von reewa
Es war kurz nach halb elf, als Mr. Karur das vertraute Geräusch seines Wagens hörte. Er legte die Zeitung beiseite und sprang vom Schreibtischstuhl. Da fuhr doch tatsächlich dieser Taugenichts von einem Sohn auf den Hof!
„Dass du missratenes Schlangenei dich überhaupt noch unter meine Augen traust! Wo bei allen Göttern hast du dich herumgetrieben?“
„Ich habe Mr. Paramatis Wagen….“ Weiter kam er nicht. Ein Dröhnen füllte das Büro. Mr Karur hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
„Mr. Paramati hat vor zwei Stunden hier angerufen und gefragt, wo sein Auto bleibt. Soll er uns etwa für unzuverlässige, gottlose Bastarde halten? Soll er?“
Sein Vater schrie mittlerweile, das hatte Sunil nicht anders erwartet.
„Wenn deine Schwester so ihren Bräutigam verliert, dann wirst du in Zukunft für sie sorgen - du ganz allein! Oder denkst du vielleicht, anständige Bewerber aus guten Familien sind so zahlreich wie Elefanten im Mudumalai Nationalpark? Gib es zu - vor der Arbeit drücken wolltest du dich! Es ist dir egal, ob wir unsere Kunden verlieren oder nicht!
Für wen rackere ich mich denn wohl so ab? Bist du nicht mein Ältester, willst du das Geschäft etwa nicht übernehmen? Gut, ich bin sicher, deine Brüder werden sich ihrem Vater dankbarer zeigen.“
„Pitaa, es tut mir Leid. Ich habe mich verfahren.“
„Verfahren? Mein Sohn? Wie lange lebst du in dieser Stadt? Und verfährst dich? Stundenlang?“ Mr. Karur schnaubte vor Wut.
„Dann brauchst du wohl mehr Übung im Herumfahren. Da!“ Und mit einer Handbewegung ergriff Sunils Vater einen Stapel Briefe und reichte sie seinem Sohn. „Bring die zur Post. Den Weg wirst du hoffentlich noch kennen.“
Sunil sah es sofort. Das oberste Schreiben war an Mr. John Richards adressiert. Auch wenn dieses mit Abstand der ungünstigste Zeitpunkt war, darüber zu reden, es war auch der einzig mögliche und er schuldete John was.
„Pitaa?“
„Was ist denn jetzt noch?“
„Willst du John entlassen?“
„Was geht dich das an? Bist du hier der Chef oder ich?“
„Pitaa, er ist doch nur krank. Denk mal daran, wie er nach Halloween die gelbe Farbe von diesem Bentley wieder abbekommen hat. Und du glaubtest schon, du müsstest dem Kunden sagen…“
„Ich weiß, was ich tue, Betaa. Er ist nicht zuverlässig. Sowas kann ich hier nicht gebrauchen. Pradeep wird seine Aufgaben übernehmen, dein Bruder hat ja schließlich Ferien.“
„Aber Pradeep ist erst 14. Und du hast gesagt, er sei viel zu langsam. John dagegen…“
„Was erlaubst du dir? Der Kerl kann dir doch egal sein.“
„Ich denke doch nur ans Geschäft, Pitaa. John ist viel schneller als jeder andere hier. Und gründlicher.“
„Das nützt mir nichts, wenn er nicht hier ist.“
„Er wird kommen, Pitaa. Heute Nachmittag. Ganz sicher.“
„Woher willst du das wissen, hä?“
„Weil ich nachher hinfahren und ihn abholen könnte. Bei ihm werden die Autos sauberer als die gelben Saris vor Baisakhi. Und das schafft Pradeep auch in einer Woche nicht."
Sein Vater hatte sich beruhigt. Er schien nachzudenken.
„Also gut, Betaa. Fahr in der Mittagspause. Und nimm den Brief mit. Wenn er nicht mitkommt, gibst du ihm den. Und sag ihm, das ist seine letzte Chance.“
Sunil verneigte sich, und während er das Büro verließ, wendete sich sein Vater wieder seiner Lektüre zu.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel
