von Sam Chaucer
Der Gryffindor-Gemeinschaftsraum war von einer behaglich-trägen Stimmung erfüllt; im Kamin knisterte ein Feuer, die Vorhänge waren zugezogen, Süßigkeitenpapiere bedeckten malerisch den Boden und in einer Ecke saß ein Rudel Hauselfen in Reih und Glied und strickte unter Hermines strengem Regime Elfenhüte. Inmitten dieser Idylle hatte es sich Harry auf dem Sofa bequem gemacht, Ron zu seiner Rechten und Ginny zu seiner Linken.
Das sechste Schuljahr hatte für Harry, Ron und Hermine gerade begonnen, und so, wie es aussah, hatte sich nichts Wesentliches geändert – außer...
“Ich glaube, ich kann eine kleine Pause machen”, sagte Hermine munter und ließ sich neben Ron auf das Sofa fallen. “Diese Hauselfen, ständig muss ich sie antreiben, sie wollen einfach nicht begreifen, dass diese Hüte ihr Ticket in die Freiheit sind...”
Hinter ihrem Rücken wimmerte einer der Hauselfen. “Miss Granger, kann Itsybitsy sich kurz ausruhen?”
“Morgen vielleicht”, sagte Hermine fröhlich und kuschelte sich an Ron. Der legte den Arm um sie und küsste sie auf die Stirn, was Harry und Ginny nicht verborgen blieb.
“Schön, dass es jetzt endlich mit euch geklappt hat”, sagte Ginny und lächelte. “Hermine, erzähl doch noch mal die Geschichte, wie es dazu gekommen ist...”
“Okay...” Hermine lächelte Ron verliebt an. “Also, als vor einer Woche das neue Schuljahr angefangen hat, habe ich Ron auf dem Schulhof mit Lavender Brown knutschen sehen. Da ist mir endlich klar geworden, was ich schon all die Jahre für ihn empfunden habe und dass ich um ihn kämpfen muss.”
Ron grinste ebenso verliebt zurĂĽck.
“Iff finde daff nift wißig!”, rief Lavender gedämpft durch die halb offen stehende Tür des Schlafsaals hindurch.
“Ach ja...” Ginny seufzte ergriffen und strich Harry eine widerspenstige Strähne aus der Stirn. “Bei uns war es ja ganz ähnlich...”
“Daf kann man wohl fagen!”, drang nun auch Romilde Vanes Stimme aus dem Schlafsaal.
Ginny gab Harry einen langen Kuss, aber als sie sich von ihm löste, blickte er direkt in Hermines besorgtes Gesicht. “Harry – bei aller Freude über euer neues Glück darfst du nicht leichtsinnig werden! Hat Voldemort nicht schon wieder versucht, dich umzubringen?”
“Nicht mehr als sonst”, antwortete Harry und kickte eine Bärenfalle unter das Sofa.
“Ach so, na dann”, meinte Hermine und begann wieder, mit Ron zu schmusen.
So verbrachten die Freunde einen gemütlichen Nachmittag. Keiner von ihnen hätte gedacht, dass bald etwas Unerhörtes geschehen und ihre traute Gemeinsamkeit so empfindlich stören, ja vielleicht sogar zerstören würde. Noch allerdings wiegten sie sich in froher Unwissenheit.
Das Feuer war fast heruntergebrannt, als Ginny aufhorchte und sich näher zur Tür neigte. “Hört ihr das?”
Auch die anderen spitzten jetzt die Ohren; tatsächlich, da waren hastige Schritte auf dem Gang zu hören.
Einen Moment später schwang das Porträt der Fetten Dame heftig zur Seite, und Neville kam in den Raum gestürzt und knallte das Bild hinter sich zu, völlig außer Atem und scheinbar in großer Aufregung.
“Versteckt die Mädchen!”, brüllte er Harry und Ron entgegen, aber zu spät, schon wurde das Porträt ein zweites Mal aufgerissen, Neville flog gegen die Wand und Snape stand in der Tür.
Harry, Ron, Hermine und Ginny keuchten unisono auf. Nur die Hauselfen arbeiteten ungerĂĽhrt weiter, denn vor Hermine hatten sie noch viel mehr Angst als vor Snape.
“Nun, habe ich das junge Glück etwa gestört? Bei etwas Wichtigem?”, fragte der in diesem Augenblick gedehnt, starrte Hermine an und begann zu sabbern.
“Nein, nein”, sagte Harry hastig, “wir sitzen hier nur und unterhalten uns ein bisschen...”
“Genau diese Unverschämtheiten sind es, wegen der ich Sie seit Jahr und Tag hasse, Mr Potter”, fauchte Snape, bevor er fortfuhr, Hermine anzugaffen.
“Also, worum geht es?”, fragte Ron und versuchte, Hermine mit seinem Rücken zu verdecken.
Auf Snapes Gesicht breitete sich ein unangenehmes Grinsen aus. “Das kann Ihnen wohl Professor Dumbledore am besten erklären. Wenn Sie mir bitte folgen wollen... Oh nein, lassen Sie Ihren Mantel doch hier, Miss Weasley.”
Einige Minuten später standen sie alle vor Professor Dumbledores Büro versammelt. Harry hatte ein leicht mulmiges Gefühl; Snape hatte den ganzen Weg über nicht aufgehört zu grinsen, und wenn Snape sich über irgendetwas freute, dann war das für die meisten anderen Beteiligten nicht gerade ein Grund zur Freude.
“Voldemort riecht nach Pups”, sagte Snape zu den beiden steinernen Wächtern vor dem Eingang zu Dumbledores Refugium. Einer von ihnen zog sein Schwert und zog es Snape über den Schädel.
“Ach, da sind Sie ja schon”, sagte Dumbledore, der eben auf der Treppe erschienen war. “Schön, meine neuen Wächter, nicht? Minerva wollte sie schon wegschmeißen, sie meinte, dass 50 qm Lagerfläche für ein Schachspiel auf Dauer einfach zu viel sind, aber da hab ich gesagt, die sind doch noch gut, die kann man doch bestimmt noch für was nehmen... Also, kommen Sie doch rein!”
Dumbledore schritt die Treppe wieder hoch, und die anderen folgten ihm. Oben angekommen, nahm er hinter seinem Schreibtisch Platz und verschränkte die Finger.
“Also, worüber ich mit Ihnen reden wollte... Am besten lesen Sie selbst.” Er nahm einen Tagespropheten von seinem Schreibtisch und reichte ihn Hermine, die ihn mit leicht verwunderter Miene entgegennahm, mit wachsendem Schrecken die Seite überflog und dann laut vorlas:
NEUES GESETZ ZUM SCHUTZ DES REINEN BLUTES
Wie Cornelius Fudge, Zaubereiminister, kürzlich verkündete, wurde ein neues Gesetz erlassen, dass die Reinheit des Zaubererblutes sichern soll. Jede/r muggelgeborene Hexe/Zauberer ist ab Eintritt der Volljährigkeit verpflichtet, die magische Gemeinschaft zu verlassen, sofern er/sie nicht mit einem Reinblut verheiratet ist. Nach Informationen, die Ihren Tagespropheten aus vertraulicher Quelle erreichten, wurde der Vorschlag für dieses Gesetz dem Minister unterbreitet von (Fortsetzung auf Seite 2)
Hermine wollte gerade umblättern, da riss ihr Dumbledore die Zeitung aus der Hand.
“Ähm, die brauch ich dringend wieder... Als Polster! Ja, genau, wenn man alt ist, spielt das Steißbein halt manchmal nicht mehr so... äh, mit...” Er stopfte sich die Zeitung unter den Hintern und fuhr, nun etwas entspannter, fort: “Also, darüber wollte ich mit Ihnen reden. Was gedenken Sie jetzt, da Sie bald die Volljährigkeit erreichen werden, zu tun, Miss Granger?”
Hermines Gesicht war kalkweiß. “Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht!”
“Hermine...”, sagte Ron zaghaft und fasste nach ihrer Hand. “Weißt du... Wir könnten doch heiraten!”
“Meinst du das ernst? Wir sind doch erst seit einer Woche zusammen...”
“Naja, wenn ich bedenke, wie viele Leute auf dieser Schule mit ihrer ersten Freundin gleich für den Rest ihres Lebens zusammen bleiben, dürften unsere Chancen gar nicht so schlecht stehen.”
Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf Hermines Gesicht. “Ja... Ich denke, du hast Recht. Ja, ich...”
“Halt, wartet! So geht das doch nicht!”, warf Dumbledore hastig ein.
Ron und Hermine, die sich gerade küssen wollten, wandten sich ihm verwundert zu. “Wie meinen Sie das?”, fragte Hermine stirnrunzelnd.
“Also... Ähm... Er ist... viel zu jung! Genau, viel zu jung!”
“Ich bin zwar noch nicht volljährig, aber meine Eltern werden einer Hochzeit sicher zustimmen. Die werden heilfroh sein, solange ich nur nicht Harry heirate... Hab ich das eben laut gesagt?”
“Das... das geht aber nicht!”, beharrte Dumbledore.
“Warum denn nicht?”, fragte Hermine stirnrunzelnd. “Laut Paragraph 740 Absatz 4 b Zaubererjugendschutzgesetz ist eine Heirat für Minderjährige erlaubt, wenn Eltern oder Vormund...”
“Der Paragraph wurde... geändert!”
“Ach so... Aber was mache ich denn dann jetzt?”, rief Hermine verzweifelt.
“Mach dir keine Sorgen”, sagte Ron und umarmte sie fest. “Einer meiner Brüder wird uns sicher den Gefallen tun. Am besten Percy. Der arbeitet ja jetzt in der Abteilung für magisches Rechtswesen, von dem bist du, sobald das alles vorbei ist, schneller geschieden, als du gucken kannst.”
“Das geht aber auch nicht!”, rief Dumbledore dazwischen. “Weil... ääähh...”
Aller Augen waren nun auf ihn gerichtet. “Weil Percy Weasley im August Geburtstag hat!” trumpfte Dumbledore auf. “Leute, die im August Geburtstag haben, zählen nicht, wisst ihr?”
“Wieso das denn?”, fragte Hermine ungläubig.
Dumbledore zuckte mit den Schultern. “Ich hab die Regeln nicht erfunden, wissen Sie?”
“Na gut, halb so wild...”, sagte Ron hastig. “Mal überlegen... Bill ist schon verheiratet... Charlie!”
“Zu lange nicht in England gewesen”, sagte Dumbledore und verschränkte die Arme vor der Brust.
“Dann eben Fred oder George. Ja, genau! Das müsste klappen. Die beiden sind reinblütig, ungebunden, leben seit ihrer Geburt in England und haben auch nicht im August Geburtstag!”
“Nun... also... Nein, das geht auch nicht!”
“Was?!”
“Na... Weil es halt so ist! Oder wollen Sie vielleicht behaupten, dass ich ein verrückter alter Mann bin und mir das gerade im Moment ausgedacht habe?!”
“Nein, natürlich nicht”, antwortete Ron. “Aber was wird denn nun aus Hermine?”
Snape begann zu giggeln.
“Nichts verraten!”, rief ihm Dumbledore leuchtenden Auges zu. “Das will ich doch machen! Also... Der einzige Mann in ganz England, der Miss Granger vor ihrem Ausschluss aus der magischen Welt retten kann, ist Severus Snape!”
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