Slytherin Hearts - Die fröhliche Apokalypse
von SaphiraMalfoy
Musical-Anspielungen
TdV (Sanguini ist Graf von Krolock inspiriert und Saphiras Outfit entspricht dem von Sarah in den „Die roten Stiefel“/“Totale Finsternis“-Szenen), Rebecca (Sorry, Mrs. van Hopper, Blaise wird niemals eine Lady), Elisabeth (der Titel), Rocky (die Sache mit dem Blumentopf ...)
Und ich hätte doch einen anderen Vornamen wählen sollen. Ich habe mich dauernd verschrieben. „Drew Sarich - FUCK - Selwyn!“
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Seite an Seite schritten Saphira und Blaise durch die festlich geschmückten Korridore des Schlosses und erreichten schließlich Slughorns Büro, in welchem er am heutigen Abend seine Weihnachtsfeier ausrichtete. Wie schon in seiner letzten Amtsperiode hatten sich seine handverlesenen Lieblinge seit Wochen auf dieses Ereignis gefreut. Selbst unter seinen zahlreichen hochrangigen Bekannten waren die Einladungen begehrter als Karten für das nächste Konzert der Schicksalsschwestern oder ein Spiel der Montrose Magpies.
Schon von draußen war ausgelassenes Geplauder und lautes Gelächter zu vernehmen, das die Musik im Raum übertönte.
„Also dann, auf ins Vergnügen“, meinte Blaise grinsend und öffnete die Türe.
Auch im Inneren des Büros bewies Slughorn Geschmack und wurde seinem Ruf mehr als gerecht. Die prunkvollen Dekorationen waren sorgfältig ausgewählt und wirkten keineswegs kitschig oder gar überladen. Die lange Tafel, an welcher die Mitglieder des Slugclubs normalerweise speisten, war einigen Stehtischen gewichen, sodass genug Platz blieb, um den Gästen größtmögliche Bewegungsfreiheit zu gewähren. Ob Slughorn mit magischen Kniffen nachgeholfen hatte, oder die raffinierte Aufteilung nur den Anschein erweckte, vermochten weder Blaise noch Saphira zu sagen, aber das Büro kam ihnen eindeutig geräumiger vor, als es ohnehin schon der Fall war.
Zweifelsohne hatte Slughorn ein Händchen dafür, die richtigen Gäste zu laden, um für gute Stimmung und reichlich Konversationsstoff zu sorgen. Mit der Präzision eines Meisters hatte er alles, was Rang und Namen besaß, hierher beordert. Bekannte Geschäftsmänner, unter denen Saphira ehemalige Geschäftspartner Lucius` identifizierte, ranghohe Ministeriumsbeamte, Sänger, Autoren und andere Künstler, berühmte Quidditch-Spieler und einflussreiche Gutsbesitzer. Dazwischen fanden sich Persönlichkeiten wie Laetizia O'Hara, bekannte Mätresse und Erbin des sagenhaften d'Argencourt-Vermögens; Mrs. van Hopper, eine Dame mit niederländischen Wurzeln, die es nach Frankreich verschlagen hatte, wo sie ein verschwenderisches Leben an der Seite des französischen Zaubereiministers führte; und zu Saphiras Missfallen fehlte auch Lady Guildford nicht, die Vorstandsvorsitzende des magischen Krankenhauses, welche mit ihrem schrillen, aufgesetzten Lachen so deutlich aus dem Stimmgewirr hervorstach, dass es einem Kopfschmerzen bereiten konnte. Slughorns wahres Talent bestand jedoch darin, dieses bunte Gemisch ideal miteinander harmonieren zu lassen. Wo das Eis nicht dank der zeitlosen Musik und den betörenden Cocktails schmelzen wollte, half er persönlich nach. Wie eine Spinne navigierte er zwischen den Inseln der kulturellen Elite, vernetzte, wo Fäden fehlten, und trennte, was sich als zu fade entpuppte.
„Oh, wow. Na, das hat sich doch gelohnt, herzukommen“, kommentierte Blaise das Ambiente und griff sich ein Schnittchen von einer der silbernen Servierplatten, die etwa auf Hüfthöhe durch den Raum zu schweben schienen. Erst auf den zweiten Blick erkannte man, dass es Hauselfen waren, welche die Tabletts geschickt über ihren Köpfen balancierten. Gemeinsam stellten sie sich an einen der Tische und sondierten das Geschehen. Saphira, die erleichtert festgestellt hatte, dass Rauchen hier gestattet war (zumindest dem penetrant beißenden Pfeifengeruch nach zu urteilen, der über einer Gruppe älterer Zauberer schwebte, und den Aschenbechern, die sicherlich nicht nur zur Zierde auf den Tischen verteilt waren), steckte sich eine Zigarette an und hielt Blaise höflich die Schachtel entgegen, obgleich sie sich seine Antwort bereits denken konnte. Auch Draco war davon wenig begeistert gewesen, zumal diese schlechte Angewohnheit eine Erfindung der Muggel war, die sich unter Zauberern zunehmend etablierte.
Mit derartigen Kleinigkeiten fängt es an und irgendwann sind wir keinen Deut besser als dieses Gesindel, waren seine Worte gewesen. Schnaubend blies Saphira den Rauch aus und verdrehte die Augen. Wie leid sie dieses Reinblutgequatsche inzwischen war ...
„Nein, danke“, sagte Blaise, wie nicht anders zu erwarten.
„Oh, das ist doch der junge Mr. Zabini!“, erklang eine verzückte Stimme und Blaise drehte sich mit einem gequälten Blick um.
„Guten Abend, Mrs. van Hopper“, sagte er kühl und zwang sich zu einem jämmerlichen Grinsen.
„Mein lieber Junge, wir müssen gleich unbedingt ein Pläuschchen halten! Ich komme später zu Ihnen“, frohlockte sie und wandte sich wieder ihrer Gesprächspartnerin zu.
„Ich freue mich drauf“, flüsterte Blaise düster und verzog den Mund.
„Eine Bekannte der Familie?“, fragte Saphira und hob eine Augenbraue an.
„So etwas wie eine Freundin meiner Mutter“, erwiderte er mürrisch und seufzte. „Wenn man es denn so nennen mag. Ich glaube, im Grunde genommen können sie sich kaum ausstehen, aber man verschafft sich gegenseitig ein paar Vorteile, das schweißt offenbar zusammen.“
„Ich verstehe“, meinte die Blonde und ließ es auf sich beruhen, da ihr bester Freund nicht sonderlich erpicht darauf zu sein schien, dieses Thema weiter zu vertiefen.
„Holst du uns etwas zu trinken?“, warf sie ein und beschloss, den Abend einfach zu genießen, anstatt sich von düsteren Gedanken quälen zu lassen.
„Natürlich“, antwortete er. „Hast du einen besonderen Wunsch?“
„Etwas Starkes“, meinte sie knapp und nahm einen weiteren tiefen Zug, ehe sie die Kippe ausdrückte und sich sogleich mit fahrigen Fingern eine weitere ansteckte. Dieser Abend stresste sie mehr, als sie erwartet hätte. Zwar war die allgemeine Stimmung ausgelassen und vergnüglich, doch erinnerte sie all dies in hohem Maße an die Gesellschaften, die regelmäßig auf dem Landsitz der Malfoys ausgerichtet wurden, und der Gedanke an dieses Haus und diese Familie tat verflucht weh.
„Verträgst du das denn?“, grinste er neckisch, woraufhin er sich einen bösen Blick einfing. „Ich gehe schon, aber zieh nicht so ein Gesicht, davon bekommt man Falten.“
„Es sprach der Schönheitsexperte“, entgegnete sie trocken und mühte sich darum, ihre Gereiztheit nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.
Kurze Zeit später kehrte Blaise mit zwei Gläsern Elfenwein zurück - etwas Stärkeres wurde minderjährigen Schülern nicht ausgeschenkt - und reichte eines davon seiner besten Freundin, die noch immer ziemlich griesgrämig dreinblickte.
„Nun sag schon, was ist los?“, wollte er wissen und musterte sie eindringlich.
„Ach, nichts. Ich bin lediglich etwas erschrocken“, murmelte sie und nippte an ihrem Getränk.
„Von Hestia und Flora Carrow im bescheuerten Partnerlook-Rüschenkleid?“, witzelte er und nickte mit dem Kopf in Richtung der zwei Jahre jüngeren Mädchen, die wie üblich etwas abseits der Masse standen und miteinander tuschelten.
„Bitte? Nein, nein“, meinte Saphira gedankenversunken. „Nur davon, dass schon wieder ein Halbjahr vorüber ist. Dabei kommt es mir vor, als wären wir eben erst aus dem Hogwartsexpress gestiegen. Ich kann noch nicht so recht fassen, dass wir heute den letzten Schultag hinter uns gebracht haben und bereits morgen Nachmittag auf dem Heimweg sein werden.“ Es graute ihr mehr denn je davor, nach Plymouth zurückzukehren, ganze zwei Wochen mit ihrer Mutter und den beiden Crouchs zu verbringen; vor allem jedoch ängstigte sie die Vorstellung, mit ihrem potentiellen Ehemann bekannt gemacht zu werden. Im Sommer war der Gedanke an Draco ihr so tröstlich erschienen, die Aussicht darauf, nach Hogwarts zu fahren, wie ein Licht am Horizont gewesen, auf das sie ihren Fokus richten konnte, um nicht vollends den Verstand zu verlieren. Doch was sollte sie nun bei Laune halten, ihr Kraft und Lebensmut spenden? Ihr fiel beim besten Willen nichts ein. Plötzlich wurde die bittere Vorahnung ernstzunehmende Realität, manifestierte sich in ihrem Gehirn und wuchs zu einer imaginären Schreckensgestalt heran, die hinter ihrem Rücken lauerte, bereit zum Angriff.
„Fährst du auch nach Hause?“, erkundigte sie sich rasch, um sich abzulenken und das Thema zu wechseln.
„Nein, ich bleibe hier“, erwiderte Blaise mit harter Miene und augenblicklich begriff Saphira, wie unsensibel ihre Frage gewesen war.
„Ich verstehe, tut mir leid“, sagte sie hastig und fügte hinzu: „Du weißt, ich würde dich gerne zu mir einladen, um die Ferien für uns beide angenehmer zu gestalten, aber ich bezweifle, dass meine Mutter damit einverstanden wäre.“
„Schon gut. Ich komme klar“, meinte der Dunkelhäutige leichthin und beschrieb eine wegwerfende Geste mit der Hand. „Es wäre nicht das erste Weihnachten, das ich in Hogwarts verbringe, und es wird bestimmt nicht das letzte sein.“
„Harry, mein Junge!“, schallte es durch den Raum, was Saphira und Blaise dazu veranlasste, sich neugierig umzuwenden. Tatsächlich hatte Potter gerade in Begleitung von Luna Lovegood den Raum betreten und war sogleich von Slughorn in Beschlag genommen worden. Vergeblich versuchte Saphira, den Blick Lunas aufzufangen, um zu ergründen, ob diese ihr noch zürnte, weil die junge Black sie am Ende des vergangenen Schuljahres so harsch angefahren hatte, aber Luna war zu beschäftigt damit, eine Schar Lichterfeen zu beobachten, die über einem Tannenbaum schwebten, und bemerkte Saphira nicht.
Schließlich blieben Slughorn und Potter ganz in der Nähe der beiden Slytherins stehen und begannen eine Unterhaltung mit zwei Männern. Einen von ihnen erkannte Blaise als den Autor Eldred Worple; der andere war ihm fremd. Letzterer wirkte sichtlich gelangweilt und sah sich mit hungrigem Blick im Raum um, bis seine Augen an Saphira hängen blieben, der er sich langsam von hinten näherte.
„Ehm“, machte Blaise und nickte mit dem Kopf in Richtung des Unbekannten, woraufhin Saphira sich umwandte, die Augen aufriss und unwillkürlich einen großzügigen Schritt zurück wich.
„Guten Abend, hab vor mir keine Angst“, raunte der großgewachsene, hagere Mann, dessen langes, pechschwarzes Haar merkwürdig von dem ausgestellten Kragen seiner viktorianisch anmutenden Robe abstand. Seine fahle, wächserne Haut spannte sich straff über die eingesunkenen Wangen; die fast schwarzen Augen lagen tief in den Höhlen und wurden von dunklen Schatten untermalt. Angesichts dieser leichenähnlichen Erscheinung hätte man beinahe meinen können, er wäre mit Saphira verwandt.
„Ihnen auch einen guten Abend“, stammelte die junge Black verwirrt und musterte die ungewöhnliche Erscheinung skeptisch. „Sollte ich Sie kennen?“
„Sie erinnern mich an jemanden“, flüsterte er heiser und legte die Kuppen seiner langen, bleichen Finger gedankenversunken aneinander, während sein intensiv starrender Blick an ihrem weißen Kleid herab zu den roten Samtschuhen wanderte.
„Mh“, machte die Blonde stirnrunzelnd und wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.
„Sie ist tot“, schloss er leise seufzend. Von seinem Atem ging ein widerwärtig metallischer Geruch aus und plötzlich kicherte er auf wahnsinnige Weise, was der sprachlosen Saphira einen Schauer über den Rücken jagte.
„Sanguini, bleiben Sie hier!“, ertönte es von der Seite und der Autor, in dessen Begleitung der gruselige Kerl zuvor gewesen war, zog ihn am Ärmel zurück, als dieser noch ein wenig näher an Saphira heranrückte, die von seinem gänsehauterregenden Auftreten wie gebannt war.
„Hier, essen Sie eine Pastete“, befahl Worple ihm und warf den Slytherins einen entschuldigenden Blick zu, ehe er sich erneut Potter widmete.
„Wenn Sie bereit wären, mir ein paar Interviews zu geben, sagen wir in jeweils vier- bis fünfstündigen Sitzungen, nun, dann könnten wir das Buch in wenigen Monaten fertig haben und Sie wären doch sicher einverstanden, die Gespräche am Nachmittag durchzuführen. Mit Sanguini musste ich mir die Nächte um die Ohren schlagen, doch das wird bei Ihnen wohl kaum von Nöten sein, nicht wahr?“, lachte Worple dem sich sichtlich unwohlfühlenden Auserwählten zu.
„Ich bin ein Nachtvogel. Tagsüber nicht zu gebrauchen“, warf Sanguini ein und bleckte die unnatürlich spitzen, leicht gelblichen Zähne.
„Nein, danke“, murrte Potter und suchte offenbar nach einer Ausrede, um dem aufdringlichen Autor zu entkommen.
„Mein lieber Junge, das Gold, das Sie verdienen könnten, Sie haben ja keine Ahnung -“
„Ich habe absolut kein Interesse“, wehrte die Brillenschlange ab und wandte sich an Saphira, womit diese nicht gerechnet hätte.
„Black, auf ein Wort“, sagte er eindringlich und zog die verblüfft dreinblickende Blonde mit sich in eine Ecke des Raumes.
Sanguinis Augen klebten noch immer förmlich an der zierlichen Gestalt im weißen Kleid und er seufzte etwas, das wie „Sarah“ klang, doch niemand schenkte ihm weitere Beachtung.
„Was zum ...“, murmelte Blaise und sah Saphira ungläubig nach, die mit Potter von dannen zog, doch ehe er in irgendeiner Weise reagieren konnte, hatte sich Loony Lovegood neben ihn gestellt, deren Paillettenkleid auffällig laut raschelte.
„Ich wette, er macht gemeinsame Sache mit Scrimgeour. Immerhin ist er auch ein Vampir“, säuselte die Aschblonde gedankenverloren und musterte Sanguini mit schief gelegtem Kopf.
„Bitte was?“, entfuhr es Blaise, der noch immer nicht fassen konnte, dass seine beste Freundin soeben mit Potter abgezogen war, und wandte sich Lovegood zu, deren fast silberne Glubschaugen nun auf ihn gerichtet waren.
„Der Zaubereiminister plant zusammen mit den Lichterfeen eine neue Rasse von Vampiren zu erschaffen, denen das Tageslicht nichts ausmacht.“
„Ach“, erwiderte Blaise abfällig und schüttelte herablassend den Kopf. Offensichtlich stimmten die Gerüchte: Loony Lovegood hatte definitiv nicht mehr alle Eulen auf der Stange. „Lass mich raten, wenn Sonnenlicht auf sie fällt, glitzern sie wie eine Christbaumkugel?!“, schnaubte er verächtlich, doch Lovegood, der sein sarkastischer Unterton anscheinend entging, nickte nur geistesabwesend.
„Womöglich ...“
Ein paar Meter weiter blieb Harry stehen und sprach leise zu Black, damit sie niemand belauschen konnte.
„Hör mal“, begann er. „Es zu leugnen ist zwecklos. Selbst wenn du bei unserer letzten Unterhaltung die Wahrheit gesagt hast und wirklich nichts von Malfoys Plänen wusstest, spätestens jetzt hat sich das Blatt gewendet, nicht wahr?“
„Wovon redest du?“ Verwirrt sah Saphira ihn an und riss ihren Arm los, welchen der ungehobelte Gryffindor noch immer fest umklammert hielt. Es wäre wohl zu viel von ihm verlangt gewesen, sie höflich um ein Gespräch zu bitten.
„Er trägt das Dunkle Mal, stimmt doch!“, zischte Harry mit gesenkter Stimme und ließ Black dabei nicht aus den Augen, nur für den Fall, dass ihre Mimik sie verriet. Doch entweder war sie eine grandiose Schauspielerin oder tatsächlich unwissend, denn ihr skeptisches Stirnrunzeln und der überraschte Ausdruck bestätigten seine Vermutung nicht. Eigentlich hatte er es vermeiden wollen, doch offenbar kam er um konkretere Anspielungen nicht herum.
„Du kannst mir nicht erzählen, dass Malfoy es dir letzte Nacht nicht gesagt hat! Selbst wenn ihr nicht viel miteinander gesprochen habt ...“ Bei der Vorstellung dessen, was sie ansonsten getan haben könnten, verzog Harry angewidert den Mund. „Selbst dann kann dir nicht entgangen sein, dass er einer von ihnen ist!“
„Letzte Nacht ...? Bitte was, ich ...“, stammelte die Blonde und fühlte sich mit einem Mal äußerst unbehaglich. Bislang hatte sie geglaubt, außer ihr und Draco wüsste niemand von dieser seltsamen Begebenheit, womit sie wohl falsch gelegen hatte. Folglich musste sie jemand beobachtet haben, der dies auch noch munter ausgeplaudert hatte, sodass diese Neuigkeit inzwischen sogar bis in andere Häuser vorgedrungen war. Blaise hatte verflucht nochmal recht: der Flurfunk wusste wirklich alles.
Wer bei Salazar hatte noch davon Wind bekommen? Und noch viel wichtiger erschien ihr die Frage: Wer hatte sie beobachtet?
„Wie kommst du darauf?“, stieß sie empört aus und verschränkte zornig die Arme vor der Brust.
„Das tut nichts zur Sache. Ich habe meine Quellen“, erwiderte Harry schnell, ehe er siegessicher fortfuhr. Ihre ertappte Miene sprach Bände und er hoffte, diese kleine Offenbarung seines Wissens hatte sie so sehr um ihre Contenance gebracht, dass sie sich verplappern würde.
„Ach, hast du die?“, zischte die Blonde argwöhnisch und verlangte eine Erklärung von ihm, die Harry ihr jedoch nicht bereit war zu liefern. Von der Karte des Rumtreibers, auf welcher er ihre nächtliche Zusammenkunft mit Malfoy beobachtet hatte, würde er ihr auf keinen Fall erzählen und so überging er ihren fragenden Blick.
„Luna sagt, du bist kein schlechter Mensch, und selbst Tonks bezweifelt, dass du auf deren Seite stehst. Stell dich nicht dumm und rück endlich mit der Sprache raus! Egal was sie sagen, dir wird nichts passieren. Der Orden kann dich schützen, und auch deine Mutter, wenn sie in Gefahr ist“, drängte Harry ungeduldig, aber die junge Black wich nur kopfschüttelnd vor ihm zurück.
„Ich weiß nicht, was in deinem Spatzenhirn schief läuft, Potter, aber ich kann nur wiederholen, was ich dir bei unserer letzten Unterredung bereits gesagt habe: Draco und ich haben so gut wie keinen Kontakt mehr zueinander und wer auch immer anderes behauptet, lügt. Es gibt nichts, was ich dir berichten könnte, und nun lass mich einfach zufrieden. Ich habe nicht die Absicht, diesen Abend mit Gesprächen über meinen Exfreund zu vergeuden“, entgegnete sie bestimmt und wandte sich von ihm ab.
„Aber ...“ Es hatte keinen Sinn, stellte Harry verbittert fest. Die Zicke hielt dicht und würde vermutlich jeden Meineid darauf schwören, dass Malfoy keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Wenn es hier jemanden gab, in dessen Gehirn etwas nicht richtig funktionierte, dann war es definitiv Black, doch wahrscheinlich war ihr nicht mehr zu helfen.
Für den Bruchteil einer Sekunde erinnerte Saphira sich an Dracos düstere Worte, seine grauenerfüllte Stimme und die nackte Panik in seinen verzerrten Zügen, doch ehe sie all dies mit Potters Vermutungen in Verbindung bringen konnte, überfiel sie ein vertrauter, penetranter Parfümgeruch und die sichtlich angeheiterte Lady Guildford nahm sich ihrer an.
Unterdessen befand Ariadne sich in ähnlich illustrer Gesellschaft. Drew Selwyn - ein ehemaliger Arbeitskollege ihres Großvaters, der inzwischen dessen alten Posten als Leiter der Abteilung für Magische Strafverfolgung innehielt - bekundete mit unverhohlen geheucheltem Mitleid sein Bedauern um den tragischen Tod Bartemius Crouch seniors. Da auch Ariadne offenkundig wenig Interesse an einer tiefergehenden Unterhaltung darüber hatte, lenkte Selwyn das Thema rasch auf den glücklichen Zufall, dass Miss Steel so nett gewesen war, das arme Waisenkind bei sich aufzunehmen. In Wahrheit tangierte ihn das Befinden der kleinen Crouch herzlich wenig, jedoch hoffte er, durch sie an Informationen zu gelangen, nach denen es ihn gelüstete und die ihn dazu bewogen hatten, am heutigen Abend hier zu erscheinen. Eigentlich hatte er weitaus Wichtigeres zu tun, doch diesen kleinen Spass konnte er sich nicht entgehen lassen.
„Es hat mich sehr gefreut, zu hören, dass du nicht länger hin und her gereicht wurdest, sondern Anschluss in einer richtigen Familie gefunden hast“, führte er mit einem schmierigen Lächeln auf den Lippen aus und versuchte, das Vertrauen der Jüngeren zu gewinnen, die ihm jedoch nur mit halbem Ohr zuhörte.
„Ja, wundervoll“, sagte Ariadne gelangweilt, die es irgendwie geschafft hatte, sich einen Feuerwhiskey zu besorgen.
„Gefällt es dir bei Miss Steel?“, fragte er nun scheinbar mit echter Neugier, was Aria aufhorchen und irritiert die Stirn runzeln ließ. Bislang hatte sie diese Konversation für aufgezwungen höfliches Geplauder gehalten, doch nun schwante ihr, dass Selwyn damit sehr wohl ein bestimmtes Ziel verfolgte. Was genau dies sein sollte, war ihr schleierhaft und ihre Motivation, dies in Erfahrung zu bringen, hielt sich gelinde gesagt in Grenzen.
„Passt schon“, meinte sie kurz angebunden, während sie eine Putenbrustpastete probierte und überlegte, wie sie die lästige Gesellschaft loswerden konnte.
„Und deine Stiefschwester, kommt ihr zurecht?“, hakte Selwyn nach.
„Blendend“, stöhnte die junge Crouch genervt und hielt Ausschau nach Theodore, der vor geraumer Zeit auf die Toilette verschwunden war.
„Wie ist sie so?“, erkundigte sich der Ministeriumsbeamte weiter.
„Die Putenbrust?“, fragte Ariadne geistesabwesend. „Ein wenig mager.“
„Saphira Black meine ich!“, warf Selwyn gereizt ein und verzog wütend das Gesicht. Die kleine Crouch war ihm noch nie besonders sympathisch gewesen und ihre einsilbigen Erwiderungen gingen ihm allmählich gehörig auf den Zeiger.
„Antwort bleibt dieselbe“, antwortete diese schlicht und fügte murmelnd hinzu: „Mit ihrem Körper gewinnt sie keinen Blumentopf, aber aus ihrem Kopf sprießt auch nicht viel Sinnvolles heraus.“
Als sie die Blonde einige Meter weiter entdeckte, deutete Ariadne auf ihre Stiefschwester und sagte:
„Dort ist sie, mach dir dein eigenes Bild oder belästige jemand anderes.“
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Im Gemeinschaftsraum der Slytherins richteten die nicht geladenen Schüler währenddessen ihre eigene Feier aus. Feuerwhiskey floss in Strömen und alberne Trinkspiele erheiterten die Stimmung.
Zu Dracos Verärgerung hatten sich auch Crabbe und Goyle der feuchtfröhlichen Party angeschlossen und waren bereits mehr als nur angeheitert, als dieser beschloss, den letzten Abend vor den Ferien dafür zu nutzen, einige Stunden im Raum der Wünsche zu arbeiten. Wenn er gewollt hätte, wäre es ihm gelungen, die beiden Idioten Wache stehen zu lassen, doch das Risiko, sie könnten unter Alkoholeinfluss etwas Dummes anstellen und ihre Tarnung auffliegen lassen, war ihm zu groß. Deshalb begab der junge Malfoy sich alleine in den siebten Stock und hoffte, dank den vielen Schülern und anderen Gästen, die auf Slughorns dämlicher Weihnachtsfeier geladen waren, im Schloss nicht weiter aufzufallen. Zur Not würde er behaupten, ebenfalls dorthin zu wollen. An einem Abend wie diesem überprüfte das sicher kein Lehrer; es sei denn, er liefe Snape über den Weg, doch dieser konnte ihn seinetwegen dort küssen, wo die Sonne niemals schien. Den Respekt vor seinem ehemaligen Lieblingslehrer hatte Draco inzwischen beinahe zur Gänze verloren.
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Da Blaise sich auf mysteriöse Weise in Luft aufgelöst zu haben schien, sah Saphira sich gezwungen, aus Höflichkeit zumindest kurz mit der Vorstandsvorsitzenden des St. Mungos zu plaudern.
„Miss Black, wie schön, Sie hier anzutreffen. Wurden Sie persönlich geladen, oder sind Sie in Begleitung hier?“, fragte die ältere Dame, deren blutunterlaufene Augen mitsamt den geplatzten Äderchen rund um ihre Nase davon zeugten, dass sie eine Gewohnheitstrinkerin war.
„Guten Abend, Lady Guildford“, begrüßte Saphira sie mit ihrem Gesellschaftslächeln, das früher zu ihrem Standartgesichtsausdruck gehört hatte, inzwischen hingegen von ihr verabscheut wurde. „Über so viele bekannte Gesichter freut man sich doch immer“, ergänzte sie kokett und unterdrückte den Impuls, mit den Augen zu rollen. „Ich wurde persönlich von Professor Slughorn eingeladen.“
„Ein kluges Mädchen, das sind Sie zweifellos“, schmeichelte die Ältere ihr und zupfte die üppige Pelzstola zurecht, welche sie um ihre massigen Schultern geschlungen hatte. „Wie geht es Ihnen?“
„Oh, ausgezeichnet. Danke der Nachfrage“, antwortete die junge Black in gekonnt gesellschaftlicher Manier.
„Das sieht man Ihnen an“, bekundete Lady Guildford, den Mund zu einem breiten, schmierigen Grinsen verzogen. Das Gin-Glas in ihrer Hand befand sich in gefährlicher Schieflage, doch Saphira vermied es, sie darauf hinzuweisen.
„Ihr Aufenthalt auf dieser überflüssigen Station zu Beginn des Jahres war selbstverständlich einem Missverständnis und übereifrigen Wichtigtuern zu schulden. Ich habe mich bereits umfangreich bei Ihrer Mutter - ach, danken Sie ihr für die großzügige Spende, die sie dem Krankenhaus zukommen ließ - wegen dieser Unannehmlichkeiten entschuldigt. Etwas Derartiges wird kein zweites Mal vorkommen, so viel versichere ich Ihnen. Ohnehin ist mir diese Station ein Dorn im Auge. Zu gerne würde ich sie schließen, um mehr Kapazitäten für ernsthaft erkrankte Patienten zu schaffen, doch leider habe ich die Entscheidungsgewalt nicht alleine inne.“
„Das ist überaus freundlich von Ihnen. Ich werde es meiner Mutter ausrichten“, sagte Saphira, die insgeheim zugeben musste, wie sehr sich ihre Ansichten diesbezüglich in den vergangenen Monaten gewandelt hatten. Noch vor einem halben Jahr hätte sie Lady Guildfords Aussage beigepflichtet und das, was man als psychische Leiden betitelte, für lächerliche Alltags-Wehwehchen gehalten, denen man keine weitere Beachtung schenken brauchte. Damals waren diese Probleme ihrer Meinung nach blanker Unfug und nicht der Rede wert gewesen. Krank? Sie war doch nicht krank!
Mittlerweile betrachtete sie die Welt mit anderen Augen, empfand es als äußerst wichtig und bedeutungsvoll, dass Menschen wie Mr. Hunter und Augustus Betroffenen auf diese Weise halfen, sich mit derartigen Krankheitsbildern auskannten und diese mit professioneller Distanz behandelten. (Eine Distanz, die Augustus ihr gegenüber nicht gewahrt hatte ...)
Ihre Gedanken behielt die junge Hexe für sich, nickte nur höflich und bestätigte Lady Guildfords Aussagen, wann immer ihre Meinung gefragt war. Nach außen spielte sie noch immer die wohlerzogene Reinblüterin aus gutem Hause und das würde sich vermutlich niemals ändern.
Auf einmal beschlich Saphira das unangenehme Gefühl, mit einem stechenden Blick taxiert zu werden und als sie sich umwandte, erwartete sie schon fast, erneut mit Sanguini konfrontiert zu werden, doch dem war nicht so. Etwa zwei Meter entfernt entdeckte sie Ariadne neben einem ihr unbekannten Mann, dessen Augen tatsächlich neugierig auf Saphira ruhten. Sie schätzte ihn auf Ende zwanzig bis Anfang dreißig. Er war ziemlich groß und schlank, hatte kurzes, dunkles Haar, einen akkurat gestutzten Bart und der edle Anzug, welchen er trug, zeugte unmissverständlich von einer Maßanfertigung. Als er sich ihr zuwandte, erkannte Saphira das Emblem der Boutique, in welcher sie selbst häufig mit ihrer Mutter einkaufte. Nur wahrhaft gutbetuchte Familien konnten sich diesen Luxus leisten; außerdem nahm die Schneiderin nur Spezialaufträge reinblütiger Familien entgegen. Alle anderen mussten sich mit Ware von der Stange zufrieden geben, doch kaum ein Halb- oder gar Schlammblut verirrte sich dorthin, denn die Standestrennung in diesem Geschäft war ein offenes Geheimnis und wer gäbe sich freiwillig einer solchen Demütigung preis?
Wer Ariadne nicht kannte, wäre leicht auf den Gedanken gekommen, sie sähe ungeheuer genervt aus, doch da Saphira sehr wohl wusste, dass die Schwarzhaarige fast vierundzwanzig Stunden am Tag auf diese Weise dreinschaute, maß sie dem keinerlei Bedeutung zu, bis ihre Stiefschwester plötzlich mit dem Finger auf sie deutete und verlauten ließ:
„Dort ist sie, mach dir dein eigenes Bild oder belästige jemand anderes.“
An Saphira gewandt fügte sie schnell hinzu:
„Das ist Selwyn, er hat keinen Hunger auf Hühnchen, hofft allerdings, dass du ein wenig schmackhafter bist, was ich hingegen zu bezweifeln wage. Amüsiert euch.“
„Bitte was?“, entfuhr es Saphira, doch Ariadne war so schnell in der Menge verschwunden, als wäre sie auf der Stelle disappariert.
„Sie sind also die junge Miss Black“, stellte der Fremde mit einem undefinierbaren Ausdruck fest und musterte die heranwachsende Dame von Kopf bis Fuß.
„Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich Ihnen Ihre Gesellschaft streitig mache“, zwinkerte er Lady Guildford zu, die nur mit glasigem Blick nickte und sich sogleich einem neuen Gespräch widmete, während er Saphira wie selbstverständlich einen Arm um die schmalen Schultern legte und sie mit einem schraubstockartigen Griff, der keinerlei Widerspruch zuließ, von der Krankenhausleitung fortlotste.
„Entschuldigen Sie meine Übereifrigkeit, doch ich wollte mir eine Gelegenheit, Sie näher kennenzulernen, nicht entgehen lassen, und dass Sie sich in Ihrer Unterhaltung mit der alten Lady gelangweilt haben, stand Ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben“, schmunzelte er und ließ von ihr ab. Das ansonsten charmant wirkende Lächeln erreichte seine Augen nicht.
„Nun, Miss Black - oder darf ich Saphira sagen?“
„Wenn Sie darauf bestehen“, erwiderte die Blonde pikiert über so viel Dreistigkeit und zermarterte sich den Kopf darüber, was er von ihr wollen könnte und wieso Ariadne ihr diesen Kerl auf den Hals gehetzt hatte. Vermutlich spielte diese blöde Kuh ihr einen hinterlistigen Streich und amüsierte sich gerade köstlich über ... was auch immer das hier werden sollte.
„Und Sie sind?“, erkundigte Saphira sich und unterdrückte ein gereiztes Aufstöhnen. Wo bei Salazar war Blaise, wenn man ihn brauchte?
„Drew, Drew Selwyn“, stellte er sich seinerseits vor und streckte ihr seine Hand entgegen. Sein Händedruck war so fest und unnachgiebig, dass Saphiras Knochen schmerzten, doch sie verzog keine Miene und erwiderte seinen Blick, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Der Familienname war ihr geläufig und obgleich sie bislang niemanden von ihnen kennengelernt hatte, wusste sie, dass die Selwyns zu den einflussreichen, reinblütigen Familien Großbritanniens gehörten. Einem solchen Mann gegenüber Unsicherheit oder gar Schwäche zu zeigen, schickte sich für eine Black nicht.
„Was verschafft mir die Ehre?“, fragte Saphira, als sich sein Griff endlich von ihren fast tauben Fingern löste. Noch immer waren seine dunklen Augen fest auf sie gerichtet und obwohl er lächelte, lag in ihnen nichts als berechnende, fast schon boshafte Kälte. Selwyn wirkte auf abstoßende, geradezu widerwärtige Weise überheblich und selbstgefällig. Zwar kannte Saphira dieses Gebaren nur allzu gut von Draco und Lucius, doch waren diese beiden mit einem Charme gesegnet, der zumindest auf manche Menschen überaus anziehend wirkte. Selwyn hingegen war ihr auf den ersten Blick unsympathisch und die Art, mit der er sie musterte, nahezu von Kopf bis Fuß abzutasten schien, war der jungen Hexe nicht geheuer; in seiner Nähe fühlte sie sich unbehaglich, von seinem Starren gar belästigt, ließ sich jedoch nichts anmerken.
„Reine Neugierde“, grinste er und gebot einem der Hauselfen, stehen zu bleiben. „Möchtest du etwas trinken?“
„Unbedingt“, entfuhr es Saphira, die für den Bruchteil einer Sekunde ihre guten Manieren vergessen hatte, sich jedoch hastig korrigierte: „Sehr gerne, vielen Dank“, sagte sie und nahm das Glas entgegen, welches er ihr reichte.
„Ich lernte unlängst deine reizende Frau Mutter kennen und deine Stiefschwester ist die Enkelin des Mannes, bei dem ich seiner Zeit meine Ausbildung absolviert habe“, erklärte er gewichtig. „Inzwischen leite ich selbst die Abteilung für Magische Strafverfolgung“, fügte er hinzu, ohne dabei eitel oder stolz zu wirken, was auch nicht von Nöten war. Er strahlte eine solche Erhabenheit und Macht aus, dass man sich gut vorstellen konnte, wie er jemanden in einer Verhandlung mit einem einzigen Blick, einem ruhigen, aber deutlichen Wort zum Schweigen bringen konnte und die Angeklagten innerhalb kürzester Zeit das Fürchten lehrte. Dazu musste er die Stimme nicht heben, den Zauberstab nicht einmal ziehen; die düstere, kraftvolle Aura, welche ihn umgab, reichte vollkommen aus. So empfand zumindest Saphira, in deren Gehirn es plötzlich heftig zu arbeiten begann. Er hatte Ariadne nicht als Pflegekind ihrer Mutter, sondern ganz bewusst als ihre Stiefschwester bezeichnet und sie schätzte Selwyn nicht als jemanden ein, der unbedarft daherredete. Nein, seine wenigen Worte waren mit Bedacht gewählt und bewiesen, dass er sehr genau darüber im Bilde war, dass ihre Mutter einen entflohenen Todesser beherbergte oder zumindest mit ihm verkehrte. Sicherlich hatte er ihr nicht umsonst seine Position im Ministerium unter die Nase gerieben. Dies war nicht bloß pure Koketterie, nein, keineswegs ... Es musste sich um einen Trick handeln, mit welchem er sie ausspionieren wollte. Waren sie in Gefahr? Sollte sie ihrer Mutter Bescheid geben, sie warnen? Was würde passieren, wenn herauskäme, dass sie Barty Crouch jr. versteckten? Würde man ihre Mutter etwa nach Askaban schicken? Was sollte dann aus ihr werden? Ariadne war bald volljährig und konnte fortan tun, was immer ihr beliebte, doch bis Saphira erwachsen war, dauerte es noch fast ein ganzes Jahr. Und wie sollte sie ganz auf sich alleine gestellt zurecht kommen? Nackte Panik wallte in ihr auf und beinahe hätte sie vergessen, wo sie sich derzeit befand, doch Selwyns klare, kalte Stimme riss sie aus ihren panischen Gedanken zurück in die Realität.
„Geht es dir nicht gut? Du siehst ein wenig blass aus“, stellte er fest und musste sich arg zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen. Okklumentik gehörte offensichtlich nicht zu ihren Stärken und ihre naiven Spekulationen waren mehr als nur amüsant. Doch ehe er ihr weitere Informationen entlocken konnte, wurde die Feier jäh unterbrochen, als der Hausmeister Argus Filch in den Raum stürmte und - einen blonden Jungen am Ohr hinter sich her schleifend - atemlos keuchte: „Professor Slughorn, ich habe diesen Jungen in einem Korridor oben herumlungern sehen. Er behauptet, zu Ihrer Party eingeladen worden zu sein, er sei aber aufgehalten worden und zu spät losgegangen. Haben Sie ihm eine Einladung ausgestellt?“ Mit dem fanatischen Glimmen eines schülerhassenden Mannes, der sich bereits auf die Erteilung einer Strafarbeit freute, die sich gewaschen hatte, starrte Filch Slughorn an.
Noch bevor dieser antworten konnte, huschte der Blick des Blonden durch den Raum und blieb an seiner Exfreundin haften, die ihn ungerührt musterte. Es war ihm nicht möglich, zu ergründen, wie sie nun zu ihm stand und ob sie bereit wäre, ihm zu helfen, doch die Worte waren heraus, ohne dass er weiter darüber nachsann.
„Ich bin als Begleitung von Saphira Black hier!“
„Ist das so, Bürschchen?“, keifte Filch ungläubig ob der Neuigkeit, die seiner vorherigen Behauptung widersprach.
Harry, der das Geschehen gebannt verfolgte, horchte auf und seine Augen huschten wachsam zwischen den beiden Slytherins hin und her. Er war sich nahezu sicher, dass Black ihn nicht eingeladen hatte und eben dies war der springende Punkt. Wie würde sie nun reagieren? Deckte sie seine Aussage oder strafte sie seine Worte Lügen?
„Nein, dem ist nicht so“, erwiderte Black kühl und hob eine Augenbraue an, Malfoys flehenden, beinahe verzweifelten Blick vollkommen ignorierend.
Triumphierend nickte Harry fast unmerklich in ihre Richtung, was der Blonden nicht entging. Den Ausdruck auf ihrem arroganten, knochigen Gesicht, dem Harry noch nie etwas hatte abgewinnen können, deutete er etwa als „Na, glaubst du mir jetzt?“
„Okay, ich war nicht eingeladen!“, zischte Malfoy aufgebracht und zum ersten Mal fiel Harry auf, wie fürchterlich mitgenommen er aussah, als wäre er krank, oder hätte seit Tagen kaum noch Schlaf gefunden. Black wandte sich entnervt von ihm ab und verschwand mit einem Mann im Gedränge, den Harry aus seiner Verhandlung vor gut anderthalb Jahren wiedererkannte. Offenbar interessierte es sie wirklich nicht, was Malfoy trieb, oder sie wusste es doch und wollte schlichtweg nichts damit zu schaffen haben.
Als Malfoy mit Snape den Raum verließ, folgte Harry ihnen unauffällig.
„Ein Jammer, wie rasant der soziale Abstieg vonstattengehen kann, nicht wahr? Gestern noch eine allseits bewunderte und geschätzte Familie, heute schon dem gesellschaftlichen Verfall geweiht“, sinnierte Selwyn schadenfroh und schüttelte den Kopf angesichts dieses äußerst peinlichen Auftritts des Malfoy-Jungen. Auch seine Mutter war inzwischen ein Wrack, wovon Selwyn sich bei ihren regelmäßigen Gesuchen um eine Erlaubnis, ihren Mann zu sehen, genüsslich überzeugen konnte. Vom desolaten Zustand des Oberhauptes dieser erbärmlichen Familie ganz zu schweigen. Keine Worte vermochten zu beschreiben, wie sehr er es genoss, sich an diesem Trauerspiel zu weiden.
„Höchst bedauerlich“, stimmte Saphira ihm knapp zu und fühlte sich in Selwyns Gesellschaft zunehmend unbehaglicher.
„Besonders gesprächig scheinst du nicht zu sein“, stellte Selwyn fest und aus unerfindlichen Gründen brachte ihn diese Erkenntnis zum Grinsen. Saphira zuckte nur die Schultern.
„Vornehme Zurückhaltung stellt durchaus eine Tugend dar, die ich zu schätzen weiß“, sprach er weiter, ohne sie anzusehen, weshalb die junge Black nicht definieren konnte, ob er noch mit ihr redete oder nur laut nachdachte.
Wie durch eine glückliche Fügung hörte Saphira hinter sich plötzlich die Stimme ihres besten Freundes und wandte sich rasch um.
„Sorry, Mrs. van Hopper“, sagte er an eine stattliche Frau mittleren Alters gewandt, die ohne Punkt und Komma auf ihn einredete. „Ich will meine Begleiterin wirklich nicht länger warten lassen.“ Und ohne eine Erwiderung ihrerseits abzuwarten, hastete er so würdevoll wie irgend möglich zu Saphira hinüber.
„Hey“, seufzte er erleichtert und nahm keinerlei Notiz von dem Mann, der neben ihr stand. „Endlich habe ich dich gefunden.“
„Nun, ich will Sie nicht weiter stören“, meldete Selwyn sich zu Wort und Blaise blickte überrascht auf.
„Es ist wohl besser, ich empfehle mich“, sagte der Ministeriumsbeamte an Saphira gewandt und schenkte Zabini seinerseits ebenfalls keine Beachtung. „Auf ein rasches Wiedersehen, Verehrteste“, fügte er leise hinzu und griff blitzschnell nach ihrer Hand, berührte die hervorstechenden Knöchel flüchtig mit den Lippen und schritt schließlich mit selbstgefälligem Grinsen auf eine Gruppe gutbetuchter Geschäftsmänner zu.
„Wer war das denn?“, erkundigte sich Blaise nach einigen Sekunden und starrte dem Unbekannten stirnrunzelnd nach. „Ein neuer Verehrer? Muss ich mir Sorgen machen?“, scherzte er und als sie nicht reagierte, stupste er sie an.
„Was?“ Verwirrt blickte sie auf und wischte sich den Handrücken angewidert am Saum ihres Ärmels ab. „Unheimlicher Typ, findest du nicht?“, nuschelte sie und hatte nun endgültig die Lust daran verloren, noch länger auf dieser Party zu verweilen.
„Hast du etwas dagegen, wenn wir zurück in den Gemeinschaftsraum gehen?“, fragte sie und nickte in Richtung Ausgang.
„Ganz und gar nicht“, erwiderte Blaise, hakte sich bei ihr ein und führte sie aus dem Büro des Tränkemeisters.
+
Nach der lästigen Unterredung mit Snape hatte Draco einen weiteren Versuch gewagt, sich in den Raum der Wünsche zu schleichen und war diesmal so umsichtig gewesen, sich nicht erwischen zu lassen. Als er einige Stunden später in die Kerker einkehrte und sich den Räumlichkeiten der Slytherins näherte, vernahm er schon von weitem lautes Gelächter, das ihn darauf schließen ließ, dass die Party dort noch immer im vollen Gange war. Es war doch höchst merkwürdig, dass Snape nicht längst eingeschritten war, befand Draco genervt, der hin und her gerissen war zwischen dem Wunsch, sich den Feiernden anzuschließen und bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken, und dem Verlangen, einfach nur in Ruhe gelassen zu werden und endlich schlafen zu können.
Erschöpft und missgelaunt streckte er die Hand nach dem Wandbehang aus, der den Eingang zum Gemeinschaftsraum verbarg, doch ehe er ihn zu fassen bekam, stürmte ihm jemand entgegen und riss ihn fast von den Beinen. Erschrocken stolperte der junge Malfoy einige Schritte zurück und erkannte Davis, die sich atemlos aufrappelte und ihn einen Moment lang sprachlos anstarrte.
„An deiner Stelle würde ich da nicht reingehen“, zischte sie und deutete mit dem Daumen hinter sich. „Glaub mir, das willst du dir nicht antun, Malfoy.“ Die Schwarzhaarige zog eine Miene, als hätte man ihr soeben verkündet, sie müsse fortan bei Hagrids Knallrümpfigen Krötern leben.
„Geh mir nicht auf die Nerven!“, herrschte Draco das dumme Halbblut gereizt an und drängte sich an ihr vorbei.
„Ich habe dich gewarnt“, flüsterte Davis mit belegter Stimme, was den Blonden innehalten ließ. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er sie verwundert an - waren es Tränen, die in ihren Augen glitzerten? Ach, was interessierte ihn das schon? - dann ließ er sie kopfschüttelnd stehen und stieß den Vorhang beiseite.
Nur wenige Sekunden später verstand er, was sie gemeint hatte, und bereute bitter, nicht auf Davis gehört zu haben ...
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Mein Vater lebt in Irland, und nun fahren Autos langsam um sein Haus, weil alle sagen, dass Harry Potters Großvater dort lebt. Er ist ganz und gar verwirrt durch diese Tatsache.
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