Pairing: Severus Snape/Gilderoy Lockhart, gewünscht von irm63
31. Flucht nach vorne
Severus Snape starrte missmutig auf die Wand des Lehrerzimmers, wo dunkle Flecke, die Filch nicht ganz hatte entfernen können, noch von der Explosion von Flitwicks Tintenfass letzte Woche kündeten, und versuchte, das Drama auf dem Tisch vor sich zu vergessen. Die Zweitklässler hatten soeben ihre letzte Hausaufgabe vor den Weihnachtsferien eingereicht, und wie zu erwarten gewesen war, waren die Ergebnisse ein einziges Desaster. Besonders Potter und Longbottom hatten sich wieder einmal durch besondere Dummheit hervorgetan und es geschafft, aus den wunderschönen, eleganten Zaubertränkerezepten, die er sie im Unterricht gelehrt hatte, entstellte Gebräue zu machen, die wahrscheinlich nicht einmal dazu gut waren, um den Putz von den Mauern zu ätzen. Seufzend zog er mit roter Tinte einen ausladenden Strich über Longbottoms ganzen Aufsatz, und anstatt einen längeren, beißenden Kommentar darunter zu schreiben, der an den Jungen ohnehin verschwendet wäre, weil er zwei linke Hände und kein Gehirn hatte, beließ er es bei ein paar simplen Worten, die vielleicht sogar diesem Idioten klar machen würden, wie unzufrieden er mit seiner Leistung, oder eher Nicht-Leistung war. Zehn Punkte Abzug für Gryffindor.
Gerade als er sich Potters Aufsatz zuwenden und ihm eine ähnliche Behandlung angedeihen lassen wollte, schlug die Tür des ansonsten vollkommen leeren Zimmers hinter ihm auf und Professor Lockhart rauschte in einer Wolke aus blondem Wallehaar und billigem Parfum, das seine tränkegeschulte Nase beleidigte, herein. Severus fluchte innerlich – er konnte Lockhart schon seit dem Moment nicht leiden, in dem Dumbledore ihn in den Sommerferien dem Kollegium als neuen Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste vorgestellt hatte, und das nicht nur, weil der inkompetente Vollidiot auf genau dem Posten saß, den Severus sich gewünscht hätte. Nein, Gilderoy Lockhart war einfach genau der Typ Mensch, den Severus nicht leiden konnte... der, der meinte, alle Welt wäre ihm wohlgesonnen und er wäre das größte Geschenk an die Menschheit, seit die ersten Zauberer vor zehntausend Jahren ihre magischen Fähigkeiten entdeckt hatten.
„Severus, mein Freund, warum sitzen Sie hier so alleine? Das Kollegium trifft sich doch in Professor Flitwicks Büro zum Kaffeetrinken, warum sind Sie denn nicht dort?“
Severus musste die Zähne zusammenbeißen, so viel an dieser Aussage regte Widerspruch in ihm, oder eher den Drang, Lockhart seinen eigenen Zauberstab schlucken zu lassen, nachdem er ihn mit ein paar der widerlichsten Flüche, die er kannte, belegt hatte. Eine ganze Reihe von Antworten schoss ihm durch den Kopf, von Ich bin ganz sicher nicht Ihr Freund, über Sehe ich so aus, als würde ich mich brennend für soziale Interaktion interessieren? und ein schlichtes Verpissen Sie sich einfach! bis hin zu Ficken Sie sich ins Knie! Nachdem allerdings jede dieser Antworten seine anderen Probleme mit Lockhart an den Rand gedrängt hätte und der Mann seinen Protest wahrscheinlich ohnehin ignoriert hätte, wandte er sich nur wieder seiner Korrektur der Zweitklässler-Aufsätze zu und zog Potter für seine grauenvolle Arbeit gleich satte dreißig Punkte ab.
„Severus? Haben Sie mich überhaupt gehört?“ Abwesend fragte er sich, wann er Lockhart eigentlich erlaubt hatte, seinen Vornamen zu benutzen – wahrscheinlich gar nicht – und beugte sich tiefer über sein Pergament. Doch alle seine Bemühungen, Lockhart zu ignorieren, nutzten nichts, der andere Mann kam auf ihn zugegangen, nachdem er irgendetwas aus seinem Schrank am anderen Ende des Lehrerzimmers geholt hatte, und lehnte sich schließlich direkt neben ihm an den Tisch, um neugierig auf das Pergament vor ihm hinuntersehen zu können. „Oh, die Arbeit des überaus brillianten Mr Potter – in dem jungen steckt ein Potenzial, das wahrscheinlich außer mir noch niemand gesehen hat.“
Die Vorlage war zu verführerisch, als dass er sie hätte ignorieren können, und so legte er seine Feder zur Seite und sah zu Lockhart auf. „In der Tat. Die Ehre, Mr Potters Potenzial zu entdecken, gebührt ganz Ihnen – ich habe sicherlich noch nichts davon in dem Jungen gesehen.“
Bildete er es sich ein, oder konnte er Lockhart gerade unter seinem himmelblauen Zaubererhut mit einer obszön großen Feder darauf erröten sehen? Bitte nicht... „Das ist wirklich ganz wundervoll von Ihnen, dass Sie das sagen, Severus, aber ich bin sicher, in Ihrer Genialität haben Sie schon in dem Moment, in dem der Junge zum ersten Mal Ihr Klassenzimmer betrat, sein Talent erkannt... ich weiß doch, was Sie für einen Blick für sowas haben!“
Sein Sarkasmus war offensichtlich vollkommen an Lockhart abgetropft – wenn er ehrlich war, hatte er auch nichts anderes erwartet, sehr zu seinem Leidwesen – und er warf einen Blick auf den einen, noch verbleibenden Aufsatz auf seinem Stapel. Es war der von Hermine Granger, ein wie immer Monster von einem Text, das er sich, wie üblich, bis ganz zum Schluss aufgehoben hatte, weil er nach einem ihrer Essays nicht mehr die geringste Lust verspürte, die Werke ihrer Klassenkollegen zu lesen. Eigentlich sollte er sich jetzt noch gute zwanzig Minuten damit beschäftigen, aber zwanzig weitere Minuten in der Gesellschaft von Lockhart... nein, das würde er nicht aushalten. Und der Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste machte, trotz seines vorherigen Hinweises auf das Kaffeekränzchen bei Flitwick, das in ein bis zwei Stunden wahrscheinlich in eine feuchtfröhliche Party ausarten würde, keine Anstalten, sich wieder zu den anderen Kollegen zu trollen und ihn in Ruhe zu lassen.
Er streckte die Hand aus, um nach Grangers Aufsatz zu greifen, doch Lockhart kam ihm zuvor und rollte das ellenlange Stück Pergament auf. „Oh, ein Aufsatz von der charmanten Miss Granger... hat alle meine Bücher ganz ausführlich gelesen, das Mädchen, wirklich vorbildlich.“
Severus schnaubte. „Ich bin mir sicher, sie kann die Schlüsselstellen sogar zitieren und murmelt sie manchmal im Schlaf vor sich hin...“
„Wirklich?“ Lockhart starrte ihn mit einem ehrlich erfreuten Gesichtsausdruck an, der in Severus einen Würgreiz weckte, den er sogar in all seinen Jahren der Arbeit für den Dunklen Lord nicht gespürt hatte. „Aber bei einem so ausgezeichneten Werk wie meinem lässt es sich natürlich nicht vermeiden, dass bestimmte, entscheidende Stellen besser im Gedächtnis bleiben als andere... wenn ich da nur an Tanz mit einer Todesfee denke...“ Er machte ein paar Schritte zurück und richtete sich auf, bevor er die Augen schloss und sich theatralisch die Hand auf die Brust legte. „Die Angst schoss mir durch den Körper, bis ich zu zittern begann, aber trotzdem hielt ich meinen Zauberstab fest ergriffen und trotzte den widerspenstigen Gefühlen, die meinen Kampf gegen die grausame Kreatur zu sabotieren drohten. Selbst im Angesicht des Todes gelang es mir schließlich, die Fassung zu bewahren, und...“
Severus packte Grangers Aufsatz, den Lockhart unbeachtet auf den Tisch hatte fallen lassen, als sich die Gelegenheit ergab, aus einem seiner grausamen Machwerke zu zitieren, und rollte ihn hastig auf, bevor er nach seiner Feder griff. Er hatte zwar kein Wort davon gelesen, aber Grangers Aufsätze waren ohnehin alle gleich, und er kritzelte ein paar generische Sätze darunter, während er ignorierte, wie Lockhart aus seinem Buch zitierte, die Augen noch immer geschlossen. Den Müll, den er redete, konnte er ignorieren – immerhin gelang ihm das auch jeden Tag mit dem belanglosen Gequassel seiner Schüler und vor allem Schülerinnen – und er war erleichtert, dass Lockhart wenigstens von ihm abgerückt war und nicht mehr praktisch auf seiner Schulter hing. Wer auch immer dieses Parfum gemischt hatte – er konnte, selbst wenn er sich bemühte, es nicht zu beachten, gleichzeitig Vanille, Moschus, Sanddorn, Apfelblüten, Heu und einige andere, weniger appetitliche Zutaten riechen – hatte keine Ahnung von seinem Job und versehentlich sogar ein paar Ingredienzien benutzt, die zusammen sehr unerwartete Wirkungen entfalten sollten, wie beispielsweise Ausschläge.
Der Gedanke an Lockhart, der mit juckenden, lila Pusteln im Gesicht vor gar nicht mehr so schmachtenden Schülerinnen unterrichtete, heiterte seine Stimmung momentan auf, während er seine Sachen packte und die Pergamentrollen, die ihm die Zweitklässler in die Hand gedrückt hatten, zusammensammelte. Lockhart war immer noch abgelenkt von seiner theatralischen Pose und der zweifelhaften Poesie seines Buches, das noch schlechter war, als Severus nach den ersten drei Sätzen, die er über die Schulter einer Drittklässlerin hinweg gelesen hatte, vermutet hatte, und das war seine Chance, zu entkommen... und seine Gelegenheit.
Zwar hatte Dumbledore ihm ausdrücklich verboten, Flüche auf Lockhart abzufeuern – was der einzige, und wirklich der einzige Grund war, warum er es noch nicht getan hatte – aber ein kleiner Zauber nebenbei... vor allem einer, der nicht zu ihm zurückverfolgt werden konnte und Lockharts Unterricht in den nächsten Wochen vor Weihnachten um so viel spannender machen sollte, und noch dazu seinen Rückzug decken würde... konnte sicherlich nicht schaden.
Severus zückte seinen Zauberstab richtete ihn auf Lockharts Kopf, bevor er unhörbar Muffliato murmelte und am Zucken von Lockharts Augenlidern erkennen konnte, dass das unerklärliche Summen, das den Fluch charakterisierte, eingesetzt hatte. Mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht machte er sich auf den Weg zur Tür, während Lockhart noch immer monologisierte, und schlug sie mit Schwung hinter sich zu – was der Mann natürlich ebenfalls nicht bemerkte. Erst drei Korridore später, als er über einen Schleichweg schon fast in der Eingangshalle angekommen war, hörte er Schritte sehr weit hinter sich. „Severus? Wo sind Sie denn hingekommen? Severus? Sie können doch nicht einfach verschwinden, Sie haben doch die spannendste Stelle verpasst, in der die Todesfee versucht, mir...“
Das Portrait, das den Geheimgang bewachte, glitt hinter ihm wieder in seine Fassung, und Lockharts anstrengende Stimme wurde durch gnädige Stille ersetzt. Severus Snape seufzte zufrieden.
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