von ChrissiTine
All my agony fades away
When you hold me in your embrace
Zusammen
Rose lehnte sich zurück und rieb sich müde über die Augen. Sie hatte versucht zu lernen, nachdem sie von Victoire nach Hause gekommen war, aber sie schaffte es nicht, sich zu konzentrieren. Sie las die Worte, aber sie gelangten einfach nicht in ihren Kopf. Die Seite über den Schrumpffluch hatte sie jetzt schon zehn Mal gelesen, aber sie wusste immer noch nicht, was über ihn geschrieben wurde.
Wenn sie so weiter machte, dann konnte sie ihre Ausbildung gleich hinschmeißen. Die Prüfung in zwei Wochen würde sie so auf keinen Fall bestehen. Und die war entscheidend dafür, weitermachen zu können. Sonst würde sie noch ein Jahr länger brauchen, bis sie eine ausgebildete Heilerin sein würde.
Sie atmete durch, richtete sich wieder auf und zog das Buch zu sich. Sie hatte ihren Lernplatz vom Küchentisch auf ihr Ehebett verlegt, weil es dort bequemer war. Aber vielleicht war sie gerade deshalb so unkonzentriert.
Sie las die Seite ein weiteres Mal durch, aber es war zwecklos. Sie würde diese Fakten heute nicht mehr in ihren Kopf kriegen. Dafür war er einfach viel zu voll. Ob sie es wollte oder nicht, alle ihre Gedanken kreisten um diesen Zellhaufen in ihrer Gebärmutter, der mittlerweile ein schlagendes Herz hatte und sich bewegen konnte. Auch nach ihrem Gespräch mit Victoire wusste sie noch nicht, was sie machen sollte. Sie hatte den Stress gesehen, dem Victoire den ganzen Tag ausgesetzt war. Sie konnte nicht bestimmen, wie der Tag verlief, Dora tat es. Und dabei war die Kleine schon zwei Jahre alt und Victoire hatte viel Zeit gehabt, sich an das Leben mit Kind zu gewöhnen und trotzdem eine richtige Routine zu entwickeln. Sie arbeitete sogar wieder im Ministerium, auch wenn sie nur ein paar wenige Gespräche per Kamin mit ein paar französischen Kollegen übernahm. Ihrem Charme konnte eben niemand widerstehen.
Sie starrte auf ihre Schlafzimmertür und wünschte sich, dass Scorpius endlich nach Hause kam. Und anscheinend wurden ihre Wünsche endlich erhört, denn einen Moment später ging die Tür tatsächlich auf.
Scorpius trug schwarze Jeans und ein blaues Hemd, das sie vor ein paar Wochen im Ausverkauf erstanden hatte, weil sie sich sicher war, dass es ihm sehr gut stehen würde. Und sie hatte Recht gehabt. Seine blonden Haare wurden langsam etwas zu lang und einige Strähnen fielen ihm in die Augen. Aber ihn schien es noch nicht zu stören. Er trug seinen Umhang über dem Arm und ging zu ihrem Kleiderschrank, ohne dass er Rose bemerkte. Er öffnete die Tür und hängte ihn ordentlich auf einen Kleiderbügel. Er war der ordentliche von ihnen beiden und musste immer hinter ihr herräumen. Obwohl sie mittlerweile versuchte, ihre Sachen immer selbst aufzuräumen, damit sie sie wiederfand.
Er drehte sich um und zuckte zusammen, als er sie auf dem Bett sah.
"Beim Merlin, Rose, hast du mich erschreckt", rief er und legte seine Hand auf die Brust. Er warf einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch. "Was machst du überhaupt schon hier? Ich dachte, dass du bis sieben arbeiten musst."
Rose schaute ebenfalls auf die Uhr. Es war fünf Uhr. Kein Wunder, dass er sich erschreckt hatte. Um diese Uhrzeit war sie sonst nie zu Hause. Sie zuckte mit den Schultern. "Heute nicht."
Er schaute sie verwirrt an und nickte. "Okay. Ich wollte Spaghetti zum Abendessen machen. Hast du was dagegen?" Zu ihrer Überraschung hatte er sich als sehr guter Koch entpuppt und wenn er früher fertig war im Ministerium, dann kaufte er oft noch irgendwelche Zutaten für ein Essen, das sich schnell zubereiten ließ und wenn sie dann nach Hause kam, duftete es meistens sehr verführerisch. Er war wirklich fantastisch.
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, natürlich nicht." Vielleicht sollte sie warten, bis er das Essen gekocht hatte und sie am Tisch saßen und gegessen hatten, bevor sie ihm sagte, dass ihr Leben sich vielleicht für immer verändern würde. Aber das würde bedeuten, dass sie noch über eine Stunde auf dieses dämliche Buch starren und sich Gedanken machen würde und sie konnte das einfach nicht mehr.
"Warte!", rief sie und sprang auf.
Scorpius, der schon fast wieder zur Tür heraus war, drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um sie aufzufangen, bevor sie auf den Boden fiel. "Rose, was ist denn los?", fragte er und schaute sie besorgt an.
Sie hielt sich an ihm fest und richtete sich wieder auf. "Ich bin nur zu schnell aufgestanden. Mir war etwas schwindelig.", murmelte sie, aber die Sorge um sie stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
"Rose, was ist los?"
Sie überlegte einen Moment lang, ob sie ihm nicht sagen sollte, dass alles in Ordnung war, nur damit er sich keine Sorgen mehr machte. Aber es war nicht alles in Ordnung und sie hatte sich doch gerade erst dazu entschieden, es ihm sofort zu sagen.
"Ich bin schwanger", sagte sie schnell, bevor sie der Mut doch verließ. Sie hatte sich den ganzen Tag lang gewünscht, dass er endlich auftauchte und diese Sorge mit ihm teilen konnte, aber jetzt, wo er endlich da war, war es doch nicht so einfach wie sie gedacht hatte, ihm diese Hiobsbotschaft zu verkünden.
Er starrte sie einen sehr langen Moment einfach nur an und blinzelte schließlich verwirrt. Er räusperte sich. "Ich ... was hast du gerade gesagt, Rose?"
Sie schaute ihn an und versuchte zu erraten, was er gerade dachte, aber sein Gesicht war eine undurchdringbare Maske. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie überhaupt keine Ahnung hatte, was in ihm vorging.
Sie schluckte. "Ich ... ich bin schwanger.", sagte sie etwas langsamer.
Er riss seine Augen auf und schüttelte den Kopf. "Du bist schwanger?", fragte er tonlos und sie nickte. "Wir bekommen ein Baby?" Sie nickte erneut. Er starrte sie immer noch an und ließ sich schließlich auf ihr Bett fallen. Er verzog das Gesicht und zog ihr Buch unter sich hervor. Er warf es hinter sich und schüttelte erneut den Kopf. "Wir bekommen ein Baby ..."
Rose fuhr sich durch ihre Haare und schloss kurz die Augen. Sie hatte es geschafft, Scorpius den Schock seines Lebens zu versetzen, wie es aussah.
"Scorpius ...", fing sie an, obwohl sie nicht wusste, was sie überhaupt sagen sollte.
"Wie ist das möglich, Rose? Wir haben doch immer verhütet ... du bist eine der besten Brauerinnen, die ich kenne ..."
Sie setzte sich im Schneidersitz neben ihn und er nahm ihre Hand. Wärme durchströmte sie. Victoire hatte Recht gehabt. Auch wenn sie immer noch nicht wusste, wie sie sich entscheiden sollte, sie fühlte sich zumindest besser. Sie war nicht mehr allein mit der Entscheidung.
"Der Trank gegen Grippe, den du mir vor zwei Monaten gebracht hast, hat den Verhütungstrank außer Kraft gesetzt. Ted hat nicht gewusst, dass ich nicht den Standardtrank schlucke und dich deshalb nicht gewarnt." Sie zuckte mit den Schultern.
Scorpius stöhnte auf. "Ich hätte ihm das sagen sollen. Er hat es nicht wissen können ... Verdammt."
Rose schüttelte den Kopf. "Es ist nicht deine Schuld. Er hätte auch nachfragen können. Oder ich. Aber darum geht es nicht. Es ist egal, was schief gelaufen ist. Ich meine, das können wir jetzt sowieso nicht mehr ändern. Wichtig ist nur das Ergebnis."
Er schluckte. "Ja, das Ergebnis ..." Er atmete tief durch. "Ich ... ich ... was willst du, Rose?"
Sie wusste nicht, wie es passiert war, aber einen Moment später war sie in Tränen ausgebrochen und noch einen Moment später hatte Scorpius sie fest in seine Arme geschlossen. Sie klammerte sich an ihn und sog begierig seinen Geruch ein. Das hatte sie gebraucht. Das hatte sie so sehr gebraucht. Sie wusste zwar immer noch nicht, was sie machen würden, aber sie fühlte sich nicht mehr allein und seine starken Arme hatten die Wirkung, die sie immer hatten. Sie fühlte sich sicher. Sie fühlte sich geborgen. Und sie fühlte sich, als ob sie alles schaffen könnte. Auch wenn es dieses Mal längst nicht so einfach war.
"Ganz ruhig, Rose", murmelte er beruhigend und sie spürte, wie er sie zärtlich auf die Haare küsste. "Es wird alles gut."
"Aber wie?", flüsterte sie zwischen ein paar Schluchzern. "Wie soll alles gut werden, Scorpius? Ich weiß nicht mal, ob ich das Baby will. Ich will meine Ausbildung nicht abbrechen und ich fühle mich noch überhaupt nicht bereit dazu, Mutter zu werden. Wie soll da alles gut werden?"
Sie hatte sich zwar etwas beruhigt, aber die Verzweiflung war wieder da.
"Du willst abtreiben?", flüsterte Scorpius und schaute sie mit einer Mischung aus Entsetzen und Verständnis an. Sie zuckte zusammen, als er das sagte. Sie hatte zwar darüber nachgedacht, aber er war der erste, der dieses Wort laut ausgesprochen hatte. Es klang furchteinflößender als sie gedacht hatte.
"Ich weiß es nicht.", sagte sie und ihre Stimme brach. Sie schniefte und wischte sich mit ihrem Ärmel über die Augen. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich meine Ausbildung nicht aufgeben möchte. Ich hab so hart dafür gearbeitet, Heilerin zu werden und jetzt bin ich kurz davor und soll es nicht schaffen? Das kann ich einfach nicht." Das war das einzige, was sie sicher wusste. Alles andere lag völlig im Dunkeln. Aber sie wollte eine Heilerin sein.
"Und wenn wir ... wenn wir das Baby behalten, dann geht das nicht?", fragte er unsicher, hob seine Hand und fuhr ihr damit über die Wange, um einige nachträgliche Tränen abzuwischen.
Sie zuckte mit den Schultern. "Meine Großmutter wollte Heilerin werden, wusstest du das?", fragte sie unvermittelt. Er schüttelte überrascht den Kopf. "Sie hatte auch die Noten dafür und hat schon im Mungos angefangen. Aber dann hat sie meinen Grandpa geheiratet und in der Hochzeitsnacht den Verhütungsspruch vergessen." Damals waren die Tränke noch nicht weit verbreitet und außerdem auch ziemlich teuer gewesen, deshalb waren die Sprüche sehr viel beliebter gewesen. "Und dann wurde sie schwanger und sie haben sich dazu entschlossen, das Baby zu bekommen und eine Familie zu gründen und sie hat ihre Ausbildung abgebrochen. Sie ist nie eine Heilerin geworden." Sie seufzte. "Ich hab sie mal gefragt, ob sie es bereut, sich ihren Traum nie erfüllt zu haben und sie hat gesagt, dass sie mit ihrer Entscheidung immer glücklich war und uns alle um nichts in der Welt missen möchte.
Aber ich kann das nicht. Ich kann diesen Traum nicht einfach opfern. Das geht nicht. Ich wollte das schon, seit ich ein kleines Mädchen war. Du weißt, wie sehr ich das wollte."
Scorpius nickte. Er hielt immer noch ihre Hand und zeichnete abwesend mit seinem Daumen kleine Kreise auf ihren Handrücken. "Ich weiß, Rose. Aber du musst diesen Traum nicht unweigerlich aufgeben."
"Ich weiß." Sie lächelte ihn schwach an. "Was willst du? Es ist auch dein Kind. Es ist auch deine Entscheidung."
"Ernsthaft, Rose?" Scorpius fuhr sich unbehaglich durch die Haare. "Ich hab keine Ahnung. Ich fühle mich gerade ziemlich überfahren. Ich hab keine Ahnung, was ich denken soll. Ich meine, wir wollten Kinder. Wir haben darüber gesprochen, irgendwann welche zu bekommen."
"Ja, irgendwann.", bestätigte sie. Keiner von beiden hatte damit gerechnet, dass irgendwann so bald kommen würde.
"Aber ich hab gedacht, dass wir davor darüber sprechen könnten. Dass wir uns beide dafür bereit fühlen." Er lachte freudlos. "Und ich hab gedacht, dass wir erst viel Sex haben würden, bevor es klappt." Rose lächelte kurz. Darauf hatte sie auch gehofft.
"Ich kann dir noch nicht sagen, was ich will, Rose. Ich weiß nicht, was ich will."
"Das ist in Ordnung.", sagte sie schnell. "Ich weiß es ja auch noch nicht."
"Aber du hast gehofft, dass ich es weiß", erwiderte er mit einem schiefen Lächeln. Rose schaute ertappt nach unten. Es wäre schön gewesen, wenn er eine eindeutige Position bezogen hätte. Das hätte es ihr vielleicht leichter gemacht, zu wissen, wo sie selbst stand.
"Vielleicht", sagte sie. Sie schaute wieder hoch. "Ich hab Angst, Scorpius", flüsterte sie.
"Ich auch", gab er zu. Er zog sie zu sich und küsste sie. Es war kein stürmischer oder leidenschaftlicher Kuss, es war ein liebevoller zärtlicher Kuss, der ihr aber trotzdem durch Mark und Bein ging. "Aber egal, wofür wir uns entscheiden, wir schaffen das, Rose. Wir schaffen das."
Sie nickte. Tränen standen schon wieder in ihren Augen. Solange sie ihn hatte, war alles gut.
TBC...
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A/N: Danke für eure Kommentare.
Ich möchte noch alle darauf hinweisen, dass ich auf meinem Livejournal (Link im Vorwort der FF) eine Umfrage darüber gestartet habe, welche Hochzeit der nächsten Generation ihr gerne lesen möchtet. Ich kann nicht garantieren, dass ich über diese Hochzeit dann auch wirklich schreiben werde, aber vielleicht krieg ich ja eine gute Idee und es kommt was gutes dabei heraus (diese FF hier sollte auch nur ein kleiner One-Shot für meine Momentaufnahmen werden, bis er 20.000 Wörter lang war).
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