von ChrissiTine
Nicht Gryffindor
1. September 2014
Dicke Tränen liefen Molly Weasley über die Wangen, als sie mit zitternder Hand ihre Feder in das Tintenfass tunkte. Beinahe hätte sie das Fass umgestoßen. Langsam hob sie ihre Hand wieder hoch und setzte die Feder auf das Pergament, das vor ihr auf dem Tisch lag. Sie schniefte laut und wischte sich mit ihrer linken Hand über die Augen, weil sie mittlerweile durch den Tränenschleier kaum noch etwas sehen konnte.
Lieber Dad, liebe Mum,
ich bin gut angekommen. Die Zugfahrt war in Ordnung und ich habe nette Leute kennengelernt. Ich habe mir ein paar Schokofrösche gekauft und Karten von Professor Dumbledore und Teds Dad bekommen.
Eine Träne tropfte auf das Pergament und das letzte Wort verschwamm vor ihren Augen. Aber Molly kannte noch keinen einzigen Zauberspruch und konnte sie nicht wegzaubern. Und sie hatte kein neues Pergament.
Sie schaute sich im Gemeinschaftsraum um, aber weil heute erst alle in Hogwarts angekommen waren, lag natürlich noch kein Pergament auf den Tischen herum. Die wenigsten hatten schon so viel erlebt, dass sie gleich am ersten Tag einen Brief schreiben wollten. Aber wenn Molly es nicht gleich tun würde, dann würde es noch viel schwieriger sein, den Mut aufzubringen und die Sorge würde sie auffressen.
Sie hörte ein Geräusch und zuckte erschrocken zusammen. Ihr Blick schweifte zu der Treppe, die zum Mädchenschlafsaal führte, aber niemand kam herunter. Kurz darauf hörte sie lautes Lachen und eine Tür, die ins Schloss fiel.
Molly schluckte. Die waren glücklich und froh, hier zu sein. Aber sie ... Ihr Blick fiel auf die Statue von Rowena Ravenclaw und dieses verdammte Diadem, von dem ihr Onkel Harry so häufig gesprochen hatte. Schnell wandte sie den Blick wieder ab und schaute zurück zu ihrem Brief. Sie setzte die Feder wieder auf.
Die große Halle ist wirklich so beeindruckend, wie Onkel George immer erzählt hat. Ich habe gedacht, dass es wirklich regnen würde und mich gewundert, warum ich nicht nass werde. Und das Essen war wirklich gut. Aber der blutige Baron sah ziemlich gefährlich aus.
Sie atmete tief durch und tunkte ihre Feder erneut in die Tinte. Auch in dem Brief konnte sie nicht ewig um den heißen Brei herumschreiben.
Ich bin nach Ravenclaw gekommen. Der Sprechende Hut hat gemeint, dass ich zwar viel von Gryffindor in mir hätte, aber dass ich mich in Ravenclaw wohler fühlen würde. Ich habe versucht zu widersprechen, aber der Hut hat gemeint, dass ich ihm vertrauen sollte und dass er wüsste, was er tut.
Die Leute im Haus sind sehr nett und haben sich gleich um mich gekümmert. Auch Victoire, Dominique, Louis und sogar Ted sind zu mir gekommen, um mir zu gratulieren. Ich hoffe, ihr seid nicht sauer, weil ich nicht nach Gryffindor gekommen bin.
Ich schreibe euch bald wieder,
viele Grüße an euch und Lucy,
eure Molly
Während des Schreibens waren einige weitere Tränen auf das Pergament getropft, aber Molly hatte sich nicht beirren lassen und weitergeschrieben, bevor sie der Mut verließ. Jetzt ließ sie die Feder sinken und schaute auf den fertigen Brief. Sie würde ihn mit den Tränenspuren abschicken müssen, weil sie ihn keinesfalls noch einmal schreiben konnte. Sie fand, sie hatte trotz allem recht optimistisch geklungen. Als ob ihr die Wahl nichts ausmachte. Als ob sie schon erwachsen genug wäre, um damit locker umzugehen.
Auch wenn sie sich ganz anders fühlte.
Sie erinnerte sich noch ganz genau an den Schock, den sie vor ein paar Stunden gespürt hatte, als sie bei der Auswahlzeremonie auf dem Hocker gesessen und die alten Hut auf dem Kopf getragen hatte ...
"RAVENCLAW!"
Ein paar Sekunden lang saß Molly stocksteif da. Es hatte ihr den Atem verschlagen. Und auch sonst war in der großen Halle kein Mucks zu hören. Totenstille. Jemand stieß sein Glas um. Erst nach mehreren endlosen Sekunden war schließlich verhaltener Applaus zu hören, der schnell lauter wurde. Erst jetzt war Molly fähig, sich zu bewegen.
Langsam nahm sie den Hut ab und stand auf. Mit ihren Augen suchte sie den Gryffindortisch ab. Sie konnte ihre Cousinen Victoire und Dominique sehen und ihren Cousin Louis. Sie trugen alle identische Gesichtsausdrücke: Völlige Überraschung.
Kein Wunder. Alle Weasleys waren bisher nach Gryffinodr gekommen. Das war Tradition. Das war Schicksal. Das war normal. Jeder einzelne Weasley in den letzten Generationen war in das gleiche Haus gekommen, selbst ihr Dad, obwohl Onkel George manchmal Witze darüber gemacht hatte, dass ein Streber wie er nichts bei ihnen verloren gehabt hätte. Ja sogar Tante Hermine war dort gewesen und die war neben seinem Dad der intelligenteste und lernwilligste Mensch, den sie kannte.
Aber sie ... sie kam nach Ravenclaw. Sie war die erste in der Familie, die nicht nach Gryffindor gehen würde. Die nie den Gemeinschaftsraum sehen würde, in dem der Rest ihrer Familie sieben Jahre verbracht hatte.
Sie würde nicht mehr zur Familie gehören. Sie war keine richtige Weasley. Als ihr Dad sie zum Bahnhof gebracht hatte, hatte er ihr eine Hand auf die Schulter gelegt, sie liebevoll angelächelt und ihr gesagt, dass sie die Familie stolz machen sollte. Es waren noch nicht mal vierundzwanzig Stunden vergangen und sie hatte die Familie schon enttäuscht. Sie hatte ihren Dad enttäuscht, und der war doch immer so stolz auf sie gewesen.
Was, wenn er sie jetzt verlassen würde, weil sie seine Erwartungen nicht erfüllt hatte, so wie damals im Krieg, als er die Familie für mehrere Jahre im Stich gelassen hatte. Sie würde Schuld daran sein, dass ihr Dad die Familie wieder verließ. Molly würde sich das nie verzeihen, niemals.
Sie hatte nach Gryffindor gewollt. Sie hatte wirklich nach Gryffindor gewollt. Es klang nach einem so tollen Haus in den Erzählungen ihrer Familie. Außerdem war Neville der Hauslehrer und er hatte ihr beim letzten Familientreffen versichert, dass er sich schon darauf freuen würde, sie zu seinen Schülern zählen zu können.
Und sie hatte sie alle enttäuscht. Sich selbst, ihren Dad, ihre Familie, Neville, alle. Sie würde bestimmt von ihrer Familie verstoßen werden.
Langsam ging sie zum Haustisch der Ravenclaws, die sie alle lächelnd begrüßten. Benommen ließ sie sich auf die Band sinken und starrte auf den Teller, der vor ihr stand. So hatte sie sich das wirklich nicht vorgestellt.
Sie hatte sich jahrelang darauf gefreut, endlich nach Hogwarts zu kommen. Sie hatte eine Geschichte von Hogwarts bestimmt schon zehnmal durchgelesen, weil sie es kaum hatte erwarten können. Begierig hatte sie Ted und Victoire und Dominique und Louis bei ihren Erzählungen über Hogwarts zugehört. Sie hatte sich vorgestellt, wie herrlich sie in ihrer ersten Nacht im Himmelbett im Gryffindorturm würde schlafen können ... Und jetzt? Jetzt war alles ruiniert.
Sie nahm kaum war, was um sie herum geschah. Sie winkte Neville und Hagrid halbherzig zu, als die ihr vom Lehrertisch zuzwinkerten. Sie murmelte irgendetwas, wenn jemand ihr eine Frage stellte, doch sie registrierte nichts. Sie nahm sich von dem Essen, das in der Nähe stand, aber sie hatte keinen Hunger und so brachte sie kaum etwas herunter.
Stattdessen bemühte sie sich krampfhaft, nicht in Tränen auszubrechen.
Kurz vor dem Ende des Essens spürte sie, wie jemand ihr eine Hand auf die Schulter legte. Sie drehte sich um und schaute in das freundlich lächelnde Gesicht ihrer Cousine Victoire. Hinter ihr standen Dominique und Louis und aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie Ted die Halle durchquerte und ebenfalls auf sie zusteuerte.
"Herzlichen Glückwunsch, Molly", sagte Victoire überschwänglich und beugte sich vor, um Molly zu umarmen. Mollys Arme fühlten sich zu schwer an, um die Umarmung zu erwidern. Victoire hatte es gut. Sie war schon vierzehn. Sie war schon lange hier. Sie kannte sich aus. Sie war in Gryffindor. Sie hatte die Familie nicht enttäuscht, sie würde nicht verstoßen werden.
"Ja, genau", stimmte Louis aufmunternd zu. "Ravenclaw hat eine tolle Schülerin bekommen. Dieses Jahr wird es Gryffindor bestimmt schwer haben, den Hauspokal zu gewinnen."
Victoire nickte zustimmend, aber Dominique schüttelte entschlossen den Kopf. "Sowas sollst du doch nicht sagen, Louis!", zischte sie ihm zu. "Ravenclaw wird nur über meine Leiche irgendwas gewinnen." Molly schaute sie schockiert an und auch Victoire und Louis warfen Dominique vernichtende Blicke zu. "Hast du gehört, Davies?", rief sie laut. Ein älterer Junge drehte überrascht den Kopf und schaute Dominique mit einem herablassenden Lächeln an. "Du hast keine Chance dieses Jahr! Ich werde in die Mannschaft kommen und dann wirst du vom Spielfeld kriechen!"
Der Junge lachte amüsiert. "Soll das eine Drohung sein, Weasley? So, wie du aussiehst, wirst du dich doch nicht mal auf einem Besen halten können. Den Pokal könnt ihr vergessen!"
Dominique schnaubte empört und öffnete schon den Mund, um etwas zu erwidern, als Victoire sich schnell neben ihre Schwester stellte. "Nicki, was soll der Mist?", zischte sie. "Wir sind hier, um Molly aufzumuntern, nicht, damit du hier irgendwelche Machtkämpfe mit Steven austragen kannst." Sie schüttelte den Kopf.
Dominique schaute zu Molly und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht, was ihr habt. Sie sieht doch gar nicht so deprimiert aus." Molly überraschte das sehr. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass jeder in der großen Halle sehen konnte, was in ihr vor ging. Aber Dominique war noch nie die Sensibelste gewesen. Eher vorlaut und viel zu frech. Molly hatte Victoire und Louis immer lieber gehabt. "Außerdem ist Gryffindor jetzt auch nicht der tollste Laden. Die Schlafsäle sind zugig und der Kopflose Nick völlig verrückt. Obwohl ich mich natürlich lieber erschießen würde, als mit Davies in einem Haus zu sein." Den letzten Teil sagte sie wieder sehr laut. Der Junge, der anscheinend Davies hieß, tat so, als hätte Dominique ihn tief getroffen mit dieser Aussage, bevor er in lautes Gelächter ausbrach. Dominique schnaubte wieder, warf dem Jungen noch einen vernichtenden Blick zu und ging dann wieder zurück zum Gryffindortisch.
"Mach dir nichts draus", sagte Victoire schnell und hatte wieder dieses aufmunternde Lächeln aufgesetzt. "Für Nicki besteht das Leben nur aus Quidditch und Steven ist es zu verdanken, dass wir den Pokal letztes Jahr nicht gewonnen haben. Aber das heißt nicht, dass Ravenclaw kein tolles Haus ist. Ich hab ein paar gute Freunde hier und du kannst stolz sein, dass du dazu gehörst."
"Aber Dad -", fing Molly an, obwohl sie nicht wusste, wie der Satz weiterging.
"Dein Dad wird sich freuen, dass du in dieses Haus gekommen bist", versicherte ihr Ted, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. Sein Haar, das vorhin noch violett gewesen war, wurde blau und bronze und passte sich den Hausfarben Ravenclaws an. Mollys Mundwinkel zuckten leicht, auch wenn sie kein Lächeln zustande bringen konnte. Ted wusste, wie fasziniert sie von seinen metamorphmagischen Fähigkeiten war. Vorletzte Weihnachten hatte er ihr deshalb sogar ein Buch über Metamorphmagi geschenkt.
"Aber -"
"Es ist egal, in welches Haus du kommst", versicherte Louis ihr. "Jedes Haus ist gut. Deinem Dad ist es egal, wo du bist. Das ändert gar nichts. Du musst dir keine Sorgen machen."
Louis hatte leicht reden. Er war ja auch in Gryffindor. Sein Dad hatte die Familie nie verlassen.
"Das stimmt", fügte Ted hinzu. "Ich bin in Hufflepuff und ich würde in kein anderes Haus gehen wollen.", sagte er überzeugend. Aber Ted war auch kein Weasley. Er war nur Onkel Harrys Patensohn. Außerdem war seine Mum auch in Hufflepuff gewesen. Er brach keine Traditionen. Und seine Großmutter würde ihn nie aus der Familie schmeißen. Sie hatte schließlich nur ihn.
Das Essen war mittlerweile beendet worden und um sie herum standen alle auf. Victoire musterte sie zwar noch sehr besorgt, schien aber einzusehen, dass niemand von ihnen wirklich etwas ausrichten konnte. Molly fühlte sich immer noch schrecklich. Trotzdem umarmte sie sie noch einmal und wünschte ihr alles Gute. "Wenn du willst, kannst du morgen mit uns frühstücken", schlug sie vor. "Aber vielleicht hast du dich dann auch schon mit jemandem angefreundet und möchtest lieber an deinem Haustisch bleiben."
Es fing jetzt schon an. Sie wurde schon von ihrer Familie getrennt. Und es würde immer so weitergehen. Bald würde sie von allen Familienmitgliedern ignoriert werden und wenn Ravenclaw im Quidditch gewinnen würde, dann würde Dominique sie wahrscheinlich auch noch beleidigen, weil sie zum gleichen Haus wie dieser Davies gehörte ...
Victoire und Louis waren schon in der Menge verschwunden, aber Ted stand noch vor ihr. Auch er umarmte sie flüchtig. "Mach dir nichts draus, Mollinka", flüsterte er. "Du wirst dich schnell eingewöhnen und Freunde finden. Dich muss man doch einfach gern haben. Und dein Dad wird immer stolz auf dich sein, komme was wolle." Er grinste. "Und ich wette, irgendwann wirst du froh sein, dass du in einem anderen Haus bist als Gryffindor. Manchmal ist man nämlich auch ganz angenehm, von der ganzen Familie seine Ruhe zu haben und nicht ständig beobachtet zu werden." Er zwinkerte ihr zu. "Du wirst schon noch sehen, was ich meine."
Und dann war auch Ted verschwunden. Molly schaute ihm mit gerunzelter Stirn nach, bis es Zeit wurde, den Vertrauensschülern zum Ravenclawturm zu folgen. Sie bezweifelte sehr, dass Ted Recht hatte.
"Hey, was machst du denn noch hier?"
Molly zuckte erschrocken zusammen und ließ die Feder fallen. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie jemand heruntergekommen war.
Ein schlaksiger braunhaariger Junge stand am Fuß der Treppe, die zu den Jungenschlafsälen führte. Er hatte bereits seinen Schlafanzug an und musterte Molly neugierig. Sie setzte sich schnell auf und versuchte so unauffällig wie möglich, ihre Tränen wegzuwischen. Sie hatte nicht gewollt, dass jemand sie weinen sah. Deshalb hatte sich auch gewartet, bis die anderen Mädchen aus ihrem Schlafsaal eingeschlafen waren, bevor sie sich nach unten geschlichen hatte, um den Brief zu schreiben.
Sie wurde rot, als sie sich daran erinnerte, dass sie ohne Morgenmantel in ihrem rotgoldenen Schlafanzug (den Schlafanzug in den Gryffindorfarben hatte ihr Onkel George ihr zur Einschulung geschenkt) hier saß. Es hatte sie noch nie ein Junge, mit dem sie nicht verwandt war, im Schlafanzug gesehen.
Der Junge kam langsam näher und schaute sie besorgt an. "Hast du geweint?", fragte er und musterte ihre nassen Wangen. Molly biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf, obwohl natürlich klar war, dass sie log. Aber den Jungen ging das gar nichts an. "Du bist neu hier, oder?", fragte er und sprach dann gleich weiter, ohne auf eine Antwort zu warten, "Warum bist du denn so traurig? Freust du dich nicht, dass du endlich in Hogwarts bist?"
Molly zuckte mit den Schultern. "Doch, schon", sagte sie mit belegter Stimme. Sie räusperte sich. Sie hatte sich jahrelang darauf gefreut, hierher zu kommen. "Aber ich dachte, dass ich in ein anderes Haus komme. Und jetzt -"
"Ach so!", rief der Junge und ließ sich neben sie in einen Sessel fallen. "Du bist Molly Weasley, oder?"
Molly nickte. Sie war daran gewöhnt, dass die Leute zwar ihren Namen kannten, aber ihr Gesicht nicht unbedingt. Ihr Dad war nicht so wichtig wie Onkel Harry oder Onkel Ron und Tante Hermine, aber sie störte das auch nicht besonders. Trotzdem wussten die Leute natürlich fast alles über sie, sobald sie nur ihren Namen hörten. Die Weasley-Familie war schließlich legendär. Genau wie die Tatsache, dass alle nach Gryffindor kamen.
"Du wolltest nach Gryffindor?" Molly nickte erneut. "Und Ravenclaw gefällt dir gar nicht?", fragte er enttäuscht.
Molly zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht", sagte sie unsicher und schaute sich im Gemeinschaftsraum um. Eigentlich war es hier sehr gemütlich, mit dem Feuer und den vielen Sofas und Sesseln und Tischen und großen Fenstern. Auch ihr Schlafsaal war schön und das Himmelbett war, abgesehen von den Bettbezügen, genau so, wie sie es sich vorgestellt hatte. "Ich hab nur immer geglaubt, dass ich mal nach Gryffindor komme. Ich hab immer damit gerechnet. Alle aus meiner Familie waren schon dort."
"Und es ist so schlimm, dass du hier bist?", fragte der Junge verständnislos. "Ich finde es toll hier. Obwohl mein Dad, meine Mum und meine Großeltern in Hufflepuff waren. Und mein großer Bruder ist auch dorthin gekommen."
"Und euch stört das gar nicht, dass ihr in verschiedenen Häusern seid?", fragte Molly überrascht.
Er schüttelte den Kopf. "Nein. Mein Bruder und ich verstehen uns nicht wirklich gut und ich bin froh, dass ich den Idioten nicht dauernd sehen muss. Außerdem hab ich mir schon immer vorgenommen, es anders zu machen als meine Eltern. Ich bin schließlich nicht sie. Ich bin ganz anders. Ich bin ein eigenständiger Mensch. Und sie hat das auch nicht gestört. Sie freuen sich, dass ich glücklich bin. Deine Familie wird das bestimmt auch nicht stören."
Molly legte den Kopf schief. "Ich weiß nicht", sagte sie zweifelnd.
"Ach komm schon", widersprach der Junge. "Wenn es deine reinblütigen Großeltern nicht gestört hat, dass dein Vater eine Muggel geheiratet hat, dann wird sie doch auch nicht stören, dass du in ein anderes Haus gekommen bist. Nach dem Krieg und allem ist das doch wirklich nicht schlimm." Er lächelte sie an.
Molly lächelte zurück. Vielleicht hatte er ja Recht. Vielleicht war es wirklich nicht so schlimm. Ihr Dad hatte ihr schließlich versichert, dass er sie immer lieb haben würde, egal, was passierte.
Der Junge streckte seine Hand aus. "Ich bin übrigens Justin Cooper." Molly ergriff die Hand und ihr Lächeln wurde breiter. Dieser Justin war wirklich nett. "Du kannst gerne mit mir und meinen Freunden morgen frühstücken, wenn du noch niemanden hast, mit dem du essen willst", schlug er vor.
Molly nickte dankbar. Das war bestimmt nicht so armselig, wie bei ihrer fast drei Jahre älteren Cousine zu sitzen. Auch wenn sie es nur gut meinte. Justin schien nur ein oder höchstens zwei Jahre älter als sie zu sein.
"Okay", stimmte Molly erleichtert zu. "Aber ..." Sie traute sich kaum zu fragen, weil Justin sowieso schon so nett gewesen war, aber vielleicht würde er ihr ja trotzdem helfen. Sie deutete auf den Brief. "Ich würde den gerne vor dem Frühstück verschicken, aber ich weiß nicht, wo die Eulerei ist."
"Kein Problem. Ich steh gerne früh auf", sagte er leichthin. "Ich zeig sie dir."
Und so hatte Molly ihren ersten Freund in Ravenclaw gefunden. Mit elf wusste sie natürlich noch nicht, dass er einmal viel mehr für sie sein würde als nur ein guter Freund. Ihm war es zu verdanken, dass sie in den ersten Tagen in Hogwarts nicht todunglücklich war. Seine Freunde nahmen sie beim Frühstück bereitwillig in ihren Kreis auf und bald darauf hatte sie sich auch mit den Mädchen in ihrem Schlafsaal angefreundet. Schnell sah sie ein, dass ihre Cousinen und Cousins Recht hatten und sie auch in Ravenclaw glücklich werden konnte, aber so richtig wohl fühlte sie sich erst, als ein paar Tage nach der Einschulung die Eule von ihrem Dad vor ihr landete und ihr das Beinchen, an dem ein Brief festgebunden war, hinstreckte.
Liebe Molly,
deine Mutter und ich sind sehr stolz auf dich. Ravenclaw ist ein ehrbares Haus und du passt dort perfekt hinein. Ich bin mir sicher, dass du dort glücklich wirst. Dort gibt es bestimmt genauso viele wissbegierige Leseratten, wie du eine bist, mein Schatz.
Deine Großmutter hat vor Freude sogar angefangen zu weinen und ich denke, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass du zu Weihnachten einen Pullover mit einem Adler bekommen wirst. Auch dein Großvater hat mich gebeten, dir mitzuteilen, dass er sehr stolz auf dich ist und Ravenclaw für eine fantastische Wahl für dich hält. Wie wir alle. Alle anderen Häuser werden Ravenclaw um dich beneiden.
Ich bin sehr froh, dass du dich anscheinend schon so gut eingelebt hast. Deine Cousinen, Louis und Teddy sind bestimmt bereit, dir zu helfen, wenn du irgendwelche Fragen haben solltest und dich nicht zurecht findest. Hogwarts kann am Anfang sehr verwirrend sein (ich habe auch in späteren Jahren noch die eine oder andere Überraschung erlebt, das kann ich dir versichern).
Lern fleißig und mach keinen Ärger, meine Große.
In Liebe,
Dein Vater Percy
PS: Deine Mutter und Lucy lassen dich herzlich grüßen, so wie der Rest der Familie. In ein paar Tagen bekommst du einen ausführlicheren Brief, wenn ich mehr Zeit habe und die neue Bestimmung für Fliegende Teppiche endlich verabschiedet worden ist.
"Siehst du, ich hab's dir doch gesagt", sagte Justin grinsend, der den Brief unbemerkt mitgelesen hatte.
Molly nickte. "Ja, hast du."
Ihr Dad würde sie nicht verlassen. Er hatte sie lieb und war stolz auf sie und der Rest der Familie auch. Es würde alles gut werden.
Sie war eine Ravenclaw. Und im Laufe der Jahre hatte sie gelernt, wirklich stolz darauf zu sein. Sie hätte es nicht anders haben wollen.
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A/N: Ich hoffe, euch hat der Einblick in die Welt der elfjährigen Molly gefallen.
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