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Kritik zu Harry Potter und der Halbblutprinz

von Marc

Harry Potter und der Halbbutprinz fängt genau da an, wo sein Vorgänger, der Orden des Phönix, aufgehört hat: Im Zaubereiministerium, kurz nach Sirius' Tod im Kampf um die Prophezeiung und Dumbledores und Voldemorts Aufeinandertreffen.

Die Fotografen, die Harry und Dumbledore belagern, die Musik, die das Blitzlichtgewitter begleitet und das nur langsam fokussierende Bild - beeindruckender hat noch kein Harry-Potter-Film begonnen.

Szene aus Trailer 3 Kurz danach geht auch schon die Action los. Drei Todesser brechen aus einem Sturm über London hervor und fliegen rasend schnell durch die Straßen von Englands Hauptstadt bis in die Winkelgasse und greifen an. Die Explosion von Ollivanders Zauberstabladen und seine anschließende Entführung hat etwas Berunruhigendes an sich wie von einem Terroranschlag. Anwesende Zauberer und Hexen schnellen davon oder liegen am Boden, während die Todesser sich schon wieder davon gemacht haben, um über der Themse gleich eine ganze Brücke zum Einsturz zu bringen.

Und spätestens hier fällt wieder auf: Die Harry-Potter-Filme werden für Kinder gemacht. Eine voll besetzte Fußgänger-Brücke wird binnen von Sekunden von Zauberern zerstört, die sich nicht weniger um das Schicksal der auf ihr laufenden Muggel scheren könnten, aber trotzdem kommen diese Szene aus Trailer 3 mit nicht mehr als dem Schock davon. Nicht ein einziger fällt in den Fluss oder wird von den reißenden Drahtseilen erfasst.

Zwar ist Harry Potter 6 durchaus düsterer als seine Vorgänger, aber in allen Momenten, in denen es um Leben und Tod geht, wird dieses Potenzial nie wirklich ausgenutzt.

Wenn ein hilfloser Harry von den Inferi angegriffen wird, schwenkt die Kamera in entscheidenden Momenten viel zu schnell weg. Und obwohl Harry schlussendlich im Würgegriff von einem unter Wasser gezogen wird, ist sofort Dumbledore zur Stelle, der nur Feuer verschleudern muss und alles ist wieder gut.

Mehr Dramatik und mehr Emotionen hätte dem Film nicht nur hier gut getan und ihn viel spannender, aufwühlender und weniger vergesslich gemacht. Ich will nach einem Kinobesuch beeindruckt sein, am besten völlig hin und weg, nicht von den Effekten (die - wenn sie gut sind - gar Szene aus Trailer 3 nicht auffallen sollten), sondern von den Gefühlen, die ich beim Schauen hatte. Leider hat Harry auch relativ wenige Probleme Dumbledore den Trank in der Höhle zu verabreichen, der das Medaillon beschützt. Zu kurz beklagt er sich und zu leicht kann Harry ihm das Wasser dann doch wieder einflößen.

Immerhin haben es die Filmemacher geschafft, dem Film an sich ein wenig die Atmosphäre aus dem Buch zu verleihen, dass man nirgendwo mehr vor den Todessern sicher ist und die Zauberergemeinde nach Voldemorts Aufstieg in Angst und Schrecken lebt - hauptsächlich durch die mehrfachen Anschläge auf Dumbledore und auch den Fuchsbau.

Szene aus Trailer 3 Die besessene Katie Bell, die - vom Fluch der Kette ergriffen - in der Luft umhergewirbelt wird. Die hilflose Molly Weasley, die zusieht wie ihr zu Hause, der Fuchsbau, nach dem Anschlag der Todesser verbrennt - ihr Gesicht erhellt von den Flammen. Der ungläubige Harry, auf dessen Gesicht in Slughorns Haus ein Tropfen Feuchtigkeit fällt, bevor er nach oben sieht und erkennt, dass Blut von der Decke tropft. Der am Boden liegende Malfoy, dessen weißes Hemd sich unter seinem Stöhnen immer mehr mit seinem eigenen Blut vollsaugt. Und der zuckende Ron Weasley, aus dessen Mund nach seiner Vergiftung Schaum trieft.
Alle diese Bilder bleiben einem im Kopf, weil sie verdeutlichen, wie sehr Voldemort die Zaubererwelt terrorisiert.

Und obwohl die Filmemacher also verstanden haben, dass die Zeiten in Harrys Welt sich geändert haben, hat es sie nicht davon abgehalten, den Film kindgerecht zu entschärfen (Seamus Finnigan muss natürlich beim Zaubertrankbrauen wieder eine Brandverletzung erleiden, ganz zur albernen Freude Dean Thomas'). Eine getreue Umsetzung des Buches in einen Film hätte ansonsten zweifellos keine Jugendfreigabe zu Folge gehabt - das kann man dem Firmen-Portemonnaie natürlich nicht antun.

Für mich ist Harry Potter 6 trotzdem der bisher beste Film der Reihe, nachdem ich mit dem Orden des Phönix aus dem oben genannten Grund noch weniger zufrieden war. Im Halbblutprinzen, für Harry im Grunde nur ein Jahr lang Unterricht über Voldemort, taucht wenigstens kein dunkler Lord persönlich auf und auch Todesser duellieren sich nicht auf Leben und Tod. Demnach geht alles schon im Buch ein wenig kindgerechter zu als sonst.

All die Hormone und Techtelmechtel im Halbblutprinzen helfen natürlich auch, dem Film etwas von seiner düsteren Stimmung zu nehmen. Es flirten Szene aus Trailer 3 oder knutschen: Harry und eine Bahnhofscafe-Kellnerin. Ginny und Dean. Ron und Lavender. Hermine und Cormac. Harry und Ginny. Ron und Hermine. Wer jetzt befürchtet, dass Liebe im Halbbutprinzen Überhand nimmt, keine Angst, sie bleibt gerade noch erträglich. Es ist sogar ganz lustig mit anzusehen wie sich die Charaktere beim Erobern der Herzen ihrer Mitschüler anstellen (oder sich dagegen wehren) und wie sie mit den Beziehungen ihrer Freunde umgehen. Hermines Worte "Excuse me, I have to go and vomit!" beim Anblick von Ron und Lavender sprechen Bände und bilden eine der amüsantesten Szenen des Films.

Jessie Cave spielt Lavender dabei so brilliant übertrieben verliebt in Ron, dass man sich fragt, ob sie überhaupt noch klar denken kann. Aus dem Trio selbst sind Emma und Rupert dieses Mal klar die besseren Schauspieler, letzterer vor allem unter Einfluss des Liebestranks von Romilda Vane und in der Szene, in der ihm nach Trinken von Slughorns Gegenmittel das klar wird. Daniel hinkt etwas hinterher, was besonders deutlich wird, wenn er um den toten Dumbledore weint... oder es versucht, besser gesagt.

Viel nerviger jedoch ist Luna Lovegood, was wohl weniger an Evanna Lynchs Schauspieltalent liegt als dem Willen des Drehbuchautors. In den Büchern ist sie zwar verrückt, aber trotz allem eine gute Freundin. Im Halbblutprinz-Film ist sie bis auf das Ende, wo ihr in Angesicht des toten Dumbledore schweigend eine Träne über die Wange läuft, einfach nur nervig.

Szene aus Trailer 3 Absolut fantastisch dagegen sind Hero Fiennes Tiffin und Frank Dillane, die den jungen Voldemort verkörpern. Abgesehen davon, dass sie sich so ähnlich sehen, dass man ihnen ohne Weiteres abnimmt, sie spielen die jeweils ältere und jüngere Version voneinander, gibt vor allem Frank einen restlos überzeugenden Tom Riddle ab. Auf einen besseren hätte die Wahl hier nicht fallen können.

Bei den erwachsenen Schauspielern ist vieles beim Alten und daher bewährt gut, ob Maggie Smith als Minerva McGonagall oder Alan Rickman als Severus Snape. Erfreulicherweise ist auch Gemma Jones als Madam Pomfrey zurück - ansonsten müssen wir auf einige der alten Lehrer verzichten. Nur Warwick Davis (Flitwick), Robbie Coltrane (Hagrid) und natürlich Michael Gambon (Dumbledore) sind noch mit dabei.

Negativ fällt nur Dave Legeno als Fenrir Greyback auf, da er nicht einmal halb so mörderisch rüberkommt wie im Buch beschrieben. Jim Broadbent spielt bis auf ein komisches Augenbrauenzucken, das wohl Teil seines Charakters sein soll, seine Rolle als Horace Slughorn einwandfrei.

Szene aus Trailer 3 Die Drehorte und Sets in diesem Film sind ohne Ausnahme umwerfend. David Yates schafft es wie nie zuvor, Hogwarts als einen einzigen Ort zu vermitteln und nicht als viele kleine einzelne, die zusammengesetzt werden. Selbst das Gewächshaus aus der Kammer des Schreckens hat wieder einen kleinen Auftritt.

Nur was nützt das alles, wenn die Story, die darin statt findet, zu wünschen übrig lässt? Fans der Bücher werden auch dieses Mal enttäuscht sein über ausgelassene Dinge oder geänderte Abläufe denn auch im Halbblutprinzen wurde einiges weggelassen oder gar hinzugefügt (Anschlag auf das Haus der Weasleys).

So findet zum Beispiel nicht Tonks Harry nach seiner Konfrontation mit Draco im Hogwarts-Express, sondern Luna. Und Dracos Leidensweg als frischer Todesser mit der schweren Aufgabe, Dumbledore zu töten, ist fast gar nicht nachzuvollziehen. Die meisten seiner Szenen beschränken sich auf seine Versuche, das Verschwindekabinett im Raum der Wünsche zum Einbruchswerkzeug in Hogwarts zu machen. Erst probiert er es mit einem Apfel, dann einem Vogel und später sind dann die Todesser dran - das Ganze erweckt den Eindruck man müsse mit solch dunkler Magie nur ein wenig herumspielen bis es irgendwann klappt, in diesem Fall sogar schon beim dritten Versuch. Aber dass Malfoy unter der ihm vom dunklen Lord aufgetragenen Aufgabe leidet und es ihm mehr als schwer fäll, ein Todesser zu sein, wird nicht deutlich.

Nur in einer Szene wird der Druck für ihn zu groß und er flüchtet auf die Toilette und weint. Das allerdings komischerweise obwohl er weiß, dass Harry ihm auf den Fersen ist - nicht gerade glaubwürdig.

Am enttäuschendsten von allem aber ist das Ende des Films. Sobald die Todesser sich Zugang zu Hogwarts verschafft haben, geht alles viel zu schnell und abgehackt. Malfoy bedroht Dumbledore, die Todesser tauchen auf, Malfoy zögert und dann erledigt Snape halt den Job. Von Szene aus Trailer 3 Spannungsaufbau kann hier überhaupt keine Rede sein. Die emotionalste Szene des gesamten Buchs, der Mord an Dumbledore, wird einfach so abgehandelt, geradezu nüchtern. Dumbledore stürzt über das Geländer den Turm hinab, aber den Fall selbst sieht man nicht. Harry kümmert der Tod seines Mentors scheinbar genau so wenig wie die Todesser, die als nächstes Richtung Hagrids Hütte flüchten, die Bella prompt in Brand setzt (aber von Hagrid keine Spur).

Zwar folgt Harry ihnen, um Snape anzugreifen, aber gegen diesen hat er natürlich keine Chance. Und obwohl Harry sich am Boden windet und Snape beschimpft... für den Zuschauer wirkt das alles viel zu weit weg. Kein Hass, kein Schock, keine Trauer. Kein Verlust und keine Wut. Von all diesen Dingen, die in dem Moment durch Harrys Kopf gehen müssten, kommt nichts rüber.

Einzig und allein wenn sich die Schüler und Lehrer später um Dumbledores Leiche versammeln und zusammen das Dunkle Mal vertreiben, ihre Zauberstäbe in den Himmel gestreckt, fühlt man den schwer wiegenden Verlust Dumbledores. (Dabei sieht Dumbledore so aus als hätte er sich einfach Schlafen gelegt anstatt von einem meterhohen Turm zu fallen.) Aber auch hier ruinieren die Filmemacher wieder den Moment der Trauer und das Potenzial, Emotionen beim Publikum zu wecken, indem sie gleich zur nächsten Szene übergehen.

Woher die Charaktere nach Dumbledores Tod von einer Minute auf die andere die Motivation nehmen, über Beziehungen zu sprechen und sich zu amüsieren, ist mir schleierhaft. Was ist so falsch an einem Ende, dass ist, wie es ist: Erschütternd nach Snapes scheinbarem Verrat, traurig angesichts des Todes des größten Zauberers aller Zeiten und nahezu aussichtslos im Hinblick auf Harrys Aufgabe, alle Horkruxe zu finden? Muss in der kindlichen Kinowelt von Harry Potter alles immer heruntergespielt werden? Scheinbar ja.

Bleibt nur zu hoffen, dass die nächsten beiden Filme die düstere Stimmung des Halbblutprinzen nicht wieder verlieren und zusätzlich endlich auch mal einen so bewegenden Film schaffen, dass ich zwischen sich-am-Kinositz-Festkrallen und Taschentuch-Auswringen aus dem Staunen nicht mehr herauskomme.

Und insofern hatte das Warten auf Harry Potter 6 als eigentlichen Weihnachtsfilm ja. Dadurch, dass Harry Potter und der Halbblutprinz jetzt ein Sommerblockbuster ist, müssen wir wenigstens nicht so lange auf den nächsten Potter warten. Harry Potter 7.1. soll im November 2010 ins Kino kommen.

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Susanne Gaschke, Die Zeit