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Fanfiction

Hat diese Finsternis einen Namen? - Monster

von Buntstiftchen

Das Böse, das sollte man nie so dahin sagen
Es ist nur das dunkle Ende von einem breiten Spektrum
Ich spreche von Licht
Niemand kommt in absoluter Finsternis zur Welt
Die meisten von euch leben in der Grauzone
Und die ist groß
Es gibt Eifersucht und Zorn
Aber wirklich böse wird ein Mensch erst,
wenn er ausschließlich böse Dinge tut
Tja, und dann verwandelt der Mensch sich in sowas wie ein Monster
Ein Monster ist eine Kreatur, die kein Gewissen hat
Sie sind extrem selten, aber sie existieren


An manchen Morgen hat man das lähmende Gefühl, die ganze Nacht durchwacht zu haben. Die Augen brennen, die Lider sind schwer wie Betonplatten und sie sacken in jedem Augenblick, in dem man nicht vollends konzentriert ist über die Pupillen herab und verhindern eine klare Sicht.

Es gibt Morgen, da spürt man es in jedem einzelnen Knochen.
Eine ganz eigenartige Beklommenheit, ein Drücken, ein Fauchen als wäre man ein eingesperrtes Tier, dass nichts tun kann, als die wenigen Quadratmeter seines Gefängnisses abzulaufen, um sich so nur noch beengter und verzweifelter zu fühlen.

An manchen Morgen kommt einem die Welt vor wie ein ewig dauernder, einsamer Winter, dessen eisige Winde in jeden einzelnen Teil des Körpers fegen und ihn leer höhlen.
An manchen Morgen spürt man es ganz deutlich- die Zeit läuft ab, rieselt durch die eigenen Fingern, wie der Sand einer Sanduhr. Rieselt fort, rieselt und rieselt, bis man leer ist.

Anders als andere Menschen habe ich an solchen Morgen nicht das Bedürfnis mich in meinem Bett zu verkriechen und zu warten, dass jemand kommt, der mich rettet oder befreit oder einsperrt oder was auch immer.
Ich habe an solchen Morgen den schmerzhaften Drang mir die Haut vom Körper zu ziehen um aus diesem Gefängnis ausbrechen zu können.

Auch an jenem Morgen in Little Hangleton hatte ich dieses Gefühl in mir.
Ich hatte das knarrende Bett ignoriert und die Nacht zusammengerollt auf dem schmalen Sofa verbracht und selbst im Schlaf hatte ich gefroren, war im Traum durch Eiswüsten gestolpert, durch arktische Meere getrieben, lag begraben unter weiß glitzernden blaustichigen Schneemassen, die auf meiner Brust lagen, meine Lunge zusammenquetschten und mich am Atmen hinderten.

Es war fast so, als hätte mein Unterbewusstsein erkannt, was ich selbst noch nicht in der Lage war zu erkennen:
Es begann. Der Anfang vom Ende begann. Mein Untergang begann.
Es war fast so, als würde diese Tatsache in der Luft liegen wie ein Geruch. Wie ein Gas, ein Gift. Und ahnungslos wie ich war, atmete ich es ein. Jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde.
Ohne es zu merken.

Mir tat der ganze Körper weh, als ich mich erhob. Es musste bereits Mittag sein, aber draußen war es noch fast dunkel. Das Feuer im Kamin brannte und die Flammen reckten sich mir entgegen als würden sie mich locken wollen.

Komm zu uns. Umarme uns. Spiel mit uns. Liebe uns. Wir halten dich warm.

Mir kroch ein kaltes Hauchen über den Nacken.
War er heute Nacht hier gewesen? Hatte er das Feuer neu entfacht? War er hier gestanden, über mir? Hatte er mich angesehen und sich in meine Träume geschlichen? Hatten seine Eisfinger nach mir gegriffen?
Und hatte ich nicht im Traum seine Hand genommen? Naiv und unschuldig und ahnungslos, wie ein kleines Kind? Hatte ich nicht?

Das Blut, dass durch mein Herz floss wurde fast spürbar kälter, wenn ich daran dachte, er könnte über mir gestanden haben, als ich dort schlief, träumte und so ungeschützt war, wie ein Mensch nur eben sein konnte.

Ich setzte mich steif auf, schob mein Hemd mit fahrigen Fingern in den Rock und schlüpfte in meine Stiefel. Ein hastiges Durchfahren meiner wirren Haare später trat ich mit spürbar klopfendem Herz zur Tür und drückte mit einem seltsam beklemmendem Gefühl in der Brust die Klinke nach unten.

Die Tür sprang auf und für eine Sekunde verschwand das Drücken um mein Herz. Für eine Sekunde hatte ich das Gefühl frei und noch immer ich zu sein, aber es war eben nur eine Sekunde und sie reichte nicht aus dafür, dass ich wieder das Gefühl gehabt hätte, der gleiche Mensch zu sein, wie noch vor einigen Tagen.
Auf dem niedrigen Gang draußen war es noch dunkler als im Zimmer und kälter war es. Viel kälter.

Fröstelnd tastete ich mich vorwärts und keinen Augenblick verließ mich die Angst, er könnte hier irgendwo warten, in einer der schwarzen Nischen lauern, darauf wartend, was passieren würde, wenn er mich anfiele wie ein Löwe seine Beute.

Zwei verwinkelte, windschiefe Treppen und einen weiterer gewundener Gang später trat ich in eine überhitzte, nach Zigarettenrauch und Schnaps stinkende Stube, in der irgendeine aberwitzige Person Plastikblumen in matten, blassen Farben auf den Tischen aufgestellt hatte. Trotz ihrer bleichen Farben leuchteten sie im Raum, stachen hervor wie schillernde Lichter.

Ihre Blüten konnten zwar nicht verwelken, aber sie waren verknittert, staubig und von Motten zerfressen.
Vielleicht hatte die Person, die sie aufgestellt hatte gedacht, den Raum dadurch freundlicher erscheinen zu lassen und vielleicht kam es manchen Menschen sogar so vor, ich fand den Anblick einfach nur hässlich und armselig.

Ich zuckte zusammen, als ich aus den Augenwinkeln die Person rechts von mir wahrnahm. Es war ein Mann, der mich anstarrte. Er stand hinter der Bar, trug eine Schürze, die wohl vor langer Zeit einmal weiß gewesen sein mochte, klobige Stiefel und ein fleckiges, weißes T- Shirt, das über dem ausladenden Bauch beträchtlich spannte. Eines seiner Augen war blutunterlaufen und halb vom Lid verdeckt, dass schwer herunterhing.

Ich betrachte diesen unbedeutenden Mann von damals heute als ein Art Warnung. Eine Warnung die blinkend und leuchtend vor mir stand. Eine Warnung, die ich durchaus sah. Eine Warnung, die ich aber ignorierte und so kann ich niemandem weismachen, ich wäre ahnungslos gewesen.
Das war ich nicht.

Ich war kein Mädchen, das nicht wusste, worauf es sich einließ. Ich war nicht unschuldig, es war kein Zufall, dass ich in diese Welt geraten war. Es war meine Entscheidung. Mir war glasklar, auf welches Grauen ich mich einließ.

Ich bin schuldig. In jeder Beziehung. Das sage ich, weil es die Wahrheit ist. Wenn ich sage, dass Tom Riddle kein guter Mensch ist, dann ist das auch die Wahrheit. Aber wenn ich sage, dass ich ein guter Mensch bin, dann ist das eine Lüge.

Ich bin nicht gut. Denn auch wenn ich am Ende meiner Geschichte das richtige tun werde, ich tue es aus purem Egoismus. Ich tue es für mich. Selbst die ruhmreichste Handlung ist nichts wert, wenn sie aus schlechten Absichten und falschen Gründen heraus begangen wurde. Ich bin also absolut kein guter Mensch.

Der Wirt begrüßte mich freundlich und sein Blick auf mir beherbergte eine Neugierde, die ihn mir sofort zuwider machte.
Ich atmete tief durch und der Wirt verzog das gerötete Gesicht, mit der großen Nase und den roten Bartstoppeln zu einem Lächeln und wünschte mir einen guten Morgen, während er hinter dem Tresen hervortrat und mir einen Stuhl nicht weit von der Bar zurecht rückte.

Er mochte um die Fünfzig sein, sein Gang aber war sicher und schnell und zeugte einerseits von einer fesselnden Bestimmtheit, andererseits aber auch von einer demütigen Unterwürfigkeit, die er sich wohl im Laufe der Jahre angeeignet hatte, um seinen Gästen hier ein Gefühl von Zufriedenheit vermitteln zu können.

Zögernd verlangte ich nach Tee, den er mir in einer blau- gepunkteten Tasse mit Sprung servierte.
„Ihr Begleiter ist schon seit heut’ Morgen fort. Er wollt Sie nicht wecken, hat er gesagt“, berichtete mir der Mann, als er dann wieder hinter dem Tresen stand und mit einem recht schmutzigen Lappen Krüge abzuwischen begann.
Ich nickte nur und versuchte seine nur allzu offensichtliche Neugierde zu ignorieren so gut ich das konnte.

„Was verschlägt euch beide denn um diese Jahreszeit hierher?“, dröhnte seine Stimme nach einer Weile wieder durch die Stube.
Ich blickte auf und räusperte mich, während ich mit meinen kalten Fingern die heiße Tasse umfasste.

„Wir... besuchen Verwandte“, sagte ich und bemühte mich ums möglichste, so desinteressiert an einem Gespräch mit diesem Mann zu wirken, wie es eben ging.
Entweder er bemerkte das nicht, oder es war ihm egal, denn er sprach weiter, als hätte ich nichts gesagt.
„Verwandte... soso“, meinte er und seine kleinen Knopfaugen leuchteten auf. „Dein Begleiter sieht jemandem sehr ähnlich, der mal hier gewohnt hat. Er ist glaub ich letztes oder vorletztes Jahr gestorben. Mysteriöse Sache musst du wissen.“

Der Wirt trat begierig an meinen Tisch und beugte sich ein wenig zu mir herunter. Er roch nach Erbrochenem und kaltem Zigarettenrauch, doch ich wich nicht zurück.
„Eines Tages kommt da dieses Hausmädchen in meinen Pub gerannt“, begann er mit leiser, sehr heiserer Stimme. „Sie ist ganz aufgelöst, das arme Ding, stottert irgendwas von wegen ‚Sie sind tot. Alle tot. Tot’. Türlich haben wir sofort gewusst, von wem sie geredet hat. Von den Riddles nämlich. Für die hat sie gearbeitet, weißt du.“

Ich zuckte beim Namen Riddle zusammen. Der Wirt aber bemerkte dies nicht.
Mir kam der Gedanke, dass er womöglich nur sehr wenig von dem mitbekam, was seine Umwelt tat und dachte.

„N’ Paar von den Stammgästen sind gleich rauf zum alten Herrenhaus am Rand vom Dorf und ham nachgesehen und wirklich, die warn alle tot.“

Ich hob den Kopf und der Wirt schien zu merken, dass er ganz plötzlich meine volle Aufmerksamkeit hatte. Er zog sich einen Stuhl vom Nachbartisch heran und ließ sich ächzend darauf nieder.
„Wer waren sie?“, fragte ich, als wüsste ich es nicht.
Die Augen des Wirts begannen fiebrig zu glänzen.
„Die Riddles?“, fragte er. „Na das waren Tom Riddle und seine beiden Eltern. Sag mal, ist dein Cousin mit denen verwandt gewesen? Er ist Tom Riddle wie aus dem Gesicht geschnitten, mal ehrlich.“

„Wie merkwürdig“, meinte ich nur, dann räusperte ich mich und blickte von der Tischplatte auf. „Könnte ich Zucker haben?“, fragte ich und starrte gegen die Wand hinter dem Wirt.
Dieser stand schnell auf.
„Türlich“, meinte er, dann verschwand er und kam Sekunden darauf mit einer Tasse voll Zucker zurück. Er stellte sie vor mir ab und ließ sich dann wieder an dem Tisch mir genau gegenüber nieder.

„Das allermerkwürdigste an der Geschichte hast du noch gar nicht gehört“, setzte er seine Erzählung wieder fort.
„Die Riddles nämlich waren zwar tot, aber niemand konnte, da konnte keiner sagen an was die gestorben waren. Einfach tot umgefallen sind se alle. Mysteriöse Geschichte, nicht wahr?“

Da. Da. Das war sie. Die Warnung.

Das erste, was ich dachte, ich weiß nicht wieso ich darauf kam, war: Er hat sie umgebracht. Es war er.
Ich traute es ihm zu, obwohl ich ihn noch nicht kannte, obwohl er ein Schüler an meiner Schule war, obwohl ich ihn schon als Zwölfjährigen gekannt hatte, praktisch dabei gewesen war, wie er aufwuchs.

Obwohl er erst siebzehn war konnte ich ihn mir vorstellen, wie er die beiden Worte aussprach, die die Macht hatten Leben zu nehmen.
Ich weiß nicht wieso ich diesem Instinkt nicht traute. Ich weiß nicht wieso mein Gehirn den Gedanken, er könnte es gewesen sein, aus meinem Kopf verschwinden ließ, kaum dass er gedacht war.

Ich schluckte fest, und meine Finger rutschten von der Tasse auf die Tischplatte. Einen Moment entglitt mir sämtliche Kontrolle über meinen Körper. Es war der Moment, in dem ich ihn mir als Mörder vorstellte.
Aber der Moment zog vorbei und kam erst viel später wieder zu mir zurück. So viel später, dass es längst zu spät gewesen war.

„Niemand konnte sagen, an was sie gestorben sind?“, fragte ich leise und starrte in die roten, kleinen Augen des Mannes mir gegenüber.
Er nickte.
„Aber ja. Niemand konnt das. Man hat nur gesagt, dass sie alle ausgesehen hätten, als wäre ihnen Satan höchstpersönlich begegnet. Mehr ham die nicht sagen können.“

„Und... haben sie den Schuldigen gefunden?“
Der Wirt schnaubte auf und schlug mit seinem schmutzigen Lappen gegen das Tischbein.
Klatsch.
Klatsch
Klatsch, im dreiviertel Takt.

„Ja, verhaftete ham sie schon einen, den Gärtner der Riddles nämlich, den verschrobenen Kerl, aber nichts nachweisen ham se ihm können und da ham sie ihn wieder laufen lassen diese Trottel. Dabei wars der ganz sicher. Es ist immer der Gärtner, das weiß doch jeder.“
Klatsch.
Der Wirt spuckte auf den Boden und ich zuckte zusammen, weil seine Stimme so laut geworden war.
Klatsch

„Und Sie sind sich sicher, dass keine Todesursache festgestellt werden hat können?“, fragte ich ein weiteres Mal.
Der Wirt nickte.
„Aber ja, ja ganz sicher“, meinte er, dann trat plötzlich wieder ein beinahe irres Funkeln in seine Augen. Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl vor und dann wieder zurück.
Klatsch, machte es wieder.

„Es gibt da noch eine Geschichte, die ganz schön für Gerede gesorgt hat in unsrem kleinen Dorf. Wieder wars dieser Tom Riddle“, begann der Wirt von neuem. „Er ist mit der kleinen Gaunt durchgebrannt, von einem Tag auf en anderen warn die weg und Monate später kommt der wieder und quasselt was von Hexen und von wegen er sei betrogen worden.“

Der Wirt grinste breit und offenbarte eine große Zahnlücke dort, wo eigentlich der Schneidezahn hätte sein müssen. „Jaja die Riddles. Die waren schon so eine Klasse für sich. Reich wie Könige, aber geizig und hochnäsig warn die... wennse mich fragen wollte der einfach nicht mehr für das Mädchen aufkommen. Das arme Ding, die war doch so verliebt in ihn gewesen.“
Klatsch, Klatsch.

Ich wagte nicht den Blick zu heben und starrte nur in meine Tasse. Er sprach von Tom Riddles Mutter, dieser Mann. Und ich wollte mehr hören über die Vergangenheit von diesem Menschen, der mir so unbegreiflich war.

„Was wurde aus ihr?“, fragte ich.
Ich spürte den Blick des Wirtes auf mir.
„Aus Merope Gaunt?“, fragte er. „ Wir ham hier nie wieder was von ihr gesehen oder gehört. Ist wohl erfroren irgendwo auf den Straßn in London, damals der Winter war ja fast noch kälter als dieser hier. Armes Ding wie gesagt.“
Klatsch, Klatsch, Klatsch

Aber plötzlich hielt der Wirt in der Bewegung inne und starrte auf einen Punkt über meiner Schulter. In seinen Augen, in seiner gesamten Körperhaltung veränderte sich plötzlich etwas.
Etwas nicht zu definierendes. Da war mit einem Mal etwas in seinen Augen, vielleicht war es Furcht, die er sich aber, so denke ich, nicht einmal selbst erklären konnte.

Und ich wusste warum. Ich wusste es sofort. Kalte Finger begannen in meinen Eingeweiden zu wühlen und ich wusste, was das für ein Gefühl war. Wusste, dass er es war, sein Blick war es.
Sein Blick der in mir wühlte, ohne Rücksicht auf Schäden, die er womöglich zurückließ.

Ich beugte mich weiter über meine Tasse und blickte nicht zurück, lauschte nur seinen Schritten, die näher kamen.
Langsam und bedächtig und fest. Ein Raubtier, dass sich sicher war, dass die Beute nicht mehr fliehen konnte, sondern bereits aus allen Wunden blutend am Boden, im Sterben lag.

Ein Raubtier, so schrecklich siegesgewiss.

Der Wirt sprang auf und trat so schnell vom Tisch zurück, dass ich es gar nicht sah. Er ging hinter den Tresen und verschwand durch eine Tür aus dem Raum.

Und Tom und ich, wir waren allein.
Seine Schritte verstummten hinter mir.

„Na, interessantes gehört?“, ertönte seine schneidende Stimme über mir.
Ich frage mich heute, ob er ein Gespür dafür hatte, eine Art sechsten Sinn, wenn irgendwo irgendetwas passierte, das ihn störte. Er hatte das Talent immer genau dann aufzutauchen, wenn ich es am wenigsten ertrug.

Solche Situationen waren ihm die liebsten, denn in ihnen war ich oft nicht die verschlossenen Gwendolyn, sondern einfach nur ein Mädchen, das einmal seine Auszeit von sich und Welt brauchte. Irgendwann brauchte ich die wie jeder andere Mensch auch. Er ließ sie mir nicht und ich schlitterte weiter auf meinem Weg in die schwarze Schlucht.

Ich antwortete nicht. Tom ging gemächlich an mir vorbei und ließ sich elegant auf dem Stuhl nieder, auf dem zuvor der Wirt gesessen hatte.
Er sah so ausgeschlafen und gut aus, wie immer. Mit seinem eleganten, schwarzen Mantel und den perfekt frisierten Haaren passte er nicht in diesen dreckigen Raum. Noch weniger als ich.

Er betrachtete mich sehr aufmerksam und als ich nicht antwortete, steckte er seine Hand in seine Manteltasche und zog, wie ich kurz darauf erkannte, meinen Zauberstab heraus.
„Möchtest du ihn wieder haben?“, fragte er freundlich, aber der Ausdruck in seinen Augen strafte diese plötzliche Freundlichkeit Lügen.
Er beobachtete mit wachenden Augen meine Reaktion und ich konnte es nicht verhindern, dass meine Augen zornig zu ihm auffuhren.

„Möchtest du jetzt nett sein?“, fragte ich, wütend darüber, dass er es tatsächlich schon wieder geschafft hatte mich wütend zu machen.
Er lachte nur abfällig.
„Nett?“, fragte er und zog die Augenbrauen hoch. „Ein eigenartiges Wort. Aber nein, ich möchte nicht ‚nett’ sein. Ich möchte nur, dass du vergisst, was gestern passiert ist. Sagen wir, du bist wegen unserer Abmachung hier und nicht, weil ich dich hierhergebracht habe.“
Toms Augen blitzen und zeigten, wie sehr er sich amüsierte. Sein Spielzeug gefiel ihm wohl.

Ich bleckte die Zähne.
„Dabei hast du mir doch gestern noch klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass alles nur aufgrund deines Willens geschieht und nichts weiter. Dass ich eigentlich keinen freien Willen mehr habe und... dir praktisch gehöre?!? Was ist daraus denn geworden?“

Meine Stimme war gegen Ende hin sehr laut geworden.
Zu meiner Überraschung vertiefte sein Lächeln sich nur auf eine beunruhigende, mir die Kehle zuschnürende Art und Weise.

Er fand schon damals gefallen an dieser einen, ganz speziellen Aussage: Ich gehöre dir. Das mochte er. Sogar sehr.
Ich war kein Mensch, ich war ein Ding. Ein Ding das er besaß, über das er bestimmen konnte. Mehr war ich nicht.
Und wäre es so geblieben, dann besäße ich heute noch ein Herz und eine Seele.
Dann besäße ich heute noch Licht und Glauben. Dann hätte ich noch alles erhellende Hoffnung in mir. Dann hätte ich heute noch Tränen und Lächeln, Traum und Schlaf. Und alles, was mich zu dem machte, was ich einst war.

Ja, aber es hatte nicht sollen sein. So war es nicht gekommen. Ich müsste es bedauern, aber ich tue es nicht. Wie auch? Ich habe alles verloren, was mir lieb war, aber noch besaß ich meinen Verstand und meine Erinnerungen, die mir Gefängnis und Paradies zugleich waren.

Schmerzen töten mich, und trotzdem liebe ich sie. Eine Eigenschaft, die nicht viele auf dieser Welt haben: Schmerz zu lieben.
Dabei ist es die beste Eigenschaft, die man haben kann. Mit ihr lebt man ewig.

Werft euch ins Feuer und lacht, während ihr verbrennt. Jubelt während eure Haut versengt. Seid glücklich wenn euer Fleisch sich mit der Asche mengt.

Toms Zähne blitzten.
Er war glücklich, glaube ich. Damals im Winter, an den kalten Tagen, die wir gemeinsam in Little Hangleton verbracht hatten.
Ich habe freilich keinen Beweis dafür, aber ich glaube durchaus, dass er Glück empfinden konnte. Vielleicht würde er es anders nennen, aber ich denke, dass es auch bei ihm so war, wie bei allen Menschen.

Ich sah ihn an und wartete. Wartete gespannt was er sagen würde.
„Oh, das behalte im Hinterkopf“, meinte er schließlich mit langsamer, sehr tiefer Stimme.
Dann beugte er sich mir entgegen.
„Gwendolyn, sag, erkennst du es nicht?“, fragte er beinahe begierig.

Ich runzelte die Stirn und ging mit meinem Oberkörper so unwillkürlich zurück, wie er nach vorne gekommen war.
Tief in mir, da hatte ich es verstanden. Ja, ich hatte.

Toms Gesicht verspannte sich vor Freude.
„Ich gebe dir die Chance es von selbst auf sich beruhen zu lassen“, erklärte er bestimmt. „Nimm den Stab und vergiss oder nimm ihn nicht und ich lasse dich vergessen. Nimm den Stab und bleibe freiwillig hier oder nimm den Stab nicht und ich mache, dass du freiwillig hier bleibst.“
Er strich sich mit der Zunge über die Lippen. „Siehst du? Deine Entscheidung.“

Plötzlich musste ich lachen. Ich konnte es nicht kontrollieren. Es war krank.
„Ich bin nicht dumm Tom. Vielleicht glaubst du das, oder hättest es gerne, aber in welchem Punkt ist das denn meine Entscheidung?“
„In dem Punkt, in dem ich dir die Wahl lasse auf welche Art und Weise ich meinen Willen durchsetzte.“
„Dein Wille, dem ich natürlich unterliege, wie?“
„Natürlich. Nimm ihn oder nicht. Für mich spielt das keine Rolle“, sagte Tom und legte den Stab vor sich auf den Tisch wie eine wertvolle Opfergabe.
Da war ein Glitzern in seinen Augen gewesen, ein Glitzern, wie es auch kleine Kinder in den Augen hatten, wenn sie spielten.
Ein Glitzern, dessen Wahn keine Grenzen kannte.

„Und was ist mit der dritten Option, die du hier so einfach verschweigst?“, fragte ich, während ich schon nach dem Stab griff um ihn vom Tisch zu nehmen.
Ich konnte jetzt einfach nicht still sein und ihn schon wieder gewinnen lassen. Ich konnte nicht schon wieder tun, was er wollte. Nicht schon wieder. Warum nur tat ich es?

Als meine Finger das Holz berührten schoss Toms Hand nach vorne wie ein weißer Blitz. Sie legte sich fest und unnachgiebig um meine.
Seine Finger waren kühl und kräftig und meine Hand verschwand unter der seinen fast vollkommen.

Mit stählernem Blick starrte er mich an.
„Du meinst, die Option nach der du den Stab nehmen und gehen könntest?“, fragte er lauernd mit beinahe aufgeregten Augen.

„Ja“, antwortete ich. „Was macht dich so sicher dass ich wirklich bleibe?“
Wie konnte ich das nur fragen? Es war doch alles so glasklar und einfach, unkompliziert: Er zweifelte keine einzige Sekunde daran, dass ich bleiben würde.

Tom nickte bedächtig, dann fuhren seine Augen Richtung Tisch auf unsere Hände. Langsam und ohne mich anzusehen ließ er mich los, wandte sich um und stand auf.

Es war wie ein Schlag ins Gesicht für mich. Ich war keine Bedrohung. Keine Gefangene. Ich war auf seiner Seite. War wie er.
Mir wäre lieber gewesen er hätte mich gefesselt und geknebelt, festgebunden und gefoltert an jenem Tag. Wie stark und kräftig hätte ich mich da gefühlt.

So aber war ich einfach nur ein zutiefst schwacher Mensch.
Ich rührte mich nicht, ließ meine Hand wo sie war. War wie versteinert, als ich zu verstehen begann.

Er war sich sicher, dass ich nicht gehen würde. Er war sich todsicher. Und, sosehr es mir auch widerstrebte, Tom Riddle hatte Recht. Ich würde nicht gehen. Ich würde bleiben.

„Komm, es wird Zeit“, sagte Tom ohne mich noch einmal anzusehen.


Wir gingen durch das kleine Dorf, vorbei an alten, vom Schnee zugemauerten Häusern, vorbei an morschen, kaum mehr sichtbaren Zäunen, vorbei an hastig über die eisigen Straßen huschenden, tief gebückt gehenden Menschen, die uns misstrauisch aus ihren eingemummelten Gesichtern heraus ansahen.

Er führte mich hinaus aus dem Ort, Richtung der endlosen Hügel und Felder, die um das Dorf lagen und es abkapselten von seiner Umwelt wie tiefe Schlüchte.
Wir passierten einen Friedhof und ich hatte natürlich keinen Schimmer davon, was auf diesem Friedhof in vielen, vielen Jahren geschehen würde. Hatte keine Ahnung von diesem Grauen, dass sich dort abspielen würde.

Nur Tom sah auf die niedrigen Mauern und die schiefen Grabsteine mit den Schneehäubchen, als wüsste er es. Als hätte er eine Ahnung.
Vielleicht erinnerte er sich aber auch nur an den ersten Mord, den er begangen hatte. Vielleicht erinnerte er sich daran, wie er in die Augen seines Vaters blickte, als er ihn tötete.

Vielleicht tat er das, aber ich glaube es nicht. Ich glaube viel eher, dass er nie mehr an seinen Vater gedacht hatte. Ich glaube, dass sein Tod in schon nicht mehr interessierte, als er noch mit erhobenem Stab vor dem toten Körper stand.

Tom ließ seinen Blick über den Friedhof gleiten und da lag einfach nur ein Glitzern in seinen schwarzen Augen, in denen sich die Kreuze und Gedenktafeln in einer wahren Schattenwelt widerspiegelten, aus der es kein Entrinnen gab.

Oft, denke ich an den Tod, wenn ich mich an jenen Moment zurückerinnere. An den Tod und an Tom.
In seinem Leben gab es keine Person, deren Tod ihm nicht egal gewesen wäre.
Es gab niemanden, den er vermisst oder dessen Abwesenheit er bedauert hätte, niemanden, um dessen Verlust es ihm leid getan hätte. Niemandes Tod hätte ihm Schmerzen bereiten können.

Er hätte jeden einzelnen Menschen getötet, wäre ihm dies zu Nutzen gewesen oder auch nur hätte es ihn erheitert.
Er hatte kein Gewissen, empfand keine Reue. Er verschonte nicht und wahre Treue kannte er nicht.
Wer etwas anderes behaupten würde, der würde lügen.
Ich will ihn nicht verteidigen. Tom hatte und hat keinen Funken Gutes in sich.

Er stand an einer Spitze, auf der nicht genug Platz war, als dass da noch ein anderer hätte stehen können.
Man kann also durchaus sagen er war ein Monster.
Aber
Aber
Da gab es dann noch mich.

Und ich war alles in einem. Ich versammelte alles in mir. Sein Gewissen, seine Reue, Treue, Schmerz, Schwäche. Ich war es, deren Tod er gespürt hätte, als wäre es sein eigener.
Tom Riddle, er, dieser andere Name, er war ein Monster. Er tat nichts gutes. Auch mir nicht. Er nahm keine Rücksicht auf meine Seele, er wollte sie nicht schützen, er wollte mich nicht schützen.

Er wollte, dass ich bei ihm war, am Leben. Ob meine Seele aber tot war, das war ihm egal. Wenn er mir wehtat, auch das war ihm egal. Das Wichtigste war, dass ich einfach nur bei ihm war.

Er war ein Monster. Tom Riddle war ein Monster.

Ich war niemals so verblendet, dass ich gsagt hätte, dass er im Grunde seines Herzens ein gebrochener Mann war, der die Last der Welt auf den Schultern trug. Ich war nie so naiv, dass ich gesgat hätte, man hätte ihn zu dem gemacht, der er war. Ich war nie so dumm, dass ich gesagt hätte er besäße auch nur einen Funken Anstand. Den hatte er nicht.
Er war ein Monster. Das war er wirklich.

Nur konnte dies absolut nichts an der einen alleszerstörenden Tatsache ändern, dass ich ihn liebte wie ein Mensch nur lieben kann.

Als ich am 31. Oktober 1981 erfuhr, dass Tom Riddle gestorben sein sollte, da weinte ich nicht. Ich schrie nicht, trauerte nicht. Fühlte nicht. Gar nicht.
Alles was ich tat, tun konnte, war lachen.
Ich lachte. Ich lachte so sehr. Zu töricht war der Gedanke, dass irgendjemand ihn, meinen Tom, getötet haben könnte.

Wie konnten die Menschen nur glauben sie wären erlöst? Wie konnte jemand nur so voller Dummheit sein? Sie waren alles Narren, die noch bezahlen würden.

Er konnte doch nicht sterben. Schließlich hatte ich einen Teil seiner Seele bei mir und solange ich ihn beschützen würde mit meinem eigenen Leben, solange ich ihn bei mir trug und ohne zu zögern für ihn sterben würde, solange ich mich nicht gegen ihn stellte, solange würde Tom Riddle weiterleben.

Ich lachte und lachte und wusste, dass Tom Riddle in jener Halloweennacht nicht gestorben war. Ich lachte und wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er wieder kehren würde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er zurückkam.

Ich lachte und wusste, dass unvorstellbares Grauen auf die Welt hereinbrechen würde, die in dieser Nacht des 31. Oktobers feierte und sich in Sicherheit wähnte.
Dass es auf eben jenem Friedhof geschehen würde, das wusste ich nicht.

Warum aber lachte ich in jenem Moment? War ich tatsächlich schon so abgestumpft und gefühllos, dass ich mit einem Grinsen im Gesicht der Welt winkte und rief:
Feiere nur. Feiere so lange du kannst. Dein Untergang steht bevor.

Stand ich am Rand der Menschheit und verspottete sie dafür, dass ihre Hoffnung größer war, als ihr Verstand?
Tat ich das?

Ja, das tat ich.
Und ich erwarte nicht, dass man mir das verzeiht, denn auch ich werde nicht verzeihen. Niemals.

Ich lachte damals, aber bei Gott, das bedeutete nicht, dass ich der Welt nicht von ganzem Herzen wünschte, sie würde Recht behalten.

Und nun, muss ich fragen:
Erkennt man es denn, wenn ich heute hier sitze und von meinem Leben berichte? Erkennt man, dass ich ein schlechter Mensch bin, er ein Monster und die Welt ein grausamer, blutiger Spielplatz ist?

Erkennt man, dass ich selbst Schuld dafür trage, was mir zustieß? Erkennt man, dass ich kein unschuldiges Opfer war? Erkennt man, dass ich ihn liebte? Erkennt man dass ich nicht verblendet und naiv war?
Erkennt man, dass ich ebenso wie jeder andere Mensch, der Tom Riddle gekannt hatte, der Meinung war, dass er ein grauenvoller Mensch war? Erkennt man, dass ich durch die Hölle ging und ihn dafür hasste, was er mir angetan hatte?

Und erkennt man, dass auch er, so unmenschlich und grausam er auch gewesen sein mochte, erkennt man, dass auch er trotz alledem liebte?
Erkennt man das?
Und, versteht man das? Kann man es denn irgendwie begreifen wenn man meine Geschichte hört?

Und dann noch eines, ein letztes:

Kann man begreifen, dass ich ihn liebte?
Ich bin versucht, ihn jetzt bei dem Namen zu nennen, den er zu seinem neuen Namen erwählt hat.
Ich bin versucht es zu tun, um so jedem begreiflich zu machen, dass ich von eben jenem Mann spreche, der die Welt mit sich in den Abgrund zerrte.
Ich bin versucht es zu tun aber es würde mich auseinanderreißen und deshalb nenne ich jenen Namen nicht.

Kann man begreifen dass ich Tom Riddle liebte?
Denn wenn ja, dann ist man schon weiter als ich.

Ich kann und werde es nämlich niemals begreifen.


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