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Hat diese Finsternis einen Namen? - Verhandlungen

von Buntstiftchen

Du hast ihn geschlagen. Du hast Tom Riddle geschlagen.
Die Wörter drängten pochend durch meinen schmerzenden Kopf. Ich hatte sie ganz hinten irgendwo in mir vergraben, aber sie schlängelten sich rücksichtlos an allem vorbei und blieben haften, ließen sich nicht mehr vertreiben, egal was ich dachte und tat.

Du hast ihn geschlagen. Du hast Tom Riddle geschlagen.
Die Wörter waren wie blütenweiße Schrift auf schwarzer Leinwand. Man konnte sie nicht übersehen, ignorieren.

Du hast ihn geschlagen.
Mit jeder Faser meines Körpers war mir diese Tatsache bewusst, mit jeder Faser meines Körpers wollte ich sie ungeschehen machen, mit jeder Faser meines Körpers wollte ich es wieder tun. Ganz egal was das auch bedeuten würde.

Zu dieser Zeit glaubte ich Tom zu kennen. Ich wusste, dass er nicht gut war, wusste, dass er zu vielem fähig war, wusste, dass mit ihm nicht zu spaßen war, dass er es nicht dulden würde was ich getan hatte. Das alles wusste ich.
Ich glaubte zu dieser Zeit, ich wüsste ungefähr, wie er wäre aber das war ein Fehler.
Das war mein Fehler und ich verfluche mich selbst, dass ich ihn begangen habe.

Ich hatte eine tiefe, dunkle Ahnung gehabt, dass etwas an ihm war, das man mit keinem einzigen mir bekannten Wort beschreiben könnte, aber es war eben nur eine Ahnung, mehr nicht.

Da ich Menschen unglaublich gut einschätzen konnte, war ich mit meinem ersten Urteil über einen Menschen meistens sehr schnell.
Meistens traf es zu, was ich in einem Menschen sah, aber natürlich nicht bei Tom Riddle.
Hätte es zugetroffen was ich von ihm hielt, dann wäre wohl kaum alles so zerstörerisch und alles verschlingend gewesen.

Normalerweise braucht es eine gewisse Zeit, bis man einen Menschen kennt oder zumindest glaubt, dass man ihn kennt.
Denn auch wenn man denkt, sich einbildet, dass man alles über ihn wüsste- es ist nicht so, ist niemals so. Jeder Mensch hat einen dunklen Teil in sich. Einen Teil, den niemand je zu Gesicht bekommt, manchmal nicht einmal derjenige selbst.
Ein Wasserloch, tief drinnen im Dschungel der Seele, wo die bösen Wesen trinken, sich nähren und vermehren.

Tom hatte dieses Wasserloch hinter seiner Fassade so perfekt versteckt, dass ich es beinahe übersehen hätte. Zu Anfang jedenfalls, den später machte er sich nicht mehr die Mühe es zu verbergen.
Später machte er sich nur noch Mühe, etwas anderes zu verbergen- nämlich mich und all das, was ich in ihm auslöste.
Schließlich war ich seine allergrößte, womöglich seine einzige Schwäche.
Ich war sein Wasserloch tief in der Seele, bei mir konnte er sich verstecken, Ruhe finden, trinken, wachsen, sich stärken.

Ich wollte nicht mehr nach Hogwarts zurückkehren, als ich es in den Weihnachtsferien erst einmal verlassen hatte und bei Gott ich hätte fortbleiben sollen, ein neues Leben beginnen sollen, fernab von all dem Grauen, das unweigerlich auf die Welt zukommen würde, wenn Tom Riddle die Schule erst einmal verlassen hatte.

Während ich mit Flynn meine Zeit verbrachte, fernab von Hogwarts, Tom und alldem, was unser Leben war, da übte Tom Rache.
So sehr ich mich zuvor darauf gefreut hatte, aus der Schule fortzukommen, so sehr ich mich gefreut hatte, den Kopf ein wenig frei zu kriegen, von alledem, was in den vergangenen drei Monaten passiert war, es wollte mir nicht gelingen, fast, als würde ich ahnen, dass etwas geschehen würde, als würde ich ahnen, dass in der Zauberwelt ein Sturm losbrechen würde, wie ihn die Welt noch nie gesehen hatte.

Ich war kein gewalttätiger Mensch. Ich hatte zuvor noch nie jemanden ernsthaft zu schlagen versucht und genau deshalb war ich auch so entsetzt, dass es ausgerechnet Tom Riddle gewesen war, der das geändert hatte.
Er holte Dinge in mir hervor, die tief in mir drinnen schlummerten, entfesselte sie dort, befreite sie und ließ sie los auf die Welt.

Er brachte das Schlechteste in mir ans Tageslicht und freute sich, wenn er sah, wie dunkel und trügerisch, wie verzweigt und zerlöchert meine Seele war, wie ähnlich der seinen sie war.
Es gefiel ihm, damit zu experimentieren, wie weit ich zu gehen bereit war, um meine Welt vor ihm zu verstecken und zu verschließen.


Flynn und ich kamen wenige Minuten, nachdem mir meine Kontrolle so fatal entglitten war im Haus von Flynns Großmutter an.
Es war eigentlich vielmehr eine Hütte, als ein Haus und als ich aus dem Kamin stieg, zum ersten Mal meine Füße auf den alten Holzboden setzte, der knarrend unter meinem Gewicht nachließ, da wusste ich noch nicht, dass das hier mein Zufluchtsort werden würde. Mein Zufluchtsort vor Tom und auch vor mir selbst und der Frau, die ich im Laufe der Zeit werden würde.

Das Zimmer, in dem ich mich nun umsah war klein. Ein
riesiges auf Klauenfüßen stehendes Ungetüm von Schrank stand in der Ecke, ein altes, zerschlissenes aber sauberes Sofa stand in der Mitte des Zimmers und ein dicker Teppich lag vor dem Kamin, aus dem Flynn hustend stieg. Sonst war da nichts, nur das gräulich wirkende Licht, das flimmerte und wogte, als wären wir unter Wasser.

Ich ließ den Blick wandern und fühlte mich sofort mit dem Ort verbunden. Wenn ich an so etwas glauben würde, dann hätte ich gesagt, dass ich schon damals gespürt hatte, dass ich wieder hierherkommen würde.

Dass ich Jahre später auf eben jenem Boden liegen würde, zusammengekauert, bebend, zitternd. Ein blasser, weißer Fleck in der Dunkelheit.
Dass ich auf eben jenem Sofa liegen würde, ganz und gar konzentriert auf mein Atmen, das Heben und Senken meiner Brust, da ich sonst einfach erstickt wäre.

Zögernd blickte ich mich um und klopfte mir nebenbei die Asche von meinem zerknitterten Hemd.
Flynns Großmutter schrieb für den Tagespropheten und seit ihr Mann gestorben war, war sie laut Flynn nicht mehr in die Hütte am Meer zurückgekehrt, in der sie und ihr Mann ihre letzte Jahre verbringen hatten wollen.

Es wäre ein schöner Ort zum Alt werden gewesen, aber dazu war es für die beiden nicht mehr gekommen und so war die Hütte das perfekte Versteck für uns und später, wenn Flynn schon lange tot sein würde auch für mich allein. Ich würde hier alt werden aber noch wusste ich das nicht.

Flynn stand vor dem Fenster und sah mich abwartend an. Das Licht hinter ihm tauchte ihn in einen gräulich wirkenden Schein, fast als wäre er schwarz weiß. Als wäre er ein Mensch aus einer anderen Zeit, die zwar besser, aber schon lange vergangen war.

An diesen Anblick würde ich mich später immer wieder erinnern. Es war, als würde er mich ansehen, mit toten, vorwurfsvollen Augen und sein Blick so wehmütig und anklagend sagte leise:

Erinnerst du dich an mich? Ich bin der Junge, der immer wieder für dich durch die Hölle geht? Ich bin der Junge, der für dich stirbt. Erinnerst du dich nicht? Erinnerst du dich nicht mehr?

Es war, als wäre seine Zeit schon jetzt gezählt, auf Minuten, Sekunden genau gemessen.
Tom war wie eine Zeitbombe und alle die mit ihm zu tun hatten, auch wenn nur indirekt, trugen dieses Ticken der Zeit in sich. Auch ich. Immer, es begleitete mich wie ein schwarzer Schatten, ließ sich nicht abwimmeln, niemals.

„Ich finde es gut hier. Ich… mag es“, sagte ich abwesend zu Flynn, der daraufhin sosehr strahlte, dass der ganze Raum erhellt wurde.
Es war so leicht, ihn glücklich zu machen, so, so leicht.
„Wenn du willst können wir schwimmen gehen“, bot Flynn mir unvermittelt an. Seine blau- grauen Augen blitzen übermutig auf und forderten die meinen zum tanzen auf.
Ich musste mich umdrehen, sosehr verwirrte mich sein Blick.

„Es ist mitten im Winter“, sagte ich nur.
„Ich darf zaubern Gwen“, erinnerte Flynn mich mit einem kindlichen Blick im Gesicht, der ihn plötzlich schrecklich jung aussehen ließ.
Ich stieß mich seufzend vom Fenstersims ab, wich Flynn aus und öffnete die Tür ins angrenzende Zimmer, wo ich meine Tasche auf das Doppelbett legte.
Der Raum war klein, und bot gerade genug Raum für das Bett und eine Luke oben im Holzdach, durch die der triste Himmel mit seinen grau-schwarzen Wolkenfetzen zu sehen war.

Flynn folgte mir und ließ sich vor mir auf das Bett fallen, von wo er mich aus seinen langen Wimpern hervor anstarrte.
„Also, was sagst du?“, fragte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

Er sah so glücklich aus, so zufrieden. Fast als würde er alles bei sich haben, was er brauchte um sein Leben zu führen. Fast, als würde er nur mich brauchen. Mich und sich und uns für immer. Als würde ihm das reichen.
Ich seufzte und strich mir durch die Haare.

Meine Gedanken glitten zu Tom und unwillkürlich begann meine Handfläche zu brennen, als hätte die Berührung mit seiner Wange sie verätzt. Bilder von seinen Augen durchschossen meinen Kopf und plötzlich wollte ich nur noch hierbleiben und ihn nie wieder sehen. Erstickt holte ich Luft und ignorierte Flynns fragenden, eindringlichen Blick.

„Ich werde jetzt glaub ich ein wenig spazieren gehen…“, begann ich abweisend, wurde dann jedoch von Flynn unterbrochen, der mich mit einem Ruck neben sich aufs Bett zog. Es knarrte und eine Staubwolke stieg auf, die uns beide husten ließ.

Erschrocken zog ich die Luft ein und rückte automatisch von ihm ab, woraufhin er mich jedoch ein weiteres Mal neben sich zog.
Ich spürte seinen Oberkörper gegen meine Schulter drücken und schluckte unwillkürlich. Diese Nähe, sie zerstörte mich, brach mich auf. Ich kniff die Augen und Lippen zusammen und atmete ruhig.

„Gwen, wir sind hier zu zweit. Ich hab dich nicht her gebracht, damit du allein irgendwo verschwinden kannst“, flüsterte Flynn nahe bei meinem Ohr. „Das machst du sonst auch immer. Das geht aber jetzt nicht mehr.“
Ich starrte an die Decke und durch das Fenster und schwieg. Ich war zu konzentriert auf ihn, das ständige Heben und Senken seines Brustkorbes, seine Hand die immer wieder zuckte, als könne sie nicht still an seiner Seite liegen.

Als würde er wissen, dass ich nahe daran war aufzustehen und von ihm abzurücken packte Flynn plötzlich heftig meine Hand.
„Nicht schon wieder dein undurchdringlicher Blick“, stöhnte er frustriert. „Ich hasse ihn Gwen. Es ist, als hättest du eine Maske auf. Das macht mich wahnsinnig. Ich will wissen, was du denkst, verdammt. “
Ich merkte, wie sich mein Körper augenblicklich verspannte.

Ich sah mich plötzlich, zurückversetzt in die Zeit, in der meine Familie begonnen hatte, auseinander zu brechen.
Sah mich plötzlich am Küchentisch sitzen, mit einem Buch vor mir auf dem Tisch und meiner Mutter hinter mir. Sie war dort gestanden, um die Hüfte eine lächerliche Blümchen- Schürze und sie hatte gekocht, oder es zumindest versucht. Sie hatte sich geschminkt an jenem Tag, immer ein Zeichen dafür, dass sie unglücklich war und nicht mehr weiter wusste.
Es war brütend heiß gewesen, an jenem Tag und ihr Parfüm hatte sich mit ihrem Schweiß vermischt.

„Schatz ich glaube ich hab da eben ein Auto vorfahren hören“, hatte sie gesagt und war ans Fenster geeilt. „Gehst du bitte mal schauen, ob dein Vater gekommen ist?“
„Da war kein Auto.“, hatte ich geantwortet ohne den Blick vom Buch zu nehmen.
Meine Mutter hatte die weißen Spitzengardinen losgelassen und ich hörte ihre Sandalen zur Anrichte zurückklappern.

Schließlich blickte ich doch auf, denn ich hatte das Weinen gehört. Ich hatte immer so gut es ging ignoriert, was aus meiner Mutter geworden war, aber wenn sie weinte, dann war das schwierig.
Schon immer empfand ich Weinen als das größte Zeichen der Schwäche und deshalb ertrug ich es nicht, ertrug SIE nicht in meiner Gegenwart.
Ich hatte aufgeblickt und meine Mutter angesehen, die plötzlich mit einem gewaltigen Knall den Löffel den sie gerade hielt in einen Topf fallen hatte lassen.
Soße war durch den Raum gespritzt. Auf mich, auf das Buch vor mir, auf den Tisch und an die Wände.

„Warum kommt er nicht? Er hat gesagt er kommt und ich habe gekocht. Also, wo bleibt er schon wieder?“
Meine Mutter hatte mich angesehen und ihre Augen hatten praktisch durch mich hindurch geblickt. Nur die Verzweiflung in ihnen blieb an mir hängen, durchtränkte mich und ich sog sie auf wie ein Schwamm.
Ich hatte mir über die Augen gerieben und wieder weggesehen.

„Warum kochst du denn noch für ihn? Er kommt doch nie mehr zum Essen nach Hause. Schon lange nicht mehr. Und immer, wenn du ihn dann darauf ansprichst, wird er wütend und du weinst“, hatte ich gesagt und den Blick gesenkt.

„Du darfst nicht immer weinen. Das zeigt ihm doch nur, wie traurig und verzweifelt du bist. Und dann will er dich noch weniger. Zeig ihm doch nicht immer, was du fühlst, dann hat er auch nicht so viel Macht über dich, Mama.“

„Gwen? Was hast du?“
Ich schreckte hoch und schüttelte Flynns Hand von meiner Schulter, in die sie sich fest vergraben hatte.
„Nichts. Es ist nichts“, sagte ich schnell.
Die Mauer war plötzlich wieder da. Die Mauer, die mich von Flynn trennte. Die Mauer hinter der ich sicher war.
Er seufzte, erhob sich und streckte mir dann die Hand entgegen.

„Ich weiß dass du denkst, es wäre besser, so abweisend zu sein, aber das ist es nicht“, begann er und zog mich problemlos hoch. Einen Moment ruhten unsere Oberkörper aneinander und ich starrte erschrocken auf Flynns Schulter.
Etwas in mir rührte sich und es hätte sich noch viel, viel mehr in mir gerührt, wenn ich damals Flynns Blick gesehen hätte, der auf meinem gesenkten Kopf ruhte.

Er sah zu mir herunter voller Intensität und Feuer.
„Ich sage dir jetzt, dass wir zum Meer runtergehen und du wirst lachen und dich freuen und sagen: Gut, ich gehe gerne mit dir Flynn. Verstanden?“, fragte Flynn mich eindringlich und ich starrte auf meine Füße.
Verstanden. Widerspruch wurde nicht geduldet. Ich
lächelte und sah nicht, wie sein Herz dabei aufging.

Das war der Grund, weshalb ich Flynn liebte. Genau deshalb liebte ich ihn. Liebte ihn.
Wegen seiner unkomplizierten, direkten Art, seiner Ungehobeltheit, seinem Humor, seiner nervigen Eigenheit, die mich jedes Mal ungeduldig aus meinem Schneckenhaus hervor kriechen ließ. Er ließ niemals locker, kam immer zurück zu mir, egal, wie weit ich ihn auch fortgestoßen hatte.

Einen Moment schwieg ich, sah in sein hübsches Gesicht, in das ihm lässig dunkelblonde Strähnen fielen, dann lächelte ich und Flynns Augen sprudelten über vor Wehmut.

Ich streckte mich hoch zu ihm und drückte ihm meine Lippen ganz leicht auf die heiße Wange.
Ich hörte seinen Atem stocken.

Immer wenn ich Tom Riddle berührte, dann tat ich es, weil ich nicht anders konnte, weil es sich gut anfühlte. Das tat ich für mich, das hatte keinen noblen Grund, etwas womit ich mich rechtfertigen könnte. Wenn ich ihn berührte, dann weil es so sein musste.
Aber immer wenn ich Flynn berührte, dann tat ich das weil ich ihm etwas geben wollte. Etwas zurückgeben wollte, für das, was er mir tagtäglich gab. Ich tat es nicht, weil es sich gut anfühlte, weil ich es wollte, sondern weil ich das Gefühl hatte, ihm dadurch zu helfen, ihm etwas geben zu können, das ihn entschädigte für die Zeit, die er mir und meiner Kälte widmete.

„Gut ich gehe gerne mit dir, Flynn Travis“, flüsterte ich leise, völlig ahnungslos, was ich angerichtet hatte, mit dieser kleinen Berührung.


Wenig später gingen wir über den weichen Sand hinweg hinunter um Strand.
Der Wind wehte heftig und vereinzelt vielen Tropfen auf unsere Köpfe, aber ich spürte die Kälte dank Flynns Zauber nicht.

Ich betrachtete seinen in den letzten Jahren breiter gewordenen Rücken, als er vor mir herstapfte und sich alle paar Schritte nach mir umdrehte, als mache er sich Sorgen, ich könnte plötzlich fortlaufen und im Meer versinken.
Als er stehen blieb und sich den Pullover über den Kopf zog stoppte ich und drehte mich ein wenig fort von ihm.
Ich mochte nackte Haut nicht.

Flynn lachte leise, sagte aber glücklicherweise nichts dazu.
Er kannte mich und meine Eigenarten und auch wenn er sie nicht immer guthieß- er fand sich damit ab.
Flynn spazierte ins Wasser und blieb mit dem Rücken zu mir stehen.
Während ich aus meiner Jeans schlüpfte lachte ich leise.

„Was?“, fragte er irritiert, hielt aber den Kopf nach vorne.
„Nichts. Aber stell dir mal vor deine Eltern könnten uns so sehen.“
Ich zog mein Hemd tiefer, damit meine Oberschenkel bis zur Hälfte bedeckt waren, dann trat ich neben Flynn ins Wasser.
„Deine Mutter würde kreischen, wenn sie wüsste dass wir hier ohne Aufsicht sind.“

Flynn drehte sich zu mir und musterte mich von oben bis unten, dann packte er mich und zog mich vor sich. Bis zu Hüfte standen wir nun im Wasser. Ich wusste, dass das Wasser eiskalt war, aber ich spürte nur ein angenehmes Kribbeln auf der Haut.
Flynn schob mich noch etwas weiter, dann stemmte er die Hände in die Hüfte und betrachtete mich prüfend.
Unbehaglich erwiderte ich seinen Blick und Flynn grinste daraufhin breit.

Die Luft und das Wasser vibrierten, als er lachte und genießerisch den salzigen Meeresduft einsog. Ich tat es ihm gleich, dann legte ich meine Handflächen aufs Wasser.

„Mein Vater wollte Mama verlassen, wegen Erin“, sagte ich unvermittelt, ohne den Blick vom Wasser zu nehmen.
Ich spürte, wie Flynn mich anstarrte. Unsicher trat ich von einem Bein auf das andere.
„Was?“, fragte Flynn nur perplex.
Ich seufzte leise.
„Er wollte sie verlassen. Wegen Tante Erin. Du hättest Mama sehen müssen zu der Zeit. Sie hat es gewusst und geweint und gefleht er möge sie nicht allein lassen. Deshalb bin ich so“, erklärte ich flüsternd.

Es fühlte sich gut an, es gesagt zu haben. Es endlich gesagt zu haben. Die Luft roch plötzlich besser, frischer.
Flynn trat näher auf mich zu. Ich starrte auf seine nackte Brust und versuchte, ihm nicht in die Augen zu sehen.
„Warum sagst du mir das? Du erzählst doch sonst nie etwas“, fragte er leise.
Seine Hände kamen unter der Wasseroberfläche auf mich zu. Zwei blasse, helle Flecken im Dunklen.

„Nicht“, wehrte ich ab, sah ihm fest in die Augen und dann in den mittlerweile finsteren Himmel.
„Ich sag es dir nicht, damit ich mich trösten lassen kann. Du sollst nur wissen warum ich es für besser halte, kein, wie sagtest du ‚offenes Buch’ zu sein. Ich will mich für das was ich bin nicht rechtfertigen müssen.“
„Das musst du nicht.“

Flynn tat genau das, was ich in diesem Moment auf keinen Fall haben wollte. Er umarmte mich. Er tat genau das, was falsch für mich war, in diesem Moment. Er tat genau das, was sich in diesem einen Moment und nur diesem einen Moment, gut anfühlte.
Flynn war warm und sein Körper groß und breit und ich war klein und fast gar nicht da und deshalb tat es gut, ihn zu spüren und dadurch mich zu spüren. Ich drückte mich näher an ihn, was mich selbst fast noch mehr überraschte, als ihn. Ich spürte sein Zittern, konnte es aber nicht deuten.

Die Wut, die in den vergangenen Jahren wie Efeu an meinem Schmerz empor geklettert war, ließ nach, verwelkte. Unglaublich, dass zwei Arme und ein schiefes Lächeln das bewirken konnten.
Ich fühlte mich froh, erleichtert, fühlte mich frei.

„Hab ich dir schon gesagt, dass es eine tolle Idee war, hierher zukommen Flynn?“, fragte ich und genoss das Gefühl der Wellen und des Stoffes von meinem Hemd, das um mich wallte, auf der Haut. Genoss das Gefühl einer anderen, warmen, pulsierenden Haut auf der meinen.

„Sei bitte nicht so nett zu mir, Gwendolyn“, flüsterte Flynn, während er mich tiefer ins Wasser zog. Mittlerweile erreichten meine Beine den Boden nicht mehr und so war ich gezwungen, mich an Flynns Schultern zu halten. Das schien ihm sehr zu gefallen. Ich brauchte ihn um über Wasser zu bleiben. Ich brauchte ihn. Das mochte er.

„Das macht mich… irgendwie nervös und… unsicher, weißt du“, raunte er in mein Ohr.
„Unsicher? Du?“ Ich lächelte. „Das kann ich mir schwer vorstellen.“
Ich drehte mich um, wand mich aus seinen Armen, einmal um die eigene Achse und platschte mit meinen Handflächen aufs Wasser, dass es nur so spritzte.
Flynn wich mir geschickt aus und spritze mir seinerseits eine Ladung Wasser entgegen.

„Ja... unsicher. Zumindest… im Bezug auf dich“, sagte er, als wir wieder ruhiger geworden waren.
Ich sah ihn überrascht an und anstatt umzudrehen und das Gespräch wieder in sicherer Gewässer zu lenken, steuerte ich voll auf den Wasserfall zu.
„Was soll das heißen?“, fragte ich.

Mit einem einzigen Schritt war er bei mir. Wasser schwappte an mir hoch, kroch in die Fasern meines Hemdes und an mir nach oben. Er packte meine Hände und legte sie wieder zurück an seine Schultern. Ich hielt mich an ihm fest und starrte ahnungslos in sein wassertropfenbesetztes Gesicht, das nur noch funkelte.
In Flynns Augen brach etwas auf. Es war beinahe sichtbar, wie die Schale eines Kernes, die plötzlich durch immensen Druck barst.

„Gwendolyn, du hast mir etwas gesagt und jetzt muss ich dir etwas sagen“, sagte er plötzlich leise und ehe ich mich versah, hatte er mein Kinn umfasst und seine Lippen auf die meinen gedrückt.
Natürlich dachte ich, dies wäre mein erster Kuss und natürlich tat es weh.

Es tat weh. Es tat schrecklich weh. Es war körperlicher Schmerz, als ich begriff. Viel zu spät begriff ich.
Der Kuss war anders, als der von Tom. Er war voller Bemühung und Nervosität und Hoffnung, nicht voller Leidenschaft und unterdrückten Gefühlen und Intensität.
Ich hielt ganz still, so still es ging, rührte mich nicht, versuchte, mich an einen anderen Ort zu träumen, genauso, wie ich es auch später immer gemacht hatte, wenn Tom mir so wehtat.

Ich zwang mich still zu halten, zwang mich das zu ertragen, denn sonst würde ich Flynn weh tun und das hatte ich schon zu oft. Ich war eine Statue. Eine Statue aus hartem, kalten Stein. Ich war eine Statue. Und das war gut so.
Ich spürte Flynns Herz an meiner Brust. Schnell schlug es, viel zu schnell. Es war glücklich, glaube ich. Seine Hände lagen um meine Taille, warm und beschützend. Im Gegensatz zu Tom fasste er mich an, ohne Scheu, einfach aus dem Gefühl heraus, unüberlegt.

Ich spürte seine Zunge und verbot meinem Körper, sich zu wehren. Ich kettete ihn an und befahl ihm das zu ertragen. Wie könnte ich auch anders? Ich durfte ihm niemals wehtun. Er war mein Freund. Mein Freund. Er musste bei mir bleiben. Egal was das kostete, egal wie egoistisch ich sonst auch war, jetzt durfte ich es nicht sein.

Ich spürte seine Hände gierig über meinen Rücken tasten, er drückte mich sehnsuchtsvoll an sich und ich wusste, dass er dachte, dass jetzt alles gut werden würde. Meine Hände rutschten von seinen Armen und fielen kraftlos ins Wasser, dass es platschte. Flynn fuhr über meine nassen Wangen, durch meine nassen Haare, dann löste sich von mir und sah mich an.
Angst in den Augen, der Stimme, als er sprach.

„Ich… ich… Gwen…“
Ich hob die Hände.
„Flynn, schon in Ordnung. Ist okay. Wirklich.“
Meine Stimme zitterte und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit kamen mir die Tränen hoch.
Zum ersten Mal seit Jahren wollte ich das Gesicht in den Händen vergraben und weinen.

Ich ließ mich kraftlos einige Meter zurücktreiben, bis ich wieder stehen konnte. Ich genoss den Druck der Wellen in meinem Rücken, während ich dort stand und mein Freund vom Meer davon gespült wurde, mir entglitt… langsam, Stück für Stück… immer weiter.

„Ich weiß, dass das nicht ernst gemeint war. Ein Unfall. Alles in Ordnung. Mach dir keine Gedanken“, stotterte ich und bekam plötzlich so gewaltige Angst, wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Ich drehte mich um, schritt langsam weg von ihm und betete, er möge still sein. Betete zu einem Gott, an den ich niemals geglaubt hatte, er möge mir diesen Freund lassen.

Er tat es nicht. Er tat es nicht und niemals würden es zwischen mir und Flynn sein, wie früher.
„Nein, es ist nicht in Ordnung Gwendolyn.“
Seine Worte durchstießen die Stille wie Dolche.

Ich blieb nicht stehen, watete durch das Wasser zurück ans Ufer, beschleunigte meine Schritte, als ich ihn hinter mir herkommen hörte, zog mein nasses Hemd tiefer und rannte über den feuchten Sand zurück zum Haus.
Er kam mir nicht hinterher.
Ich spürte Flynns Blick in meinem Rücken, spürte ihn dort auch noch Jahre später, spüre ihn auch heute noch. Heute sogar stärker denn je.

Als ich im Bett lag spürte ich nichts. Gar nichts. Nicht als ich ein Knarren hörte, nicht als ein Lichtreifen auf mein Gesicht fiel, nicht als sich die Türe wieder schloss, nicht als ich das Quietschen der Federn im Sofa hörte, als Flynn sich darauf fallen ließ.
Nichts spürte ich und das war auch gut so.

Ich lag im Bett und die Tränen rannen über mein Gesicht wie Bäche. Für jede einzelne von ihnen schämte ich mich. Ich hatte kein Recht darauf zu weinen. Das hatte nur er.
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, war es stockfinster.

Ich wand mich unruhig auf den Lacken. Mein Körper tat weh, als hätte man mich geschlagen und nicht geküsst. Mein Hemd war noch immer feucht und klebte an mir und meine nackten Beine waren eiskalt. Ich zitterte, dann richtete ich mich auf und fast augenblicklich trafen meine Augen auf die einer Gestalt, die am Fußende meines Bettes stand und mich mit lodernden Augen anstarrte.

Es dauerte eine Sekunde, bis ich realisiert hatte, dass das nicht Flynn sein konnte. Eine weitere Sekunde dauerte es, in der ich mein Gedächtnis nach diesen Augen durchforstete und noch eine Sekunde, bis ich begriffen hatte, dass dort Tom Riddle stand. Mein Herz, es setzte aus.

Dann dauerte es nochmals fünf Sekunden, bis die Information in meinem Gehirn verarbeitet worden war und dann wieder drei Sekunden, bis ich reagieren konnte.
Ich fuhr aus dem Bett, als hätte es mich gebissen.
Ich starrte ihn an, starrte ihn einfach nur an und atmete.

Er war ganz in schwarz gekleidet und ich konnte nur seinen Kopf in der Dunkelheit ausmachen. Seine Augen waren verengt und seine Nasenflügel bebten. Entsetzten durchflutete meine Venen, breitete sich aus, in meinen Knochen, Muskeln, bis in die Fingerspitzen.

Seine Augen fuhren über meine Gestalt, als suchten sie etwas, loderten, brannten mich nieder, blieben an meinen Beinen hängen, die blass in der Finsternis strahlten. Er sagte nichts. Sein Mund war ein schmaler Strich, sah aus, wie zugenäht, seine Arme waren verschränkt und ja, er war zornig, sehr, sehr zornig.
Ich zog mein Hemd tiefer über meine nackten Oberschenkel.
Wandte mich unbehaglich.

„Was... machst... was soll das?“, flüsterte ich entgeistert und trat von einem Bein aufs andere. Ich wollte ihn nicht sehen, nicht jetzt.
Er durfte mich nicht sehen, nicht jetzt, nicht so. Nicht in diesem Moment, in dem ich so schwach und einfach nur ich war. Ich hatte jetzt nicht die Kraft dafür, stark zu sein. Nicht jetzt. Immer, aber nicht jetzt.
Ich war so entsetzt, dass ich nicht denken konnte.
Ich sah mich nach meiner Hose um, als er nicht antwortete, doch ich konnte sie in der Dunkelheit nicht ausmachen.
Sein Blick ließ meinen Mund trocken werden.

„Was machst du hier?“, wiederholte ich, doch wieder antwortete er nicht, ließ nur seinen undurchdringlichen Blick über mich wandern.
Da war nicht nur Zorn in seinen Augen, da war noch etwas viel schlimmeres in ihnen- wieder diese tierische Gier. Ich schauderte. Nein, nicht. Nicht jetzt.

Ich hatte Angst vor ihm. Ich gestehe es, ich hatte wirklich Angst vor ihm. Große, nackte Angst, dass er mir wehtun könnte, mir wirklich wehtun könnte, nachdem, was ich getan hatte.
Ich straffte die Schultern, versuchte meine Stimme fest und kalt klingen zu lassen, als ich sprach.

„Hast du wieder etwas unglaublich wichtiges mit mir zu besprechen? Willst du vielleicht...“
Er zischte, bedrohlich und leise und ich verstummte schlagartig.

„Guten Abend Gwendolyn“, sagte er dann nur leise, ehe er wieder verstummte.
„Guten... Abend“, gab ich leise zurück und versuchte panisch, die Unsicherheit aus meiner Stimme zu verbannen.
Er räusperte sich.
„Ich habe etwas mit dir zu besprechen. In der Tat“, sagte er dann kalt. „Und ja, es ist sogar sehr wichtig.“ Er schwieg einen Moment, ehe er freundlich fortfuhr. „Willst du, dass ich ihn gleich töte oder soll ich ihm zuerst ein wenig wehtun? Willst du zusehen oder draußen warten? Möchtest du ihm einen letzten Kuss geben, oder dich gleich abwenden?“

Mein Herz setzte aus. Er wusste es. Er war dagewesen. Er hatte jedes Wort gehört. Und... und er hatte den Kuss gesehen.

„Du hast mir nachspioniert?“, fragte ich tonlos.
Er runzelte die Stirn.
„Natürlich. Glaubst du ich würde dich mit diesem Jungen allein irgendwo ins nirgendwo gehen lassen?“
Er lachte hohl. „Wohl kaum.“
„Du hast uns gesehen“, sagte ich ruhig. Es war eine Feststellung, keine Frage aber Tom nickte dennoch. Keine Gefühlsregung war in seinem Gesicht auszumachen.

„Gesehen, gehört“, sinniert er nachdenklich. „Und du wirst es nicht glauben, Gwendolyn und glaub mir, ich glaube es beinahe auch nicht, aber es hat mir nicht gefallen, was ihr gemacht habt.“

Mein Atem stockte ein weiteres Mal. Was passierte hier? Was war los mit ihm? Und noch viel wichtiger, was war los mit mir?
Ich stellte die einzige Frage, die mir einfiel.
„Warum?“

Und da begannen seine Augen plötzlich zu brennen, als hätte ich ein Streichholz an sie gehalten. Die Schlüsselfrage.

Ja, Tom Riddle hatte gesehen, wie mich ein anderer geküsst hatte und in dieser Sekunde hatte er bemerkt, dass ich ihm nicht gleichgültig war und ja, Tom Riddle hatte nun bemerkt, dass etwas mit ihm passiert war. Natürlich konnte er es nicht zuordnen.
Er kannte es ganz einfach nicht, verstand es nicht. Wen hatte er auch in seinem Leben gehabt, der ihm etwas bedeutete oder dem er etwas bedeutete. Wie sollte er es verstehen? Er wusste nur, dass er wollte, dass ich bei ihm war, dass er wollte, dass mich kein anderer anfasste. Dass ich ihm gehörte. Mehr wusste er nicht, aber das war ihm egal.

„Du hast geweint“, stellte er ruhig fest.
Ich starrte den Boden an und zuckte mit den Schultern.
„Geh“, sagte ich schwach, ohne Hoffnung darauf, das er es tatsächlich tun würde.
Er schien einen Moment zu überlegen, dann zischte er wieder leise.

„Komm!“, sagte er plötzlich barsch, packte meine Tasche und stieß die Tür zum angrenzenden Zimmer auf.
Ungeduldig blickte er zurück und als ich mich nicht bewegte, zückte er seinen Stab und mit einem Mal stand ich neben ihm.
„Sag mal, bist du verrückt geworden?“, fuhr ich ihn an. Endlich hatte ich meine Sprache wieder gefunden. „Was soll das alles hier? Was willst du?“
Mein Blick fiel auf Flynn, der trotz der Schreie noch tief und fest zu schlafen schien. „Und was hast du mit ihm gemacht?“

Tom ignorierte mich und packte grob meinen Arm. Ich keuchte erschrocken auf, war nicht gefasst auf die Stromstöße, die durch unsere Körper zuckten. Durch meinen, aber auch durch seinen. Seine Augen verschleierten einen Moment und ich riss mich los und wich zurück soweit ich konnte. Seine enorme Präsenz in dem Raum, die Art und Weise, wie er jeden Kubikzentimeter für sich beanspruchte, erdrückte mich.

„Fass mich nicht an“, zischte ich, doch da war er schon wieder auf mich zugetreten, in meine Privatsphäre gedrungen und hatte mich unsanft gepackt.
Ich wand mich wieder zur Seite und schaffte es, Flynns Zauberstab, der neben ihm auf dem Sofa lag, zu greifen. Ich richtete ihn auf Tom.

Er hielt inne.
Seine Augen liefen über und ich ertrank in ihrem Fluss.
„Das würde ich an deiner Stelle lieber nicht tun“, sagte er vollkommen ruhig und starrte mich nieder.
„Expe...“

Ich hatte noch nicht einmal zu Ende gesprochen, da flog mein Stab schon aus meiner Hand. Mein ganzer Arm wurde von der Kraft seines einfachen Expelliarmus zurückgeworfen und ich keuchte auf, so weh tat es.
Einen Augenblick betrachtete Tom mich nachdenklich.

„Zieh dir was an bevor wir gehen. Es ist kalt“, fauchte er dann, aber ich rührte mich nicht.
„Zieh dir etwas an Gwendolyn.“ Es war keine Drohung, es war ein Befehl, aber ich war ganz bestimmt nicht gewillt, ihm Folge zu leisten.

Da ging er wieder auf mich zu um mich zu packen.
„Nein!“, herrschte ich ihn an. Ich legte soviel Entschlossenheit hinein, wie ich aufbringen konnte und es wirkte.
Tom blieb stehen.
Überraschung und Unglaube funkelten in seinem Blick auf.
„Nein?“, fragte er und zog die Augenbrauen nach oben. „Nein?“ Er sprach leise, nachdenklich, fast als würde er zu sich selbst sprechen.

Ich straffte die Schultern, da fiel mein Blick plötzlich auf meinen Zauberstab, der aus seiner Umhangtasche ragte. Mit einem Mal wurde ich so unglaublich zornig, dass ich vergaß zu denken.
Ich dachte nicht nach, dachte nicht daran, wer vor mir stand. Blitzschnell schoss ich auf ihn zu, doch er war schneller. Seine Augen weiteten sich und wir erschraken beide, als seine Hände meine Handgelenke umschlossen und festhielten.

Ich stolperte gegen ihn und er sog scharf die Luft ein. Eine Sekunde lagen unsere Körper aneinander und die Zeit verschmolz mit dem Moment, dann hatte er mich von sich geschoben, ohne jedoch meine Handgelenke loszulassen.
„Fass mich nicht an“, zischte er beinahe angeekelt, dabei war er es, der mich hielt.

Der Raum kippte. Irgendwie. Wir starrten uns an. Ich reckte das Kinn, herausfordernd, trotzig, wütend.
Und er, er sah mich an, mit einem Blick, der mich einfach nur überforderte. Sein Gesicht war nah, sehr nah und in seinen Augen tanzte die Finsternis mit dem Licht und wabernde Schatten wurden daraus geboren.
Hätte ich mich in diesem Moment an den Kuss erinnern können, dann hätte ich den Ausdruck wiedererkannt.
Verlangen. Nach etwas, das er nicht kannte, nicht wollte. Verlangen... nach mir. Gier... nach etwas. Gier nach mir.

Tom zischte, dann atmete er ruhig und konzentriert aus.
„Komm mit mir. Freiwillig oder auch nicht, das spielt keine Rolle, aber ich lasse dich nicht hier“, erklärte er mich ruhig.
Ich hob das Kinn.
„Was redest du da? Das kann dir doch egal sein ob ich hier bin oder nicht“, höhnte ich.

„Ist es aber nicht!“
Er schrie fast und ich erstarrte. Ich hatte ihn noch nie laut erlebt. Er war immer so beherrscht gewesen.
Einen Moment lang sah er so aus, als würde er bereuen, was er gesagt hatte, aber der Ausdruck verschwand gleich darauf wieder.
„Was willst du?“, fragte ich eisig.

Tom schüttelte den Kopf und schien zu überlegen, dann trat er plötzlich mit zwei schnellen Schritten auf mich zu.
„Wir stellen Regeln auf. Hier und jetzt“, sagte er entschlossen und heiser blickte mich ernst an.

„Ich verbiete dir, dich mit Leuten wie ihm zu treffen, du wirst dich nur mit mir treffen, du tust was ich sage, ich habe Kontrolle über dich, über dein Leben, alles was du tust und wenn du mich noch einmal schlägst, dann werde ich dir wehtun. Ach ja und wann immer ich es wünsche, wann immer ich es will, wirst du zu mir kommen. Du wirst dich mir nicht verweigern. Verstanden?“

Schauer liefen über meinen Rücken, Wut floss mit dem Blut durch meine Adern. Ich sagte nichts. Hatte Angst, ich könnte ihn wieder schlagen, wenn ich es doch tat.
Ich wartete und tatsächlich begann er weiter zu sprechen.
„Und nun zu deiner Frage, warum wir ab sofort Regeln aufstellen und befolgen müssen: Ich will dich für mich. Es geht nicht, dass du so einfach verschwindest und dann Dinge machst, die mich zornig machen. Ich will dich allein für mich, verstanden?“

„Verstanden“, sagte ich monton.
Überraschung blitzte in seinen Augen auf, dann nickte er zufrieden.
„Gut. Bist du auch EINverstanden damit?“, fragte er dann langsam.
„Nein“, antwortete ich leise. „Niemals.“
„Schön, dann lass uns gehen, um alles weitere in Ruhe klären zu können.“
„Nein, Tom.“

Meine Stimme wurde lauter. „Ich komme nicht mit. Du kannst nicht einfach hier auftauchen und verlangen, dass ich alles stehen und liegen lasse, nur damit du deinen Willen bekommst. Das mache ich ganz sicher nicht. Nein!“
Entschlossen funkelte ich ihn an.
"Dein kleines Spiel geht zu weit. Ich mache da nicht mehr mit."
"Spiel?", knurrte er voller Zorn und senkte seinen Kopf zu mir herunter. "Du denkst das ist ein Spiel?"
Ich zuckte zusammen, als seine Stimme lauter wurde. "Merkst du nicht, dass es mir ernst ist? Merkst du nicht, wie sehr ich gerade an mich anhalten muss damit ich dir... nichts tue? Ihm nichts tue?", spuckte Tom aus und blickte mich lodernd an.

Ich sah, wie seine Beherrschung bröckelte, sah, wie die Maske fiel. Das Gesicht darunter war unbeschreiblich schön, es war voller Blut, es war grausam, eine Fratze, aber es war schön. Unbestreitbar.

„Komm mit mir, oder er stirbt, das schwöre ich dir, so wahr ich hier stehe, Gwendolyn“, sagte er plötzlich tonlos und ohne mich loszulassen. „Ich bin so zornig auf dich und all das was du in den letzten Stunden getan hast, dass ich im Moment alles tun würde und wenn du nicht augenblicklich gehorchst dann töte ich ihn, ohne hinzusehen und es ist mir egal.“

Mein Herz setzte aus. Was passierte hier nur? Ich begriff nicht. Auch ich hatte in meinem Leben nur wenige Menschen, die mir etwas bedeuteten und auch ich verstand nicht, was mit uns passierte. Verstand nicht, was er wollte, was ich wollte.
Ich rührte mich nicht.

Tom sah zur mir herunter, abwartend, brennend.
„Nun?“, fragte er sanft und strich sich über die Lippe. Seine Finger strichen über die roten Abdrücke seiner Hand auf meinen Handgelenken und ich fröstelte. Er sah hinunter auf meine nackten Beine. Seine Augen wurden eine Spur dunkler.
Ich hob den Kopf.
Keiner durfte über mich bestimmen. Niemand. Niemand.

„Sag mir was du von mir willst, was das alles hier soll, sonst mache ich gar nichts“, sagte ich eisig und Tom lächelte mich an.
„Du weißt, dass ich nicht verhandle“, flüsterte er.
„Ich verhandle auch nicht“, antwortete ich bestimmt.
„Gut“, sagte er.
„Gut“, sagte ich.
„Crucio“, sagte Tom und Flynn begann zu schreien.


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All unsere Freunde fanden es unheimlich, so nahe am Friedhof zu wohnen, doch wir mochten das. Ich habe noch immer viel für Friedhöfe übrig - sie sind eine großartige Fundgrube für Namen.
Joanne K. Rowling