von käfer
Vor den Feiertagen fix noch ein Kapitel, wenn es auch nicht gerade Schönes enthält...
Severus Snape kannte einige Tränke, die eine Verwandlung in einen Stein oder eine Statue hervorriefen, aber keiner von ihnen zeigte eine derartig dauerhafte Wirkung.
In einer ruhigen Minute ging Severus in die Krankenstation und untersuchte die Versteinerten sowie den mit schwarzem Rauch gefüllten Geist gründlich. So etwas hatte er bisher weder selbst gesehen noch war ihm eine Beschreibung derartiger Phänomene aus der Literatur geläufig. Auch Madam Pomfrey und selbst Albus Dumbledore waren ratlos. Wieso sollte ausgerechnet ein kleiner Tränkemeister des Rätsels Lösung finden? Aber wenn man gar nichts tat, fand man die Ursache nie.
Snape verschanzte sich in der Verbotenen Abteilung der Bibliothek hinter Stapeln von Büchern. Soviel war klar – in der allgemeinen Abteilung brauchte man nicht erst zu suchen, finsterste Schwarze Magie war am Wirken. So viele Bücher er auch durchsah, er hatte keinen Erfolg.
Indessen ging das normale Schulleben weiter. An einem Samstag stand Quidditch auf dem Plan. Hufflepuff gegen Gryffindor – nichts, was Severus Snape sonderlich interessierte. Er hatte gerade beschlossen, einen weiteren Versuch in der hoffentlich menschenleeren Bibliothek zu starten, und verließ die Große Halle durch den Haupteingang, als er eine merkwürdige Beobachtung machte:
Potter, Weasley und Granger wollten gerade die große Treppe hinaufgehen, als Potter plötzlich weiß wurde und erschrocken um sich schaute. Sein Blick ging nach oben, an die Wände. Hatte er etwas wieder die Stimme gehört? Anscheinend, aber anscheinend hatte auch nur er sie gehört. Was zum Teufel war das, was nur ein Harry Potter hören konnte?
Hermine Granger schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn und stürzte davon. Severus hetzte ihr nach. Hatte die kluge kleine Hexe etwas begriffen, was er nicht begriffen hatte?
Hermine eilte schnurstracks in die Bibliothek. Madam Pince war nicht zu sehen und schon war das Mädchen hinter der Absperrung in der Verbotenen Abteilung. Dumbledore musste diesbezüglich wirklich etwas unternehmen!
Lautlos näherte sich Severus der Regalreihe, in der Hermine verschwunden war. Er musste sehen, welches Buch sie in die Hand nahm, vielleicht kam er auf diese Art der Lösung des Rätsels näher…
Granger hockte am Boden und beugte sich über das Buch. Wenn Madam Pince das sehen würde! Snape zog sich ans Ende der Regalreihe zurück. Wenn Hermine das Buch an seinen Platz zurückstellte, würde er sehen können, welches es war. Heftiges Blättern, ein Flüstern, das Buch wurde zugeklappt. Snape spähte um die Ecke. Hermine stellte das Buch zurück und holte einen kleinen Spiegel aus der Tasche. Oh, diese Weiber! Wieviel Kram sie doch mit sich herumschleppten! Hastig wich Snape zurück, als Granger an ihm vorüber rauschte. Die Bibliothekstür fiel ins schloss und Severus versuchte, das Buch zu finden. Das war ziemlich einfach, es ragte ein wenig aus der Reihe hervor. „Geschöpfe der Finsternis“. Snape setzte sich an einen Tisch und suchte das Inhaltsverzeichnis. Aber in dem alten Wälzer gab es keines. Stöhnend blätterte er von vorn nach hinten durch. Ungefähr in der Mitte fehlte eine Seite – frisch herausgerissen. Granger hatte doch nicht etwa…? Die Überschrift des Kapitels lautete „Tötende Mischwesen“. Snapes Magen ballte sich zu einem Klumpen. Die Zweitklässlerin war schneller und schlauer als alle Lehrer zusammen.
Schnell verließ Severus die Bibliothek. Wohin würde Granger jetzt wohl gehen? Natürlich, hinunter aus Quidditchfeld, ihre Freunde spielten doch. Jetzt musste es ihm nur noch gelingen, sie beiseite zu ziehen und ihr die Buchseite abzunehmen. In Gedanken ganz bei seinem Vorhaben, sah er die beiden Körper erst, als er auf etwas getreten war. Es war die versteinerte Hand einer Ravenclaw-Vertrauensschülerin und daneben lag – Hermine Granger, versteinert. Snape wurde schlecht. Er würgte, stürzte ans offene Fenster und atmete tief durch. Nachdem er sich halbwegs wieder gefasst hatte, alarmierte er Minerva McGonagall. Die wurde kreidebleich, wankte einen Moment, traf aber danach ihre Anordnungen mit einer Präzision und Folgerichtigkeit, als würde sie das jeden Tag tun.
Dumbledore zog sich zurück. Er sperrte sich stundenlang in seinem Büro ein und grübelte über die Angriffe nach. Severus teilte ihm mit, was er an der Treppe und in der Bibliothek gesehen hatte. „Dummerweise hat Granger die bewusste Seite aus dem Buch herausgerissen. Ich habe ihre Taschen durchsucht, aber nichts gefunden.“
„Das macht nichts“, erwiderte der Direktor müde. „Wenn meine Vermutung stimmt und wirklich Voldemort am Wirken ist, gibt es nur einen, der ihn stoppen kann.“
Severus wurde flau. „Harry Potter? Aber der ist erst zwölf, er ist ein leichtsinniger, arroganter Schuljunge, er weiß erst seit zwei Jahren, dass er ein Zauberer ist, er kann fast nichts. Woher soll er die Fähigkeit haben, den Dunklen Lord zu besiegen?“ Snape redete sich in Rage.
Dumbledore, grau im Gesicht, winkte ab. „Er hat eine Kraft in sich, von der der Dunkle Lord nichts ahnt. Liebe.“
„Als wenn das reichen würde!“
„Es wird reichen. Liebe, gepaart mit Wissen um ein paar Dinge. Bis er dieses Wissen erworben hat, müssen wir ihn schützen. Musst DU ihn schützen.“
„Warum sagen Sie ihm nicht, was er wissen muss?“
„Das Wissen, was er braucht, steht in keinem Lehrbuch. Er muss selber dahinter kommen. Pass auf ihn auf, aber lass ihn machen.
Jetzt lass mich bitte allein, ich muss einige Vorbereitungen für meinen Abgang treffen.“
Mit schweren, schleppenden Schritten verließ Snape das Büro.
Auf der Treppe kam ihm Lockhart entgegen, geschniegelt und gebügelt wie immer.
„Sagten Sie nicht kürzlich, das Monster wäre verschwunden, weil es gewusst habe, dass Sie es sich zur Brust nehmen würden?“, höhnte Severus. „Es ist aber nicht verschwunden, weil sich Geschöpfe der Finsternis nicht von einem Schwätzer einschüchtern lassen.“
„Ich verbitte mir einen solchen Ton!“, begann Lockhart, aber Severus hatte ihn schon beiseitegeschoben und eilte die Treppe hinunter. Er musste unbedingt in den Wutraum, sich abreagieren.
Snape fand aber keine Gelegenheit dazu, ein Memo flatterte ihm um die Nase. Minerva McGonagall bat ihn zu einer dringenden Unterredung in ihr Büro. Severus stieß einen Fluch aus und drehte um.
Die Tür zu McGonagalls Büro flog auf, als Severus noch mehr als fünfzehn Meter entfernt war. Mit lauter und unverkennbar wütender Stimme rief Minerva: „… nicht die Zeit für solche Kinkerlitzchen! Machen Sie das mit ihm selber aus! Duellieren Sie sich oder was auch immer! Aber belästigen Sie nicht mich damit! Hinaus!!!“
Fast im Laufschritt kam Gilderoy Lockhart aus dem Büro, das Gesicht tomatenrot angelaufen. Severus grinste, als er den wütenden Blick bemerkte.
Minerva bot Severus Tee und Kekse an. „Ich brauche jetzt etwas zur Beruhigung. Dieser Lockhart treibt mich noch zur Weißglut. Kommt wie ein kleines Kind hier an und petzt, dass du ihn auf der Treppe beiseite gestoßen hast. Als ob es im Moment nichts Dringenderes gäbe!“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Severus.
„Wir müssen die Schüler schützen, begann Minerva, nun wieder beherrscht und sachlich. „Kein Schüler darf mehr allein im Haus umherstreifen. Und wir Lehrer müssen unsere Wachen noch verstärken. Albus hat mir dir Aufgabe übertragen, einen Wachplan auszuarbeiten. Aber ich möchte gern mit dir darüber reden, ehe ich die Sache den Kollegen bekannt gebe.“
„Warum gerade mit mir?“
„Weil ich denke, dass du hier derjenige bist, der sich mit Verteidigung gegen Schwarze Magie am besten auskennt.“
„Oh! Danke für das Kompliment. Ich wollte, Dumbledore würde das endlich mal einsehen.“
„Er weiß es längst. Aber diese Diskussion lassen wir jetzt lieber.“ Sie holte ein großes Stück Pergament und rollte es auf. „Hier habe ich aufgeschrieben, was ich mir vorgestellt habe. Die Schüler werden vom Lehrer der jeweils letzten Stunde ins nächste Klassenzimmer gebracht. Zum Essen geht es jahrgangsweise in Gruppen. Und hier“, sie entrollte noch ein Pergament, „der Wachplan. Die Orte, an denen Schüler angegriffen wurden, liegen alle ziemlich beieinander. Dort sollten wir besonders aufpassen, das heißt, den Wachdienst an diesen Stellen übernehmen Filius, du und ich. Sybil und Gilderoy werden im Ernstfall mit Sicherheit versagen, deswegen werde ich sie in den oberen Stockwerken postieren. Und Binns übernimmt alles, was im Keller liegt.“
Severus stimmte Minerva McGonagall zu, auch wenn er nicht vom Sinn der Maßnahmen überzeugt war. Was nützte eine Wache, die das Monster nicht hören konnte? Aber er wusste keine bessere Lösung und so trat er regelmäßig seinen Wachdienst an.
Weil er wusste, dass er keine Zeit für Dinge haben würde, die nicht direkt mit Hogwarts zu tun hatten, verfasste Snape ein Ablehnungsschreiben und beauftragte seinen Hauself damit, alle eingehenden Anfragen eulenwendend zu beantworten. Willy sollte aber die Anfragen sammeln und aufbewahren.
Nur wenige Tage später rief Minerva McGonagall vor dem Frühstück alle Kollegen im Lehrerzimmer zusammen. Sie hatte schlechte Nachrichten zu überbringen.
Severus sah am Tisch entlang. Alle saßen mit ernsten, besorgten Gesichtern da, ahnten wohl schon, was kam. Nur Gilderoy Lockhart schaute gelangweilt aus dem Fenster und Sybil Trelawney mischte ihre Karten. Minerva sah bleich aus und dunkle Ringe unter ihren Augen kündeten von einer schlaflosen Nacht. Aber ihre Stimme war fest und zitterte nicht, als sie verkündete: „Gestern haben die Schulräte beschlossen, den Schulleiter mit sofortiger Wirkung seines Amtes zu entheben. Albus Dumbledore hat Hogwarts noch in der Nacht verlassen.“
Betroffenes Schweigen.
Sybil Trelawney legte eine Karte auf den Tisch. Der Karo-König. „Er kommt zurück“, sagte sie mit Bestimmtheit.
Mit dem Anflug eines Lächelns erwiderte McGonagall: „Davon bin ich überzeugt.
Die zweite Botschaft ist nicht weniger schlecht. Der Zaubereiminister braucht einen Sündenbock für die Angriffe auf unsere Schüler und hat Rubeus Hagrid zur Sicherheitsverwahrung nach Askaban gebracht.“
„Ich habe es doch schon immer gesagt, dass mir der Wildhüter komisch vorkommt. Eine richtig zwielichtige Gestalt ist das“, sagte Gilderoy Lockhart.
„Schweigen Sie!“, herrschte Minerva McGonagall ihn an. Lockhart gehorchte und Severus steckte seinen Zauberstab wieder weg.
„Die flinke Zunge spinnt Fäden aus Lügen und verfitzt sich darin“, murmelte Sybil Trelawney, aber diesmal achtete keiner auf sie.
Es herrschte trübe Stimmung in Hogwarts, kein Lachen mehr, keine Zaubereien auf den Gängen, nur noch Furcht und Ungewissheit. Einzig und allein Draco Malfoy hatte noch gute Laune. Er machte kein Hehl daraus, dass er froh war, dass Dumbledore weg war und tat beinahe so, als ob es sein Verdienst war und nicht der seines Vaters. Severus und Minerva hatten sich vorsichtig erkundigt; die anderen Schulräte hatten der Entlassung von Dumbledore nur zugestimmt, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlten.
Eines Tages fragte Draco mitten im Zaubertränkeunterricht, warum Severus sich nicht um das Amt des Rektors bewarb.
´Du würdest dich ganz schon wundern, Draco Malfoy´, dachte Severus und sagte: „Professor Dumbledore ist von den Schulräten nur beurlaubt worden, ich würde sagen, er wird schon bald wieder bei uns sein.“
Snape biss sich auf die Zunge. Jetzt hatte er schon beinahe zu viel gesagt. Dieses aufgeblasene zwölfjährige Bürschchen vor ihm konnte dank der Stellung seines Erzeugers durchaus gefährlich werden.
Schau an, kriechen und schleimen konnte er auch schon! ´Ich, Severus Snape, der beste Lehrer der Schule? Pah!´ Bevor ihm eine unpassende Bemerkung herausrutschen konnte, floh Severus aus dem Klassenzimmer. Die Stunde war sowieso zu Ende, der Gong ertönte, noch bevor Severus die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Das einzige, was Severus ein winziges bisschen erheiterte, war der Anblick von Gilderoy Lockhart. Der hatte wohl keine Zeit mehr, seine Locken zu pflegen, das blonde Haar hing glatt und schlaff und ein bisschen fettig herunter wie bei Severus. Ansonsten versuchte jeder, dem Verteidigungslehrer aus dem Weg zu gehen, denn Lockhart zerrte noch zusätzlich an den ohnehin schon bis zum Zerreißen gespannten Nerven der Lehrer. Mindestens drei Mal am Tag fragte er, warum denn dieser furchtbare Wachdienst noch sein müsse, der Schurke wäre doch längst hinter schloss und Riegel. Als Severus das zum vierten Mal an einem einzigen Tag hörte, konnte er nicht mehr anders und belegte Lockhart mit einem „Stillgestanden!“- Fluch. Er bohrte die Zauberstabspitze in Lockharts Kinn und zischte: „Passen Sie auf, was Sie sagen! Hagrid ist kein Schurke, nur weil er Sie hat abblitzen lassen. Ich kenne ihn länger, als Sie glauben und ich sage Ihnen eines: Er hat die Kammer nicht geöffnet. Das Monster ist noch da, wo es eh und je war und es wird wiederkommen, wenn wir nicht aufpassen. Und wenn ich noch ein einziges Wort von Ihnen höre, fordere ich Sie wieder zum Duell, und ich verspreche, ich werde Sie nicht so schonend behandeln wie beim letzten Mal!“
Er trat drei Schritte zurück, löste den Fluch und ließ einen völlig verwirrten Gilderoy Lockhart zurück.
Das nächste und letzte Kapitel dieser FF gibts am Freitag oder Samstag, ich schätze, bis dahin habt Ihr eh anderes zu tun als hier zu kramen...
Fröhliche Weihnachten und einen fleißigen Weihnachtsmann wünscht Euch allen
käfer
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