Pairing: Lily Evans/Bellatrix Lestrange, gewünscht von DasWindspiel
30. Ein unmoralisches Angebot
Lily Evans zog sie die Kapuze des groben Reiseumhangs tiefer ins Gesicht, als sie aus dem heftigen Winterregen in die obskure Kneipe am Rande der Nokturngasse trat, und umfasste ihren Zauberstab fester. Angst simmerte in ihrem Inneren, während sie sich, ohne nach vorne zur Bar zu gehen und zu bestellen, in eine dunkle Ecke verzog, den Blick abwechselnd auf den Eingang und die anderen Gäste gerichtet und bemüht, niemandem zu lange den Rücken zuzuwenden.
Weder James noch ihr hatte es gefallen, dass ein Kontakt des Ordens um ein Treffen mit ihr gebeten hatte, und vor allem hier, in der Nokturngasse, wo Muggelgeborene wie sie schon gelyncht worden waren, allein, weil sie es gewagt hatten, diesen Sündenpfuhl auch nur zu betreten. Aber der Informant hatte bis jetzt immer zuverlässig und akkurat berichtet, oder zumindest hatte Dumbledore das behauptet, und so wollte der Orden ihm seine Bitte, sich mit ihr zu treffen und nicht wie gewöhnlich mit Mundungus Fletcher, nicht abschlagen. Zu sehr waren sie auf Nachrichten aus dem gegnerischen Lager angewiesen, als dass sie es riskieren konnten, diesen Kontakt zu verlieren, und so hatte Lily sich unter den besorgten Blicken ihrer Freunde und besonders James' auf den Weg gemacht.
Sie seufzte innerlich, während sie sich auf eine der harten, schäbigen Bänke in einer der Nischen gleiten ließ und dort ihren Platz mit dem Rücken zur Wand einnahm. Offene Kämpfe war sie gewohnt, aber diese Heimlichkeit, die ständige Angst, gesehen oder entdeckt zu werden... dafür war sie nicht gemacht, und sie fürchtete, dass sie ihr Unbehagen mit ihrer Körpersprache nur allzu deutlich ausstrahlte. Und Unsicherheit und Angst machten sie hier zum Ziel, das war ihr in dem Moment klar geworden, als sie die Kneipe betreten und die grimmigen Gesichter der anderen Gäste gesehen hatte, genauso wie die junge Kellnerin, die vielleicht im selben Alter war wie sie und schon erschöpft und verhärmt aussah.
Lily seufzte und versuchte, ihre Schultern, die sich hart wie ein Brett anfühlten, ein wenig zu entspannen, auch, damit sie schneller reagieren konnte, sollte sich für sie die Notwendigkeit ergeben, sich zu verteidigen. Zwar wartete eine Eingreiftruppe des Ordens nur ein paar Straßen weiter darauf, dass sie sie mit ihrem Patronus herbeirief, aber in den wenigen, kritischen Sekunden, die sie brauchen würden, um zu reagieren, wäre sie auf sich gestellt... kein besonders ermutigender Gedanke. Auch wenn Lily Vertrauen in ihre Fähigkeiten als Hexe hatte und wusste, dass sie sich im Notfall auch gegen mehrere Gegner behaupten konnte, hatte sie doch zu viele ihrer Kollegen im Orden sterben sehen – gute Magier, manche von ihnen besser als sie selbst – um noch an die eigene Unsterblichkeit zu glauben.
Eine Gestalt, die, genau wie sie, einen schweren, schwarzen Umhang trug und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte, erregte am anderen Ende der Kneipe ihre Aufmerksamkeit. Wer auch immer sich darunter befand, saß an der Bar, und soweit Lily das in den Schatten unter dem dunklen Stoff erkennen konnte, blickte er oder sie sich um – ein markanter Gegensatz zu den anderen Gästen, die sich mehr auf ihre Gläser und Humpen konzentrierten und nur den einen oder anderen verstohlenen Blick auf ihre Kameraden warfen. Offensichtlich war die Gestalt die Heimlichkeit genauso wenig gewöhnt wie sie, fühlte sich in dieser Umgebung ebenso unbehaglich, und als ihr wandernder Blick schließlich Lily traf, spannte sie sich unter ihrem Umhang an.
Lily umfasste ihren Zauberstab fester und schluckte die Furcht hinunter, die aus ihrem Bauch aufsteigen wollte, während sie die andere Person dabei beobachtete, wie sie sich zwischen den Tischen und Stühlen hindurchschlängelte. Je näher sie kam, desto mehr fühlte Lily, dass hier etwas nicht stimmte, und runzelte die Stirn in dem Versuch, herauszufinden, was es war – bis ihr auffiel, dass unter dem schweren Umhang, soweit sie das eben erkennen konnte, eine Frau zu stecken schien. Zwar kannte sie den Namen ihres Informanten nicht, aber sie wusste, dass es sich dabei um einen Mann handelte, und aus ihrer Angst wurde etwas, das sie unbehaglich an Panik erinnerte. Nur mit Mühe unterdrückte sie den Instinkt, ihren Zauberstab zu heben, ihren Patronus loszuschicken und so ihre Tarnung aufzugeben, aber sie schaffte es gerade noch, sich daran zu erinnern, dass sie nicht entdeckt worden war... noch nicht. Vielleicht wollte die Frau auch nur in eine ganz andere Richtung, war auf dem Weg zu einem anderen Gast in einer der Nischen... Lilys konfuse Gedanken brachen ab, als die Gestalt im dunklen Umhang zielgerichtet auf ihren Tisch zukam und sich neben ihr in eine der Bänke gleiten ließ.
„Guten Abend.“ Mit dem Gesicht hätte Lily vielleicht nichts anzufangen vermocht, da Du-weißt-schon-wems Todesser immer Masken trugen, doch die Stimme kannte sie viel zu gut, und sie ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Bellatrix Lestrange, Sirius' Cousine, die schon viel zu oft versucht hatte, ihn zu töten... was machte sie hier? Wie hatte sie sie entdeckt? Ihre Finger fassten aus eigenem Antrieb fester nach ihrem Zauberstab, und sie hatte den Fluch schon auf den Lippen, bereit, ihn loszulassen, sollte die Todesserin einen Versuch wagen, sie anzugreifen.
„Bella.“ Sie legte so viel kalte Verachtung und Wut in ihre Stimme, wie sie nur vermochte, und trotzdem hatte sie das Gefühl, dass die Angst in ihrem Inneren hindurchschimmerte; Bellatrix' Lachen bestätigte das nur.
„Hast du dich also tatsächlich hierhergetraut?“
„Ich bin nicht hier, um mit Todessern zu sprechen“, entgegnete sie kühl, was Bellatrix nur noch mehr zum Lachen brachte, ein tiefer Laut, der hätte warm sein können, wäre der Charakter der Frau, der ihn hervorbrachte, nicht so verdorben gewesen.
„Natürlich bist du das, Evans. Was denkst du, wo euer kostbarer Kontakt seine Informationen denn her hat... oder sollte ich sagen, hatte?“
„Hatte?“ Ihr Kopf, überfordert von den Eindrücken und ihrer Angst, fand die richtige Schlussfolgerung einen Moment zu spät, als sie schon gesprochen hatte, und Bellatrix beugte sich zu ihr nach vorne.
„Hatte. Der Dunkle Lord duldet keine Verräter in seinen Reihen.“
Lily schluckte hart, als Bellatrix aussprach, was sie schon begriffen hatte, und versuchte, ihre Prioritäten neu zu sortieren. Ihre eigentliche Mission war gescheitert, der Informant, den sie hatte treffen sollen, war tot, und nun ging es nur noch darum, mit heiler Haut aus der Falle, in die sich die Kneipe unversehens verwandelt hatte, zu entkommen. Wieder spielte sie mit dem Gedanken, die Anderen zu Hilfe zu rufen, doch Bellatrix war eine der wenigen Personen, bei denen sie sich nicht zutraute, sich zu verteidigen, bis die Kavallerie kam... sie verfügte über dasselbe, gefährliche Talent wie Sirius, aber ihr fehlten die moralischen Skrupel, die ihn davon abhielten, die gefährlicheren Flüche, die er kannte, einzusetzen.
Noch bevor es ihr gelang, eine Antwort zu formulieren, fuhr Bellatrix fort, der schwere Stoff der Kapuze war nach hinten gerutscht und enthüllte schwerlidrige Augen, die vor Enthusiasmus glommen, und ein Gesicht, das hätte hübsch sein können und doch nur von Hass verzerrt wirkte. „Ja, mein Herr ist hart zu denen, die seine Ideale verraten... aber seine Diener... seine Diener belohnt er reich, kleine Evans.“
„Und alle anderen zahlen den Preis dafür.“
„Oh ja.“ Lily schluckte, als sie das kranke Feuer in ihren Augen glühen sah, dieses Glimmen, das vom Leid so vieler anderer Menschen nicht einmal berührt schien. „Aber was kümmern mich diese sich windenden Würmer? Sie sind nur Staub unter meinen Füßen... und auch du müsstest dich nicht mehr darum kümmern, wenn du die Gelegenheit nur ergreifen würdest.“
Bellatrix durchbohrte sie mit einem Blick, der fast irre wirkte in seiner Intensität, während sie überlegte, was diese kryptischen Worte meinen konnten... das, was sie bei jedem anderen gedacht hätte, konnte es nicht sein. „Warum sollte ich? Muggelgeborene werden von dir und deinesgleichen mit Füßen getreten.“
„Ja... aber bei manchen Schlammblütern ist der Dunkle Lord bereit, über ihre Herkunft hinwegzusehen, weil er ihre Talente schätzt... weil er sie in seinen Reihen sehen möchte.“ Bellatrix lächelte kalt. „Schlammblütern wie dir.“
Lily biss die Zähne heftig zusammen. „Ich bin nicht interessiert.“
„Bist du dir sicher, Evans? Dir könnte eine große Zukunft bevorstehen an der Seite des Dunklen Lords... du könntest deine bescheidenen Anfänge hinter dir lassen, genauso, wie es dein Freund, Severus, getan hat.“
Sie ignorierte den Kommentar über Severus, der noch immer stach, nach all diesen Jahren, und beugte sich nach vorne. „Und was soll ich dann tun? Gegen all diejenigen kämpfen, die mir lieb und teuer sind, nur für ein paar Brotkrumen an Macht und Einfluss, die dein Herr mir vielleicht abgeben möchte? Meine Freiheit aufgeben, um nur ein Schoßhündchen zu sein, damit ich an etwas teilhaben kann, das mir den Magen umdreht, wenn ich nur daran denke? Ich bitte dich, Bella, das kann nicht dein Ernst sein.“
Zum ersten Mal durchbrach ein anderer Ausdruck die überlegene Selbstsicherheit auf Bellas Gesicht, und Lily war überrascht, dort Verwirrung zu sehen. Doch nachdem sie einen Moment darüber nachgedacht hatte, erschien die Idee ihr nicht mehr so abwegig – Bellatrix war so davon überzeugt, auf der richtigen Seite zu stehen, so vernarrt in den Weg, den sie eingeschlagen hatte, dass sie sich nicht vorstellen konnte, wie man ihrem Herrn nicht dienen wollte. „Falls sich deine Bedenken auf Potter beziehen... auch er ist in unseren Reihen willkommen. Wie auch nicht, wo er dir doch in Talent ebenbürtig ist, und zudem noch aus einer alten, angesehenen Zaubererfamilie stammt, die ihre Linie bis zu den Peverells zurückverfolgen kann... um seine Sicherheit müsstest du dir dann keine Gedanken machen.“
Zorn verdrängte Lilys Angst, und sie beugte sich über den Tisch nach vorne und stemmte sich Bellatrix' Verachtung entgegen. „Und du denkst wirklich, jetzt, wo du hier sitzt und mir das in all deinem salbungsvollen Stolz vorschlägst, werde ich wie ein Hündchen zu deinem Herrn gekrochen kommen? Selbst für jemanden wie dich, der nur in vagem Kontakt zur Realität steht, ist das ein neuer Tiefpunkt!“ Heftig schlug sie die Hand auf die Tischplatte und hörte, wie die Gespräche in der Kneipe verstummten, als sich alle Köpfe nun ihr zuwandten und sie mit durchdringenden Blicken gemustert wurde.
Auch Bellatrix bemerkte die ungewollte Aufmerksamkeit und sah sich für einen Moment um, bevor sie sich wieder Lily zuwandte, die mittlerweile zitterte – ob vor Wut oder vor Angst, vermochte sie nicht zu sagen. „Du schlägst also unser großzügiges Angebot aus? Dummes Mädchen... du weißt nicht, was dir noch blüht. Du wirst den Preis zahlen für deine Sturheit.“
Auch wenn sie Bellatrix sonst kein Wort geglaubt hatte, dass ihre Ablehnung den Zorn des Dunklen Lords erregen musste, war ihr klar... aber es gab Dinge, die durfte man nicht für ein bisschen Macht oder Reichtum opfern, und ihre Prinzipien gehörten dazu. „Vielleicht... und vielleicht wird dein Meister dafür bezahlen, dass er versucht hat, sich zur Macht aufzuschwingen.“
Bellatrix starrte sie an, so als ob ihr dieser Gedanke noch niemals gekommen wäre, während Lily sich langsam aus der Bank schob. Die anderen Gäste hatten sich, nach der ersten, kleinen Unterbrechung, bereits wieder ihren Gesprächen zugewandt, und Lily wusste, dass sie hier nichts mehr erreichen konnte, außer Bellatrix' Temperament zu reizen, auch wenn der Gedanke verführerisch wirkte, so wütend war sie selbst.
„Oh, flieh, flieh, kleines Mädchen“, gackerte Bellatrix nun hämisch hinter ihr, und Lily hastete zum Ausgang, während hinter ihr die ersten Zauberstäbe gezückt wurden, weil die Worte der Todesserin ihre Tarnung zunichte gemacht hatten. „Und vielleicht kommst du ja doch noch angekrochen!“
Sie zuckte zusammen, als ein erster Fluch neben ihr in den Türstock einschlug, und noch während sie in Sicherheit disapparierte, fasste sie den Entschluss, dass sie das niemals tun würde, und wenn ihr Leben davon abhinge.
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