von Laurien87
Kapitel 10
Am nächsten Morgen war Liz wie gerädert. Als sie im Badezimmer in den Spiegel sah und ihre rotunterlaufenden Augen sah, schüttelte sie den Kopf. Sie war verspannt von der Nacht in den Kerkern, übermüdet und fühlte sich hässlich und abgelehnt. Ein paar Minuten starrte sie ihr Spiegelbild an, dann schlug sie energisch mit der Hand auf den Rand des Waschbeckens. „So eine verdammte Scheiße!“, fluchte sie laut. Das war doch nicht sie! Dieser offenbar völlig soziopathische Tränkemeister hatte ihr zwar die Nacht gekostet, aber sie wusste, dass sie stark sein konnte. Wenn er glaubte, sie würde jetzt wie ein Teenager Tagebücher mit selbstmitleidigen Liebesbekundungen füllen, hatte er sich getäuscht. Wütend starrte sie in den Spiegel, drehte den Wasserhahn auf und wusch sich ihr Gesicht mit eiskaltem Wasser. Schon viel besser! Dieser menschenfeindliche Tränkepanscher konnte ihr sowieso erstmal gestohlen bleiben. Sie hatte heute wirklich wichtigere Dinge zu tun, als sich mit seinen männlichen Befindlichkeiten zu beschäftigen, dachte sie und stieg unter die Dusche.
Als Elizabeth zum Frühstück in die große Halle kam, war Severus Snape nicht da. Und im selben Moment, in dem sie das dachte, ärgerte sie sich darüber, dass es ihr sofort auffiel. Das klappte ja schon super mit der Nichtbeachtung. Liz nahm Platz und stocherte etwas lustlos in ihren Cornflakes herum.
Auch Minerva McGonagall merkte recht bald, dass die junge Kollegin heute Morgen einsilbig war. Milde lächelnd beobachtete sie Elizabeth. Sie hatte heute etwas Trotziges an sich. Das war vielleicht die richtige Grundhaltung, um in ihre abendliche Verabredung zu gehen, dachte die alte Verwandlungsmeisterin bei sich. Selbstverständlich hatte Dumbledore sie noch am vorigen Abend in die Pläne bezüglich Malfoy eingeweiht. McGonagall war zwar ebenso besorgt wie der Schulleiter, sah aber auch die möglichen Vorteile für den Orden. Und – genau wie Dumbledore – fand sie Gefallen an der Vorstellung, dass Snape und Elizabeth dabei eng zusammenarbeiten sollte. Dumbledore hatte verschmitzt gelächelt, als er erzählt hatte, wie schwer es dem Tränkemeister gefallen war, seine übliche Ablehnung auszudrücken, als er ihn anwies, sich mit Elizabeth zu treffen. Sofort hatte er gemerkt, dass Snape etwas an der jungen Frau gefiel. Und das musste in seinen Augen dringend gefördert werden. Immerhin hatte Dumbledore selbst seit Jahren ein schlechtes Gewissen, dass Snape sein Leben für den Orden aufgab und alle persönlichen Belange mittlerweile seiner Spionagetätigkeit weit unterordnete. Das war kein Leben für einen Mann in seinem Alter. Und wenn Snape einmal Anstalten machte, einen anderen Menschen etwas näher an sich heranzulassen, empfand es Dumbledore als seine Pflicht, das zu fördern. Minerva seufzte. Das war sicherlich ein weiter Weg, aber auch sie würde den Tränkemeister gerne einmal glücklich sehen. Die Schuld, die er auf sich geladen hatte, war mehr als abgegolten und es gab keinen Menschen, der diese absolute Selbstaufgabe mehr von ihm verlangte. Außer vielleicht Sirius Black, aber das hatte andere Gründe. Also war es nur noch Snape selbst, der sich zu dieser immerwährenden Selbstgeißelung zwang, die in Minervas Augen dringend ein Ende haben musste.
„Nun, meine Liebe, war ihr gestriger Abend mit Professor Snape einigermaßen erfolgreich?“, versuchte sie doch noch einmal ein Gespräch. Elizabeth schaute hoch und ihre Augen blitzten wütend auf.
„Professor Snape war äußerst erfolgreich darin, mir zu verdeutlichen, wie viel einer weiteren Zusammenarbeit im Weg steht. Wenn das für Sie eine ausreichende Antwort ist“, knurrte sie.
Ach, Severus, dachte Minerva McGonagall, es war also noch ein sehr weiter Weg.
Nach dem Frühstück, zudem Snape gar nicht erst erschienen war, erhob sich Elizabeth und ging durch das Eingangsportal hinaus in die frische, sommerliche Morgenluft. Ein Spaziergang würde ihr jetzt guttun, ihren Kopf frei machen und sie in die Lage versetzten, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Sie hatte gerade einige Schritte durch den Morgen in Richtung See gemacht, da hörte sie auf einmal eine ihr bekannte Stimme.
„Elizabeth! Guten Morgen!“, Remus Lupin kam flotten Schrittes den Weg vom Tor hinauf und winkte ihr freundlich zu.
Elizabeth strahlte. Genau das brauchte sie jetzt! Jemanden, der einfach ehrlich nett, zuverlässig und empathisch war.
„Remus, was machst du denn hier?“, fragte sie lächelnd und ließ sich von ihm zur Begrüßung umarmen.
„Du wirst es kaum glauben, aber ich übernehme hier für ein paar Wochen eine Vertretungsstelle. Professor Dumbledore hat mich für ein paar Wochen als Lehrer für Pflege magischer Geschöpfe eingestellt.“
Elizabeth musste grinsen: „Ach, Pflege magischer Geschöpfe… Dabei hatte ich immer den Eindruck, dass du einmal im Monat besonders gepflegt werden musst!“
Er tat beleidigt und bemerkte dann: „Also, man kann mir aber nun wirklich keine mangelnde Tierliebe vorwerfen. Es kommt sogar vor, dass ich sie zum fressen gerne habe.“ Seine Augen blitzten schelmisch.
„Ach Remus, ich bin so unendlich froh, dass du da bist. Ich kann wirklich ein paar aufbauende Worte gebrauchen.“
Remus sah sie besorgt an: „Was ist denn los, Miss America? Was hast du für ein Problem?“
„Ein schwarzes“, seufzte sie, „ein großes, schwarzes, grausames Problem!“
Nachdem Elizabeth Remus bei einem ausgiebigen Spaziergang von den Ereignissen der letzten Nacht erzählt hatte, ging es ihr schon um einiges besser. Er brachte sie zu ihren Räumen und Liz beschloss, sie noch einmal hinzulegen, um am Abend auch wirklich ausgeruht zu sein. Wachsamkeit und Auffassungsgabe würden wahrscheinlich ihre wichtigsten Waffen sein, wenn sie sich mit Malfoy traf.
Tick tick tick… Elizabeth öffnete verschlafen ein Auge. Sie blickte auf die Uhr. Es war eine Stunde vergangen und bald sollte es Mittagessen geben. Tick tick tick. Da hörte sie wieder das Geräusch, was sie offensichtlich geweckt hatte. Auf der Suche nach der Quelle des Geräusches glitt ihr Blick durch den Raum. Tick tick tick. Eindeutig! Es kam vom Fenster. Schnell rappelte Liz sich auf und öffnete es. Auf dem Sims saß eine große und imposant wirkende Adlereule. An ihrem Bein hing ein zusammengerollter Zettel, den Liz vorsichtig löste.
Gnädigste Miss Ashford,
ich freue mich außerordentlich auf den
heutigen Abend. Ich werde Sie um 7 Uhr
am Eingangstor der Ländereien
von Hogwarts treffen.
Hochachtungsvoll
L.M.
Elizabeth lächelte. Dieser Mann hatte auf jeden Fall eine Ahnung davon, wie man sich zuvorkommend und nobel ausdrückte. Wenn es nicht so gefährlich wäre, hätte Liz dem heutigen Abend mit gespannter Erwartung entgegen gesehen. Sie zog eine Schublade ihres Nachttischs auf und zog einen kleinen Keks hervor, den sie der Eule anbot. Sie beobachtete das stolze Tier beim Fressen. Selbst dieser Vogel hatte etwas Überhebliches und Arrogantes an sich, dachte sie und musste schmunzeln.
Der Nachmittag verging wie im Flug. Beim Essen – zudem Snape erneut nicht aufgetaucht war – hatte sie mit Remus geplaudert. Dann hatte sie mit ihm den Plan für den Abend besprochen und sich anschließend alleine in ihre Räume zurückgezogen. Sie wollte, dass alles perfekt war für ihr Date. Während sie ihre Haare frisierte, Makeup auflegte und einen Duft auflegte, von dem ihr die Verkäuferin in der Winkelgasse gesagt hatte, er verbinde die Frische und Jugend einer Blume mit dem betörenden Duft eines natürlichen Lockstoffes. Warum sie überhaupt so etwas besaß, war ihr eigentlich schleierhaft, aber für diesen Abend schien es genau das Richtige zu sein. Als sie nach zwei Stunden im Bad und vor dem Schrank im Schlafzimmer fertig war, sah sie sich zufrieden im großen Spiegel an.
Elizabeth trug das Kleid, das schon am Vortag bei Snape ganz offenbar seine Wirkung nicht verfehlt hatte. Im Ausschnitt war die Spitze ihres BHs zu erahnen. Dazu hatte sie eine Strumpfhose mit einer dünnen schwarzen Naht angezogen, die sich hinten von ihrem Oberschenkel bis zum Knöchel zog. Dazu hatte Liz ihre Lippen tiefrot geschminkt, sodass sie sich verführerisch von ihrer hellen Haut abhoben. Alles in allem war sie durchaus zufrieden. Das Outfit sah kokett aus, ließ aber Spielraum für eine eher naive und unschuldige Darstellung.
Um 10 vor 7 machte sich Elizabeth auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt am Rande der Ländereien von Hogwarts. Als sie durch das große Eingangsportal lief, hallte das Klacken ihrer Absätze von den Wänden wieder. Draußen umfing sie die noch immer sommerliche Abendluft. Die Sonne stand schon etwas tiefer und ließ das Wasser des großen Sees golden funkeln. Elizabeth merkte, wie langsam die Aufregung in ihr stieg. Was der Abend wohl bringen würde? Mittlerweile und auch durch die Gespräche mit Lupin hatte sie ihre Angst vor Malfoy weitestgehend verloren. Sie hatte sich fest vorgenommen, sich von seinem machtvollen auftreten nicht beeindrucken zu lassen. Remus war davon überzeugt, dass Malfoy nicht vorhatte, sie umzubringen. Ganz im Gegenteil traute er Elizabeth durchaus zu, den Todesser um den Finger zu wickeln und langsam begann sie selbst daran zu glauben.
Elizabeth bemerkte nicht, dass sie von zwei schwarzen, durchdringenden Augen beobachtet wurde, während sie zum Hauptportal der Ländereien ging.
Und als sie das Tor beinahe erreicht hatte, apparierte der blonde Zauberer auf der anderen Seite der Pforte. Jetzt geht es los, dachte Elizabeth und setzte ein schüchternes Lächeln auf.
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