von ChrissiTine
20. Dezember: Hochzeitstag
2021
"Ja, ich will." Mollys Lächeln war noch nie so breit gewesen, ihre Augen waren noch nie so voller Freudentränen gewesen und ihre Hand hatte noch nie so sehr gezittert wie in dem Moment, als sie versuchte, Justin seinen Ehering anzustecken.
Aber das war okay, denn Justin hatte auch so seine Probleme, Mollys Ring an ihren Finger zu kriegen.
Sie hatte sich ein Taschentuch in ihren Ausschnitt gestopft für den Fall, dass sie weinen würde, aber sie wollte Justins Hände auf keinen Fall loslassen und so konnte sie nur noch verschwommen sehen. Das einzige, was sie überhaupt richtig wahrnahm, war das große Lächeln im Gesicht ihres Ehemannes - Ehemannes! - und das reichte auch völlig. Sie musste nicht das genervte Gesicht ihrer Schwester Lucy sehen, die sie in ein gerüschtes rosa Brautjungfernkleid gesteckt hatte, nur um sie zu ärgern (und weil ihr das Kleid gefallen hatte, aber besonders, um sie zu ärgern) und auch nicht das verkniffene Gesicht ihres Vaters. Er hatte sie zwar zum Altar geführt, wie sie es sich gewünscht hatte, er hatte sie auf die Stirn geküsst und ihr nur das beste gewünscht, aber er hatte Justin einen Blick zugeworfen, der dem von Onkel Ron sehr nahe kam, wenn sich Rose mit irgendeinem Jungen unterhielt. Er hatte seinen Frieden damit gemacht, dass sie wirklich heiraten würde, aber einverstanden war er mit der Hochzeit trotzdem nicht. Dennoch war es im Moment wohl das beste, was sie sich von ihrem Vater erhoffen konnte.
Doch all das war ihr in diesem Moment völlig egal. Sie hatte gerade die Liebe ihres Lebens geheiratet. Sie war jetzt Mrs Molly Cooper. Ein Traum war in Erfüllung gegangen.
"Ich liebe dich", flüsterte Justin ihr zu, nachdem sie sich zum ersten Mal als verheiratetes Paar geküsst haben. Mit einer so schnellen Bewegung, dass es unmöglich jemand von den Gästen hatte mitkriegen können, zog er ihr Taschentuch aus dem Ausschnitt und tupfte ihr die Tränen aus dem Gesicht.
Ihr Lächeln wurde noch breiter, als sie seine Augen jetzt wieder völlig klar sehen konnte. Die Liebe und das Glück, die sie darin sehen konnte, nahmen ihr beinahe den Boden unter den Füßen. Er war genauso froh wie sie, dass sie endlich verheiratet waren. Mehr konnte sie sich gar nicht wünschen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie den Blick voneinander abwenden konnten (Lucy musste sich mehrfach räuspern und Dominique hatte genervt "Also wirklich!" gemurmelt). Die kleine beschauliche Kirche, die Justin unbedingt hatte haben wollen, weil dort vor über sechzig Jahren seine Großeltern geheiratet hatten, war vollgestopft mit Familie und Freunden. Alle waren sie gekommen, um den Tag mit ihnen zu teilen, selbst wenn sie nicht gerade begeistert davon gewesen waren, als sie das erste Mal davon gehört hatten. Sie waren trotzdem da und sie freuten sich mit ihnen.
Rose und Lily hatten Tränen in den Augen. Victoire hielt Teds Hand fest umklammert und dachte ohne Zweifel sehnsüchtig an den Tag, an dem sie endlich heiraten würde. Dominique versuchte betont desinteressiert zu wirken, aber auch sie hatte ein kleines Lächeln auf dem Gesicht, das erste, was Molly heute von ihr zu sehen bekam (sie hatte sich lang und breit darüber aufgeregt, dass ihre Mutter sie dazu gezwungen hatte, ein Kleid anzuziehen, selbst wenn es ihr hervorragend stand). Roxanne saß mit verträumter Miene in der ersten Reihe und hatte eine ganze Menge Rosenblüten zerfleddert. Molly wusste zwar, dass sie eigentlich schon zu alt war, um ein Blumenmädchen zu sein, aber in ihrer Familie gab es leider niemanden, der jünger war und so hatte Roxanne sich schließlich überzeugen lassen, es doch zu tun. Al schaute deprimiert drein, aber das war kein Wunder, schließlich hatte er erst vor ein paar Tagen eine Trennung hinter sich gebracht, während James sehr interessiert eine ältere Cousine von Justin beäugte, die auf der anderen Seite des Ganges saß. Und Louis warf ständig verstohlene Blicke zu seiner Exfreundin Annie, die schräg hinter ihm saß und so tat, als ob er gar nicht da wäre.
Ihre Mum schaute sie voller Stolz an und ihr Dad bemühte sich wenigstens, nicht allzu skeptisch dreinzublicken. Ihre Großmutter weinte schon seit mehreren Minuten in ihr Taschentuch und wurde nur von Hagrids Schluchzen übertönt. Auch ihre Tanten und Onkel lächelten alle.
Mehr hätte sie sich wirklich nicht wünschen können, sagte sie sich erneut, als Justin ihre Hand nahm und sie zu ihren Familien führte, die jetzt aufstanden und ihnen gratulierten und sie umarmten und ihnen Glück wünschten und kein einziges zweifelndes Wort mehr fallen ließen.
/-/
"Seit Molly sich zum ersten Mal zu uns zum Frühstück gesetzt hat, wusste ich, dass das zwischen ihr und Justin irgendwann mal so enden würde. Wir waren damals vielleicht noch zu jung, um es wirklich zu begreifen, aber es war von Anfang an da zwischen den beiden, dieses gewisse Etwas, um das wir sie später alle beneiden würden. Wer von uns will schließlich nicht diese eine Person finden, mit der wir unser Leben verbringen können?" Dan Matthews, Justins bester Freund und Trauzeuge, ignorierte James' lautes Husten, mit dem er sein gemurmeltes "Bloß nicht!" zu übertönen versuchte. "Ich freue mich sehr für die beiden, dass sie sich gefunden und den Mut dazu haben, diesen bedeutsamen Schritt zu gehen. Molly, Justin, ich wünsche euch nur das allerbeste und bin mir absolut sicher, dass wir in zwanzig Jahren euren Hochzeitstag mit euch feiern und uns fragen werden, wie zum Teufel ihr es geschafft habt, immer noch so verliebt zu sein wie heute. Auf das Brautpaar!"
Alle hoben ihre Gläser und tranken auf das glückliche Paar, während Dan sich erleichtert wieder hinsetzte und Justin auf die Schulter klopfte.
James verdrehte die Augen und schaute auf seine Armbanduhr. "Wie viele Reden wollen die denn noch halten?", fragte er genervt und stöhnte laut auf, als sich Justins Vater nun erhob, um seinerseits einen Toast auszusprechen. "Ich verhungere gleich."
"Du hättest eben heute morgen etwas essen sollen", zischte Lily ihm nicht weniger genervt zu, weil er ihr diesen Teil der Hochzeit versaute. Sie liebte schmalzige Reden und durch James' dauerndes Gemeckere konnte sie sie nicht genießen.
"Kannst du mir auch sagen wie, wenn Mum mir verboten hat, auch nur irgendetwas anzurühren?", konterte James und ignorierte ein "Shht!" vom Nebentisch. Als ob sie irgendetwas weltbewegendes verpassen würden!
"Du hättest eben nicht so spät aufstehen dürfen. Mum hat uns doch gesagt, dass wir um zwölf gehen werden und keine Sekunde später. Es ist dein Pech, wenn du bis elf Uhr schläfst."
"Heute ist unser erster Ferientag! Ich werde an unserem ersten Ferientag doch wohl so lange schlafen dürfen wie ich will!", widersprach James aufgebracht. Ein simples Sandwich hätte ihm schon gereicht, aber nein, seine Mum musste ja darauf bestehen, dass das Frühstück seit über einer Stunde beendet war und er die ganze Familie jetzt nicht damit aufhalten würde, dass er sich einen Snack machte. Als ob ihn die paar Stunden ohne Essen umbringen würden. Seine Mum hatte keine Ahnung! Das war die reinste Folter.
"Nicht, wenn das der Hochzeitstag unserer Cousine ist", mischte Rose sich jetzt ein und trank einen Schluck von ihrem Champagner, den es heute zur Feier des Tages für alle über fünfzehn gab. "Und jetzt halt endlich die Klappe, James, so lange werden die nicht mehr reden. Ich glaube, Mr Cooper war der letzte."
"Das will ich auch hoffen", erwiderte James und kippte den Rest seines Champagners hinunter, als Mr Cooper seine kleine Ansprache beendete. Das Mann hatte wirklich lange genug gebraucht.
Gleich darauf wurden seine Qualen allerdings erlöst, als einige Kellner erschienen und allen Gästen den ersten Gang eines sehr leckeren Essens servierten. James ignorierte alle Tischmanieren und stürzte sich sofort auf sein Essen.
Einen Tisch weiter wandte Ginny mit gequälter Miene den Blick von ihrem Sohn ab. "Sag mir, dass wir ihn so nicht erzogen haben", flüsterte sie Harry zu, der nur einen kurzen Blick auf seinen Sohn werfen musste, um zu sehen, von wem seine Frau sprach.
"So haben wir ihn nicht erzogen", erwiderte Harry sofort. Er beobachtete mit schiefgelegtem Kopf, wie James die Vorspeise in sich hineinschaufelte. "Aber wenn ich ihn mir so ansehe, dann kommt er mir vor wie eine Kombination aus Dudley und Ron, wenn sie beide kurz vorm Verhungern sind." Er zuckte mit den Schultern. "Unsere Gene müssen sich ja irgendwie vermischt haben." Und irgendwie konnte er James verstehen. Der Arme hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Ginny hatte zwar explizit gesagt, dass sie heute um neun frühstücken würden, damit sie alle rechtzeitig fertig sein konnten für die Hochzeit und dass keiner von ihnen verschlafen sollte, aber ... naja, irgendwo hatte sie schon Recht. Solange James zu Hause wohnte, musste er sich an ihre Regeln halten und wenn er das nicht tat, dann musste er auf eine Art und Weise bestraft werden, die ihm zumindest so weh tat, dass er sich das eine Weile merken würde. Und das würde er sich auf jeden Fall merken.
"Ihr habt Glück, dass er so gut aussieht", erwiderte George grinsend. "Obwohl das ja auch ein Fluch ist. Ich weiß genau, wovon ich spreche, ich musste jahrelang damit leben."
Angelina schaute ihn zweifelnd an. "Ach ja?", fragte sie mehr als skeptisch. "Das ist mir neu."
"Ignoriert sie", erwiderte George. "Sie hat keine Ahnung, wovon sie redet." Er fuhr sich über die Stelle an seinem Kopf, an der früher sein Ohr gewesen war und lehnte sich verschwörerisch zu Harry und Ginny, während Angelina anfing, mit Hermine zu sprechen. "Ihr habt keine Ahnung, wie sexy so ein fehlendes Ohr für Frauen sein kann."
"Ach ja?", fragte Ginny zweifelnd. "Wirklich?"
"Wenn ich's dir doch sage", beharrte George. "Bevor ich mit Angelina zusammen war, hat mir das die eine oder andere Damenbekanntschaft eingebracht. Ich bitte dich, Harry, du musst doch wissen, was ich meine. Wie viele Frauen waren wegen deiner Narbe auf dich scharf?"
"Ich glaube, das hat weniger etwas mit seiner Narbe als mit der Tatsache zu tun, dass er Voldemort getötet hat", widersprach Ginny schnell. "Und es ist völlig unerheblich." Es war völlig irrational, dass sie eifersüchtig war. Harry hatte ihr nie auch nur den geringsten Grund gegeben, an ihm zu zweifeln. Er war immer glücklich mit ihr gewesen und hatte sich gänzlich unbeeindruckt von all den Mädchen gezeigt, die sich ihm im Laufe der Jahre an den Hals geworfen hatten. Und dennoch ... Sie lächelte, als Harry ihre Hand nahm und sie liebevoll anlächelte. Sie musste wirklich nicht eifersüchtig sein.
George schüttelte den Kopf. "Mit euch kann man nicht reden. Ihr habt keine Ahnung." Er wandte sich seiner Frau zu. "Angelina, bitte sag ihnen, wie sexy mein fehlendes Ohr ist. Die zwei glauben mir nicht."
Angelina runzelte verwirrt die Stirn. Sie hatte sich gerade mit Hermine über die Trauung unterhalten und überhaupt nicht mitbekommen, wovon ihr Mann gerade gesprochen hatte. "Was?"
"Sagst du Harry und Ginny bitte, wie sexy ich ohne Ohr aussehe? Ich meine, das ist doch total scharf." Er wackelte mit den Augenbrauen.
Angelina verkniff sich ein Grinsen. "Ja", sagte sie zwischen zusammengepressten Lippen. "Sehr sexy."
Harry lachte, Ginny schüttelte den Kopf und George sah ernsthaft verletzt aus. "Du findest mein fehlendes Ohr nicht sexy? Und das erfahre ich jetzt? Nach über sechzehn Jahren?" Er betrachtete seine schöne Frau von oben bis unten und legte eine Hand auf sein Herz. "Ich kenne dich überhaupt nicht. Ich bin mit einer Fremden verheiratet."
"Ach komm, Schatz", fing Angelina versöhnlich an. "Dein Ohr ist wirklich nicht das sexieste an dir. Dafür gibt es andere Sachen, die umso schärfer sind."
"Ach ja?", fragte George zweifelnd. "Und was?"
Ginny verzog das Gesicht, als Angelina anfing, Dinge aufzuzählen, über die sie lieber nicht Bescheid wusste. Sie schaute zu dem Tisch, an dem das Brautpaar, ihre Eltern und die Trauzeugen saßen. Molly fütterte Justin mit einem Löffel ihres Essens und er tat das gleiche. Es war so schrecklich kitschig, dass es schon wieder süß war.
"Du hast die Speisen wirklich gut ausgesucht", sagte Justin anerkennend, nachdem er den Bissen heruntergeschluckt hatte.
"Ich hab ja auch ewig mit dem Koch diskutiert, bis er endlich eingewillig hat, das zu kochen, was ich will.", erwiderte Molly und trank einen Schluck von ihrem Champagner. Sie strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Nachreiflicher Überlegung hatte sie ihre Haare hochgesteckt und ihren Schleier zur Trauung getragen. Jetzt hatte sie den Schleier abgelegt und ihre Haare fielen ihr jetzt in weichen Wellen über die Schultern. Das war ein guter Kompromiss, wie sie fand. "Aber wenigstens ist alles so gelaufen, wie ich es wollte", sagte sie dann zufrieden und ließ ihren Blick durch den großen Festsaal schweifen, den sie schließlich doch noch bekommen hatte. Alle Gäste schienen zufrieden zu sein und genossen ihr Essen. Es brachen keine Streitereien unter Tischnachbarn aus und auch die kleineren Kinder schienen sich noch nicht zu langweilen. Sogar ihr Dad sah ganz zufrieden aus.
"Schmeckt's dir auch, Dad?", fragte sie.
Percy schaute von seinem Teller auf. "Sehr gut, Molly, danke." Er tupfte sich die Lippen mit einer Serviette ab. "Du hast das wirklich alles gut organisiert in der kurzen Zeit." Auf ihr gutes Organisationstalent war er schon immer stolz gewesen. In den Jahren, als sie ihre ZAGs und UTZe gemacht hatte, hatte sie einen minutiösen Lernplan am Anfang des Schuljahres erstellt, der das ganze Schuljahr bis ins kleinste Detail durchgeplant hatte. Mit nur wenigen Abweichungen hatte sie ihn tatsächlich eingehalten. Percy war damals so stolz auf sie gewesen. Molly hatte sich Ziele gesetzt und diese Ziele durch hartes Arbeiten erreicht. Und der heutige Tag war eigentlich überhaupt nicht anders. Molly hatte sich ein Ziel gesetzt und alles dafür getan, es auch zu erreichen. Sie hatte sich gewünscht, dass er sie zum Altar brachte und er hatte es getan.
Seine kleine Molly war jetzt eine verheiratete Frau. Sie war neunzehn und sie war verheiratet. Es klang immer noch verrückt in Percys Ohren. Aber seit er sie gestern Abend in ihrem Hochzeitskleid gesehen hatte, hatte er seinen Frieden damit gemacht. Er wünschte zwar immer noch, dass sie und Justin ein paar Jahre gewartet hätten, bevor sie diesen wichtigen Schritt wagten, aber er hatte akzeptiert, dass er es nicht ändern konnte. Molly wollte es unbedingt. Und sie sah so wunderschön aus in ihrem Hochzeitskleid, so glücklich und so erwachsen, dass es wirklich keinen Sinn hatte, zu versuchen, diese Hochzeit zu sabotieren. Er musste sie gehen lassen und hoffen, dass sie wirklich Recht damit hatte, dass sie und Justin es schaffen würden. Denn auch wenn die anderen etwas anderes behaupteten, er hoffte, dass sie Recht hatte. Er wollte nur, dass Molly glücklich wurde.
Und zumindest im Moment war sie das wirklich. Mehr konnte er sich eigentlich nicht für sie wünschen.
"Lächle doch mal, Al", flehte Lily ihren großen Bruder ein paar Tische weiter an. "Du hast seit einer Woche nicht mehr gelächelt. Das hier ist eine Hochzeit. Du solltest fröhlich sein."
"Lass ihn doch, Lily", sagte Hugo, als er sah, dass Al Lily allem Anschein nach nicht mal gehört hatte. Er saß nur da und schaute auf seinen Teller. Er hatte noch keinen Bissen angerührt und schien sich nicht mal zu regen, als James Anstalten machte, ihm den Teller unter der Nase wegzuziehen. "Er hat Liebeskummer. Eine Hochzeit ist da wahrscheinlich nicht gerade der beste Ort für ihn."
"Ich weiß gar nicht, was er hat", sagte James mit vollem Mund. "So heiß war Della jetzt auch wieder nicht. Obwohl -" Rose schlug ihm auf den Arm. "Aua! Was soll das denn?", fragte er empört.
"Halt einfach die Klappe, James!", zischte Rose erzürnt. "Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst. Du warst noch nie verliebt. Dein Herz wurde noch nie gebrochen. Ich möchte mal sehen, wie du dich aufführen würdest, wenn du Liebeskummer hast."
"Ich bitte dich! Als ob ich jemals so blöd wäre, mich zu verlieben. Du siehst doch, wohin das führt." Er gestikulierte in Richtung Al und Scorpius, die beide nicht sonderlich glücklich dreinblickten. Seit Al sich vor fünf Tagen von Della getrennt hatte, war er nicht mehr wirklich ansprechbar gewesen. Er wusste, dass er das richtige getan hatte. Della war nicht in ihn verliebt und sie würde es nie sein. Irgendwann wäre es sowieso vorbei gewesen und in diesem Fall war früher besser als später. Trotzdem tat es weh. Es tat schrecklich weh. Und was noch schlimmer war, er konnte an überhaupt nichts anderes denken als an Della. Ihr Lachen, ihre Stimme, ihr Lächeln, ihre Küsse. Es hatte sich alles in sein Gehirn eingebrannt und er kriegte es nicht mehr aus dem Kopf.
Und Mollys Hochzeit war da nicht gerade hilfreich. Er freute sich für seine Cousine, darüber, dass sie ihr Glück gefunden zu haben schien, auch wenn er wie alle anderen glaubte, dass es nicht geschadet hätte, noch ein paar Jahre zu warten. Aber wenn sich die Richtigen gefunden hatten, dann war es wahrscheinlich völlig egal, wie lange man wartete. Wenn Della doch nur die Richtige gewesen wäre ...
Und auch Scorpius war nicht gerade bester Laune, weil es ihn immer noch ärgerte, dass Enid sich für James entschieden hatte, obwohl der absolut kein Interesse an ihr hatte und nie wieder haben würde und schon mit mindestens drei anderen etwas gehabt hatte (außerdem flirtete er schon den ganzen Tag mit einer von Justins Cousinen, die seinem Charme bestimmt auch nicht widerstehen konnte). Er sollte es ihr zugute halten, dass sie ihn nicht angelogen hatte, denn es würde ihn wahrscheinlich ebenso stören, wenn sie zugestimmt hätte, mit ihm auszugehen, obwohl sie genau wusste, dass ihr Herz einem anderen gehörte. Man konnte seine Gefühle nicht beeinflussen, aber trotzdem ... ausgerechnet James Potter!
"Ihr solltet es wirklich so machen wie ich", fuhr James fort. "Sex ist doch sowieso das beste an einer Beziehung. Wer will schon den ganzen anderen Mist?"
Lily verdrehte die Augen und Rose schüttelte missbilligend den Kopf. "Du bist wirklich ein Idiot", sagte sie. "Mir tut jede Frau Leid, die nicht genug Menschenkenntnis besitzt, um sich von dir fernzuhalten."
"Ihr seid doch bloß neidisch", erwiderte James und kippte seinen Champagner hinunter. Seine Augen leuchteten auf, als die Kellner den Nachtisch hereinbrachten. "Al, du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich auch deinen Nachtisch esse?", fragte er seinen Bruder und nahm dem Kellner gleich darauf die Schüsseln mit Eis aus der Hand. "Fantastisch", sagte er, obwohl Al überhaupt nichts gesagt hatte. "Meinetwegen kannst du ruhig weiterhin Liebeskummer haben." Wenn er so immer die doppelte Menge an Essen bekam ... einsame Spitze.
"Ignorier ihn!", murmelte Hugo Rose warnend zu, als er sah, dass sie schon wieder den Mund öffnete. "Es hat doch keinen Sinn. Und du bist noch nicht volljährig, du kannst ihn nicht einfach verfluchen."
"Ach verdammt!", schimpfte Rose und schlug mit der Faust auf den Tisch. Lily, Hugo und Scorpius grinsten. Al verzog für eine Sekunde seine Lippen zu der Andeutung eines Lächelns und James löffelte seelenruhig sein Eis aus, ohne etwas zu bemerken.
Fünfzehn Minuten später stand Molly auf, raffte ihr Kleid zusammen und verkündete, dass sie jetzt den Brautstrauß werfen würde. Lily klatschte begeistert in die Hände und zerrte Rose mit sich auf die Tanzfläche.
"Komm schon!", sagte sie, als Rose sich weigerte und beinahe mit ihren hohen Absätzen gestolpert wäre. "Vielleicht fängst du ihn ja!"
"Warum sollte ich?", erwiderte Rose unenthusiastisch. "Ich will Joseph doch nicht heiraten."
"Na und?", erwiderte Lily verständnislos. "Aber wenn du ihn nicht fängst, dann fang ich ihn vielleicht. Das könnte ein Zeichen sein, dass das mit Phillip und mir doch irgendwas wird."
Rose seufzte. "Lily -", begann sie. Sie glaubte nicht an Zeichen und diesen Schabernack und sie hielt es für mehr als unwahrscheinlich, dass Phillip Lily in der nächsten Zeit bemerken würde. Aber wenn es sie aufheiterte, dann würde sie zumindest nicht widersprechen.
"Hey, was machst du hier?", fragte Lily dann verwundert, als Victoire sich zu ihnen gesellte und sich auf die Zehenspitzen stellte, um nicht zu verpassen, wie Molly den Strauß warf. "Du bist doch schon verlobt. Für dich hat der Strauß gar keinen Wert."
"Ted und ich haben einen Deal gemacht. Wenn ich den Strauß fange, dann wird er später mit mir tanzen. Sonst krieg ich ihn doch nie auf die Tanzfläche.", erklärte sie. Ted war ein schrecklicher Tanzmuffel. Er hasste es und weigerte sich strickt, es zu tun, obwohl er gar nicht so schlecht war. Sie schaffte es nur mit solchen Tricks, ihn zu überreden. Anders ging es nicht.
"Tja, dann viel Glück dabei", erwiderte Lily und straffte die Schultern. "Du kriegst ihn nämlich nicht!", erwiderte sie entschlossen.
"Ich weiß wirklich nicht, was das Theater soll", beschwerte sich Dominique, die von Annie auf die Tanzfläche gedrängt wurde. "Als ob irgendwelche Blumen eine Aussage darüber machen könnten, wann man heiratet. Das ist doch ausgemachter Schwachsinn."
"Jetzt sei nicht so negativ", erwiderte Annie und verdrehte die Augen. "Es ist doch ein schöner Brauch, egal, ob er in Erfüllung geht oder nicht. Er gibt einem Hoffnung."
"Ich bitte dich", widersprach Dominique und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wie soll einem denn das Hoffnung geben? Am Ende stürzt man sich nur wegen so ein bisschen Grünzeugs in eine Ehe mit dem Nächstbesten, den man kennen lernt und lässt sich noch in den Flitterwochen wieder scheiden."
"Meine Güte, bist du aber romantisch", sagte Lily sarkastisch und drängte sich ganz nach vorne, weil Molly jetzt laut Achtung rief und sich umdrehte. Sie holte Schwung und warf das Bouquet hoch über ihren Kopf. Es flog durch die Luft. Lily, Victoire und Annie streckten allle die Arme in die Luft, während Dominique und Rose sich eher bemühten, sich außerhalb der Flugbahn aufzuhalten. Lucy hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, aufzustehen und Roxanne war so klein, dass sie in dem Rudel der vielen unverheirateten Frauen, die sich um die Cousinen versammelt hatten, unterging.
Letzten Endes hatte Annie das glückliche Händchen und konnte den Strauß nur den Bruchteil einer Sekunde vor Lily fangen.
"Ja!", rief sie triumphierend. "Gewonnen!"
"Fantastisch", sagte Dominique völlig desinteressiert. "Herzlichen Glückwunsch. Vergiss nicht, mir eine Einladung zu schicken, wenn Habakuk dir morgen einen Antrag macht. Das möchte ich sehen."
"Du kannst sagen, was du willst, ich freu mich trotzdem", erwiderte Annie grinsend und drückte die Blumen an ihre Brust. Sie warf Lily einen triumphierenden Blick zu, den Lily mit einem vernichtenden Blick erwiderte.
"Schade", seufzte Victoire enttäuscht. Sie schaute zu Ted, der erleichtert durchatmete. "Dann muss ich bis zu unserer Hochzeit warten, bis wir endlich tanzen."
"Mach dir nichts draus, liebste Cousine", verkündete James lautstark, der sich der Gruppe unbemerkt genähert hatte. Er ergriff Victoire an ihrem Arm und zog sie mit einem Ruck zu sich. "Ich tanze mit dir." James machte Tanzen großen Spaß und durch das viele Quidditchspielen war er auch ziemlich koordiniert. Zumindest solange er einigermaßen nüchtern war. Bei seinen Partys im Raum der Wünsche hatte er auch schon ganz andere Verrenkungen zu Stande gebracht, bei denen es ein Wunder war, dass er ohne irgendeine Verletzung davongekommen war.
Jetzt zog er Victoire auf eine freie Stelle auf der Tanzfläche, wo Molly und Justin bereits angefangen hatten, ihren ersten Tanz als verheiratetes Paar zu tanzen. James fing an, Victoire mit so viel Schwung herumzuwirbeln, dass sie beinahe mit dem Brautpaar kollidiert wäre. Aber es war nur beinahe und ihr fröhliches Lachen war durch den ganzen Saal zu hören.
"Er hat auch seine guten Seiten", seufzte Rose, während sie James und Victoire beobachtete.
"Ich weiß", erwiderte Lily und schaute zu Hugo. "Er kann sie nur sehr gut verstecken. Wenn du mich jetzt entschuldigst, vielleicht krieg ich deinen Bruder ja dazu, mit mir zu tanzen, das sieht nämlich sehr spaßig aus."
"Mum hat uns im Sommer zu Tanzstunden verdonnert", sagte Rose schulterzuckend. "Ich glaub, er wird nicht schlecht sein." Hugo hatte zwar sehr gemeckert, weil er überhaupt keine Lust auf Tanzstunden gehabt hatte, aber er hatte überraschend viel Spaß daran gehabt, als sie schließlich mit dem Unterricht angefangen hatten. Rose war es nicht anders gegangen und wenn sie Victoires Lachen so hörte, dann hatte sie auch Lust zu tanzen. Sie ließ ihren Blick durch den Saal schweifen auf der Suche nach potentiellen Partnern. Ihr Dad würde sicher später mit ihr tanzen, aber im Moment hielt er ihre Mutter im Arm und es sah nicht so aus, als ob er sie gleich loslassen würde. Auch ihre anderen Onkeln und Tanten tanzten miteinander, bis auf Onkel Charlie, der an der Bar war und mehr Gefallen an einem Glas Feuerwhiskey zu finden schien als am Tanzen.
Sie schaute zu ihrem Tisch, an dem jetzt nur noch Al saß, nachdem Lily Hugo von seinem zweiten Nachtisch weggeholt hatte. Er sah zwar nicht so aus, als hätte er große Lust darauf zu tanzen, aber vielleicht konnte sie ihn ja überreden. Aber bevor sie auch nur einen Schritt getan hatte, hörte sie eine Stimme hinter sich.
"Möchtest du vielleicht tanzen?" Rose drehte sich überrascht um. Scorpius stand hinter ihr und schaute sie unsicher an. "Ich würde ja Dominique fragen, aber sie macht mir ehrlich gesagt ein bisschen Angst und ihre Schuhe sehen nicht gerade ungefährlich aus."
Rose lächelte und ergriff die Hand, die er ihn hinhielt. "Okay, Mr Malfoy", sagte sie und legte eine Hand auf seine Schulter. Sie fühlte sich muskulöser an, als sie erwartet hatte. Das Quidditchtraining schien sich auszuzahlen. "Aber ich warne dich, meine Schuhe sind nicht viel ungefährlicher als Dominiques." Sie war kein großer Fan von High Heels, aber sie passten zu ihrem blauen Kleid und sie hatte das Bedürfnis gehabt, sich etwas schicker zu machen. Das hier war schließlich die erste Hochzeit der neuen Generation. Und außerdem würde sie in einem Jahr volljährig sein. Höchste Zeit, sich etwas erwachsener zu fühlen.
"Dann werde ich eben aufpassen", erwiderte Scorpius mit einem schiefen Grinsen und fing an, sie zu führen. Zu ihrer Überraschung konnte er das verdammt gut. Er war viel besser als der ungeschickte Tanzpartner, den sie in den Sommerferien gehabt hatte. Sie hatte wochenlang blau angelaufene Zehen gehabt.
"Darf ich dich was persönliches fragen?", fragte Scorpius nach einiger Zeit, in der er mit ihr einmal die ganze Tanzfläche überquert hatte. Einmal waren sie mit James und Victoire zusammengestoßen, aber es war glücklicherweise nichts passiert.
Rose legte den Kopf schief. "Ich weiß nicht", erwiderte sie. "Das kommt auf die Frage an." Scorpius und sie verbrachten selten Zeit zusammen, wenn Al nicht dabei war. Es fühlte sich merkwürdig an, ganz allein mit ihm zu reden, besonders, wenn seine warme Hand auf ihrem Rücken lag und sie festhielt.
"Warum hast du Joseph nicht mitgenommen? Ihr seid doch jetzt schon ziemlich lange zusammen." Rose schaute ihn überrascht an. Diese Frage hatte sie nicht erwartet. Scorpius hatte sich noch nie für ihr Liebesleben interessiert. "Ich meine ja nur, dass hier ist ein großes Fest und es macht bestimmt Spaß, mit dem Freund hier zu sein."
Rose schaute zu ihrem Dad, der am anderen Ende der Tanzfläche war und vor einer Minute sehr überrascht registriert hatte, wer ihr Tanzpartner war. Seit diesem Augenblick warf er Scorpius mörderische Blicke zu. Sie war nur froh, dass Scorpius das nicht zu bemerken schien.
"Meine Familie kann sehr anstrengend sein, besonders alle auf einmal", erwiderte sie. Scorpius nickte. Das wusste er nur zu gut. "Außerdem sind wir noch nicht so lange zusammen. Und wenn ich ihn mit hierher nehmen würde, dann würde mein Dad ihn stundenlang verhören und mir anschließend bestimmt sagen, dass er nicht gut genug für mich ist und dass ich noch viel zu jung bin für einen Freund und dass ich mit Sex besser warten sollte, bis ich dreißig oder vierzig bin." Wahrscheinlich eher fünfzig. Sie schüttelte den Kopf. "Darauf kann ich verzichten." Besonders, weil das zwischen ihr und Joseph sowieso nichts ernstes war. Sie würde alles Gold, was sie hatte, darauf verwetten, dass sie nächstes Jahr nicht mehr mit ihm zusammen sein würde.
"Okay, das ist einleuchtend. Meinen Großvater würde ich auch nur ungern jemandem zumuten", erwiderte Scorpius und erschauderte. "Er macht sogar mir noch manchmal Angst. Und seit er erfahren hat, dass ich Muggelkunde belegt hab, macht er dauernd irgendwelche abfälligen Bemerkungen über Muggel." Noch mehr als sonst schon. "Und er vergisst auch nicht zu betonen, dass ich unseren guten Familiennamen damit in den Schmutz gezogen habe." Er verdrehte die Augen. "Als ob man unseren Namen noch mehr in den Schmutz ziehen könnte."
Rose schaute ihn mitfühlend an. Es musste schwer sein, vom eigenen Großvater ständig kritisiert zu werden, weil ihm die eigenen Entscheidungen nicht passten. Scorpius hatte sicher schon genug Probleme mit ihm, weil er und Al die besten Freunde waren.
"Naja, was soll's", erwiderte Scorpius. Er setzte ein unechtes Lächeln auf. "Ich kann ihn nicht ändern. Und er wird mich nicht ändern." Geschickt drehte er Rose einmal um ihre eigene Achse. Sie war so überrascht davon, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor und gerade noch so von Scorpius aufgefangen werden konnte. "Entschuldige", sagte er, dieses Mal mit einem echten Lächeln. "Ich hätte dich warnen sollen."
"Schon in Ordnung", sagte Rose und erwiderte sein Lächeln, während sie hoffte, dass ihr Herzschlag sich wieder beruhigen würde. Tanzen war ganz schön anstrengend. "Ich hab ja gesagt, dass meine Schuhe auch ziemlich gefährlich sind."
Er nickte. "Mein Fuß hat's gemerkt."
"Oh mein Gott!", sagte Rose erschrocken. Sie hatte ihm nicht wehtun wollen. "Das tut mir Leid."
"Nicht der Rede wert", erwiderte er heldenhaft. "Ein echter Malfoy kennt keinen Schmerz."
Rose lachte. "Wenn du das sagst ..." In letzter Sekunde konnten sie James und Victoire ausweichen, die stattdessen mit Hugo und Lily zusammenprallten. Alle kamen jedoch unverletzt davon und wirbelten weiterhin fröhlich über die Tanzfläche.
In der Zwischenzeit war Annie wieder an ihrem Tisch angekommen und legte den Blumenstrauß auf ihren Platz. Abgesehen von Louis saß niemand mehr an seinem Platz. Annie sah sich um. Eigentlich hatte sie Dominique im Schlepptau gehabt, aber die hatte sich auf halber Strecke von ihr abgewandt und zu Charlie und Ted an die Bar verzogen.
"Herzlichen Glückwunsch", sagte Louis mit seinem üblichen Grinsen und deutete auf den Blumestrauß, als sie ihn fragend anschaute. "Du hattest ja mit einiger Konkurrenz zu kämpfen."
Annie lächelte zufrieden. Sie war selten diejenige, die irgendetwas gewann, aber sie hatte auch nicht so viel Ehrgeiz, dass sie unbedingt gewinnen musste. Den Blumenstrauß hatte sie nur aus Spaß fangen wollen. Und weil er die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft versprach. Diese Hoffnung konnte nie schaden.
"Bist du schon so weit, dass du heiraten willst?", fragte Louis dann. Sein Grinsen war weg und er schaute sie ernst an.
Annie schluckte. Es war das erste Mal, dass sie seit ihrer Trennung miteinander sprachen. Und er fing gleich mit so einem Thema an? Was war aus dem Wetter geworden? Es war immerhin Winter, da fand sich immer etwas, worum man meckern konnte, ob das jetzt zu viel oder zu wenig Schnee war, zu warme oder zu kalte Temperaturen, zu viel oder zu wenig Sonne.
"Ich treffe mich erst seit ein paar Wochen mit jemandem. Wir sind noch lange nicht so weit, vor den Altar zu treten." Sie lernte ihn gerade erst kennen. Sie hatte keine Ahnung, ob Habakuk und sie auf lange Sicht funktionieren würden und da schon an eine Hochzeit zu denken war völliger Schwachsinn. Sie war jung und hatte Zeit und nur weil sie den Brautstrauß gefangen hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie sich jetzt dazu verpflichtet fühlen würde, sich in eine Ehe zu stürzen (wie Dominique überhaupt auf so eine Schnapsidee kommen konnte, war ihr ein Rätsel, als ob Frauen wirklich so verzweifelt wären). "Aber immerhin hab ich jetzt ein bisschen Dekoration für meine Wohnung", fuhr sie fort, um vom Thema abzulenken. "Molly hat wirklich einen schönen Strauß ausgesucht."
Louis musterte die Blumen. "Wenn du meinst." Er hatte noch nie viel Sinn für Blumen gehabt. In Kräuterkunde war er auch immer miserabel gewesen. "Für mich sieht das alles gleich aus."
"Du hast also keine Blumen in deinem Apartment?"
Er lachte. "Bist du wahnsinnig? Die würden nur in irgendeiner Ecke verrotten, ohne dass ich es merken würde." Nachdenklich runzelte er die Stirn. "Obwohl ich glaube, dass Nicki mir letztes Jahr zu Weihnachten einen Kaktus geschenkt hat. Aber wo der ist ..."
Annie kicherte. "Ich hoffe, dass ich deine Wohnung nie sehen muss. Das klingt ja schrecklich." Sie erinnerte sich daran, dass Dominiques Mum entsetzt gewesen war, als sie Louis in Frankreich besucht hatte und dass Dominique gemeint hatte, dass sie nichts anderes von Louis erwartet hatte.
"Mir gefällt's", erwiderte Louis schulterzuckend. "Ich bin dort ja sowieso nicht so häufig. Meistens bin ich sowieso im Ministerium."
"Ich kann das immer noch nicht ganz glauben", sagte Annie kopfschüttelnd. "Du hast doch nie im Ministerium arbeiten wollen." Sie hatte schon lange geplant, in der Abteilung für Magisches Transportwesen anzufangen und wenn sie nicht gerade mit diesen dämlichen Portschlüsseln zu kämpfen hatte, dann machte ihr die Arbeit auch wirklich Spaß, besonders die Apparierkurse, die sie für die Leute gab, die aus irgendeinem Grund in Hogwarts nicht dazu gekommen waren. Aber Louis hatte nie auch nur das kleinste bisschen Interesse an irgendeiner Arbeit im Ministerium gezeigt. Wenn sie früher über die Zukunft gesprochen hatten, dann hatte er überhaupt keine Pläne für seine berufliche Zukunft gehabt. Er hatte sich nur treiben lassen wollen und wenn sie ehrlich war, dann war das etwas gewesen, das sie sehr gestört hatte. Diese Ungewissheit und dass es ihm anscheinend völlig egal war, was mal aus ihm werden würde.
"Ich weiß", erwiderte Louis kleinlaut. "Ich war nie ein großer Fan davon. Grade weil Dad immer so spannende Geschichten über seine Zeit als Fluchbrecher erzählt hat und nie so begeistert vom Ministerium war. Aber wenn ich nicht gerade mit Norwegern und Russen reden muss, dann ist die Arbeit wirklich nicht schlecht. Mal sehen, ob ich es dort noch eine Weile aushalte." Er klang so leichtfertig, als ob das alles nur ein weiteres Kapitel in seinem Leben war, aber sie kannte ihn besser. Dieses Leuchten in seinen Augen, als er über seine Arbeit sprach ... es gefiel ihm dort wirklich. Und er würde dort bleiben. Daran hatte sie keinen Zweifel. "Und Paris ist wirklich fantastisch. Die Stadt ist so aufregend. Jeden Tag passiert was neues. Es würde dir dort gefallen."
Annie wandte den Blick ab. Er hatte sie gefragt, ob sie mitkommen wollte, aber sie hatten beide gewusst, dass sie nein sagen würde. Trotzdem. Manchmal, wenn sie abends in ihrem Bett lag oder der siebenundzwanzigsten Person erzählen musste, dass der nächste verfügbare Portschlüssel für den siebzehnten Januar war, da fragte sich, was wäre wenn. Was wäre, wenn sie ihn doch begleitet hätte, wenn sie jetzt in Paris leben würde. Wären sie überhaupt noch zusammen? Hätten sie sich getrennt? Wäre sie schon wieder in England? Aber letzten Endes war das alles egal, denn -
"Ich bin glücklich hier.", sagte sie leise.
Louis nickte. Sein Blick jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. "Ich weiß", sagte er leise und stand auf, um an die Bar zu gehen. "Und ich bin glücklich dort."
Manchmal war erwachsen werden wirklich scheiße.
/-/
2041
"Das schmeckt fantastisch", sagten Michelle und Frank Cooper anerkennend, als sie die ersten Bissen von ihren jeweiligen Geburtstagstorten verdrückt hatten.
"Schön, dass es euch schmeckt.", sagte Molly zufrieden. Sie hatte schon befürchtet, dass die Torten ein Desaster werden würden, weil der Koch sich schrecklich angestellt hatte, was diese Last-Minute-Bestellung anging. Aber verdammt noch mal, sie zahlte ihm Unsummen für seine Arbeit, da würde sie ja wohl ein bisschen Kooperation erwarten können! Vor allem, weil das für ihre Kinder war. Kindern machte man doch normalerweise gerne eine Freude.
"Diese ganze Feier ist fantastisch", sagte Mollys Vater lächelnd und legte ihr einen Arm um die Schulter.
Molly lächelte geschmeichelt. Nach viel Herumtelefoniererei und einigen sehr hitzigen Debatten mit dem Koch und dem Eventmanager hatte letzten Endes doch alles halbwegs so geklappt, wie sie es wollte. Bis auf das kleine Malheur, dass bei ihrer Ankunft eine Eisskulptur im Saal stand, die sie absolut nicht bestellt hatte (wer wollte schon Eisskulpturen haben?) und die laut Justins Aussage sehr viel Ähnlichkeit mit der Eisskulptur hatte, die James damals für seinen Junggesellenabschied bestellt hatte. In Windeseile hatte sie sie weggezaubert, bevor die Kinder sie hatten sehen können.
"Trotzdem hätte der Koch sich mit den Torten beeilen können", murmelte Molly und warf einen Blick auf ihre goldene Armbanduhr. "Es ist schon fast Mitternacht."
"Wir haben den Saal doch bis morgen früh", erwiderte Justin beschwichtigend und küsste seine Tochter auf die Wange, bevor er ihr mit einem Taschentuch einen Schokofleck aus dem Gesicht wischte. "Wir können die Nacht durchfeiern." Er hielt Michelle die Hand hin. "Gnädiges Fräulein, ich meine mich zu erinnern, dass du mir den nächsten Tanz versprochen hast."
Michelle grinste und ergriff die Hand ihres Vaters. "Du lässt mich hoffentlich wieder auf deinen Füßen stehen."
"Haben wir jemals anders getanzt?"
Die beiden stürzten sich in die Menge. Molly schaute ihnen lächelnd hinterher. Sie hatte schon immer gewusst, dass Justin einmal ein toller Vater sein würde und sie sah dieses Wissen jeden Tag bestätigt. Auch wenn sie sich manchmal darüber stritten, dass er ihren Kindern Dinge erlaubte, die sie ihnen verboten hätte, wie Eiscreme am späten Abend oder Horrorfilme im Fernsehen, für die sie noch viel zu jung waren, selbst wenn sie das Gegenteil behaupteten. Aber er liebte ihre Kinder abgöttisch und sie liebten ihn. Das war das wichtigste.
"Ich hoffe, Michelle hat später auch noch einen Tanz für mich übrig", riss ihr Vater sie aus seinen Gedanken, während er im nächsten Atemzug Frank ermahnte, nicht zu schnell zu essen. "Aber ich werde langsam zu alt, sie auf meinen Füßen stehen zu lassen."
"Oh, Michelle kann sehr gut tanzen", erwiderte Molly lächelnd. "Es ist nur eine Tradition, die Justin und sie angefangen haben, als sie vier oder fünf war und die sie nicht loslassen wollen. Ich wette, selbst bei ihrer Hochzeit wird sie noch auf seinen Füßen stehen. Auch wenn das noch lange dauern wird."
"Täusch dich da mal nicht, mein Schatz", erwiderte Percy liebevoll. "Du warst nur sechs Jahre älter als Michelle es jetzt ist, als du geheiratet hast."
"Wirklich?", fragte Molly ungläubig und rechnete schnell im Kopf nach. Tatsächlich. Ihr Dad hatte Recht. "Das kommt mir gar nicht so vor."
"Es sieht anders aus, wenn man selbst ein Elternteil ist, nicht wahr?", sagte er wissend. "Vielleicht kannst du jetzt ein bisschen besser verstehen, wieso ich vor zwanzig Jahren diese Zweifel hatte."
Molly seufzte. Wenn man Mutter wurde, ergab vieles plötzlich einen Sinn, was man vorher für den größten Schwachsinn gehalten hatte. Frühe Schlafenszeiten wurden lebensnotwendig, Sachen, die ihr nie gefährlich vorgekommen waren, wurden plötzlich zu Todesfallen und Heiraten mit neunzehn kam ihr schrecklich übereilt vor, wenn sie sich ihre dreizehnjährige Tochter so anschaute.
"Ja, schon", erwiderte sie schließlich widerwillig. "Aber es hat doch geklappt. Justin und ich haben keinen Fehler gemacht. Wir sind immer noch glücklich." Auch wenn sie sich manchmal stritten und nicht immer einer Meinung waren, liebte Molly ihr Leben und wenn sie die Wahl hätte, dann würde sie alles noch einmal genauso machen.
"Ich weiß", sagte Percy. "Und ich freue mich wirklich für euch beide. Ich habe gehofft, dass ich Unrecht habe."
Molly lächelte. Sie hatte sich noch nie so sehr darüber gefreut, dass sein Vater sich geirrt hatte wie in diesem Moment.
Auf der anderen Seite des Saales trug James Potter seine sechsjährige Nichte Haley auf dem Arm und tat so, als ob er mit ihr tanzen würde. Sie hatte unbedingt mit ihm tanzen wollen, war aber jetzt, kurz vor Mitternacht, schon viel zu müde, um sich noch auf den Beinen zu halten. Mit geschlossenen Augen lehnte sie an seiner Schulter, protestierte aber sofort, wenn er stehen blieb.
"Hey!", sagte er erschrocken, als etwas gegen seine Beine prallte. Er schaute hinunter und sah Roses Sohn Aiden und Louis' Sohn David, die beide ziemlich aufgedreht waren und sich über die ganze Tanzfläche jagten. James konnte sich denken, dass diese späte Uhrzeit der Grund dafür war. Normalerweise wären die beiden jetzt schon im Bett. Das und das reichhaltige Nachtischbuffett, wo die beiden bestimmt so viel Süßkram in sich hineingestopft hatten, dass sie jetzt einen Zuckerschock hatten. "Seid ein bisschen vorsichtiger!"
"Spielverderber!", rief Aiden ihm zu und war gleich darauf wieder verschwunden.
James schüttelte ungläubig den Kopf. So weit war es also schon gekommen. Jetzt wurde er bereits als Spielverderber beschimpft. Er! James Sirius Potter! Ein Spielverderber! Das war eine der schlimmsten Beleidigungen, die er je gehört hatte. Er wurde wohl wirklich langsam erwachsen.
"Weiter, Onkel James", murmelte Haley verschlafen und zwickte ihn in den Arm. "Weitertanzen."
"Willst du nicht langsam schlafen?", fragte James mitleidig und strich ihr ein paar dunkle Haarsträhnen aus der Stirn. Sie sah so unglaublich süß aus. Gut, dass sie sehr wenig von Al geerbt hatte.
"Nein", sagte sie entschlossen und zwang sich, ihre Augen wieder zu öffnen. "Ich bin schon groß, ich will bis zum Ende der Party Wachbleiben. Ich muss doch für Silvester üben!"
James lächelte. Die Potters verbrachte Silvester immer alle gemeinsam im Haus von James' Eltern. Jedes Jahr versuchten die Kinder, bis Mitternacht wach zu bleiben und jedes Mal scheiterten sie kläglich und ihre Eltern mussten sie wecken. Die Armen waren immer so müde, dass sie dauernd einnickten, während sie die Feuerwerke betrachteten.
"Na schön, dann also weiter", erwiderte James. Es wurde ein langsames Lied gespielt und Haley legte den Kopf wieder an seine Schulter. Wenn er richtig schätzte, dann würde sie spätestens in fünf Minuten einschlafen.
Er bewegte sich weiterhin über die Tanzfläche, nickte Victoire und Louis zu, versicherte Al und Tia, dass er ihre Tochter noch eine Weile mit sich herumtragen konnte, gratulierte Hugo und Clara zu ihrem Tanzstil und wich Aiden und David aus. Er lächelte, als er seine Frau Julia auf sich zukommen sah. Ihr Kleid war tiefblau und passte wunderbar zu ihren wunderschönen Augen. Ihre blonden Haare waren auf eine Art hochgesteckt, die er nie im Leben hingekriegt hätte und ihr Ausschnitt war wirklich einen Blick wert. Jeden Tag war er stolz darauf, dass so eine unglaubliche Frau zu ihm gehörte.
"Was ist los?", fragte er besorgt, als sie bei ihm angekommen war und er sah, dass Tränen in ihren Augen standen, die sie zu unterdrücken versuchte. Er versicherte sich, dass er Haley sicher mit einer Hand halten konnte und nahm mit der anderen die Hand seiner Frau. "Was ist?"
Julia schluckte. Sie schaute auf Haley und dann wieder in seine Augen. Eine Träne lief ihr über die Wange. Sie umklammerte seine Hand so fest, dass er bald das Gefühl in seinen Fingern verlieren würde. "Es hat wieder nicht geklappt", sagte sie mit zitternder Stimme.
James' Herz wurde schwer. "Verdammt!", murmelte er.
In der Nähe läuteten Kirchturmglocken den Beginn eines neuen Tages ein.
TBC...
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