von SaphiraMalfoy
Scharf einatmend schließt Cecilia die blutüberströmten Finger um den bleichen Lindenholzstab und springt auf. Beißender Wind und Regen peitschen ihr durch das zerbrochene Fenster ins Gesicht und nun, da die Eindringlinge auch sie wieder im Visier haben, ist es ihr kaum möglich, mehr als einen Schildzauber nach dem anderen heraufzubeschwören, derart schnell schießen ihr die Flüche aus dem Stimmgewirr von allen Seiten entgegen.
Den Rücken dicht an die Wand hinter ihr gepresst bewegt sie sich vorsichtig auf Bella zu, die ihr einen lodernden Blick zuwirft, in eben jenem Moment, da einer der Auroren einen folgenschweren Entschluss fasst.
Bereits bei der Planung dieses Einsatzes wusste Clifford Gatrell (das stellvertretende Oberhaupt des Magischen Strafverfolgungskommandos), dass Bellatrix Lestrange nicht bloß eine Herausforderung der besonderen Art darstellen und sich mitnichten widerstandlos festnehmen lassen würde.
Nein, sie ist viel mehr als das. Gefährlich. Gefährlicher und kaltblütiger als jedes lebende Ungeheuer. Und sie ist ein Symbol. Ein Symbol der Angst für all die armen Seelen, denen sie nach dem Leben trachtet. Ein Symbol der Macht und Unbesiegbarkeit für die Anhänger des Unnennbaren. Ihr Tod wäre ein wahrer Triumphschlag, würde all die Monate der ergebnislosen Jagd wettmachen und die Hoffnung auf einen Sieg des Guten über das Böse wieder aufleben lassen.
Manche Flüche sind unverzeihlich, sollten gerade durch einen Hüter von Recht und Ordnung niemals angewandt werden; doch was bedeutet dieser einmalige Regelverstoß schon, verglichen mit hunderten von Toten, unzähligen gequälten Seelen, die durch die Hand dieses Monsters brutal aus dem Leben gerissen oder in den Wahnsinn getrieben wurden?
Cliffords gute Freundin Amelia Bones; die im Ministerium noch immer als Helden verehrten Longbottoms; seine über alles geliebte Schwester, deren einziger „Fehltritt“ es war, einen Muggel zu ehelichen …
Und all die Unschuldigen, denen dieses grauenhafte Schicksal noch widerfahren soll, so man das Biest nicht endlich bezwingt, auslöscht, vernichtet.
Wer wagt zu zögern, wenn er die Chance hat, das Richtige zu tun?
Die Wahl fällt leicht.
Sie - oder weitere hunderte Tote.
Dass seine Intentionen maßgeblich von Rachegedanken getränkt sind, erfasst Cliffords erhitztes Gemüt nicht.
Mit einer harschen Bewegung seiner Zauberstabhand tritt er aus der Deckung eines Bücherregals hervor, doch sein Stolperfluch verfehlt die Todesserin um wenige Millimeter, als sie einen Satz zur Seite macht und irrsinnig lachend einen ihm unbekannten Zauber auf seine junge Kollegin Claudia jagt. Ihr spitzer Schmerzensschrei geht dem Beamten durch Mark und Bein, lässt seine Nackenhaare zu Berge stehen. Cliffords rasender Pulsschlag bringt das Blut in seinen Adern zum Kochen. Wogen der Wut durchzucken seinen bebenden Leib, indes Claudia unter Lestranges schauerlichem Gegacker wimmernd zu Boden sinkt.
Nur aus dem Augenwinkel nimmt Clifford wahr, wie sich eine blondhaarige Frau, die er nicht identifizieren kann, Bellatrix Lestrange nähert, doch widmet er dieser keinerlei Aufmerksamkeit. Starr ist sein Blick auf den Hinterkopf der verhassten Todesserin gerichtet, während sein Handgelenk wie automatisiert die komplizierte Bewegung vollführt (welche er bloß in der Theorie studiert hat) und die verhängnisvollen Worte (die niemals auszusprechen er sich einst geschworen hatte) seine Lippen verlassen. Lauter und entschiedener, als er geahnt hätte. Nicht die Spur eines Zweifels schwingt in seiner zornerfüllten Stimme mit; er meint es so.
„Avada Kedavra!“
Unter dem jäh aufflammenden grünen Lichtblitz wirbeln die Augen aller herum, fassungslos auf den Verursacher des todbringenden Fluches gerichtet, der die gefürchtete Todesserin nur um Zentimeter verfehlt und eine Hand breit an ihren wilden Locken vorbei rauscht.
Es ist vorbei, bevor Cecilia den Todesfluch auf sich zukommen sieht, sie auch nur einen Finger rühren kann. Der Tod übermannt sie plötzlich, so unvermittelt, dass ihr Arm noch einige Dezimeter in einer abwehrenden Schlingbewegung ihres Zauberstabes in der Luft verharrt, ehe ihr Atem in einem einzigen Stoß aus ihrem Körper gepresst wird.
Unendliche Schwärze umfängt sie, reißt sie hinab in bodenlose Tiefe.
Alles ist so … kalt.
„Cilia!“
Ein Schrei, der Bellatrix` Mund verlässt und sich doch so fremd in ihren Ohren anhört, als stammte er nicht aus ihrer eigenen Kehle, meilenweit entfernt, unwirklich und irrwitzig. Der in eine helle Robe gehüllte schlanke Körper vor ihr erstarrt, während das flackernde Licht in den vertrauten dunkelblauen Augen erlischt. Wie in Zeitlupe nimmt Bella wahr, wie das Leben aus ihnen weicht, Cecilias Körper noch im Sterben fließend, beinahe elegant zusammensackt und auf dem Boden aufschlägt.
Kalt, leblos, tot starren die schwarzen Pupillen inmitten der saphirblauen Iriden ins Nichts.
Ein physischer Vorgang, den Bellatrix unzählige Male beobachtet, ein Anblick, an dem sie sich allzu häufig geweidet hat. Doch dieses Mal verschafft ihr der Tod keine Glücksgefühle, und zum ersten Mal in ihrem Leben durchzuckt sie eine Empfindung, die ihr fremder nicht sein könnte, nur in diesem Moment fühlt sie …
Schreiend wirbelt Bellatrix herum und verliert keine Zeit mehr mit Spielchen. Sekunden später spritzt Blut aus abgetrennten Gliedmaßen, erstickende Schmerzenslaute wandeln sich in verzweifeltes Röcheln der sich im Todeskampf windenden Leiber. Jämmerliche Gnadenersuche, deren Klang Bellatrix aus diesen unwürdigen Mündern nicht erträgt, zum Schweigen bringt. Von loderndem Zorn gepackt wie nur ein einziges Mal zuvor in ihrem Leben verursacht die Todesserin ein regelrechtes Blutbad, empfindet keine sadistische Freude, sondern bloße Genugtuung, indes sie Gerechtigkeit walten lässt, das unerwünscht betäubende Gefühl in ihrem Innern zusammen mit dem Abschaum hinzurichten versucht.
Als die Agonie des letzten Eindringlings ein Ende findet, sackt Bellatrix in ungekannter Erschöpfung zwischen den zerstückelten Leichen zu Boden, den starren Blick unbewegt auf Cecilias leblosen Körper gehaftet, und wartet. Wartet auf eine Absolution, auf das Erwachen, auf die Realität, welche sie längst eingeholt hat.
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