von ChrissiTine
Warten
"Ist alles in Ordnung? Liegst du bequem? Brauchst du irgendwas?" Hugo musterte Clara besorgt. Sie hatte einen Krankenhauskittel an und lag in einem Bett des Mungos. Eine Feder schwebte in einer Ecke, die andauernd irgendwelche Linien auf ein Pergament zeichnete (eine Heilerin hatte ihnen erklärt, dass das die Wehentätigkeit war). Außerdem war die ganze Zeit ein komisches Geräusch zu hören, was der Herzschlag des Babys war.
Hugo saß neben Clara auf einem Stuhl und hielt ihre Hand. Seine eigene war übersäht von Fingernagelabdrücken. Clara liebte es, während der Wehen seine Hand zu zerdrücken.
Gerade waren sie von einem Spaziergang auf dem Gang zurück in ihr Zimmer gekommen und warteten jetzt auf die Hebamme, die ihnen sagen sollte, wie es voran ging mit der Geburt.
Sie lächelte ihn an. "Nein, alles in Ordnung", versicherte sie ihm, beugte sich vor und küsste ihn. "Mach dir keine Sorgen. Es wird jetzt nicht mehr lange dauern, bis wir Angela im Arm halten können."
Hugo nickte. Er konnte es gar nicht mehr erwarten. Er konnte es nicht mehr erwarten, seine kleine Tochter kennen zu lernen, sie im Arm zu halten. Denn wenn es endlich so weit war, dann bedeutete das auch, dass alles in Ordnung war mit ihr und Clara und dass dieser Albtraum, den er gehabt hatte, genau das blieb - ein Traum.
Seine Nerven waren sowieso schon zum Zerreißen gespannt. Angela hätte am zehnten Januar auf die Welt kommen sollen und jetzt war bereits der neunzehnte Januar. Clara, die sich während der gesamten Schwangerschaft kaum jemals über ihre Gewichtszunahme beschwert hatte und ausgesprochen gerne schwanger gewesen war, hatte in den letzten Tagen dauernd darüber geklagt, wie wahnsinnig unwohl sie sich fühlte und Hugo konnte sie voll und ganz verstehen. Wenn er monatelang mit einem tonnenschweren Quaffel im Bauch hätte herumlaufen müssen, der ihn auch noch ständig trat, dann wäre er auch ziemlich mies gelaunt.
Und mit jedem Tag, den das Baby nicht auf die Welt kam, wuchs Hugos Angst immer mehr, obwohl es eigentlich keinen Anlass zur Sorge geben sollte, wie ihnen alle versicherten. Und jetzt war es so weit und seine Angst war noch größer geworden.
"Hugo, hör auf, dir solche Sorgen zu machen. Die Heiler haben gesagt, dass alles in Ordnung ist und die Geburt so verläuft, wie sie verlaufen soll. Du machst mich nervös."
Er zwang ein Lächeln auf sein Gesicht. Das letzte, was er wollte, war, Clara nervös zu machen. Ihr Körper war momentan sowieso übermenschlichen Belastungen ausgesetzt. "Dann lass uns über was anderes reden. Denn ich kann nicht garantieren, dass ich einfach so aufhören kann, mir Sorgen um euch beide zu machen." Er würde wahrscheinlich nie wieder damit aufhören.
Clara lehnte sich zurück. Sie schloss die Augen und legte ihre Hände auf ihren gigantischen Bauch. "Hast du schon mal darüber nachgedacht, auszuziehen?"
Hugos Augen wurden groß. Was meinte sie damit? Wollte sie ihn rausschmeißen? "Clara, was ...?"
Sie öffnete die Augen, als sie die Besorgnis in seiner Stimme hörte. Sie lächelte ihn an, hob eine Hand und strich ihm sanft über die Wange. "Rose hat etwas erwähnt." Hugo runzelte die Stirn. Was hatte seine große Schwester gesagt? Er würde sie umbringen! "Sie hat nur gesagt, dass die Wohnung irgendwann vielleicht zu klein für uns werden würde und außerdem gibt es keinen Park in der Nähe und so viel Verkehr, dass Angela nicht draußen spielen kann. Und dann hat sie gemeint, dass in der Nähe von Lily ein Haus frei ist und ich dachte mir, wenn du nichts dagegen hast, dann könnten wir uns das irgendwann anschauen. Nicht, dass du denkst, dass deine Wohnung nicht schön ist, sie ist traumhaft und ich liebe sie und sie ist bestimmt auch groß genug und wir müssen nicht umziehen ..."
Jetzt breitete sich ein wirkliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er hatte nie über ein Haus nachgedacht, weil die Wohnung für ihn immer groß genug war, aber vielleicht hatte Rose Recht. Es wäre bestimmt schön für Angela, einen Garten zu haben, in dem sie spielen und herumtollen konnte. Und wenn es in der Nähe von Lily wäre ... das wäre fantastisch. Er hatte seine beste Freundin so selten gesehen und wenn sie so nah beieinander wohnen würden, dann könnten sie sich öfter treffen und die Kinder könnten zusammen spielen ... Und wenn sie zusammen in ein Haus ziehen würden, das sie beide ausgesucht hatten ... Sie würden wirklich eine Familie sein, ganz offiziell. Es wäre praktisch so, als wären sie verheiratet.
"Die Idee ist gar nicht so schlecht", sagte er schließlich. Es war ihm unmöglich, seine Begeisterung zu verbergen. "Wir könnten uns das Haus mal anschauen. Aber ich glaube, es wird schon ohne einen Umzug anstrengend und schwer mit einem kleinen Baby."
Clara nickte. Dann fing sie an, tief zu atmen und umklammerte seine Hand. Hugo wünschte sich, dass er ihr diesen Schmerz abnehmen könnte. Er hasste es, sie so leiden zu sehen.
"Ich sag ja gar nicht, dass ich sofort umziehen möchte", sagte Clara etwas außer Atem, nachdem die Wehe vorbei war. "Ich dachte nur, dass wir darüber sprechen sollten. Und wenn wir in ein paar Wochen oder Monaten immer noch umziehen wollen, dann können wir uns nach einem Haus umsehen. Es muss ja nicht das in der Nähe von Lily sein." Hugo nickte. Clara legte den Kopf schief. "Obwohl es dich freuen würde, wenn es in der Nähe von Lily ist." Hugo grinste. Sie kannte ihn wirklich schon sehr gut.
"Ich hätte nichts dagegen."
Sie lachte. "Das dachte ich mir."
Er lehnte sich vor und küsste sie. Sie war wirklich wundervoll. Und bald würde sie die Mutter seiner Tochter sein.
Die beiden lösten sich voneinander, als es klopfte. Sie schauten zur Tür. Claras Mutter Andrea steckte den Kopf herein.
"Mum!", rief Clara erfreut. Andrea schloss die Tür hinter sich und eilte zu ihrer Tochter ans Bett, die sie herzlich umarmte.
"Ich bin sofort gekommen, als ich die SMS von Hugo bekommen hab", erklärte sie und strich ihr über die blonden Haare. "Jetzt wird es ernst, mein Schatz, hmm?" Clara nickte nervös. "Du schaffst das schon. Und wenn das Baby dann da ist, dann darfst du es richtig quälen für die ganzen Schmerzen, die es dir zugefügt hat."
Clara lachte und schüttelte den Kopf. "Ich würde Angela deshalb nie quälen. Sie hat mich immerhin zu Hugo gebracht." Er lächelte. Das hatte sie. Ihr war das alles zu verdanken. "Aber es wäre schon schön, wenn es nicht ganz so weh tun würde."
Andrea lachte. "Darauf würde ich nicht hoffen, mein Schatz. Geburten sind nicht einfach. Weiß der Himmel, warum die Natur das so eingerichtet hat. Eigentlich schreckt das jeden vor einem zweiten Baby ab."
"Vielleicht ist das so, damit man das Baby mehr zu schätzen weiß und es nicht im Stich lässt, wenn man sich schon durch die ganzen Schmerzen gequält hat", überlegte Clara.
"Obwohl es schon ziemlich unfair ist, dass nur wir Frauen leiden müssen. Männer haben es so viel einfacher, die sitzen schlimmstenfalls in einer Ecke und gucken zu." Hugo sah auf seine Hand, die mittlerweile schon blau angelaufen und angeschwollen war. Er war anderer Meinung, aber er würde sich hüten, das laut zu sagen. Es stimmte natürlich, dass Clara viel mehr durchzumachen hatte, aber schmerzfrei war es für ihn auf keinen Fall. Und es war auch nicht angenehm, Clara dabei zuzusehen, wie sie litt. Er hätte ihr liebend gerne etwas von dem Schmerz abgenommen.
"Nichts gegen dich, Hugo", beeilte sich Andrea dann versöhnlich zu sagen. "Wir können ja von Glück sprechen, dass du nicht versucht hast, dich aus allem herauszureden. Es kommt mir nur ziemlich unfair vor, dass wir diese Schmerzen ertragen müssen."
Hugo zuckte mit den Schultern. Er konnte nichts daran ändern.
Dann kam Claras nächste Wehe und Andrea hörte glücklicherweise damit auf, sich weiterhin über diese Ungerechtigkeit zu beschweren. Und kurz darauf klopfte es an der Tür und Rose kam in ihrer Arbeitskleidung herein.
"Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich musste erst Collette loswerden, Aiden bei Molly abliefern und dann Scorpius Bescheid geben, damit er weiß, wo er ihn finden kann. Außerdem hat ein Patient von mir Probleme gemacht und um den wollte ich mich noch kümmern, obwohl ich eigentlich frei habe. Aber jetzt bin ich da."
Clara hatte Rose darum gebeten, bei der Geburt dabei zu sein, obwohl Rose keine Hebamme war und sich in diesem Teil der Medizin nur bedingt auskannte (zumindest was sie als Heilerin betraf, als Patientin hatte sie recht viele Erfahrungen gesammelt). Aber Clara fühlte sich wohler, wenn Rose im Hintergrund war und wenn er ehrlich war, dann ging es Hugo genauso.
Er runzelte die Stirn. "Was meinst du damit, du musstest erst Collette loswerden? Hast du sie irgendwo getroffen?"
Rose schaute ihn überrascht an. "Sie war doch im Laden, Hugo. Du bist direkt an ihr vorbei gelaufen. Sie hat dich angesprochen. Hast du sie nicht bemerkt?"
Hugo schüttelte verwirrt den Kopf. Seit dem Moment, in dem Louise im Scherzartikelladen aufgetaucht war und ihm gesagt hatte, dass Claras Fruchtblase geplatzt war, hatte er kaum noch etwas wahrgenommen. Er hatte keine Ahnung, wie er zu Madam Malkins gekommen war. Er hätte auch nicht sagen können, wer sonst noch im Laden gewesen war. Und an Collette konnte sie sich überhaupt nicht erinnern. Was wahrscheinlich besser war.
"Jedenfalls hat sie gar nicht mitbekommen, dass du Vater wirst, obwohl es doch einen sehr ausführlichen Bericht in der Hexenwoche gegeben hat. Und im Klitterer warst du die Lösung für das Kreuzworträtsel." Hugo seufzte. Er hätte auch gut ohne diesen ganzen Mist leben können. "Naja, jedenfalls war Collette ziemlich von den Socken und hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass Clara nur hinter deinem Geld her ist und dir ein Kind unterschieben will. Sie ist richtig ausfallend geworden. Ich musste Aiden die Ohren zuhalten." Rose verdrehte die Augen und umklammerte ihren Zauberstab. Hugo war sich sicher, dass sie Collette verflucht hätte, wenn Aiden nicht dabei gewesen wäre.
"Was?", fragte Andrea empört, bei der sich anscheinend ihr Mutterinstinkt zu Wort meldete. "Das ist doch nicht möglich! Was hat Clara ihr denn getan?"
Hugo zuckte mit den Schultern. Ihm fiel kein Grund ein. Collette war bestimmt nicht eifersüchtig darauf, dass er eine neue Freundin hatte, mit der er ein Kind bekam, weil sie ihn noch liebte. Mittlerweile war er überzeugt davon, dass sie ihn nie geliebt hatte. Aber vielleicht war sie eifersüchtig darauf, dass Clara an sein Geld herankommen konnte als Mutter seines Kindes. Was absolut lächerlich war, da Clara als Designerin fast mehr verdiente als er und ihr Verließ, das nach ihrer geplatzten Hochzeit leer gewesen war, sich schon wieder sehr gut gefüllt hatte.
"Reg dich nicht auf, Mum", sagte Clara beruhigend. "Sie war nur sauer, weil sie das Kleid haben wollte, das ich Rose geschenkt habe."
"Das sieht ihr ähnlich", nickte Hugo. Es war typisch für Collette. Sie konnte sehr ausfallend werden, wenn sie nicht bekam, was sie wollte, weshalb Hugo sich in ihrer Beziehung nie hatte durchsetzen können.
"Es war noch mehr", widersprach Rose. "Sie war sauer, weil du Hugo hast. Nicht, dass sie ihn wiederhaben will, Merlin bewahre. Aber es stört sie, dass du etwas hast, was mal ihr gehört hat. Und dass sie Hugo nicht mehr die Bohne interessiert. Ich wette, es hat ihr sehr gut gefallen, wie sehr du unter eurer Trennung gelitten hast und wie lange du ihr nachgeweint hast.", vermutete sie. "Und dann sieht sie, dass du dabei bist, eine Familie zu gründen und dass du eine andere liebst und das hat ihr bestimmt nicht gepasst."
Hugo seufzte. Seine Exfreundin klang immer unmöglicher. Es war ihm wirklich ein Rätsel, wie er je in sie hatte verliebt sein können. Und dennoch hatten sie auch schöne Zeiten gehabt, in denen er glücklich mit ihr gewesen war. Nur war er mit ihr nie so glücklich gewesen wie jetzt mit Clara.
Rose ging hinüber zu dem Pergament und der Feder, die die Wehentätigkeit notierte und studierte es. "An eurer Stelle würde ich aber vorsichtig sein. So wie Collette am Ende drauf war, wird sie bestimmt zum nächsten Klatschreporter rennen, den sie finden kann und Clara als Schlampe hinstellen, die dich nur ausnehmen will wie eine Weihnachtsgans."
Hugo stöhnte auf und fuhr sich mit seinen Händen über sein Gesicht. Das hatte er nicht gewollt. Dass Clara als etwas anderes als die wunderbare Frau dargestellt wurde, die sie war und dass ihr Kind in den Schmutz gezogen wurde. Er wollte nicht, dass jemand so über seine Tochter dachte. Das hatte sie nicht verdient. Und Clara schon gar nicht.
Clara hatte die Hand gehoben und fuhr Hugo sanft durch die Haare. "Mach dir keine Sorgen. Ich hab einen Vaterschaftstest machen lassen. Und wir wissen, dass es nicht stimmt. Die Presse kann uns nichts anhaben."
Hugo schaute sie überrascht an. "Du hast einen Test machen lassen? Aber ich hab dir doch geglaubt." Es hatte für ihn nie einen Zweifel daran gegeben, dass sie nicht aufrichtig ihm gegenüber gewesen war.
Sie nickte. "Ich weiß. Aber ich hab dich nicht gekannt. Ich wusste nicht, ob du deine Meinung ändern würdest. Und ich wusste nicht, ob deine Familie das akzeptieren würde. Ich wollte auf Nummer sicher gehen. Deshalb hab ich ein Taschentuch von dir mitgenommen, das auf deinem Küchentisch gelegen hat, als ich dir gesagt habe, dass ich schwanger bin. Und den Test hab ich in meinem Verließ verstaut, damit er sicher ist. Also wenn irgendjemand infrage stellen sollte, dass Angela deine Tochter ist, dann habe ich eindeutige Beweise, die das widerlegen.", erklärte sie.
Hugo wusste nicht, ob er sauer darauf sein sollte, weil sie an ihm und seiner Familie gezweifelt hatte oder sich darüber freuen sollte, dass ihnen jetzt niemand mehr etwas vorwerfen konnte. Er konnte verstehen, dass Clara sich absichern wollte für den Fall, dass man ihr doch nicht glaubte. Es war nur vernünftig. Trotzdem störte es ihn, dass sie eine Notwendigkeit dafür gesehen und den Test nicht vernichtet hatte, nachdem klar geworden war, dass keiner daran zweifelte, dass Angela sein Baby war.
"Ich hab dir immer vertraut", sagte er bestimmt.
Clara nickte. "Ich weiß. Aber ich wollte es einfach offiziell haben." Sie schaute ihn ängstlich an. Er konnte nicht anders, als zu lächeln. Deswegen konnte er ihr nicht böse sein. Es war wahrscheinlich wirklich besser, dass sie es getan hatte. Und er würde sich auf keinen Fall mit ihr streiten, wo sie gerade dabei war, sein Kind zu bekommen.
"Das mit dem Test ist gar nicht so schlecht", wandte Rose ein. "Sollte Collette deine Vaterschaft wirklich öffentlich anzweifeln, dann kann Mum sie mit den Beweisen auf Verleumdung verklagen." Sie grinste. Ihr schien der Gedanke sehr zu gefallen. "Und Schmerzensgeld. Viel Schmerzensgeld. Ihr Mann hat ja angeblich genug davon. Wenn sie noch nicht alles ausgegeben hat."
Hugo verdrehte die Augen. "Rose!"
"Was? Verdient hätte sie es. Angela ist deine Tochter. Und wenn sie wirklich zur Presse geht, dann werdet ihr die nächsten Wochen keine Ruhe haben. Und als frischgebackene Eltern hat man wirklich andere Sorgen als Skandalreporter, das kannst du mir glauben. Außerdem hättest du hören sollen, wie sie über Clara geredet hat. Du würdest es ihr auch heimzahlen wollen."
Da hatte Rose nicht Unrecht. Collette hatte bestimmt kein Blatt vor den Mund genommen. Und Clara hatte nichts getan, was dieses Verhalten gerechtfertigt hätte. Aber sie bekamen gerade ein Baby und das hatte oberste Priorität.
"Lass es gut sein", sagte er deshalb, obwohl es toll von Rose war, dass sie sich so darüber aufregte. Es zeigte, dass Clara wirklich als Familienmitglied anerkannt worden war. Keiner wollte, dass sie verletzt wurde. "Wenn Collette das wirklich durchziehen sollte, dann kann man immer noch überlegen, ob wir etwas unternehmen. Aber momentan gibt es wirklich wichtigeres."
Wie aufs Stichwort kam die nächste Wehe.
Und damit war das Thema abgehakt. Es brachte nichts, über etwas zu diskutieren, das noch nicht passiert war. Angelas Ankunft war viel wichtiger.
/-/
Der Abend und die Nacht zogen sich. Claras Muttermund öffnete sich nur sehr langsam und ihre Wehen waren ziemlich schwach und sehr unregelmäßig. Auch die Tränke, die sie bekam, um die Geburt voranzutreiben, halfen nicht wirklich.
Andrea war im Laufe der Nacht in einem der Besucherstühle eingenickt, während Hugo reichlich Cola in sich hineinschüttete, um wach zu bleiben. Rose war es gewohnt, in der Nacht zu arbeiten, weshalb sie noch ziemlich munter war und Clara mit Geschichten bei Laune hielt, in denen Hugo und sie noch klein gewesen waren. Er kam dabei nicht immer ganz so gut weg.
Am nächsten Morgen schauten seine Eltern vorbei, um herauszufinden, ob sie schon Großeltern geworden waren.
Seine Mum seufzte, als sie hörte, wie lange Clara nun schon mit den Wehen zu kämpfen hatte. Mittlerweile waren diese schon um einiges stärker und regelmäßiger geworden, aber der Muttermund öffnete sich immer noch sehr langsam. Clara konnte man ihre Erschöpfung schon deutlich ansehen und Hugo wünschte sich sehnlichst, dass es irgendetwas gab, mit dem er ihr hätte helfen können.
"Rose hat damals auch sehr lange gebraucht", versuchte seine Mutter Clara zu trösten. "Ich glaube, es waren achtzehn Stunden. Ron hat schon nach zwölf Stunden schlapp gemacht."
"Du hast meine Durchblutung unterbrochen, so wie du meine Hand zerquetscht hast", verteidigte er sich grinsend und klopfte Hugo auf die Schulter. Er warf einen Blick auf die Hand seines Sohnes und schaute ihn aufmunternd an. "Haltet durch. Das Ergebnis lohnt sich."
Tief atmend nickte Clara. Sie hatte schon auf das Baby eingeredet, damit es schneller kam. Vor zwei Stunden hatte sie dann einen Trank gegen die Schmerzen bekommen, der hatte ihr zumindest dabei geholfen, sich etwas auszuruhen.
Rose besorgte alle magischen Zeitungen des Landes und stellte erfreut fest, dass über Hugo und Clara absolut nichts berichtet wurde. Andrea verabschiedete sich für eine Weile, um sich zu Hause umzuziehen und zu duschen. Hugos Mutter musste ins Ministerium und sich um einen Fall kümmern, aber Hugos Vater blieb eine Weile.
"Ist alles okay mit dir?", fragte er besorgt, als er Hugo zu der kleinen Küche begleitete, die auf der Station war, wo man sich etwas zu trinken besorgen konnte.
Hugo fuhr sich durch die Haare und seufzte. "Eigentlich schon. Diese Warterei ist nur anstrengender, als ich gedacht hab. Und ich wünschte, dass ich Clara irgendwie helfen könnte. Ich kann nur dasitzen und ihre Hand halten, während sie leiden muss. Ich kann nichts tun. Gar nichts."
Sein Vater nickte. "Ich weiß. Es ist schrecklich, hilflos daneben zu sitzen. Aber es hilft Clara schon, dass du für sie da bist. Dass du sie unterstützt, ihre Hand hälst und sie nicht im Stich lässt."
"Das hoffe ich", erwiderte Hugo und betrat die Küche. Er lief schnurstracks zum Kühlschrank und holte mehrere Flaschen Cola heraus. Außerdem fand er einige Sandwiches auf einer Servierplatte. Daneben lag ein Pergament, auf dem stand, dass man sich bedienen sollte, also nahm er auch die Platte. Sofort erschien eine neue Platte mit neuen Sandwiches. Guter Service.
"Ich hab nur Angst, dass irgendetwas schief geht. Claras Wehen dauern jetzt schon ziemlich lange und getan hat sich nicht viel." Außerdem hatte er mit Schrecken festgestellt, dass die Hebamme, die er in seinem Albtraum gesehen hatte und die ihm gesagt hatte, dass Clara und Angela gestorben waren, tatsächlich existierte und gerade Dienst hatte. Sie hatte Claras Muttermund schon zwei Mal untersucht und jedes Mal, wenn sie Claras Zimmer betrat, dann musste Hugo damit kämpfen, seine Panik im Zaum zu halten.
"Das ist ganz normal", erwiderte sein Dad schulterzuckend. "Jede Geburt dauert ihre Zeit. Die Heiler wissen, was sie tun. Mach dir keine Sorgen."
"Das sagst du so einfach", murmelte Hugo. Alle hatten ihnen das versichert. Er wusste, dass Clara und Angela eigentlich nichts passieren konnte, aber mit jeder Wehe wurde seine Angst größer. Er wünschte sich, dass einfach alles vorbei war, dass Clara alles gut überstanden hatte und dass Angela gesund war. Erst dann würde er wieder aufatmen können.
"Hugo, du musst Vertrauen haben. Anders geht das nicht. Es wird alles gut werden."
Hugo nickte. Überzeugt war er nicht. Aber das würde niemand schaffen. Nicht sein Dad, nicht Rose, Clara oder Andrea. Auch nicht die Heiler.
Eine Geburt war wirklich nervenaufreibender, als er gedacht hatte. Er fragte sich, wie sein Großvater das sechs Mal hatte durchstehen können.
Sie betraten Claras Zimmer wieder. Die Hebamme war da und studierte das Pergament. Clara kämpfte mit einer Wehe. Rose hielt ihre Hand. Hugo drückte seinem Dad die Flaschen und die Servierplatte in die Hand und eilte wieder auf seinen Platz. Er nahm Claras freie Hand und biss die Zähne zusammen. Ihr Druck wurde mit jeder Wehe stärker. Als die Wehe vorbei war, lehnte sie sich mit geschlossenen Augen in ihr Kissen.
Hugo beugte sich vor und küsste sie auf die schweißnasse Stirn.
"Ich liebe dich", flüsterte er ihr zu. "Du machst das fantastisch." Er hätte schon längst schlapp gemacht.
Clara öffnete die Augen und lächelte ihn gequält an. "Danke", sagte sie leise und schaute zur Hebamme. "Es wäre nur schön, wenn langsam mal etwas passieren würde."
Die Hebamme lächelte ermutigend. "Der Muttermund ist schon vier Zentimeter geöffnet." Hugo seufzte. Das war er vor anderthalb Stunden auch schon. "Sie müssen Geduld haben. Aber ich kann Ihnen noch etwas gegen die Schmerzen besorgen."
Clara nickte sofort. "Bitte", sagte sie. Die Hebamme nickte und verließ das Zimmer. Als sie hinausging, flatterte ein Memo herein und hielt vor Rose an. Sie schnappte es sich und las die Nachricht darauf.
"Ich muss mich um einen Patienten kümmern.", sagte sie entschuldigend und stand auf. "Es sollte nicht lange dauern." Sie ging zu Ron, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. "Mach's gut, Dad."
Er umarmte sie kurz. "Wir sehen uns bald, Prinzessin. Spätestens, wenn ihr Aiden bei uns abliefert."
Sie nickte. "Danke nochmal, dass ihr ihn nehmt."
"Immer wieder gerne, das weißt du", versicherte er ihr grinsend. "Und jetzt ab zu deinem Patienten. Ohne dich ist er doch bestimmt verloren."
Rose verdrehte die Augen. "Übertreib nicht, Dad." Sie schaute zu Hugo und Clara. "Ich bin bald wieder da." Die Tür fiel hinter ihr zu.
Hugos Vater nahm seinen Umhang, den er über einen der Besucherstühle gehängt hatte. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. "Ich muss los. Wir haben ein wichtiges Verhör." Er umarmte Hugo und drückte Clara die Hand. "Kopf hoch."
Clara nickte und hatte gleich darauf mit der nächsten Wehe zu kämpfen. Hugo sah sich um. Zum ersten Mal seit Stunden waren sie allein im Zimmer. Er zuckte zusammen, als Clara aufschrie. Die Wehen wurden immer heftiger und trotzdem hatte sich der Muttermund noch kaum geöffnet. Er verstand nicht, warum das alles so lange dauern musste. Das Baby war schließlich schon lange genug in Claras Bauch gewesen. Man möchte doch annehmen, dass es mittlerweile schon viel zu eng dadrin geworden war und es nichts lieber wollte als endlich herauszukommen. Wenn die Kleine immer so trödeln würde, dann gute Nacht.
Claras Atmung ging stoßweise und sie hörte nicht auf, seine Hand zu umklammern. "Was ist das?", japste sie.
Hugo schaute sich verwirrt um. Er konnte nichts sehen. "Was meinst du?", fragte er verwirrt.
"Das Geräusch. Die Herztöne. Das hört sich ganz anders an. Was ist das?"
Hugo lauschte angestrengt. Die ganze Zeit waren leise die Herztöne des Babys zu hören gewesen. Er hatte sich nach einer Weile so daran gewöhnt, dass er sie kaum noch wahrgenommen hatte. Aber jetzt konnte man ganz deutlich hören, wie das Geräusch zwar immer lauter, aber auch immer langsamer wurde. Und dann war auf einmal ein schrilles Piepsen zu vernehmen, das Hugo durch Mark und Bein ging.
Panisch schaute er zu Clara, die ihn mit großen Augen anstarrte. Seine Hand war schon fast zu Brei geworden. "Was ...?", fragte sie voller Angst.
Das Piepsen wurde immer lauter. Hugo konnte zwar immer noch die Herztöne hören, wenn er sich anstrengte, aber sie wurden immer schwächer.
Und dann ging alles ganz schnell. Die Tür flog auf und die Hebamme stürzte herein, gefolgt von einigen anderen Leuten in limonengrünen Umhängen. Sie legte die Hände auf Claras Bauch, während jemand anders das Pergament mit der Wehentätigkeit an sich nahm und ein dritter anfing, Claras Bett aus dem Zimmer zu bugsieren.
Hugo war aufgestanden und umklammerte Claras Hand. Hilflos schaute er die ganzen Leute an, die plötzlich im Zimmer herumwuselten.
"Was ist denn los?", wollte er wissen.
"Die Herztöne des Kindes sind gefallen", erklärte ihm ein unbekannter Mann. "Wir müssen das Baby sofort holen."
Hugo quetschte sich mit dem Bett durch die Tür, denn er weigerte sich, Claras Hand loszulassen. Sie schaute ihn voller Angst an. "Alles wird gut", sagte er alles andere als überzeugend zu ihr.
Sie nickte mit Tränen in den Augen. Hugo beugte sich vor und küsste sie auf die Lippen. "Ich liebe dich." Sie biss sich auf die Lippe. "Alles wird gut", wiederholte er noch einmal. Vielleicht stimmte es ja wirklich.
"Ich liebe dich auch", erwiderte sie mit zitternder Stimme.
Ihr Bett wurde durch eine Tür geschoben und jemand stellte sich Hugo in den Weg. Er war gezwungen, Claras Hand loszulassen und dann sah er nur noch ihren Hinterkopf, bevor die Tür zufiel.
"Mr Weasley, es tut mir Leid, aber Sie können nicht mitkommen", sagte ihm die Hebamme, die er schon aus seinem Traum kannte. "Wir wissen nicht, was los ist, aber dem Baby geht es nicht gut. Dieses Schrillen, das sie gehört haben, ist eine magische Warnung. Wir müssen sofort etwas unternehmen. Was aber nicht heißt, dass Ihrem Kind oder Ihrer Frau irgendetwas passieren muss."
Hugo schluckte. Das musste es nicht heißen. Aber das konnte es heißen. Clara und das Baby waren in Gefahr. In großer Gefahr, wie es aussah.
"Wir machen jetzt einen Kaiserschnitt. Normalerweise dürfen die Väter dabei sein, abes es muss jetzt alles sehr schnell gehen und Sie würden uns nur im Weg stehen, so leid es mir tut. Deshalb ist es am besten, wenn Sie einfach hier warten." Sie deutete auf ein paar Stühle, die hinter Hugo standen.
Er nickte, unfähig, etwas zu sagen und beobachtete, wie die Frau hinter der Tür verschwand.
Panik und Angst lähmten ihn.
Es war alles genau wie in seinem Traum. Er würde Clara nie wieder sehen. Er würde Angela nie kennen lernen. Er hatte sie verloren.
TBC ...
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A/N: So, ein kleines bisschen Dramatik kurz vor Schluss. Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen.
@Kathi89: Danke für deinen Kommentar. Vielleicht hab ich Collette ein bisschen übertrieben dargestellt, aber es war ja auch aus der Sicht von Clara und die hat keine allzu gute Meinung von Hugos Exfreundin. Sie hat aber auch ihre guten Seiten. Irgendwo.
@klothhilde: Vielleicht hab ich Collette ein bisschen übertrieben dargestellt, aber es war ja auch aus der Sicht von Clara und die hat keine allzu gute Meinung von Hugos Exfreundin. Sie hat auch ihre guten Seiten. Irgendwo. Danke für deinen Kommentar.
@Krummbein: Vielleicht hab ich Collette ein bisschen übertrieben dargestellt, aber es war ja auch aus der Sicht von Clara und die hat keine allzu gute Meinung von Hugos Exfreundin. Sie hat aber auch ihre guten Seiten. Irgendwo. Rose und Clara haben sich ziemlich schnell angefreundet und auch wenn ich es nicht näher beschrieben hab, mögen sich Clara und Lily auch sehr gerne. Das Haus wird nochmal Erwähnung finden. Und ich hab noch einige Ideen für den ganzen Haufen. Ich wünschte nur, ich hätte auch mehr Zeit, sie alle aufzuschreiben. Vielen Dank für deinen Kommentar.
@Jeanice: Ich freu mich, dass dir meine FFs rund um die nächste Generation so gut gefallen. Ich bin immer noch begeistert von den ganzen Möglichkeiten, die sich mir eröffnen, je nachdem, in welcher Zeit und bei welchen Menschen ich gerade bin. Ich hab noch viele Ideen und angefangene Geschichten, mir fehlt leider nur die Zeit, sie auch alle aufzuschreiben. Aber ich plane wieder einen Adventskalender dieses Jahr der sich auch wieder um die nächste Generation drehen wird und ich glaube, da wird jeder Fan meiner nächsten Generation absolut auf seine Kosten kommen.
@Leni-04: Danke für deinen Kommentar. Vielleicht hab ich Collette ein bisschen übertrieben dargestellt, aber es war ja auch aus der Sicht von Clara und die hat keine allzu gute Meinung von Hugos Exfreundin. Sie hat aber auch ihre guten Seiten. Irgendwo.
@Dolohow: Auch dir vielen Dank für deinen Kommentar. Ich freu mich, dass das Kapitel dir gefallen hat.
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