von reewa
Da stand jemand. Eine Kontur nur, Näheres nicht auszumachen. Allem Anschein nach ein Mann. Ein Mann. Eine Unterführung. Ein Bild. Mehr brauchte es nicht.
Das hatte er gelernt. Hunderte Male geübt. Das konnte er abrufen. Jederzeit. Überall. Auch hier.
Dumbledore hatte darauf bestanden. Nach dem Krieg. Als er es nicht mehr zu brauchen schien. Aber Zeit hatte. Viel Zeit. Wie ein Laufrad für einen Hamster. Wie ein Specht für eine Bowtruckle-Kolonie. Beschäftigung. Ohne höheren Wert. Um einen Sinn vorzuschieben, wo keiner war. Um seinen Geist nicht gänzlich verkümmern zu lassen zwischen Autos waschen, Häuser entrümpeln, Altmetall sortieren, Fenster putzen - all den in der Muggelwelt anfallenden Arbeiten, für die man ihn zwar schlecht entlohnte, die es ihm aber erlaubt hatten, sein Leben weiter zu fristen ohne Wenn und Aber. Das machte vielleicht keinen Sinn, doch das musste es auch nicht.
Ein kalter Schauer lief ihm die Wirbelsäule hinunter und er schüttelte sich. Das lag nicht an der steinernen Wand, an die gelehnt er saß, die Beine leicht angewinkelt, den Oberkörper ein wenig vorgebeugt, die Unterarme auf den Knien und den Blick meist gesenkt, um wenig Angriffsfläche zu bieten.
Das lag an dem Grauen, das durch die Flure huschte und sich bediente, wo immer es Beute witterte.
Er rief noch einmal das Bild ab. Das gelang immer. Aber hier reichte es nicht. Andere Magie. Nicht menschlich. Nicht verstehbar. Kein Schutz wirksam. Oder wenn, dann nur marginal. Wie das Polstern der Tischecken vor der Vollmondnacht. Damit er sich nicht ständig stieß. Nur vor dem Zerschlagenwerden bewahrte ihn das nicht.
Ãœble Gedanken, traurige Erinnerungen - das allein hielt sie fern.
„Nur die darfst du zulassen“, hatte Dumbledore ihm eingeschärft. Bewusst abrufen, was er so lange von sich ferngehalten. Er hatte es versucht. Die Bilder der Toten. Am Boden, gekrümmt und unnatürlich verdreht, dort, wo sie ermordet worden waren. Oder ordentlich zurecht gemacht aufgebahrt in ihrer Eltern Haus. Und auch das Bild, das er nie gesehen, von dem man ihm nur erzählt hatte - das Bild eines lachenden Mörders, den Wahnsinn in den funkelnden Augen - auch dieses Bild hatte sein Geist ausformuliert bis in alle Einzelzeiten.
Zu schauerlich. Erneut flüchtete der junge Mann zu dem, was er sein Testbild nannte. Ein Schatten. Im Gegenlicht. Ein Art Tunnel. Keine Konturen, kein Gesicht.
Dumbledore würde ihn hier herausbekommen. Dumbledore …
Zwei Gestalten schwebten durch das magische Gitter seiner Zelle auf ihn zu. Hoffnung war schädlich. Keine Hoffnung zulassen. Denn sie basierte auf Erinnerungen an Vertrauen und Hilfe. Das war jetzt schlecht. Lieber noch ein weiteres Mal alle Gedanken verbannen. Nur leere Hülle scheinen, um keine zu werden. Nichts zu bieten haben. Die Dementoren umkehren lassen.
Er spürte die unermessliche Kälte, die schneller und tiefer in ihn eindrang, als es das zu frühe Verlassen des Bettes an einem Januarmorgen in seinem ungeheizten Zimmer vermochte.
Remus versuchte, seinen Willen zu bewahren.
Aber er wusste, er würde nicht ewig widerstehen können.
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