sagte sie deswegen entschieden und warf ihren Mantel über den Kleiderständer.
»Wieso denn nicht?« Enttäuscht sah James Julia an, die aber nur mit den Schultern zuckte und meinte: »Deine Freundin ist geizig.«
James seufzte. »Tigerlily…«
»Nenn mich nicht so!«
»Lilymaus, ich dachte, wir waren uns einig, dass-«
»Wir keine Spitznamen werden? Stimmt!« Mit Schwung ließ sich die rothaarige Hexe auf den Sessel fallen und streifte sich die Handschuhe von den Fingern.
»Schatz, hör auf und lass uns doch darüber reden.« James verdrehte die Augen und setzte sich vor Lily auf den Couchtisch. »War die Wohnung nicht schön? Wie sah sie aus?«
»Es ist Zeitverschwendung, dir davon zu erzählen. Die Wohnung ist aus dem Rennen.«
»Weil sie zu teuer ist?«
»Weil sie nicht perfekt ist.«
James stieß einen weiteren verzweifelten Seufzer aus und fuhr sich durch die Haare. »Ich will gar nichts Perfektes. Ich will nur mit dir zusammenwohnen. Allein. So wie in Hogwarts.« Er grinste schief und zwinkerte Lily zu.
»Ich weiß«, seufzte sie und knetete ihre Handschuhe. »Aber…«
»Aber?«
»Aber…. Aber es ist so kompliziert!«
James kicherte. »Liebling, du bist die einzige, die ihr alles verkompliziert.« Sie warf ihm einen wütenden Blick zu, doch James überging ihn, beugte sich vor und platzierte einen Kuss auf ihre Stirn. »Wenn dir die Wohnung gefällt, nehmen wir sie, okay? Ungeachtet des Preises.«
Lily nickte untergeben und James drehte sich seufzend wieder zu Julia um, die taktvoll so tat, als würden sie die Familienfotos auf dem Klavier viel mehr interessieren, als das Gespräch der beiden Turteltäubchen.
»Also… Und wie läuft’s so in der Akademie?«
»Alles ganz normal, soweit ich das einschätzen kann.« Julia tippte grinsend auf ein Foto. »Sind das deine Großeltern?«
»Ja.« James nickte. »Mütterlicherseits.« Er ging zu Julia hinüber und Lily fiel auf, dass sie die Fotos damals, als sie das erste Mal im Potterhaus gewesen war, zwar gesehen aber noch nie wirklich einträchtig studiert hatte. Familienfotos. Ihr Blick richtete sich auf James, der Julia grinsend etwas erzählte und sie dachte daran zurück, wie deprimiert er noch die letzten Wochen abends gewesen war… Ob er schon mit seinem Vater geredet hatte? James hatte nichts erwähnt….
Plötzlich rauschte es im Kamin und Lily erwartete schon halb einen genervten Moody entgegenzutreten, der sich bei James’ Eltern über ›die Bande Taugenichtse‹ beschweren wollte, die er seine Rekruten nannte, als Andrew Howe aus einer kleinen Aschewolke trat und sich interessiert umsah.
»Andrew! Was machst du hier?« Julia schien erst recht verdutzt, dann wütend. »Musst du mir jetzt überallhin folgen?«
Andrew verdrehte die Augen. »Ich hab besseres zu tun als zu bespitzeln wie du dich an den Freund deiner besten Freundin ranmachst.« Julia und James tauschten einen Blick und machten synchron zwei Schritte auseinander. Andrew wandte sich Lily zu. »Oder habt ihr so eine verrückte Dreieckssache am Laufen?«
Lily lächelte müde. »Wir könnten eine Vierersache daraus machen.«
Amüsiert zog Andrew eine Augenbraue hoch. »Flirten Sie etwa mit mir, Miss Evans?«
»Wo denken Sie hin, Mr Howe?« Sie erhob sich und bot Andrew - obwohl sie James missbilligenden Blick bemerkte - einen Tee an. Andrew folgte ihr in die Küche und bevor sie darin verschwanden, tauschten Lily und James kurze Blicke. »Hast du schon den Besen gesehen, den ich Lily geschenkt habe?«, hörte sie James Julia fragen und mit einem Lächeln schloss Lily die Küchentür. James würde sie zumindest für ein paar Minuten ablenken können…
»Ich wusste nicht, dass Julia da ist.«, begann Andrew und lehnte sich gegen den Küchentresen. »Aber ich hätte es mir denken können…«
»Wir waren Muggelwohnungen anschauen… James hat viel zu tun und mir ist Julia als Begleitung in der Muggelwelt lieber. Sie stellt sich nicht ganz so ungeschickt an.«, erzählte Lily, während sich Teewasser im Kessel von selbst erwärmte und das passende Geschirr aus den Schränken schwebte.
»Tatsächlich? Ich hätte wetten können, sie schreit die Worte ›Magie‹, ›Muggel‹ und ›Zauberei‹ wie eine Idiotin durch die Gegend.«
»Sie hat sich heute gut angestellt.« Lily lächelte. »Aber man würde sie sowieso nur für eine Spinnerin halten. Bei James hingegen muss ich Angst haben, dass die Muggel ihn gleich einliefern lassen… Entweder ins Gefängnis oder in die Klapsmühle.«
Andrew lächelte. Er drehte sich kurz zu der geschlossenen Küchentür um. Dann zog er einen Papierbogen aus seiner hinteren Hosentasche und reichte ihn Lily. Er war mehrmals gefaltet und ordentlich zerknickt.
»Was ist das?«, fragte sie und faltete ihn auseinander.
»Eine Liste der Mitarbeiter, denen die Fallenlegern bei den Arbeiten trotz allem Zugang gewähren müssen. Mehr kann ich nicht für dich tun, Evans.«
»Danke.« Lily widerstand dem Drang, die Liste sofort nach dem Namen Sito Brown zu durchsuchen und steckte sie stattdessen in ihre eigene Hosentasche. »Vielen Dank, Andrew.«

Regulus konnte nicht schlafen. Eigentlich war er müde, ziemlich müde, aber er konnte nicht schlafen, und das lag nicht daran, dass heute Nacht Silvester war und er wie ein kleines Kind auf die Feuerwerke und Lichtershows der Muggel und Zauberer wartete. Sirius und er hatten früher schon Stunden vor Mitternacht Stellung auf dem Dachboden im Grimmauldplatz 12 bezogen um ja keinen schillernden Lichterfunken zu verpassen. Nein, Regulus war aus dem Alter, in dem Explosionen und Funkennebel noch unglaubliche Erscheinungen waren, längst raus gewachsen.
Es lag auch nicht an Lucinda, die friedlich in seinen Armen schlief. Er hatte das Gesicht in ihrem seidigen, braunen Haar vergraben und mit jedem Atemzug fühlte er sich auf eine Blumenwiese zurückversetzt. Ihr Kopf ruhte auf seinem Arm, den er schon lange nicht mehr fühlen konnte, aber er nahm ihn nicht weg. Den anderen Arm hatte er um ihre Mitte geschlungen und er hob sich bei jedem ihrer regelmäßigen Atemzüge. Es lag nicht an ihrer nackten Haut auf seiner, dass Regulus nicht schlafen konnte, es lag nicht an ihrem wärmenden Körper. Im Gegenteil, es könnte so perfekt sein, die ideale Nacht für einen langen, tiefen Schlaf…
Aber es war ein Gedanke, der ihn vom schlafen abhielt, ein lästiger, kleiner Gedanke, der schon lange in seinem Gehirn feststeckte, aber den er nie gewagt hatte, zu Ende zu denken. Ein Parasit von einem Gedanken, ein lästiges Ungeziefer… Was wäre wenn…
Regulus wusste, dass Voldemort mit Blanchard die Falsche getötet hatte. Er verstand allerdings noch immer nicht, wieso der Dunkle Lord so versessen darauf gewesen war, die Wahrsagerin zu fangen…
Was wäre, wenn Voldemort wüsste, dass er die falsche Hellseherin getötet hatte?
Der Gedanke haftete in Regulus Kopf und er konnte ihn nicht zur Seite schieben, egal woran er auch dachte. Ruhelos starrte er in die Dunkelheit des modrigen Hotelzimmers, die ersten Feuerwerksraketen rasten kreischend gen Himmel.
Was würde Voldemort tun, wenn er wüsste, dass er da draußen noch immer eine kleine, rothaarige Hexe herum lief, die von seinem Tod träumte?
Aber wieso sollte es ihn interessieren? Er hatte mit Blanchard ein Exempel gestartet, eine Warnung an alle Wahrsager oder auch an die Lehrerschaft von Hogwarts. Ich kriege euch, wenn ich will.
Nein, da steckte mehr dahinter…
Eine weitere Rakete zischte durch die Luft, das Zimmer in seiner unvorstellbarsten Schäbigkeit leuchtete kurz hell auf. Es kam Regulus vor, wie ein Geistesblitz.
Er hat Angst.
Regulus spürte, wie sein Herz beschleunigte. Der Dunkle Lord fürchtete sich. Er fürchtete sich vor der Prophezeiung. Warum sonst hätte er die gesamte Mysteriumsabteilung durchsuchen lassen sollen? Weil er den Leuten zeigen wollte, dass ihre erfundenen Visionen sie auch nicht retten konnten?
Nein, nein er glaubte an die Prophezeiungen. Lord Voldemort fürchtete das Schicksal.
Ein Grinsen schlich sich auf Regulus’ Gesicht. Eine Schwäche, die er selbst nur mäßig nachvollziehen konnte, Blanchard war seiner Meinung nach eine Stümperin gewesen, eine komplette Versagerin und Hochstaplerin auf ihrem Gebiet. Aber Lucinda glaubte an ihre Weissagungen…
Und Evans. Lucinda glaubte an das, was Evans gesagt hatte… Regulus kannte Lily Evans nicht besonderes gut, er hatte nie etwas mit ihr zu tun gehabt, bis er ihre Katze getötet hatte. War Lily Evans eine brillante Wahrsagerin?
Regulus löste den Arm von Lucinda und drehte sich auf den Rücken. Seine Augen suchten rastlos die dunkle Decke ab nach einer Spur… Eine Spur…
Bisher hatte Voldemort sich siegessicher präsentiert. Er war überheblich und war dennoch schlau genug, keine Fehler zu machen. Er machte keine Fehler…
Was wäre, wenn er in Voldemort den Verdacht schürte, dass die Prophezeiung Blanchards nicht mit ihrem Tod aus der Welt geschafft worden war? Würde er Regulus nicht auf der Stelle töten? Vermutlich, aber…
Aber er würde verunsichert werden. Vielleicht würde er einen Fehler machen… Was für einen wusste Regulus nicht, aber wenn er ihn machte, würde er es erkennen. Regulus grinste noch einmal. Ungewissheit… Ein so wunderbares Gefühl für Manipulationen.
Doch was dann? Wenn Voldemort einen Fehler machte, was dann?
Ohne es zu wollen hatte Regulus plötzlich Sirius’ Gesicht vor Augen. Er hatte von den Widerstandsgruppen gehört, die sich angeblich gebildet hatten, doch er hatte noch bei keiner seiner Missionen als Todesser gegen jemanden anderen als Auroren kämpfen müssen. Wenn es sie gab, hatte sich Sirius ihnen angeschlossen, da war sich Regulus sicher. Und wenn es sie gab… Vielleicht konnten sie nach Regulus’ Tod etwas mit Voldemorts Fehler anfangen. Ihn töten, ausradieren, zermalmen…
Mit Schrecken stellte Regulus fest, dass er bereits mit seinem eigenen Tod plante. Er wusste, dass er nicht alt werden würde. Er würde sterben, bald, sehr bald… Regulus schluckte.
Wann hatte er sich und sein Leben aufgegeben? Als er Voldemort von Blanchards angeblichen Weissagung erzählt hatte? Als er seine ehemalige Lehrerin gefoltert im Keller gesehen hatte? Oder schon damals, als Voldemort ihm das Dunkle Mal in den Arm gestochen hatte und ihn als neues Mitglied ihrer Gemeinschaft begrüßte?
Regulus atmete tief durch. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte. Dann drehte er den Kopf und schaute auf Lucindas Hinterkopf. Sie war sofort hergekommen. Was würde sie machen, wenn er nicht mehr da war? Würde sie sich neu verlieben? Kinder bekommen? Enkel?
Mit geschlossenen Augen atmete er mehrmals tief ein und aus.
Seit wann bin ich gegen Voldemort?, fragte er sich dann selbst und hob den Arm, den auf dem das Dunkle Mal war. Wozu sollte er sein Leben aufs Spiel setzten? Wenn er einfach weiterhin seine Rolle in den Reihen der Todesser spielte, dann würde er nicht sterben. Dann würde Lucinda vielleicht seine Kinder bekommen. Wieso nicht? Die Blacks wollten doch Nachkommen und Lucinda war eine Slytherin gewesen… Auch wenn die Talkalots nicht zu der High Society der britischen Reinblutfamilien gehörten sollte nichts gegen ihre Ehe sprechen.
Regulus verdrehte die Augen. Was für närrische Gedanken er doch hegte. Heiraten! Wozu? Um den Willen seines Vaters zu erfüllen?
Dennoch… Trotz allem wollte er es wissen. Er wollte wissen, was an Voldemorts Unsterblichkeit dran war und was nicht. Er wollte es wissen… Ungewissheit verleitet zu Fehlentscheidungen. War der Dunkle Lord tatsächlich so allwissend, wie er sich gab?
Immer mehr Raketen und Knallkörper waren nun zu hören und Lucinda rekelte sich seufzend. Regulus versteifte und lag ganz still, um sie nicht zu wecken, doch da drehte sie sich schon zu ihm herum, legte den Mund auf seinen und flüsterte: »Happy New Year«.
»Happy New Year, Love«, antwortete er und hörte sie kichern. Ihre Haare fielen ihm sanft ins Gesicht, als sich ihre Lippen noch einmal auf seine legten.
Und plötzlich war Regulus überhaupt nicht mehr müde.

Als Lily Scott Bakers Einladung zu einer Silvesterparty in einer Scheune, die wohl seinem Vater gehörte, zugesagt hatte, spürte sie, wie James sie innerlich kreuzigte. Doch er machte gute Miene zum bösen Spiel, hatte Scott nicht sofort mit einem Fußtritt aus dem Haus geworfen und stattdessen zugesichert, ebenfalls mitzukommen. Danach hatte er Sirius, Peter und Remus benachrichtigt und ging mit seinem Vater Silvesterraketen kaufen. Es war derselbe Tag gewesen, an dem Julia und Andrew bei Lily gewesen waren und so hatte die ehemalige Ravenclaw ebenfalls eine Einladung erhalten. Sie hatte versucht Andrew dazu zu bewegen, mitzukommen, doch der hatte schon andere Pläne gehabt. Als Julia Lily daraufhin das Ohr volljammerte, dass sie doch unmöglich auf eine Party ohne Begleitung gehen konnte, warf James ein, dass Remus und Peter ja auch kommen würden. Bei Peters Namen schien Julia nicht allzu begeistert, aber Remus schien sie sich wohl gefallen zu lassen.
Und Lily wunderte sich, wieso ihr Freund so genügsam war. Sie hatte gedacht, zu einer Muggelparty von Scott Baker müsste man ihren Freund schon gewaltsam schleifen, es sei denn…
»Du planst doch hoffentlich keinen deiner dämlichen Streiche, oder?« Drohend hob Lily ihre Haarbürste, als sie sich für die Party anzog, doch James verdrehte nur die Augen.
»Ich hab ein paar gute Vorsätze für das kommende Jahr.«, meinte James. »Hauptsächlich eine Liste von Todessern, die ich dieses Jahr vermöbeln möchte, aber einer dieser Vorsätze ist ein Mann zu werden, den du eventuell heiraten könntest.« Damit verließ er das Bad und kam auch nicht zurück, als Lily ihm hinterherrief.
Sie biss sich auf die Lippen. Es stand also doch noch zwischen ihnen…
Aus diesem Grund nahm Lily sich vor, an diesem Abend die perfekte feste Freundin zu sein. Die ganze Zeit überhielt sie Körperkontakt zu James, küsste ihn, umarmte ihn, lächelte ihm zu. Mit Scott unterhielt sie sich nur ein paar Minuten lang, dann zog sie James zur Tanzfläche. Die gesamte Jugend der umliegenden Dörfer schien anwesend zu sein, Lily glaubte einige Gesichter vom Fußballspiel wieder zu erkennen, andere hatte sie noch nie gesehen.
»Wir hätten Eve mitnehmen sollen.«, stellte Lily fest, als sie eng umschlungen mit James auf ein Lied tanzte, das eigentlich überhaupt nicht für einen Paartanz konzipiert war.
»Ich hab sie gefragt. Sie wollte lieber mit Mom und Dad Feuerwerkskörper starten. Das hat sie mit ihren Eltern wohl auch immer an Silvester getan.« James’ Atem streifte ihr Ohr und Lily strich ihm sanft über den Nacken. Es war nicht James’ Art wegen etwas lange sauer zu sein, es war nicht seine Art, auf einer Party nicht die Sau raus zu lassen, es war nicht seine Art, nicht auf Scott Baker und seine Freunde herum zu reiten oder zumindest einen blöden Spruch abzugeben.
»Alles okay bei dir?« Forschend sah Lily ihm in die Augen und James hob eine Augenbraue.
»Klar. Wieso?«
»Du… wirkst nicht glücklich.«
James öffnete den Mund zu einer Antwort, überlegte es sich dann scheinbar doch anders und schwieg. Stattdessen sah er zu Sirius, der natürlich wie üblich auf Partys umringt war von Mädchen. Er erzählte gerade irgendeine Story und die Mädchen kugelten sich vor Lachen. Seitdem er einen Job hatte, war Sirus in großartiger Stimmung. Lily hatte es erst gar nicht glauben wollen. »Sirius und arbeiten?«, hatte sie gefragt, als könnte sie sich nicht vorstellen, die beiden Worte tatsächlich mal in einem Satz zu hören. Als sie dann jedoch hörte, was er arbeitete, hatte sie nur die Augen verdreht und ein Grinsen nicht unterdrücken können. Sirius hatte sich bei der Eulenpost als Kurier beworben. Gerade jetzt wollten einige Leute, die sich für wichtig hielten, ihre Briefe und Botschaften möglichst sicher an die richtige Adresse liefern lassen, ohne Gefahr zu laufen, dass ihre Eule auf mysteriöse Weise verschwinden könnte. So fing Sirius zwei Schnätze mit einer Hand: Er konnte den ganzen Tag mit seinem fliegenden Motorrad durch die Gegend fahren und bekam auch noch Geld dafür. Es gab vermutlich keinen idealeren Job auf der Welt für ihn.
Miriam lehnte nur ein paar Schritte von Lily und James entfernt an der improvisierten Bar aus Biertischgarnituren und nippte an einer Flasche Guinness. Ihr Outfit war so kurz, wie James es von ihr gewohnt war und Sirius schien es heute gar nichts auszumachen, dass die Dorftrottel sie umkreisten wie die Fliegen. Miriam selbst war auch äußerst gut aufgelegt, besser als James sie seit Wochen gesehen hatte. Vermutlich tat der Alkohol sein Übriges.
Julia versuchte Remus zum Tanzen zu bewegen, was allerdings etwas lächerlich aussah. Remus war noch nie unbeschwert gewesen, nicht mal damals, als James und er sich bei einer Party in der vierten Klasse so mit Alkohol abgefüllt hatten, dass Remus sich zwei Stunden auf dem Klo übergeben hatte, während James heulte und ihm weiß-Merlin-was erzählte. James war sich nicht mehr sicher, was er an diesem Abend alles gesagt hatte, aber er war sehr froh gewesen, als Remus am nächsten Morgen behauptete, er habe vor lauter Brechen gar nichts wirklich mitbekommen. Sirius hatte beide irgendwann ausfindig gemacht und sie mussten so erbärmlich ausgesehen haben, dass er sie nur kommentarlos in den Schlafsaal gezaubert hatte… Seitdem trank Remus nur noch in Maßen und James glaubte inzwischen, dass es nur einen Menschen auf dieser Welt gab, der Remus so richtig aus der Reserve hatte locken können.
Und dieses kleine, quirlige Mädchen war tot.
James seufzte. Noch immer lag Lilys forschender Blick auf ihm. »Ich… Ich kann im Moment einfach nicht an Partys denken.«, murmelte er und glaubte gar nicht, dass Lily ihn verstand, so laut wie die Musik war, aber sie nickte.
»Ich auch nicht. Deswegen hab ich die Einladung angenommen.« Sie versuchte ein Lächeln, aber es scheiterte kläglich. »Ich fürchte nur, im neuen Jahr werden wir noch weniger Gelegenheiten für Freude und Feiern haben.«
James nickte. Er zog Lily an sich, sah über ihre Schulter zu Peter, der unbeholfen im Takt von einem Fuß auf den anderen trat, sah zu Sirius, der sich aus dem Kreis seiner Verehrerinnen löste, um seiner Freundin einen langen Kuss zu geben, der ihm Todesblicke von allen Seiten einbrachte, sah zu Remus, der Julia in ihrem weiten, nachtblauen Kleid Pirouetten drehen ließ und zu Scott Baker, der zu ihm und Lily herüber sah. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke und endlich schlich sich ein Lächeln auf James’ Gesicht.
»Wollen wir woanders hin?«, fragte er Lily ins Ohr. »Nur du und ich? Unsere Privatfeier?«
Sie nickte und sie schlichen aus einem Hinterausgang der Scheune hinaus in die dunkle Winternacht. In der Scheune war es recht warm gewesen, irgendjemand hatte ein Wärmeaggregat besorgt. Ein paar Zauber später froren auch Lily und James nicht mehr, während sie durch die Weidelandschaft stapften und über ein paar Holzzäune kletterten. Auf einem blieben sie schließlich sitzen und schauten hinunter auf die Fläche, die früher einmal Moor gewesen war und jetzt in Heidelandschaft vor ihnen lag. Der Mond stand hoch am Himmel und Lily bekam trotz allem eine Gänsehaut.
»Übermorgen ist Vollmond.«
»Ja.«
Schweigend schlangen sie einen Arm um den jeweils anderen, rückten nah aneinander und Lily legte den Kopf auf seine Schulter. Mitternacht war nah.
»Ich bin die Liste durchgegangen, die Andrew mir gegeben hat.«
»Und?«
»Kein Sito Brown. Und auch sonst kein Name, der nach ihm klingt… Kein Anagramm, kein besonders bescheuerter Name… Die meisten klingen ausländisch und seltsam.«
»Hm«, machte James und strich ihren Arm auf und ab. »Zigeuner waren stets berühmt dafür, ein Händchen für Weissagung zu haben.«
Lily seufzte. »Um ehrlich zu sein habe ich nicht viel Hoffnung gehabt, tatsächlich etwas über Sito zu finden… Ich fürchte, wenn ich wissen will, wer er ist und auf welcher Seite er steht, muss ich ihn direkt fragen.«
»Du gehst nicht zu ihm ohne mich.« Streng sah James sie an und Lily nickte.
»Okay.«
Zufrieden sah er wieder hinauf zum Mond und überlegte. »Vielleicht könnten wir ihn beschatten… Aber dafür müssten wir uns in der Nokturngasse herumtreiben.« Da das keine Option war, schwiegen sie eine Weile und Lily glaubte in der Ferne einen Hasen durch den leuchtenden Schnee springen zu sehen.
»Im vierten Schuljahr hab ich alle Putzgeräte im dritten Stock so verhext, dass die Besen und Eimer Filch attackierten, sobald er an ihnen vorbei lief.«
Verwundert wandte sich Lily zu James um. »Bitte?«
Er zuckte mit den Schultern und grinste. »Ich wollte das Thema wechseln.«
»Ahh.« Lily schmunzelte. »In den Sommerferien nach unserem zweiten Schuljahr hat mich Petunia so wütend gemacht mit ihren Kommentaren, dass ich eine Vase in unserem Wohnzimmer zum explodieren brachte… Ich hatte fürchterliche Angst aus Hogwarts zu fliegen, es kam aber nur ein Brief mit einer Verwarnung. Ein Glück, dass man für eine zerbrochene Vase nicht von der Schule fliegt.«
»Ich hab ein Rad von Scott Bakers Traktor weggesprengt, als er damit an unserem Haus vorbei fuhr und mir blöde Sachen zurief. Mein Dad war im Garten, deswegen bekam ich nie einen Brief von Hogwarts, aber riesen Ärger von meiner Mom. Scott ist nichts passiert, nur der Traktor war Schrott und der Reifen lag drei Monate im Straßengraben.«
»Als ich klein war hab ich Petunias Stoffkatze in einen Elefanten verwandelt und sie hat mich stundenlang angeschrien, dass ich ihr ihre Katze zurückbringen sollte, aber ich wusste nicht wie.«
»Ich hab Sirius’ Haare drei Mal mit verschiedenen Tinkturen blau gefärbt, ohne dass er es gemerkt hat.«
»Wieso?«
»Einfach so.«
Sie kicherten. Und gerade als sie sich wieder auf den Weg zurück machen wollten, um mit ihren Freunden Silvester zu feiern, ertönte der Ruf. Es war ein langgezogenes ›Lily‹ und James lachte auf. »Sieht so aus, als wären unsere Freunde uns zuvor gekommen.«, meinte James und Lily setzte schon zu einer Antwort an, als Koby mit einem Knall vor ihnen im Schnee auftauchte.
»Nicht!«, rief er und packte Lily so fest an der Hüfte, dass sie beinahe umfiel. James hielt sie schnell an ihrem Arm fest und beide sahen verwundert auf den kleinen Hauselfen herunter, doch Koby packte schon James’ Arm und mit einem Mal spürte Lily, wie sich ihr Körper zusammen zog, die Luft aus ihren Lungen gepresst wurde, ihre Glieder ihre Formen verloren und noch ehe sie sich bewusst wurde, dass sie apparierte, hatte sie schon wieder festen Boden unter den Füßen. Vor Schreck gaben ihre Knie nach und James, der zwar ebenfalls etwas wackelig auf den Beinen schien, fing sie auf.
»Koby, was soll das?«, hörte sie James fragen, während sie versuchte, sich wieder zu sammeln. Ums sie herum war es stockduster und sie konnte nur die Silhouette des kleinen Hauselfen erkennen, der sich hecktisch umsah, die Ohren zu ihrer vollen Größe aufgestellt.
»Sie sind gekommen, Master James, Sir! Sie sind gekommen, um Miss Evans zu holen! Ihr Vater sagte, ich müsse sie sofort an einen sicheren Ort bringen.«
»Was?« Verständnislos sah Lily den Elfen an, dann zu James, doch in der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht kaum ausmachen.
»Sind sie noch bei meinen Eltern?«, fragte dieser und der Elf schüttelte den Kopf.
»Sie haben nicht geglaubt, dass Miss Evans nicht bei Ihnen ist. Sie sind losgezogen, um sie zu suchen.«
James’ Kopf schnellte hoch. »Dann bring mich zurück zu der Party!«
Lily riss die Augen auf. »Was? Abe-«
Doch James und Koby waren bereits verschwunden. Verdattert stand Lily da und starrte auf den Fleck, an dem gerade noch ihr Freund gestanden hatte. Zurückgelassen. Er hatte sie einfach zurückgelassen.
Wo?
Lily sah sich um. Es herrschte fast totale Dunkelheit, nur das Mondlicht, das durch einen nicht völlig geschlossenen Fensterladen schien, ließ sie erkennen, dass sie in einem Raum war. Eilig fingerte sie ihren Zauberstab aus ihrer Handtasche und ließ ihn aufleuchten. Das erste, was ihr in dem Raum auffiel, war, dass alle Möbel mit hellen Laken bedeckt worden waren. Für einen kurzen Moment dachte Lily, es wären Gespenster, dabei wusste sie doch noch aus Hogwarts, dass Geister keineswegs mit Bettlaken umhüllte Gestalten waren. Sie erkannte eine Couch, einen Tisch, Stühle, etwas, dass eine Kommode sein könnte… Der Raum hatte nur eine Tür, die halb offen stand. Das Licht ihres Zauberstabs reichte nicht so weit um auszumachen, was sich dahinter verbarg. Über ihr an der Decke hing eine altmodische Lampe, im Licht ihres Zauberstabs erkannte Lily lange Staubfäden, die von der Lampe hinunter auf die Möbel ragten. Irgendwo klapperte ein Fensterladen…
Ein Hexenhaus, dachte Lily und die Haare auf ihren Armen stellten sich auf. Wie lächerlich, sie war selbst eine Hexe, aber dennoch hatte dieser dunkle Raum, den scheinbar schon so lange Zeit niemand mehr betreten hatte, etwas höchst Unheimliches an sich. Lily wagte nicht umher zu wandeln und die Umgebung näher zu betrachten, noch nicht. Vorerst dachte sie noch einmal über James’ und Kobys Worte nach… Jemand war gekommen, um sie zu holen.
Lilys Herz schlug schneller. Die Todesser. Sie hatten sich auf den Weg zu den Potters gemacht, wie Lily es befürchtet hatte. Hatten sie James’ Familie weh getan? Was war mit Eve? Die Party… Wenn sie Lily auf der Party suchten! Die Erinnerungen an Petunias Hochzeit stiegen in Lily auf, Erinnerungen daran, wie unschuldige Muggel kaltblütig von Todessern getötet wurden… Das durfte nicht sein, nicht schon wieder!
Sollte sie zurück apparieren? Sie wollte ihre Freunde unterstützten, wollte die Dorfbewohner beschützen, wollte nicht, dass noch mehr Menschen ihretwegen starben… Doch Koby hatte sie hierher gebracht, um ihr Leben zu schützen. Wenn sie jetzt zurück ging, würde James stinksauer werden.
Und wenn schon, dachte Lily, hob ihren Zauberstab, da traf sie ein Wind und mit einem leisen Plopp landeten Sirius und Koby neben ihr auf dem Boden.
»Hey Rotschopf!« Sirius kniff die Augen zusammen, als sie ihm ins Gesicht leuchtete, »James hat mich geschickt um nachzuschauen, dass du ja keine Dummheiten machst.«
»Wo ist James, was ist passiert?«, sprudelten die Fragen aus ihr heraus und sie packte Sirius an den Schultern, damit er nicht wie James einfach kommentarlos wieder verschwinden konnte.
»Die Auroren wollten dich abholen und fortbringen.«
»Auroren?« Verwirrt lockerte Lily den Griff an Sirius’ Schultern. Auroren? Keine Todesser? Was hatte das zu bedeuten? »Ich verstehe nicht… Wieso Auroren?«
Sirius seufzte, nahm sanft ihre Hände von seinen Schultern und hielt sie dann fest. »Hör zu: Du stehst immer noch unter dem Schutz des Ministeriums, schließlich bist du nach wie vor eine wichtige Zeugin in der Akademiesache. Allerdings sind die zwei Auroren, die dich hätten beschützen sollen jetzt schon seit einiger Zeit kampfunfähig…«
Lily nickte. Ihre Leibgarde war damals bei Alice’ und Franks Hochzeit verletzt worden…
»Und seitdem James’ Dad auch kein Auror mehr ist, hat das Ministerium beschlossen, dass dein Aufenthalt bei den Potters nicht länger sicher sei.«
»Das Ministerium wusste, wo ich mich aufhalte?«
»Natürlich.« Sirius nickte ernst und Lily schluckte. Die Todesser wussten also die ganze Zeit über Bescheid.
»Warum habt ihr dann immer behauptet, ich wäre sicher bei James?« Lily machte sich von Sirius’ Händen los und packte erneut seine Schultern, um ihn leicht zu schütteln. »Wieso habt ihr mich nicht schon lange fort gebracht?«
»Wenn wir das getan hätten, hätten wir den Todessern direkt in die Hand gespielt, Lily!«, versuchte Sirius zu erklären und nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Versteh doch! Nur James, seine Eltern, Romolus, Norman und Mulciber wussten offiziell wo du dich aufhältst. Wenn du an einem solchen Ort, von dem nur so wenige Leute wissen, angegriffen worden wärst, wäre der Schluss sehr nahe gelegen, dass ihre Abteilung ein Langziehohr hat. Und natürlich wollen die Todesser diesen Verdacht vermeiden.«
»Du meinst, die Todesser haben keinen Angriff auf mich geplant, weil sie Mulcibers Position im Ministerium nicht gefährden wollten?«
Sirius nickte zufrieden. »Du hast es erfasst. Wenn wir dich fortgebracht hätten und du wo anders angegriffen worden wärst, als im Potterhaus, hätten sie behaupten können, die Todesser hätten ihre Informationen sonst wo her. Vermutlich waren sie auch zu sehr damit beschäftigt, ein Quidditchspiel platzen zu lassen und in die Mysteriumsabteilung einzubrechen, als sich um eine kleine, nervige Zeugin zu kümmern. Über die Feiertage muss ihnen langweilig geworden sein.«
»Aber Moment mal, wenn sie Auroren geschickt haben, um mich an einen anderen, sichereren Ort zu eskortieren und ich dann dort angegriffen worden wäre, dann würde der Verdacht doch genauso auf Mulciber und die Abteilung zurück fallen!«
Sirius schwieg für einen Moment. »Ich fürchte, wenn sie dich heute Nacht gefunden hätten, dann wärst du nie an diesem ›sicheren Ort‹ angekommen.«
Lily stockte der Atem. Sie musste an den Raum in der Akademie denken, den Raum, aus dem so viele Studenten keinen Ausweg mehr gefunden hatten… Sie hätten sie vermutlich in genau so einen Raum gebracht, fensterlos, aussichtslos und sie dort getötet… Später behauptet, es wäre zu einem tragischen Zwischenfall gekommen… Sie könnte jetzt schon tot sein…
»Was ist mit James’ Eltern? Was ist-«
»Es geht allen gut«, beruhigte Sirius sie und strich sanft über ihre Arme. »Sie behaupten, du wärst gestern abgehauen und niemand wisse, wo du dich aufhältst. Die Auroren haben die Umgebung um das Haus etwas abgesucht. Ich vermute, es sind junge Rekruten wie Miriam, die nicht wissen, was sie eigentlich tun.«
Lily schluckte. Vermutlich hätten sie die jungen Auroren auch noch getötet, damit der Überfall authentischer gewirkt hätte…
»Was, wenn sie James’ Eltern oder ihn unter Gewahrsam nehmen? Was, wenn sie Legilimens anwenden?«
»Das dürfen sie vermutlich gar nicht und wenn, dann müssten sie das bei einem Prozess beantragen. James’ Eltern hatten den Auftrag auf dich aufzupassen, nicht dich gefangen zu halten. James ist eine Zivilperson, die keinen Eid geschworen hat, dich zu beschützen, genauso Miranda, die schon lange vom Dienst ausgeschlossen wurde. Und James’ Dad ist ein Meister in Okklumentik.«
Lily war noch immer nicht überzeugt. Sie schürzte die Lippen, sah sich noch einmal in den Raum um und fragte schließlich: »Und wo bin ich jetzt?«
»Keine Ahnung.« Sirius grinste. »Koby hat mich hergebracht.«
Der kleine Hauself stand scheinbar unbeteiligt neben ihnen und verfolgte das Gespräch nicht ohne Interesse. Als sein Name fiel, zog er allerdings die Schultern hoch und bückte sich leicht.
»Mr Black, Sir, es wäre mir recht, wenn ich Sie jetzt wieder zurückbringen dürfte.«, piepste er dann und Lily runzelte die Stirn. Kam es ihr nur so vor oder hatte Koby Angst vor Sirius?
»Okay.« Sirius wandte sich noch einmal zu Lily und zog sie zu ihrer Überraschung an seine Brust. »Tu nichts unüberlegtes, klar?«, murmelte er in ihr Haar und sein Atem streichelte ihre Schläfe. »James wird bald hier sein. Bis dahin bleib wo du bist und verhalte dich unauffällig. Und pass auf dich auf.«
»Du auch!« Eilig schlang Lily die Arme um Sirius und drückte ihn an sich. Er verabschiedete sich von ihr. Warum? Musste sie sich nun auf ewig hier versteckt halten?
»Happy New Year.« Sirius gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und bevor Lily etwas erwidern konnte, ließ er sie schon los und griff nach Kobys Hand. Keine Sekunde später war er verschwunden.
Irgendwo knallten Silvesterkracher und Raketen pfiffen. Stimmen und Kinderlachen drangen an ihr Ohr und Lily sah zu dem Fenster, das nicht ganz geschlossen war. Doch statt hinzugehen und hinauszuschauen, blieb sie stocksteif stehen wo sie war.
Und weinte.

Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, seitdem sie in dem dunklen Zimmer hockte, die Beine an die Brust gezogen und die Arme fest darum geschlungen. Die Schreie und Raketenknaller waren schon längst verklungen. Bei jedem Knacken zuckte Lily zusammen und eine kleine Maus war ihr bereit über den Fuß gelaufen. Beinahe hätte sie geschrien, doch sie hatte sich im letzten Moment beherrschen können. Sie wusste nicht, wo sie war. Und niemand durfte wissen, dass sie da war.
Als es einen leisen Schlag tat und eine Person vor ihr auftauchte, war Lily mit einem Satz auf den Füßen und hielt dem Neuankömmling den Zauberstab an die Kehle.
»Wowow, ganz langsam, Schatz.« Besänftigend hob James die Arme und Lily ließ erleichtert den Zauberstab sinken. Dann machte sie einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn fest. Er erwiderte die Umarmung und Lily vergrub das Gesicht in seiner Schulter.
»Ich hatte solche Angst um dich.«
»Alles gut.« Beruhigend strich James ihren Rücken auf und ab. »Wirklich, alles ist gut. Du bist in Sicherheit.«
Sie löste sich so weit von ihm, dass sie ihm in die Augen schauen konnte. »Was ist passiert?«
»Zwei Auroren kamen und wollten dich holen. Mom und Dad haben ihnen erklärt, dass du abgehauen bist. Sie haben noch ein bisschen gesucht und mich ausgequetscht, wo du meiner Meinung nach sein könntest. Dann haben sie uns ein frohes neues Jahr gewünscht und sind gegangen. Ich hab mich jedoch nicht gleich getraut, zu dir zu kommen… Für den Fall, dass sie noch lauerten.«
Lily nickte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Warum hast du mir nichts davon gesagt, dass so etwas passieren könnte?«
»Weil ich nicht dachte, dass es passieren wird.« James seufzte. »Dad hat es irgendwann mal angesprochen, als er gefeuert wurde… aber nie hat sich jemand bei ihm gemeldet. Außerdem dachte ich sowieso, dass wir demnächst ausziehen…Wir hatten gehofft, Mulciber habe dich vergessen.«
»Offensichtlich nicht.« Lily schluckte. »Und wie sieht der weitere Plan aus?«
»Tja der Plan…« James kratzte sich verlegen am Hinterkopf. »Der Plan steht noch nicht so richtig. Fürs Erste müssen wir wohl hier bleiben.«
Lily nickte. Damit hatte sie schon gerechnet, deswegen war es kein Schock für sie. Sanft löste sie sich aus James’ Armen und sah sich noch einmal in dem Zimmer um. »Das heißt, niemand außer uns und deinen Eltern weiß, dass wir hier sind?«
»Genau genommen wissen nur Koby und ich, wo wir sind.«
»Und wo sind wir?«
»Im Haus meiner verstorbenen Großeltern.«
Lily hob die Augenbrauen. Sie hatte mit vielem gerechnet: Einem verlassenen Muggelhaus, einem magischen Zelt mitten im Nirgendwo… Aber das Haus seiner Großeltern?
»Werden die Auroren nicht sofort darauf kommen, wenn sie ein bisschen nachforschen und herausfinden, dass deine Eltern noch ein Haus haben?«
»Nein. Nicht wenn sie nach meinen Eltern forschen. Offiziell gehört das Haus mir und die Besitzurkunde liegt irgendwo in meinem Verließ in Gringotts, also… Ich glaube nicht, dass sie das Testament meiner Großeltern ausgraben.« Zuversichtlich nickte James und sah sich dann in dem Raum um. Auch er hatte seinen Zauberstab aufleuchten lassen, seine Augen wanderten von der bedeckten Couch über den Tisch und die Stühle und schließlich zurück zu Lily, die ihn immer noch ungläubig anstarrte. »Was?«
»Du hast ein Haus?«, wiederholte Lily und blinzelte ein paar Mal.
»Ja.« Verunsichert sah James sie an.
»Du. Hast. Ein. Haus.« Noch immer waren ihre Augen so groß wie Bauklötze und James musste schmunzeln.
»Ja, ich habe ein Haus.«
»Du hast ein Haus und lässt mich Wohnungen suchen und mir Sorgen machen über unsere Vermögensverhältnisse und DU HAST EIN HAUS?!« Lily war es jetzt egal, ob irgendwelche Nachbarn mitbekamen, dass sie da waren, wutentbrannt sah sie James an, dem das Lachen sofort verging.
»Ja - Nein – Schau mal, das hier ist eine Bruchbude!« Abwehrend hob James die Arme und breitete sie dann auf den Raum hindeutend aus. »Und ich hab dir gesagt, mach dir keine Gedanken um das Geld!«
Wütend schlug Lily ihm auf die Schulter und James ließ ein leises »Aua!« verlauten. »Ich kann nicht fassen, dass du mir nicht gesagt hast, dass du ein Haus hast!«
»Ich kann nicht fassen, dass du so darauf herumreitest!« James verdrehe die Augen. »Das Haus ist nichts wert, Lily! Es ist keine Villa, es ist eine halb zusammengefallene Hütte.«
Wütend verschränkte Lily die Arme vor der Brust. »Es ist immer noch ein Haus!« Dann ließ sie mit einem Schlenker ihres Zauberstabs die Deckenlampe aufleuchten. Wenn sie schon hier auf unbestimmte Zeit leben musste, so wollte sie es auch wohnlich haben. James hatte ihren Koffer mitgebracht, vermutlich hatte er das nötigste für sie beide hineingepackt und-
Moment…
»Du bleibst doch bei mir, oder?« Erschrocken drehte sich Lily zu ihm um und James hob verwirrt eine Augenbraue.
»Ja, klar.«, antwortete er und seine Freundin atmete erleichtert wieder aus. Dann drehte sie ihm wieder den Rücken zu und schmollte noch ein wenig. Sie lüftete die Laken von den Möbeln, fand einen alten Sekretär, den sie mit einem Zauber öffnete und allerlei Schreibarbeiten und kleine Porzellantierchen fand.
»Meine Großmutter hat so was gesammelt.«, erklärte James und nahm eine kleine Porzellankatze in die Hand.
»Habt ihr das Haus nicht ausgeräumt?«
»Nein… Mom und Dad hatten nie Zeit dafür.«
Lily nickte und plötzlich war ihre Neugierde geweckt. Was verbarg sich sonst noch in diesem Haus?
Sie verließ das Wohnzimmer und betrat einen kreisrunden Raum, von dem unzählige Türen abgingen. Verwundert hob sie ihren Zauberstab, musterte die vielen Türen und entschied sich schließlich für eine zu ihrer Linken. Es war eine kleine, gemütliche Küche mit runden Fenstern und einem kleinen Essbereich. Die nächste Tür, die sie öffnete, führte in eine separate, winzige Toilette. Dann war da noch eine Besenkammer und kaum dass Lily die Tür geöffnet hatte, sprangen ihr schon die Besen, Putzlappen und Eimer entgegen, klappernd auf und ab hüpfend. Verdattert starrte Lily sie an, bis sich James räusperte und sagte: »Räumt das Wohnzimmer auf!«
Sofort füllten sich die Eimer mit Wasser, ein Wischmopp düste los und alle Putzgeräte hinter ihm her. Begeistert beobachtete Lily eine Weile, wie die Putzgeräte das Wohnzimmer aufpolierten, Spinnenweben entfernten und schließlich auch Lily und James’ Fußabdrücke im Staub davon wischten.
»Ein Haus, das sich selber putzt! Wenn meine Mom das doch nur hätte sehen können!« Begeistert drehte sich Lily zu James um und strahlte ihn an. James, als reinblütiger Zauberer, der noch nie sein Zimmer hatte aufräumen müssen, zuckte nur mit den Schultern, aber Lily stürmte schon weiter zur nächsten Tür. Sie fand sich in einem Kinderzimmer wieder, das über und über vollgestopft war mit Kuscheltieren. Fragend drehte sie sich zu James um.
»Meine alten Freunde.« James schmunzelte und trat hinter ihr in das Zimmer herein. »Mr Tiger, Mr Bär… und mein bester Freund Mr Hase.« James hob einen Stoffhasen von einem Stuhl und nieste, als der viele Staub von dem weichen Fell aufgewirbelt wurde. Lily lachte, nahm ihm Mr Hase ab und drückte das Stofftier an sich.
»Sehr erfreut Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr Hase!«, sagte sie, schüttelte dem Hasen die Hand. James grinste, stellte die Schlappohren des Hasen auf und patschte sie Lily sanft ins Gesicht.
»Das bedeutet, er mag dich.«, erklärte James und Lily wandte lachen das Gesicht ab.
Sie ließen das Kinderzimmer hinter sich und Lily stürmte zur nächsten Tür. Dahinter befand sich zu ihrer Überraschung eine Treppe. Fragend drehte sie sich zu James um, der seinerseits nur eine auffordernde Handbewegung machte und schon stürmte Lily nach oben. Sie fand ein Badezimmer mit großer Badewanne, einen Wandschrank voller Decken, eine weitere Treppe, die zum Dachboden führte, auf dem sich hunderte Blumentöpfe stapelten und hatte doch noch nicht alle Türen geöffnet, alle Winkel gesehen, alles ausgekundschaftet. Das Haus war so verschachtelt, dass Lily dachte, sie sei in einem Labyrinth gelandet und so gelangte sie irgendwann über zahlreiche Treppen und Türen wieder ins Wohnzimmer, wo die Putzgeräte alles auf Hochglanz poliert hatten und wartend auf und ab hüpften. James befahl ihnen, das kleine Schlafzimmer im zweiten Stock zu putzen und die Gerätschaften entschwanden sofort in Richtung Treppe. Lily hatte gar kein Schlafzimmer im zweiten Stock entdecken können…
»Ich liebe dieses Haus!«, meinte sie, ging zu einem der Fenster und öffnete es. Kalte Nachtluft blies ihr entgegen und als sie die Fensterläden öffnete, strahlte ihr der Mond in voller Pracht entgegen.
»Wirklich?« James trat hinter sie und legte die Arme an ihre Hüften. Sie drehte sich herum, strahlte ihn an, aller Ärger schien vergessen.
»Ja, wirklich! Es ist so wunderschön!«
»Wirklich? Dieses Haus?« Verblüfft hob James die Augenbrauen. »Hast du die Kacheln im Badezimmer nur übersehen, oder… Und die Küche erst!«
»Es ist wunderschön.«, beteuerte Lily noch einmal und schlang die Arme um James’ Nacken.
»Ich dachte immer du willst etwas… modernes?«
»Ich will Geborgenheit und Ruhe.« Lily gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange, löste sich dann von ihm und ließ sich mit einem zufriedenen Lächeln auf das Sofa fallen. »Und dieses Haus mit seinen tausend Türen und Wänden ist einfach perfekt! Hier kann einen niemand beobachten und niemand verfolgen. Und hinter jeder Tür lauert ein neues Geheimnis.«
James schmunzelte über ihr kindliches Verhalten, setzte sich dann neben sie und schlang einen Arm um sie. »Und du sagst das nicht nur, weil es sowieso schon meins ist und wir es somit umsonst bekommen?«
»Nein, es gefällt mir wirklich.« Sie lächelte, rückte näher an ihn heran und ließ den Zauberstab achtlos zwischen die Sofakissen fallen. »Viel besser als ein modernes Haus mit tausend Glaswänden und Fenstern.«
»Sag bloß, du willst für immer hier bleiben?« James sah aus, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er den Gedanken amüsant oder abstoßend finden sollte, deswegen grinste Lily nur umso mehr und kletterte auf seinen Schoß.
»Immer ist eine lange Zeit.«, meinte sie und nahm ihm vorsichtig die Brille ab, »aber für die erste gemeinsame Wohnung ist es gar nicht so schlecht…«
Und dann küsste sie ihn und genoss es, dass ihnen nicht gleich zehn Portraits beim knutschen zusahen.

Da waren Fußspuren im Schnee. Von den Blättern der Bäume war der Tau getropft und hatte ein Muster aus feinen Löchlein in der Schneedecke hinterlassen, feine Poren wie in Jahrtausende altem Vulkanstein. Aber die Fußspuren… Die Fußspuren waren neu.
Sie begannen genau dort, wo Lily stand. Ihre Füße waren zu klein für die Spuren und doch lagen sie genau darin. Sie machte einen Schritt zur Seite und mit einem Mal durchfuhr ihren Fuß ein schrecklicher Schmerz. Lily schrie auf, sackte in die Knie. Blut tränkte den Schnee unter ihrem Fuß und fraß sich weiter und weiter durch jeden einzelnen Eiskristall. Sie bückte sich, versenkte einen Finger im kalten Schnee und spürte das Gras darunter. Es war gefroren und jeder Halm ragte wie ein kleiner Nägel aus der Erde. Stöhnend hob Lily den Fuß und setzte ihn zurück in die Fußstapfen. Die Grashalme, die jetzt zum Vorschein kamen, waren blutgetränkt.
Sie sah sich um. Sie war im Wald gefangen, Eiszapfen wuchsen an den Ästen der kahlen Bäume wie Dolche und genauso blitzten sie im Mondlicht. Es war kalt, so kalt. Fröstelnd schlang Lily die Arme um ihren Körper. Dann machte sie sich auf den Weg. Penibel darauf achtend, dass ihre Füße exakt in den Fußspuren landeten kam sie nur sehr langsam voran. Als sie nach hinten blickte, sah sie die Blutspur, die sie im glitzernden Schnee hinterließ. Sie wandte sich wieder um. Ihr Atem stieg in kleinen, weißen Wölkchen vor ihr auf. Sie sah zu, wie er entschwand und ein Wind kam auf, rüttelte an den Ästen.
Als die ersten Eiszapfen fielen, war Lily schon losgerannt. Jetzt, da sie nicht mehr exakt in die Fußstapfen trat, durchbohrten die Grashalme immer öfter ihre Zehen und Ferse, ein Mal verfehlte sie ein Eisdolch nur wenige Zentimeter und riss ein Loch in ihr weißes Kleid.
Endlich lichtete sich der Wald. Keuchend kam Lily zum stehen, ihre Füße schmerzten so sehr, dass sie glaubte, keinen weiteren Schritt mehr machen zu können. Sie blickte über das Tal, das sich vor ihr auftat, eine einzige weiß schimmernde Fläche die im Licht des Mondes so hell erstrahlte, dass Lily die Augen zusammenkneifen musste.
Da lief jemand den Hügel herab. Er war in einen schwarzen Umhang gehüllt, seine Schritte auf dem knirschenden Schnee war das einzige Geräusch, das im Tal widerhallte.
»Warte!«, schrie Lily, sie richtete sich auf und sprang von Fußspur zu Fußspur den Hügel hinunter. Immer wieder knickte sie ein vor Schmerz, ein Mal stürzte sie beinahe und ihre linke Hand, mit der sie sich abfing, wurde von den Grashalmen durchstochen, dass die blutigen Spitzen aus ihrem Handrücken ragten.
Endlich war sie unten im Tal angekommen und vor ihr lag eine glatte, schimmernde Schneedecke. Der Mann war nun kaum mehr als dreißig Meter von ihr entfernt und im reflektierten Licht des Mondes konnte Lily ihn jetzt besser ausmachen.
Es war Sirius. Verzweifelt schrie Lily seinen Namen; Hörte ihr Freund sie denn nicht rufen? Aber Sirius ging unbeirrt weiter durch die unberührte Schneefläche. Als Lily ihm folgen wollte, spürte sie die plötzliche Kälte unter ihren nackten Füßen und hielt inne. Da waren keine Grashalme mehr, die ihr die Sohlen zerschnitten. Sie wandelte nun auf Eis, glattem, hartem Eis. Und sie begriff, dass die flache Schneemasse vor ihr ein zugefrorener See war.
Sirius war unterdessen weitergelaufen. Auch als das erste Knacken ertönte, lief er unbeirrt weiter, doch Lily hielt inne und sah nach unten. Mit dem Fuß wischte sie den Schnee beiseite und sah die dünnen, feinen Risse im Eis, die sich um ihre Füße bildeten. Panisch sah Lily auf.
»Sirius! Sirius das Eis! Es bricht!« Sie lief schneller, achtete jetzt nicht mehr auf seine Spuren, sie musste ihn aufhalten, er durfte nicht weiter auf den See hinausgehen.
Als das Eis unter ihr nachgab, fiel Lily der Länge nach hin. Eiskaltes Wasser umspielte ihre geschundenen Füße und Lily zog eilig die Beine an, kroch weiter, kroch fort vor dem Loch. Sie spürte die Vibrationen von Sirius’ Schritten auf dem Eis unter ihren Fingern und sah auf. »Sirius!« Verzweifelt kroch sie auf allen Vieren weiter zu ihm, schaufelte sich durch Schnee und Eis, während die Risse sich immer weiter und weiter durch den Untergrund fraßen.
Als Sirius stehen blieb, war Lily kaum mehr als fünf Meter von ihm entfernt. Er sah hinauf zum Himmel, dann drehte er sich um, sah sie an.
Der Moment ihrer Erkenntnis war derselbe, in dem das Eis unter ihm brach, sich ein dunkles, schwarzes Loch vor ihm auftat und der See ihn verschlang wie ein hungriges Moor seine auf ewig schlummernden Begleiter. Die Falle schnappte über ihm zu und die Eisschollen fügten sich krachend und kreischend wieder zusammen. Entsetzt schrie Lily auf und kroch so schnell sie konnte über die Eisfläche, die scharfen Kanten der Spalten zerschnitten ihre Arme und Beine. Der Schnee war mit ihm im See versunken und als Lily an der Stelle ankam, an der das Wasser ihn verschluckt hatte, fand sie sich in einem Netz aus Rissen und Kerben wieder. Und unter ihr aus der tiefen Schwärze blickte ihr das Gesicht von Regulus Black entgegen. Verzweifelt hämmerte Lily auf das Eis ein, dass Blut aus ihren Handflächen spritzte.
Regulus Blacks Augen weiteten sich, als er Lily erkannte. Dieselben grauen Augen, die Sirius hatte, dieselben schwarzen Haare, nur etwas kürzer.
»Nein!«, schrie Lily, doch die letzten Luftblasen entglitten Regulus Lippen. Sie schloss die Augen, hämmerte noch einmal auf das Eis und als sie die Augen wieder öffnete, war Regulus verschwunden. Lily ließ den Blick über die Eisfläche gleiten, doch überall schillerten ihr nur silberne Schneekristalle entgegen.
Doch da war etwas. Ein Funkeln. Lily kniff die Augen zusammen. Eine Wolke schob sich vor den Mond und für einen Moment war alles dunkel. Und als sie wieder entschwand, sah Lily ihn:
Den Faden.
Straff gespannt verschwand er zwischen den Rissen im Eis. Er hinterließ eine feine Kerbe in der Schneeschicht und als Lily die blutverschmierte Hand ausstreckte, um ihn zu berühren, schnitt sie sich tief in die Fingerkuppen.
Erschrocken fuhr sie hoch. Ihr Atem ging keuchend, viel zu schnell, viel zu panisch und schrill. Sie starrte ihre Hände an, die auf dem weißen Laken keine Blutspuren hinterließen, schloss sie zu Fäusten und öffnete sie wieder, doch die Kratzer und Schnitte tauchten nicht auf, doch der Schmerz… Der Schmerz war so wirklich gewesen. Panisch suchte sie mit den Fingern nach ihren Füßen, befühlte sie durch das weiße Bettlaken, fühlte ihre Zehen, fühlte kein Blut, keinen Schmerz…
»Lily?« Die Stimme ließ sie zusammenschrecken, die Berührung an ihrer Schulter ließ sie herumfahren. Noch immer atmete sie, als gäbe es nicht genügend Luft zu atmen, als wäre alle Luft der Welt nicht genug für ihre gierigen Lungen.
Hände umfassten ihr Gesicht, warm und weich, aber bestimmt. »Sch, ruhig, ganz ruhig.« Aber sie konnte sich nicht beruhigen. Das Bild von Regulus’ Gesicht unter dem Eis ließ sich nicht aus ihren Gedanken verbannen. Sie spürte, wie sich Arme um sie schlangen, wie jemand beruhigende Kreise über ihren Rücken strich, aber sie konnte nicht aufhören zu zittern. Es war so kalt gewesen, so kalt…
»Es war nur ein Traum. Nur ein Traum. Sch, alles gut, alles gut«, murmelte die Stimme in ihr Ohr. Aber das konnte nicht stimmen. Die Schmerzen waren viel zu real gewesen. Und der See…
»Ich muss ihn da raus holen!« Lilys Hände krampften sich an ihre Brust, während sie in Gedanken das Netz aus Rissen und Spalten vor sich sah, die Eisschollen, die sich unter ihren Fingern bewegten.
»Lily! Lily, sieh mich an!« Wieder die Hände an ihrem Gesicht, diesmal fester. »Sieh mich an!«
Sie blinzelte.
»Du bist hier.«, sagte er, seine Hände hielten ihren Kopf so fest, dass sie ihn nicht mehr drehen konnte. »Du bist hier bei mir, Lily. Es war nur ein Traum. Verstehst du mich?«
Ein Traum?
Lily ließ die Augen über seine Züge wandern. Die dunklen Haare, die zusammengezogenen Augenbrauen, die leicht geöffneten Lippen.
Langsam nickte sie. James seufzte, schlang dann einen Arm fest um ihren Nacken, den anderen um ihre Taille und zog sie an sich. »Es ist alles gut.«, versicherte er ihr noch einmal und diesmal glaubte sie ihm. Sie starrte in die Dunkelheit des fremden Zimmers und langsam begann sie sich zu erinnern. Sie hatten aus Stonegrave flüchten müssen. Das hier war das Haus von James’ Großeltern. Ihr neues Zuhause auf Zeit.
Sie atmete tief durch und schloss die Augen. Dann ließ sie sich von James’ Wärme durchströmen, bis die Erinnerung an die Eisschollen unter ihrem Körper nur noch ein vages Echo ihrer selbst war.
Aber schließlich löste sich James von ihr. »Alles in Ordnung?«
Sie nickte langsam, strich sich die Haare aus dem Gesicht und streifte ihre Wange. Sie war feucht. Lily hatte gar nicht gemerkt, dass sie geweint hatte.
»Was war los, was hast du gesehen?«, fragte James, während er ihre Schultern streichelte. Er sah besorgt aus. Und anders. Er hatte seine Brille noch nicht aufgesetzt.
Erst da fiel Lily auf, dass Licht sein Gesicht bestrahlte und sah sich nach der Quelle dessen um. Es kam von einer Nachttischlampe, in der ein kleiner, lodernder Lichtball tanzte. Lily kannte diese Lampen aus den Läden in der Winkelgasse. Der Gedanke an Licht reichte meist schon, um sie zu entfachen.
»Alles okay?«, fragte James noch einmal, als sie nicht antwortete und Lily nickte.
»Ja. Ich… Ich hab gesehen wie Regulus Black ertrinkt.«
»Regulus Black?«, wiederholte James und hob die Augenbrauen. »Ertrinkt? Wo?«
»Auf einem zugefrorenen See. Das Eis bricht unter ihm und ich bin nicht schnell genug, um ihn zu retten…« Langsam schüttelte Lily den Kopf. »Ich… Ich hatte solche Panik…«
Noch einmal zog er sie an sich, küsste sie aufs Haar und streichelte ihren Rücken. »Dabei hatten die Träume doch gerade aufgehört.«, brummte er in ihren Nacken, doch das stimmte nicht. Sie hatten nie aufgehört. Sitos Traumfänger hatte sie nur abgeschwächt und Lily vergessen lassen, was sie träumte…
Doch Sitos Traumfänger war nicht hier. Und vielleicht kam Lily dieser Traum deswegen so intensiv und real vor: sie war die Träume nicht mehr gewohnt gewesen. Sie war es nicht mehr gewohnt, nachts schreiend aufzuwachen, nachdem sie in das Gesicht eines Toten geblickt hatte.
Sie legten sich wieder hin, James zog das Laken höher und beschwor einige Decken herauf, weil Lily immer noch zitterte. Dann nahm er sie fest in die Arme und löschte das Licht. Für ein paar Sekunden lagen sie in der Dunkelheit und Lily presste sich an James’ schlagendes Herz.
»Ich will nicht schlafen.«, flüsterte sie dann und spürte, wie sich James’ Arme anspannten, um sie noch mehr an sich zu ziehen, falls das überhaupt noch möglich war.
»Regulus Black ist ein Todesser.«, murmelte er und vergrub eine Hand in ihrem Haar.
»Er… Er war so hilflos.« Lilys Atem strich heiß über James’ Hals, ihre Lippen streiften seine Haut. »Er sah mich so erschrocken an… Alles ging so schnell, er wusste gar nicht, was passiert ist.«
»Das ist gut.«, meinte James leise. »Wenn es schnell geht.«
Und Lily nickte. Ja, da hatte er vermutlich recht.


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