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Future Imperfect - Hilfe

von Xaveria

„Ist das alles?“ Ihrin zog fragend eine Augenbraue hoch, als sie ihre Arme ausbreitete, um das Ausmaß an Unordnung oder organisierten Chaos, wie sie es immer nannte, zu verdeutlichen. Die Schreibtische im Arbeitszimmer waren überfüllt mit Blättern und Dokumenten, und die, die auf der Arbeitsfläche keinen Platz gefunden hatten, lagen verteilt auf dem Boden, umkreisten die darin sitzende Gestalt der Rumänin.

„Nein“, antwortete Jonas zögernd, als er aufstand, um im angrenzenden Wohnzimmer zu verschwinden.

Sie fragte nicht nach. Nicht mehr. Die Nacht war fast vorbei und vor ihr ausgebreitet lag das Wenige, was Janes Leben war – oder zumindest das, welches sie die letzten fünf Jahre gelebt hatte. Nach und nach hatte Jonas alles, was er besaß oder von dem er wusste, dass es Janes Leben beschrieb aus den Schränken geholt – doch irgendwie bezweifelte Ihrin, dass es das war, was ihnen wirklich helfen würde. Es waren die Dinge von denen Jane nicht wollte, dass sie sie fanden, die ihnen die Antworten liefern würden nach denen sie suchten.

„Hier“, sagte Jonas und hielt ihr eine Mappe entgegen. Mit seinem Fuß schob er einen Stapel zur Seite, um sich neben sie auf den Boden zu setzen.

„Was ist das?“

„Ihre Krankenunterlagen vom Krankenhaus“, erklärte er. „Es sind die Auswertungen ihrer Untersuchungen als sie eingeliefert worden war.“

Überrascht zog Ihrin ihre Augenbrauen hoch, als sie die Mappe öffnete und begann grob die Papiere zu überfliegen. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe danach zu fragen, wie er an diese Dokumente gekommen war. Es schien die Nacht der Offenbarungen zu sein. Keine Lügen, keine Verstecke, nichts weiter als die pure Wahrheit. Während ihre Augen die Seiten überflogen, erklärte Jonas ihr die akribischen Formulierungen der Ärzte. Nicht, dass sie sie nicht verstanden hätte, sie hatte immerhin nicht immer als Schulpsychologin gearbeitet, aber dennoch waren die Worte ihres Freundes willkommen. Bei ihrem Leben, sie hatte im Moment einfach nicht die Kraft sich auf diese Art von Lektüre zu konzentrieren. „Du weißt von ihren Verletzungen.“

Es war keine Frage, sondern eine Feststellung und so nickte Ihrin stumm. Es stimmte, sie wusste von ihnen, aber gesehen, nein, gesehen hatte sie sie noch nie. Jane hatte immer penibel darauf geachtet, dass für niemand das gesamte Ausmaß sichtbar gewesen war. Lediglich die grimmige Narbe in ihrem zierlichen Gesicht war für die Öffentlichkeit ersichtlich und selbst diese konnte sie zum Teil hinter ihren wirren Haaren verstecken. Sie hatte vielleicht mal einen Ansatz gesehen, eine feine Erhebung an ihrem Schlüsselbein, die in ihrem Ausschnitt verschwunden war. Das Bild hatte sich lediglich bisher immer in ihrem Kopf vervollständigt. Also, nein, sie war sich vielleicht Janes Verletzungen bewusst, aber wirklich wissen tat sie nichts über sie.

„Sie ziehen sich über ihren ganzen Körper. Schnittwunden, nicht identifizierbare Wunden… eine Schusswunde.“ Er schloss kurz seine Augen und Ihrin brauchte ihren Doktor in Psychologie nicht, um zu wissen, wie schwer es ihm fiel so über Jane zu sprechen. Er hatte nie gelernt die Menschen als Patienten zu betrachten, er hatte sich immer auf die Menschen eingelassen. Das war sein Beruf. Ihrer hingegen war es in die seelischen Abgründe abzutauchen und wenn man da nicht lernte eine Barriere zwischen sich und dem Menschen vor sich aufzubauen, würde man zwangsläufig untergehen, qualvoll ertrinken.
„Weißt du, dass ich als ihr Mann, nie wirklich ihre Verletzungen gesehen habe?“ Er öffnete langsam seine Augen und jetzt war es Ihrin, die ihren Blick abwenden musste. „Sie hat mir nie erlaubt sie ganz anzusehen, sie ganz zu berühren… ich… ich habe… die Ärzte haben gesagt, dass es nicht einfach werden würde, dass Janes Zustand ein… wie war noch gleich ihr Wortlaut? Ach ja… ‚äußerst komplexer Fall der retrograden Amnesie‘ sei. Ich hatte keine Vorstellungen… ich wusste nicht, dass es so schwierig werden würde. Auf der einen Seite will sie alles über ihre Vergangenheit erfahren, aber wenn ich sie darauf angesprochen habe, hat sie immer abgeblockt, gelogen.“

„Jonas, Jane würde nie--“

„Nie, was, Ihrin? Mich niemals ausschließen? Mich niemals anlügen?“ Die bittere Enttäuschung in seinen Augen war in seine Worte gesickert. „Sie hat es getan. Von Anfang an.“

„Sie hat…“ wiederholte Ihrin leise seine Worte, als sie Janes flehende Stimme in ihrem Kopf hörte Jonas anzulügen. Wirst du Jonas davon erzählen? Ihrin schloss kurz ihre Augen, um die Stimme zu verbannen. Als sie wieder zu ihm aufblickte, war die Psychologin an die Stelle der Freundin getreten.. „Jonas, nur weil Jane dir nicht alles erzählt hat, hat sie dich nicht automatisch angelogen.“ Wenn man sie direkt gefragt hatte, dann hatte man auch immer eine Antwort bekommen. Ob man damit zufrieden war, nun, das war ein vollkommen anderes Thema gewesen.

Jonas schnaubte abfällig. „Es ist eine Sache die Personen in seinem Umfeld mehr oder weniger auszuschließen, aber eine vollkommen andere gezielt zu lügen. Ihre äußeren Verletzungen, ihr Gedächtnisverlust ist lange noch nicht alles.“

„Was?“

„Lies nur weiter, ich glaube der zweite Absatz auf Seite fünf beschreibt es ziemlich passend.“

Sie starrte ihn einfach nur an, der Bericht in ihrer Hand vollkommen vergessen. „Es gibt noch mehr?“ Reichte es denn nicht schon? Was konnte denn noch nicht mit ihr stimmen? Und mit einer eiskalten Klarheit wurde Ihrin bewusst, wie wirklich, wirklich wenig sie von ihrer Freundin wusste und wie viel ihr bester Freund vor ihr geheim gehalten hatte.

„Sie ist krank, Ihrin. Und nein, bevor du fragst, ich weiß nicht, was es ist. Die Ärzte haben etwas in ihrem Blut gefunden, was bis heute noch nicht identifiziert werden konnte. Sie sind ratlos.“

„Sie ist noch in Behandlung?“ Sie hoffte, dass ihr Unglaube nicht allzu deutlich herauszuhören war.

Jonas nickte leicht.

„Wird sie… Ich meine, ist es...? Dumnezeu… Jonas“, flüsterte sie, nicht wagend die Gedanken zu Ende zu führen. Sie starrte ihn absolut und vollkommen perplex an. Wenn sie nicht bereits gesessen hätte, hätten ihre Beine mit absoluter Sicherheit unter ihr nachgegeben. „Sie ist krank“, würgte sie die Worte gepresst hervor.

Und wieder nur ein Nicken.

„Wie lange?“

Er setzte zum Sprechen an, aber hob dann hilflos seine Hände, eine Geste, die Ihrin mehr sagte als alle Wörter auf der Welt. „Warum? Warum hast du mir nichts gesagt?“

„Was hätte ich dir denn sagen sollen? ‚Oh, übrigens, Ihrin, deine beste Freundin, die zufälligerweise meine Frau ist, ist schwer erkrankt, aber keine Sorge, es ist weder Krebs noch Aids… die Ärzte haben lediglich keine Ahnung was ihr fehlt. Sie wissen noch nicht einmal, ob sie daran sterben wird.' Hätte ich das sagen sollen?“

„Verdammt, nein Jonas, und das weißt du auch.“ Etwas von dem rumänischen Temperament flackerte in ihren dunklen Augen auf. Manchmal konnte er wirklich begriffsstutzig sein! Sie wollte sich an ihren Haaren ziehen, aber konnte nur mit aller Mühe dieses Verlangen unterdrücken. Als ob sie das Recht hätte irgendwelche Anforderungen zu stellen. Sie wahrte noch immer Janes Geheimnis – von dem Zwischenfall in der Küche. Also, tu nicht so scheinheilig, tadelte eine Stimme in ihrem Kopf. Aber bei Gott, was sollte sie ihm sagen? Jane war wütend und plötzlich flogen Tisch und Stühle durch die Luft? Nein, erst wenn sie genug Antworten hatte, würde sie es ihm erklären. Und Gott sei dir gnädig, Jane, solltest du bis dahin nicht mit einer mehr als plausiblen Erklärung wieder aufgetaucht sein, werde ich persönlich dafür sorgen, dass du es noch bereuen wirst einfach so verschwunden zu sein!

Ein schweres Schweigen, bespickt mit all diesen neuen Informationen, legte sich über sie und Ihrin wusste nicht, ob sie es lange aushalten würde. Zu viele Neuigkeiten auf einmal. Ihre Welt geriet ins Schwanken und sie mochte es nicht. Nicht ein bisschen. Mit Janes Verschwiegenheit hatte sie noch leben können – sie hatte es sogar verstanden und zum Teil nachvollziehen können. Selbst wenn es nach außen hin nicht die Vermutung zuließ, aber sie mochte es, wenn die Dinge nach Plan liefen. Wenn man sich auf gewisse Konstanten im Leben verlassen konnte. Und ihre Freundschaft zu Jonas war so eine Konstante. Sie hatte sich immer – egal was es war – auf ihn verlassen können und anders herum. Zumindest hatte sie es immer gedacht. Hier jetzt zu sitzen und zu erfahren, nicht nur, dass ihre beste Freundin unheilbar krank war, vermutlich in ihrem früheren Leben misshandelt wurde – und möge Gott ihr beistehen, danach sah im Moment alles aus – sondern, dass auch ihr bester Freund, ihr seelischer Vertrauter, jetzt auch noch Geheimnisse vor ihr hatte, sie war sich nicht sicher, wie sie diese Lektion in ihrem Leben verarbeiten sollte.

„Ich hätte es dir gesagt“, durchbrach Jonas schließlich das Schweigen. „Wenn ich es gewusst hätte, bei Gott, ich hätte es dir gesagt. Das musst du mir glauben, Ihrin.“

„Sie hat dir nicht..? Ich meine, du wusstest nicht..?“

„Nein.“

Sie schloss ihre Augen. „Jesus Christus… Ich wollte nie… Jonas, es tut mir Leid.“

„Es ist nicht deine Schuld", erinnerte er sie schwach. „Ich habe es selbst erst vor drei Wochen erfahren." Seine blauen Augen begannen leicht zu schimmern, als er sich offensichtlich an den Moment zurückerinnerte. „Ich habe einen Anruf vom Krankenhaus entgegengenommen, in dem mir mitgeteilt wurde, dass meine Frau ihren letzten Termin verpasst hat."

„Oh Jonas... ich hatte nicht... du... sie... ich weiß nicht, was ich denken soll", endete sie schließlich wahrheitsgemäß. Sie stand vor einem Scheiterhaufen. Wie konnte Jane ihm nur so etwas antun? Wie konnte sie ihm – ihren Mann – nicht erzählen, dass neben ihrer Amnesie, sie schlichtweg krank war? Natürlich, sie wollte ihn nicht unnötig belasten, wenn sie selbst noch nicht einmal wusste, was nicht mit ihr stimmte, resümierte ihre innere Stimme, eine Stimme, die ihr ständiger Begleiter gewesen war, als sie sich noch nicht mit den Problemen von Schülerstreitigkeiten beschäftigt hatte. Es waren Worte, die sie damals fast täglich gehört hatte.

Jonas zuckte nur mit den Schultern. „Ich habe darauf gewartet, dass sie mir etwas erzählt, jetzt wo ich es wusste, aber sie tat so viel daran, so zu tun, als sei alles in Ordnung. Erst als ich sie direkt darauf angesprochen habe, hat sie mir vollkommen nüchtern bestätigt, dass sie krank sei und dass die Ärzte nicht wüssten, was es ist." Seine blauen Augen blickten plötzlich zu ihr auf. „Es ist eine Sache, wenn sie mir nicht von ihren Alpträumen erzählen will, aber eine vollkommen andere mir ihren Gesundheitszustand zu verheimlichen." Die Worte so bitter gesprochen, mit einem so verletzten Blick, dass Ihrin nicht anders konnte als zurückzuzucken. „Ich bin nicht dumm, Ihrin. Ich weiß, dass sie in mir nicht das sieht, was ich in ihr sehe, aber ich habe immer irgendwie gehofft... wenn ich ihr zeige, dass ich für sie da bin... ich weiß nicht, ich hatte wohl irgendwo gehofft, dass sie sich dann an mich wenden würde, wenn ihr etwas auf dem Herzen liegt. Und jetzt?"Ein trauriges, resigniertes Lächeln zierte sein Gesicht. „Jetzt habe ich sie verloren."

„Nein", fiel sie ihm bestimmt ins Wort. „Nein, Jonas, hast du nicht. So darfst du gar nicht erst anfangen zu denken, hörst du?" Wie als ob es ihr letzter verzweifelter Rettungsanker sei, umschlossen ihre kalten Hände seine und hoffte durch die alleinige Berührung ihn wieder zur Vernunft bringen zu können. Ihr reichte es bereits eine Freundin am Abgrund wandeln zu sehen, was sie jetzt auf keinen Fall noch gebrauchen konnte, war, wenn sich ihr bester Freund dazu gesellte. „Ich werde Janes Verhalten nicht entschuldigen, denn das wäre falsch, dir und ihr gegenüber, aber sie befindet sich in einem Zustand, den niemand von uns beiden wirklich nachvollziehen kann." Sie sah ihn direkt an, versank in den blauen Tiefen und ein leichtes Stirnrunzeln sagte ihr, dass er sie irgendwo gehört hatte. „Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber Jane befindet sich momentan an einem... emotionalen Abgrund. Wenn ihre Krankengeschichte und ihre Alpträume nur ein Indiz dafür sind, welches Leben sie vor ihrer Amnesie geführt hat, dann macht sie im Moment das einzige, was sie für richtig hält."

„Und das wäre?"


„Sie macht das, was jeder tun würde, wenn es keinen Weg mehr zurück gibt, wenn sie keinen anderen Ausweg mehr sieht."

„Sie prescht nach vorne?", gab Jonas ihr die Antwort auf ihre stumme Frage.

Ihrin nickte leicht und drückte einmal seine Hände. „Sie prescht nach vorne. Sie hat sich in den Kopf gesetzt ihre Antworten dort draußen zu finden und in ihrem Zustand... ich bin mir nicht sicher, ob sie ihr Vorgehen bis ganz zum Schluss durchdacht hat. Selbst wenn sie sich in ihrem Umfeld eingelebt hat, ist sie bei Weitem noch nicht soweit auf sich selbst gestellt in die Welt hinauszugehen. Und bei ihrer Vorgeschichte..." Ihrin verstummte mit einem Kopfschütteln, als sich in ihrem Kopf bereits ein Szenario nach dem anderen gestaltete, eines schlimmer als das nächste. Innerlich stampfte sie die kribbelnde, kalte Panik nieder. Sie brauchte ihren Verstand, für irgendwelche unkontrollierten Gefühle war später noch Zeit. „Jonas, wenn du sie jetzt aufgibst, wen, frage ich da, hat sie denn dann noch?"

Geschlagen schloss er seine Augen, ließ sein Kinn auf seine Brust fallen. Sie hörte seine tiefen Atemzüge, wusste, dass er sich innerlich besann, vermutlich irgendein Runenalphabet aufzählte, so wie er es früher immer getan hatte, bis er schließlich nickte. „Okay."

„Okay", flüsterte Ihrin zurück mit einem weiteren Händedruck. Jetzt, wo sie sich sicher war, dass sie ihn wieder hatte, flog ihr Blick zum Fenster, durch das bereits die ersten Sonnenstrahlen fielen. „Da das nun geklärt ist", verkündete sie mit einem erleichterten Seufzen, „brauche ich erst einmal eine Tasse Kaffee."

+++++++++


Rachel Bennigton legte die letzten Akten für die Frühschicht in die Ablage. Abwesend strich sie sich leicht ihr Schwesteroberhemd glatt, wie sie es vor jedem Ende der Schicht tat. Hingegen der öffentlichen Meinung war die Nachtschicht oftmals die schlimmste aller Schichten in einem Krankenhaus. Nicht wegen den nächtlichen Stunden oder weil es bedeutete, dass wieder einmal ein Tag komplett vergeudet war, nein, aus irgendwelchen kosmischen oder göttlichen Gründen – oder einfach nur menschlichen Versagen - fanden die schlimmsten Unfälle und Katastrophen immer nachts oder in der Dämmerung statt. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, welches nur noch an den Feiertagen exponentiell zu steigen schien.

Noch ein letzter Blick, eine letzte Überprüfung, ob auch alles für die nächste Schicht vorbereitet war, hakte sie eine unsichtbare Liste in ihrem Kopf ab. Die Akten, Memos, noch wichtige, offene Baustellen... es waren, wie sie schnell gelernt hatte, die Schwestern in einem Krankenhaus, die den Ärzten den Rücken freihielten, die heimlichen Stützen. Ihr routinierter Durchlauf wurde jäh von einem plötzlich auftauchenden Paar Händen unterbrochen, die sich vor ihr auf die Anmeldung legten. Lächelnd blickte sie auf, um in ein junges Frauengesicht zu blicken.

„Guten Morgen, was kann ich für Sie tun?"

„Hi", antwortete sie leicht nervös, als sie eine rote Strähne hinter ihr Ohr strich. „Ich hatte gehofft, Sie könnten mir vielleicht helfen."

„Natürlich."

Rachels Blick flog kurz zu der Uhr an der gegenüberliegenden Wand. Ein weiteres ungeschriebenes Gesetz: Die obligatorischen fünfzehn Minuten nach dem offiziellen Arbeitsende. Schon automatisch rief sie am Computer das Patientenregister auf.

„Ich bin auf der Suche nach jemand."

Rachel nickte. „Namen?"

Als die Frau vor ihr nicht sofort antwortete, blickte Rachel erwartungsvoll auf, nur um zu sehen, wie ihr Gegenüber nervös mit ihrer Zunge über ihre Lippen fuhr. „Jane Barkley" war die zögerliche Antwort.

Rachels Finger hielten in ihrer automatischen Geste inne, als sie die Unsicherheit aus der Stimme hörte. Instinkt und zwanzig Jahre Berufserfahrung ließen sie zur Vorsicht walten. Etwas in ihr setzte sich in Alarmbereitschaft. Es konnte kein Zufall sein, dass in innerhalb von nur wenigen Tagen gleich zweimal nach Jane Barkley gefragt wurde, wohingegen, als man es vor fünf Jahren erwartet, ja sogar erhofft hatte, nicht eine Frage nach ihr gestellt worden war. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Jane Barkley nicht mehr in diesem Krankenhaus stationiert war.

„Darf ich fragen, wer das wissen möchte? Sind Sie von der Polizei?"

„Nein, Ma'am. Mein Name ist Ginerva Weasley."

„Familie?"

Rachel konnte so etwas wie Verärgerung in den braunen Augen der jungen Frau erkennen, als sie gepresst antwortete: „Nein."

„Dann tut es mir Leid, aber wenn Sie kein direktes Familienmitglied sind, darf ich Ihnen keinerlei Auskunft geben."

„War sie hier mal stationiert?"

„Miss Weasley, wenn Sie keine Verfügung haben, kann ich Ihnen nicht weiterhelfen", wiederholte sie geduldig, aber bestimmt. Als sie das enttäuschte und verzweifelte Funkeln in den Augen von Miss Weasley sah, seufzte Rachel schwer. Selbst Jahre lange Erfahrungen machten es einen nicht einfacher, man hatte lediglich ein dickeres Fell bekommen, um nicht jedes Mal ein Opfer von seinem eigenen Mitleid zu werden. Manchmal jedoch, war es schwieriger als andere Male. „Die Daten unserer Patienten sind vertraulich und werden nicht an Dritte weitergegeben", fügte Rachel erklärend hinzu, in der Hoffnung, dass die junge Frau vor ihr verstand, dass auch sie an Richtlinien gebunden war.

„Verstehe." Sie senkte ihren Blick und Rachel beobachtete sie dabei, wie sie ein paar Mal tief durchatmete. Ihre Stimme, als sie wieder zu reden begann, war leise, aber bestimmt. „Sie soll vor fünf Jahren ohne jegliche Erinnerungen eingeliefert worden sein. Kann ich zumindest mit der Schwester oder dem...Pfleger... reden, die hier waren, als sie aufgenommen wurde?"

„Mrs. Barkley--", setzte Rachel zu einem erneuten Versuch an.

„Hermine", wurde sie unterbrochen. Letztendlich hob sie wieder ihren Kopf und blickte Rachel direkt an. „Ihr Name ist Hermine Granger."

Der Name hing schwer zwischen ihnen in der Luft, wie undurchsichtige Nebelschwaden, die nichts anderes taten, als Rachel für den Augenblick einer Sekunde alles vergessen zu lassen. Sie versuchte irgendwie diesen Namen das Gesicht der jungen Frau zuzuordnen, die hier im Krankenhaus gelegen hatte, versuchte sich daran zu erinnern, ob dieser Name irgendwelche Erinnerungen wachriefen, aber da war nichts. Es war ihr einfach... unmöglich. Es fühlte sich merkwürdig... eigenartig verschoben an. Hermine Granger, hallte der Name durch ihren Kopf, versuchte sich seinen Weg durch das Durcheinander ihrer Gedanken zu kämpfen, bevor die Routine in ihr wieder die Oberhand ergriff. Jane...Hermine... Sie hatte es schon zu oft gesehen und, ja, wenn sie selbst so etwas wie ein Kribbeln bei der Aussicht auf einen möglichen Durchbruch verspürte, hatte sie gelernt nicht einfach irgendwelchen Behauptungen gutwillig zu vertrauen. Mit einem leichten Räuspern, blinzelte sie ein paar Mal.

„Entschuldigen Sie, ich kann Ihr Bemühen wirklich verstehen, aber--"

„Sie glauben mir nicht?" Unglaube tropfte vorwurfsvoll von ihren Worten. „Fein, wenn Sie meinen Worten nicht glauben wollen, vielleicht glauben Sie ja dann Ihren Augen." Bevor Rachel etwas erwidern, auch nur zu einer Rechtfertigung ansetzen konnte, zog die Frau vor ihr aus der Tasche ein paar Fotos heraus und legte sie kommentarlos auf die Anmeldung zwischen ihnen.

Schwer schluckend und mit einer leicht zitternden Hand, zog Rachel das erste Foto zu sich, es war ein Bild ausgeschnitten aus einer Zeitung. Es zeigte eine junge Frau, ihre Haare waren zerzaust und auch wenn ihr Blick gehetzt wirkte, war es doch Jane - Oh, Kleines - auf diesem Foto. Die markante Narbe, die ihre Augenbraue teilte, war mehr als deutlich zu erkennen und Rachel riss leicht ihre Augen auf, als sie erkannte, dass sich auf ihrer Jacke kein Schmutz, sondern Blut befand. Oh grundgütiger Gott...
Die anderen beiden Bilder zeigten eine jüngere Version, fröhlicher, kindlicher und ausgelassener. Sie drehte eines herum, auf dem sie zwischen zwei Jungen stand, die freundschaftlich ihren Arm um ihre Schultern gelegt hatten und alle drei in die Kamera strahlten. Unten in der linke Ecke stand säuberlich geschrieben: Harry, Hermine, Ron – Hogwarts 1996.

Noch immer auf das Bild starrend, öffnete Rachel ihren Mund, um etwas zu erwidern, aber es wollten keine Worte ausgesprochen werden und so schloss sie ihn letztendlich wieder. Mit einem Kopfschütteln blickte sie auf, Tränen stachen unverhofft in ihre Augen.

„Glauben Sie mir jetzt?“, flüsterte Ginny Weasley mit belegter Stimme. Rachel wollte etwas sagen, oder zumindest nicken, aber jegliche Gedanken kreisten um die Offenbarung, dass das Kind endlich einen Namen hatte. Heilige Mutter Gottes…„Bitte, helfen Sie mir.“


+++++++++

Draco wartete noch nicht einmal bis der Knall seiner Apparation verstummt war, bevor er losrannte. Den Wind, der an seinen Kleidern zerrte, ignorierend, blieb er keuchend am Rande der Klippen stehen. Nur schwer schaffte er es seine Atmung wieder zu beruhigen, als er mit nach vornüber gebeugtem Oberkörper dastand, seine Hände zitternd auf seinen Knien abgestützt. Er konnte noch immer das Kribbeln ihrer unkontrollierten Magie auf seiner Haut spüren. Es war zugleich aufregend, verwirrend und absolut erschreckend. Sie hätte wer weiß was anrichten können... Ein Schauer begann von seinen Schultern bis hinunter zu seinen Zehen zu laufen. Möge Merlin ihm heilig bleiben, aber verfluchte Scheiße...Seine Finger fuhren über die verschmutzten, krustigen Überreste ihres Erbrochenen an seiner Hose. Bastard, Mistkerl, elender Lügner. Verärgert klopfte er seine Hände ab. Er hätte jetzt nicht seine verdammte Hose versaut, hätte er nicht in den unverdauten Überresten von einer bereits angeblich toten, verfluchten Hermine Granger gekniet!

„Verfluchte Scheiße!“, knurrte er, doch bevor sich Draco noch weiter in seine Wut, die vor nicht allzu langer Zeit den Schock abgelöst hatte, hineinsteigern konnte, sah er die Quelle seines innerlichen Tumults auf sich zukommen. Zugeknöpft und düster wie eh und je.
„Was, verdammt noch mal, ist hier los?“, schmetterte Draco unverblümt drauf los und ließ seinen Anstand sein Gegenüber zu begrüßen einfach außen vor. Die Situation, entschied er, verlangte keinerlei Höflichkeit.

Severus Snape blieb ein paar Meter von ihm entfernt stehen. Sein Gewand, wie auch seine Haare peitschten durch den Wind, aber Severus machte keinerlei Anstalten auch nur irgendwas wieder unter Kontrolle zu bringen. „Wirklich, Draco, du musst dich schon genauer ausdrücken“, rollte seine seidige Stimme durch den Wind.

„Du weißt genau wovon ich rede!“, explodierte der Blonde, als er aus seiner Starre brach und mit ausgestreckten Finger auf Snape zuging, welcher lediglich eine Augenbraue hochzog. „Oder wie lässt es sich sonst erklären, dass ich in Grangers verfluchter Kotze gekniet habe?“

Snapes Blick glitt automatisch bei seinen Worten hinunter zu Dracos Hose, als dieser verärgert seinen Zauberstab schwang, um den Dreck zu entfernen.

„Du hast mir gesagt, sie sei tot!“

„Das habe ich nicht.“

Draco riss kurz seine Augen auf, bevor er sie zu dünnen Schlitzen verzog. „Du hast mir-“

„Ich habe lediglich gesagt, dass Miss Granger nicht länger unter uns weilt. Ich habe nie mit auch nur einem Wort erwähnt, dass sie tot sei.“ Draco spannte unangenehm stark seinen Kiefer an. „Aber das kann jetzt wohl kaum von Belangen sein. Dolohov und Greyback?“

„Was willst du hören?“

„Ich habe gesehen, wie Dolohov sie entführt hat.“

Draco nickte schließlich knapp und konnte die Abscheu nicht aus seinem Blick verbannen, als er die nächsten Worte sprach. „Er hielt es für angebracht sie in seiner Zelle unterzubringen.“ Draco wartete darauf, dass sein Gegenüber etwas erwiderte, aber gestrecktes Schweigen war alles, was ihn traf. „Was, beim Hades, will Dolohov dann von Granger, Severus?“, presste er zwischen seinen Zähnen hervor. Er hatte genug davon keine Antworten zu haben. Seine Brust hob und senkte sich schwer, als er versuchte seine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. Nur für einen Bruchteil einer Sekunde, nicht länger als einen Wimpernschlag, sah Draco, wie Severus vor ihm kurz die Augen schloss.

„Du musst verhindern, dass Greyback in ihre Nähe kommt“, antwortete er stattdessen mit angespannter Stimme und wenn er den Mann vor sich nicht bereits so lange kennen würde, hätte er niemals das leichte, unterschwellige Zittern herausgehört. Verdammt, aber selbst Snape, den Mann, der bei der schlimmsten Folter, unter der größten Qual nicht einmal eine Miene verzog, schien jetzt, wie er vor ihm stand, um jegliche Kontrolle zu kämpfen.

„Dolohov hatte bereits vor Jahren kundgetan, dass er Granger finden wollte. Dass er dir nicht geglaubt hat…“ Er schüttelte mit dem Kopf, als er versuchte seine Gedanken in Worte zu fassen. „Du hast mir gesagt, ich soll dem Ganzen keinen Glauben schenken! Ich habe auf dich gehört! Verdammt, Severus, ich habe dir vertraut und jetzt muss ich feststellen, dass es nach all den Jahren nicht Dolohov ist, der durchgeknallt ist, sondern du!“

„Pass auf, was du sagst“, schwangen die zischenden Worte, gefolgt von einer Zauberstabspitze gegen seine Brust gepresst, zu ihm hinüber. „Ich habe getan, was ich tun musste. Nur weil der Dunkle Lord nicht mehr lebt, heißt es noch lange nicht, dass wir in einer Welt voller Frieden und der allzu oft missgedeuteten, ach so vertrauensvollen Liebe leben. Die Realität sieht nun einmal zu unser aller Leidwesen oder Genugtuung anders aus. Vertrauen ist eine Eigenschaft, die schon immer eine Schwäche der Dummen gewesen war und ich würde jetzt nicht hier stehen, wäre ich dieser Dummheit verfallen gewesen. Also, frage ich dich, was in meinem Verhalten hat dich dazu verleiten lassen, mir zu vertrauen?“

„Bastard!“

„Wirklich eloquent. Aber nichts Neues. Man sollte annehmen, dass deine Eltern dir einen ausgefalleneren Wortschatz beigebracht hätten.“

„Wag es nicht von meinen Eltern zu reden!“, keuchte Draco schon gar gehetzt, als er Snapes Bewegung nachahmte und seine Zauberstabsspitze betont in die Brust seines Gegenübers presste. Wohingegen Severus Zauberstab ruhig, aber fest auf seiner Brust lag, begann Dracos leicht zu zittern. „Wag es nicht sie zu erwähnen“, spuckte er dunkel. „Du hast nicht das Recht. Nicht du.“

„Es war ihre Entschei-“

„Aufhören!“

„Ich habe Narzissa ein Versp-“

„Sei still!“, schrie Draco, seine Hand nur ein unkontrolliertes Zittern, und es wäre für Snape ein leichtes gewesen, wenn er es denn gewollt hätte, den jungen Zauberer zu entwaffnen. „Sei einfach nur still. Du hast nicht das Recht ihren Namen zu sprechen.“

Snape atmete einmal tief durch und wäre Draco nicht so abgelenkt gewesen hätte, hätte er vielleicht den leicht ungeduldigen Ausdruck, der das Gesichts des dunklen Zauberers flüchtig zeichnete, bemerkt, bevor dieser ruhig fortfuhr. „Ich habe ihr ein Versprechen gegeben, Draco, und ich halte mich an meine Versprechen.“

„Du hast sie umgebracht!“, brach es verzweifelt aus dem Jungen heraus, dessen Augen von ungeweinten Tränen brannten, dessen Worte in einem erstickten Schluchzen untergingen. „Vielleicht nicht mit deinem Zauberstab, aber du hast sie auf dem Gewissen.“

„Wir befanden uns im Krieg. Wir konnten nicht alle retten. Narzissa hat das getan, was jede Mutter getan hätte. Sie hat ihre Familie beschützt.“

„Sie hätte noch nicht einmal dort sein sollen! Wir hatten eine Vereinbarung, Severus! Sie hätte nicht auf dem Schlachtfeld, welches diese… diese Schlammblütler angerichtet haben, sein sollen!“ Draco kniff seine Augen zusammen, als die ungebetenen Bilder an die Oberfläche drangen.

„Sie war deine Mutter, Draco.“

„Sie hatte es mir versprochen…“, flehte er mit gebrochener Stimme. Nur langsam öffnete er wieder seine Augen und blickte direkt in die schwarzen Abgründe von Severus Snape, seine Stimme kaum lauter als ein Flüstern. „Du hattest es mir versprochen.“

„Und ich habe alles in meiner Macht stehende getan, um dieses Schicksal von ihr abzuwenden.“

Leugnend schüttelte Draco mit dem Kopf, als er verzweifelt versuchte die Erinnerungen wieder dahin zurückzudrängen, wo sie all die Jahre vergraben gewesen waren. Aber es war ein schlummernder Gedanke, der all die Jahre ungehört blieb, und endlich seinen Weg fand seine Fesseln zu sprengen, sich zu manifestieren und nach all der Zeit ausgesprochen zu werden. In seinen Augen funkelte eine verbitterte, anschuldigende Kälte, die ihren Weg in seine Stimme fand. „Umgebracht von nichtsnutzigen, elenden, wertlosen Muggeln. Muggeln, wie… Granger.“

Und bevor Draco überhaupt registrieren konnte, wie ihm geschah, war der Druck auf seiner Brust verschwunden und anstatt von einem Zauber verflucht zu werden, legte sich eine kalte, harte Hand um seinen Hals, während sein gesamter Körper mit einer Kraft gegen die hintere Felswand gedrückt wurde, dass ihm für kurze Zeit die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Er zuckte leicht zusammen, als die andere Hand neben seinen Kopf auf Stein prallte, um Severus' Körper abzustützen, der sich nur wenige Zentimeter von dem seinen befand. Augen so schwarz, lodernd, wie der Eingang zur Hölle, starrten finster auf ihn hinab. Eine Stimme, degradiert zu einem Zischen, tonlos, schon gar fast leer, dass sie fast am Wahnsinn wandelte, ließ Draco schwer schlucken. Und zum ersten Mal hatte er eine ungefähre Ahnung, wie sich ein Hufflepuff Erstklässler fühlen musste, wenn dieser dem Zorn von Snape ausgesetzt gewesen war. „Auf die Gefahr hin, dass es dir entfallen sein sollte, aber Miss Granger ist eine Hexe, genauso wie du ein Zauberer bist – zugegeben, ein eher durchschnittlicher im Vergleich zu ihr, aber nichtsdestotrotz ein Zauberer. Du solltest jetzt besser genau zu hören, denn ich werde mich nicht wiederholen. Bevor ich es für angebracht halte, dich über Miss Grangers Umstände aufzuklären, solltest du die schlichte Tatsache im Hinterkopf behalten, dass selbst nach dem Fall des Dunklen Lords sich die Lage für die Zauberwelt eher verschlechtert als verbessert hat. Besonders für die muggelgeborenen Hexen und Zauberer. Noch heute werden sie von unseren reinblütigen ‚Brüdern und Schwestern‘ gemieden und angeklagt. Dies ist der einzige Grund, warum die restlichen Anhänger des Dunklen Lords, wie Dolohov, heute ein so leichtes Spiel haben. Und es schert mich nicht im Geringsten was du denkst, denn mit deinem kleinen Kinderspiel gerade eben hast du meine Überzeugung, dich nicht einzuweihen, nur bestätigt. Es verwundert mich wirklich manchmal mit deinen dürftigen Darbietungskünsten, wie du den Krieg überlebt hast.“

Draco spürte sein Herz wie wild in seiner Brust pochen, als die Worte zu ihm drangen und nur gurgelnde Laute kennzeichneten seine Antwort. „Was hast du mit Granger gemacht?“

Er spürte, wie Snapes Hand um seinen Hals leicht zuckte. „Falsche Frage.“

Draco schloss kurz seine Augen und versuchte durchzuatmen, aber die Hand machte es ihm fast unmöglich. „Sie hat verdammt noch mal keine Ahnung was sie ist. Scheiße, sie hat noch nicht einmal eine Ahnung wer ich bin.“

Angespannt wartete er auf irgendeine Reaktion. Er erhielt sie schließlich dadurch, als Snape sich so schnell, wie er vor ihm gestanden hatte, wieder verschwand und Draco röchelnd zu Boden gleiten ließ. Automatisch begann er damit seinen Hals zu massieren. „Eine schlichte Antwort hätte auch gereicht“, raunte der junge Zauberer dunkel.

„So sehr es mich schmerzt es zuzugeben, manchmal ist die direktere Methode die effektivere.“

„Verfluchte Gryffindors“, fluchte Draco flüsternd, als er langsam wieder aufstand. „Und was soll ich jetzt mit Granger machen?“

„Halte Greyback von ihr fern. Um den Rest kümmere ich mich.“

Es war ein dunkles, humorloses Lachen, welches seine nächsten Worte einleiteten. „Du stehst ganz oben auf ihrer Liste, Severus. Außerdem vertritt Greyback die Annahme, dass Granger seine Belohnung ist, und selbst Dolohov scheint schon Probleme zu haben ihn von ihr fernzuhalten.“

Bei den Worten traf ihn ein scharfer Blick und wieder einmal konnte er sehen, wie Severus kurz seine Hände zu Fäusten ballte. Dies und die schlichte Tatsache, dass Snape niemals, aber auch niemals, seine Kontrolle verlor – und beim Barte Merlins es war das erste Mal in seinem Leben, dass er so etwas wie Angst bekommen hatte – sagte ihm, dass weit mehr unter der Oberfläche brodelte und wenn es bedeutete Antworten zu bekommen, Granger zu helfen, verdammt, dann würde es eben so sein. Er wartete nicht bereits seit gut fünf Jahren auf eine Antwort, nur um so kurz vor dem Ziel zu scheitern. Auch wenn es ihm schleierhaft war, warum es Snape so verdammt wichtig war, dass Granger überlebte. Sie hätte ihnen alle eine Menge Ärger erspart, wenn sie einfach dort geblieben wäre, wo auch immer sie untergetaucht gewesen war.

„Und wie soll ich das anstellen? Dolohov ist so schon misstrauisch genug.“

„Ich bin mir sicher, dir wird schon was einfallen.“ Draco schnaubte abfällig bei dieser Bemerkung. „Ich werde dir Bescheid geben und nicht anders herum. Kontaktiere mich nur im Notfall.“

„Wa--?“

„Hier.“ Snape hielt ihm eine kleine Phiole entgegen, welche er ohne zu überlegen an sich nahm. „Wenn du das nächste Mal bei ihr bist, sieh zu, dass sie es nimmt. Sie ist bereits überfällig.“

„Was ist das?“ Er starrte hinunter auf das Glasgefäß, gefüllt mit einer gelblich, grünen Flüssigkeit. Er verzog angeekelt das Gesicht. Er würde eher sterben als das zu trinken. Der alleinige Gedanke daran ließ seinen Magen verrückt spielen.

Er bekam nicht die Antwort, die er erwartet hatte. Es war das erste Mal während ihres Treffens, dass er das bekannte, spöttische Lippenkräuseln erkennen konnte. „Und, Draco, sie sollte es lieber früher als später nehmen, oder Dolohov wird es noch bereuen sie entführt zu haben.“

Damit, begleitet von einem lauten Knall, war er verschwunden und hinterließ einen sprachlosen Draco, der mit der Phiole in der Hand, noch immer auf den Platz starrte, an dem noch vor wenige Sekunden Severus Snape gestanden hatte.



+++++++

Hermine atmete tief durch, als sie halb liegend, halb sitzend gegen die Wand lehnte und versuchte ihre Haare aus dem Gesicht zu wischen. Dolohov war endlich verschwunden und ihr war es möglich alles in eine geordnete Reihenfolge zu bringen. Antworten hatte sie gewollt, aber nicht auf diese Art und Weise. Wenn sie ehrlich war, hatte sie selbst noch nicht einmal gewusst, was genau sie wissen wollte, wonach oder wen sie hätte fragen sollen. Und wo hat es dich hingebracht?

Ihr Blick glitt durch die kleine Zelle, die Wände so kalt wie der Boden auf dem saß, bedeckt mit Dreck und Schmutz. Ihren eigenen Dreck... Blut und Erbrochenes... Als ihre Hand erneut durch ihr Haar fuhr, konnte sie den Gestank selbst an ihren Fingern riechen und sie spürte, wie sich ihr Magen erneut zusammenzog. Es war nichts mehr in ihr, was noch hätte herausgewürgt werden können. Zitternd fuhr die Hand über ihre zerrissene Kleidung, als sie versuchte zumindest zum Teil ihre Bluse zu richten, nur um festzustellen, dass sämtliche Knöpfe abgerissen waren. Ein Geräusch nahe eines Wimmern entwich ihrem Mund und bei Gott, sie wollte nichts weiter als sich zusammenzurollen und zu weinen.

Ihre Knochen schmerzten, ihre Haut brannte und sie hatte das Gefühl von innen heraus zerrissen zu werden. Nein, das war definitiv nicht die Art von Antworten, die sie gesucht hatte. Und was das Ganze noch unwirklicher zu machen schien, war die Tatsache, dass sie es nicht nur mit schlichten Wahnsinnigen zu tun hatte, sondern mit Gestalten, die absolut unberechenbar in ihren Handlungen zu sein schienen. Wahnsinnig, gar keine Frage, aber hinter diesem Wahnsinn steckte noch etwas, was sie nicht wagte anzusprechen.

Sie schluckte schwer als sie sich zwang ihre Emotionen wieder unter Kontrolle zu bringen. Wenn sie eines in ihrem „kurzen" Leben gelernt hatte, dann, dass sie Gefühle nur verwirrten und rationale Logik ihr Ruhe und Frieden gaben. Und so versuchte sie den Klos in ihrem Hals hinunterzuschlucken, zwang den Knoten in ihrem Bauch sich aufzulösen und strich sich einmal entschieden über ihr Gesicht. Was waren die Fakten?

Fakt, du bist ohne Erinnerungen in einem Krankenhaus aufgewacht. Fakt, du bist krank. Fakt, mit dir stimmt etwas nicht. Fakt, du hast zunehmend Alpträume... oder Erinnerungen? Gott, ich hoffe nicht. Fakt, du kriegst diese Bilder nicht mehr aus deinem Kopf. Fakt, du hast angefangen zu glauben, dass so etwas wie Werwölfe oder magische Wesen wirklich existieren. Fakt, du bist verheiratet und hast deinen Ehemann jahrelang angelogen. Fakt, du hast das Gefühl beobachtet zu werden. Fakt, du bist davon gelaufen. Hier hielten kurz ihre Gedanken in ihrer imaginären Aufzählung inne. „Grundgütiger Gott“, seufzte Hermine erschöpft. „Du verlierst langsam deinen Verstand.“

Es war schon schlimm genug Bilder von fremden Menschen im Kopf zu haben, die sich in Tiere verwandelten, die wie aus dem Nichts Dinge vollführten, die rein physikalisch vollkommen unmöglich waren. Und selbst, wenn sie alles vergessen zu haben schien, in den letzten Jahren hatte sie genug gelesen, um zu wissen, dass diese Dinge einfach nicht real sein konnten. In den letzten Jahren hatte sie viel und schnell gelernt, hatte alles wie einen Schwamm aufgesogen, aus Angst irgendwie wieder zu vergessen. Das war einer der Gründe, warum sie ohne eine nachweisbaren Abschluss es geschafft hatte Arbeit an einer Schule zu finden. Ohne Ihrin, so wusste sie, hätte sie es niemals geschafft. Ihre Freundin hatte es als „Rücksozialisierung in die Gesellschaft“ bezeichnet und solange sie einmal die Woche zur Therapie ging und keinerlei Komplikationen auftraten, konnte sie ihrem Wunsch nachgehen. Und sie war bei Weitem keine vollausgebildete Kraft, aber ihr Status als Praktikant oder Assistent reichte ihr mehr als aus und so hatte sie sich nur noch weiter in ihre Arbeit gestürzt, hatte noch mehr Bücher, Filme, Dokumentationen gelesen und gesehen. Es gab keine Zeit, in der sie nicht an ihrem Computer gesessen oder in irgendwelchen Artikeln vertieft gewesen war. Die Erinnerungen, erkannte sie schon fast überrascht, als sie jetzt zum ersten Mal rational über alles nachdachte, waren das erste Mal bewusst in Erscheinung getreten als sie sich auf ihren Unterricht vorzubereiten begann. Das Dunkle Zeitalter in denen Hexenverbrennungen und Verfolgungen an der Tagesordnung standen. Es war ein flüchtiger Kommentar von Jonas gewesen, der sie hatte aufhorchen lassen.

„Was liest du da?", hatte ihr Mann gefragt, als er sich leicht über ihre Schulter gebeugt hatte, wenn auch er wusste, dass sie es hasste, wenn er dies tat.

„Ich bereite mich auf den Unterricht vor. Das Zeitalter der Hexenverfolgungen."

„Hm", hatte er geraunt und als sie zu ihm aufgeblickt hatte, war seine Stirn in tiefe Falten gelegt. „Geschichte sollte in der Regel mehr als 5 Jahre zurückliegen, meinst du nicht auch?"

„5 Jahre?"

Er hatte leicht mit den Schultern gezuckt, auch wenn sie die kaum merkliche Anspannung in ihm gesehen hatte. Er war ihrem Blick ausgewichen. „Vergiss es. Mach nur weiter. Ich wollte dich nicht stören."

„Nein, Jonas. Was meinst du damit? Mehr als 5 Jahre? Ich habe von der Neuzeit gesprochen.“

Mit einem Seufzen rieb er sich müde über die Stirn. „Ist nicht so wichtig. Es war nur ein Gedanke…Ich muss es wohl verwechselt haben.“ Er schüttelte etwas verwirrt mit dem Kopf. „Arbeite nicht mehr so lange.“

Ohne ihr die Möglichkeit gegeben zu haben, etwas zu erwidern, hatte er sie auf den Kopf geküsst und den Raum verlassen.


Sie hatte an diesem Abend oder die Tage darauf nicht mehr von Jonas erfahren und so hatte sie sich in ihre Recherche gestürzt. Sie wollte den Informationen nicht glauben, konnte nicht verstehen, wie so etwas in ihrer wissenschaftlichen Welt existieren konnte, aber je mehr sie gelesen hatte, je mehr sie sich in die Materie vertieft hatte, desto klarer wurde es, dass ihr mysteriöser Gesundheitszustand, ihre merkwürdigen Träume, die seltsamen Dinge immer nur dann passierten, wenn sie in der Nähe war, vielleicht doch kein Hirngespinst waren. Es wäre zu einfach gewesen, es war zu unglaublich, um überhaupt diese Erklärungen in Erwägung zu ziehen. Zauberei und Hexerei... das waren Irrtümer des Mittelalter. Wirkliche, reale Magie gab es nicht. Es war so, wie sie ihren Schülern erzählt hatte, die Menschen hatten nach Antworten gesucht und das, was sie nicht erklären konnten als ein Werk Satans abgetan. So war es umso schockierender für sie gewesen, dass die Menschen genau aus diesen Gründen wieder aufeinander losgegangen waren. Und eine Befürchtung, dass ihre Amnesie vielleicht doch nicht so zufällig gewesen war, wie sie immer angenommen hatte, hatte sich manifestiert, zusammen mit immer mehr Bildern in ihrem Kopf, die unmöglich wahr sein konnten.
Ihr Zustand, so erkannte sie jetzt, war der perfekte Mantel unter dem sich all der Irrglaube verstecken konnte. Sie hatte mit nichts arbeiten können. Nicht nur die Ärzte waren ratlos gewesen, sondern auch sie selbst. Bis zum heutigen Tage hatte sie noch immer geglaubt, dass es für alles eine Erklärung gab.

Aber es war etwas vollkommen anderes diese Bilder in ihrem Kopf, diese Vorstellungen, ja vielleicht sogar Einbildungen, leibhaftig vor sich zu sehen. Erwachsene Menschen schwangen mit irgendwelchen Holzstäben um sich herum, ließen Dinge geschehen... fügten ihr Schmerzen zu. War das die Welt, in die sie wirklich zurückkehren wollte? In der man sie vielleicht bei ihrem richtigen Namen kannte, in der sie allerdings nicht willkommen zu sein schien?

Miss Granger. Sie schloss fest ihre Augen. Diese schmierige Stimme kroch ihren Rücken hinunter und ließ sie unweigerlich erschaudern. Was hieß das schon? Was bedeutete schon ein Familienname, wenn sie ihn bei ihrer Eheschließung mit Jonas so oder so abgegeben hätte? War es das wert gewesen? Hier in diesem Loch zu sitzen, nur um zu erfahren, dass man im Grunde schon tot war?

Es hatte niemand nach ihr gesucht, weil es nie einen Grund gegeben hatte überhaupt erst eine Suche einzuleiten. Sie schluckte schwer. Das hieß, wenn die Menschen aus ihrem früheren Leben in der Annahme lebten, dass sie vor fünf Jahren gestorben sei, wie in drei Gottes Namen sollte sie dann nur hier lebend wieder herauskommen?

Würde Jonas nach ihr suchen? War sie schon lange genug verschwunden? Die Polizei, wurde sie von ihrem Verstand erinnert, schaltet sich erst nach 48 Stunden ein. War bereits so viel Zeit vergangen? Und nach alle dem, was sie getan hatte, würde er da überhaupt auf die Idee kommen nach ihr zu sehen? Es war immerhin sie selbst gewesen, die aus freien Stücken verschwunden war. Sie wusste, dass sie sich nicht darauf verlassen konnte und selbst wenn Jonas Himmel und Erde in Bewegung setzen würde, sie hätten nicht den Hauch einer Chance gegen das, was sie hier erwartete.

„Ich weiß, was du bist“, hatte Dolohov geflüstert. „Keine Sorge, das Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.“

Sie war sich nicht sicher, welches Geheimnis er meinen konnte. Wenn sie wirklich eine von ihnen war, wieso war es dann ein Geheimnis? Die alleinige Tatsache, dass er sie mit einem unsichtbaren Schwur oder was auch immer es war, sie am Boden hielt, war der einzige Grund, warum sie ihn nicht angesprungen hatte. Sie hatte seine überhebliche Ignoranz, seine vermeintliche Überlegenheit förmlich riechen können und es hatte sich wie ein roter Nebel über sie gelegt. Erst als sie ihn angeknurrt hatte, war er einen vorsichtigen Schritt zurückgegangen und es war, als ob sie seinen Angstschweiß schmecken konnte. Das war der Moment gewesen, in dem sie erkannte, dass trotz seiner Dominanz, sie seine Schwäche gefunden hatte. Aus Gründen, die sie noch nicht wirklich verstand, fürchtete er sich vor ihr. Es war nicht viel, aber vielleicht der erste Schritt, der sie aus diesem Wahnsinn hinausführen würde.

Doch selbst diese Erkenntnis konnte die Hoffnung in ihrer Brust nicht lange halten, denn sie hatte keinen blassen Schimmer, wie sie aus dieser Zelle kommen sollte. Sie machte sich nichts vor, sie brauchte Hilfe. Ihre Gedanken rasten, umkreisten ihre Möglichkeiten, die, wenn sie Glück hatte, äußerst gering waren, bis sich ein Geruch in ihre Nase schlich, bevor sie die dazugehörigen Schritte vernehmen konnte. Es war der junge blonde, der ihr geholfen hatte. Nachdenklich biss sie sich auf ihre Unterlippe. Konnte sie ihm vertrauen? Würde er ihr helfen? Wie sollte sie es anstellen, ohne dass er gleich misstrauisch wurde?

Aber noch viel wichtiger: Hatte sie denn überhaupt eine Wahl?


+++++


Als Ginny zu Luna aufschloss, die geduldig wartend am Anfang der Straße stand, fand sie ihre Freundin absolut fasziniert in einer Muggel-Zeitung versunken vor. Mit ihrem Mund leicht geöffnet, schüttelte sie erstaunt den Kopf und neigte ihn leicht zur Seite. Ginny kam nicht drum herum zu bemerken, dass sie ihren Zauberstab als Spange in ihre Haare gesteckt hatte. „Muggels sind schon seltsam", verkündete Luna schließlich ohne ihren Blick von dem Blatt zu nehmen. „Die ganze Zeit so still zu sitzen muss doch wirklich unbequem sein."

Ginny blinzelte ein paar Mal sprachlos und presste ihre Lippen zusammen, um ein Lachen zu unterdrücken. Hermine hatte ihr mal das Konzept von Muggel-Fotos erklärt, aber irgendwie bezweifelte sie, dass sie es Luna schonend beibringen konnte, dass es nur Abbildungen waren und so schnappte sie sich ohne einen Blick auf das Titelblatt zu werfen, die Zeitung und legte sie zurück auf die nahestehende Mauer.

„Ich habe gerade mit Schwester Benington geredet. Sie ist die Schwester, die Hermine von Anfang an im Krankenhaus betreut hat. Es war..." Sie schüttelte leicht mit dem Kopf. „Es war grausam, Luna", gestand sie schließlich flüsternd, als sie sich an die Worte erinnerte, an die Bilder, die mit der Hermine, die sie kannte, einfach nicht übereinstimmen wollten. „Wir hätten weiter nach ihr suchen sollen."

Luna lächelte sie leicht von der Seite an, als sie sich langsam in Bewegung setzte. „Wir hätten nichts tun können. Hermine war hier sicher."

Ginny konnte nur abfällig schnauben. Sicher... in Stich gelassen von ihren Freunden. Sie hatten sich zu schnell von der bequemen Lüge einlullen lassen. Es hatte so viele Opfer gegeben und Hermine im Blickpunkt des Ministerium, sowohl magisch als auch muggelstämmig, da hatten sie es alle, wenn auch mit Schrecken, sehr leicht akzeptiert, dass ihre Freundin nur ein Opfer unter vielen gewesen war. Das Opfer eines Lügners. Ihr Hass konnte sich vielleicht nicht mit dem von Harry messen, aber Snape sollte sich lieber warm anziehen. Hermine hatte ihn immer verteidigt und selbst, wenn sie es manchmal nicht nachvollziehen konnte, hatte sie sich mit den Jahren dazu durchgerungen ihr zu vertrauen und somit ihm. Wie falsch sie doch gelegen hatten. Wie unglaublich falsch. Sie konnte sich noch mit einem schuldigen Klumpen in ihrem Magen an ihren ersten Gedanken erinnern, als sie von ihrem Tod gehört hatte. Jetzt ist sie endlich frei.

Sie schüttelte bestimmt mit dem Kopf, um die vergrabenen Erinnerungen zu verdrängen. Es würde niemanden etwas nützen, wenn sie in Selbstvorwürfe versank und schloss bestimmt mit Luna auf, bis sie vor dem bekannten Haus, welches Hermine die letzten Jahre als ihr Heim bezeichnet hatte, zum Stehen kamen.

„All die Jahre“, murmelte sie, „und sie hat so nahe bei uns gelebt. Noch nicht einmal eine halbe Stunde zu Fuß bis zum Tropfenden Kessel.“ Sie seufzte kopfschüttelnd. „Sie war all die Jahre allein gewesen.“

„Nein, das war sie nicht“, erwiderte Luna ruhig.

„Natürlich war sie das, Luna. Niemand von uns war für sie da gewesen.“

„Du vergisst, dass sie verheiratet ist.“ Sie deutete mit ihrem Kopf in Richtung des Hauses, vor dessen Grundstück sie standen.

Aber Ginny schüttelte hartnäckig mit dem Kopf. „Das sind Muggel, Luna.“ Es lag keinerlei Abneigung in ihren Worten, lediglich Verzweiflung. „Ein Muggel kann eine Hexe nicht beschützen. Nicht, wenn es diese Wahnsinnigen sind, die hinter einem her sind.“

„Nun“, zuckte Luna schon fast gleichgültig mit den Schultern. „Sie haben es zumindest die letzten Jahre geschafft.“

Mit einem langen Blick, drehte sich Ginny schließlich um und öffnete das Tor, um das Grundstück zu betreten und erst als sie merkte, dass ihre Freundin ihr nicht folgte, warf sie einen Blick über ihre Schulter, nur um Luna mit einem leichten Stirnrunzeln zu sehen, wie sie angestrengt ihre Augen schloss, nur um diese dann mit einem schon fast überraschten Ausdruck wieder zu öffnen. „Oh… er ist es wirklich“, murmelte sie. Selbst wenn man die Gefühle von Luna wie ein offenes Buch auf ihrem Gesicht ablesen konnte, so fragte sich Ginny manchmal ernsthaft, was in ihrem Kopf vor sich ging. Doch bevor sie überhaupt die Zeit hatte zu antworten, wurde sie von einer verwunderten und leicht wütenden Stimme unterbrochen. Sie wirbelte herum, um einen Mann in der Haustür stehen zu sehen.

„Wer sind Sie? Und was zum Teufel haben Sie an einem Sonntagmorgen um diese Uhrzeit auf meinem Grundstück zu suchen?“


+++++++++


Ron warf Harry einen flüchtigen Blick zu, als sie gemeinsam durch die Hallen des Ministeriums schritten. Sein bestimmt verzogener Mund, war noch immer ein Indiz dafür, dass er wütend auf seinen Freund war.

„Ron, jetzt stell dich nicht so an“, murmelte Harry gepresst.

„Ich kann einfach nicht verstehen, wie du mir nichts davon erzählen konntest, Harry. Eine Akte, verflucht noch Mal, und du hast mir nichts gesagt!“

„Falls es dir entgangen sein sollte, aber solche Dinge sind geheim!“ Harry zog sein Tempo an, aber die längeren Beine von Ron konnten leicht mithalten.

Neben ihm, hörte er Ron schnauben. „Genau, und seit wann bist du zum Heiligen geworden? Wir haben uns damals alles erzählt. Als V-Voldemort noch gelebt hat, haben wir uns auch nicht darum gekümmert, ob man uns was verboten hat und ob irgendwas geheim gewesen war.“

Abrupt blieb Harry stehen, so dass Ron fast an ihm vorbeigelaufen wäre, hätte Harry ihn nicht an seinem Ärmel gegriffen und zur Seite gezogen, so dass sie nahe einer beschattenden Nische stand, gerade auffällig genug, um vielleicht gesehen zu werden, aber nicht zu offensichtlich, dass man misstrauisch werden würde. „Okay, du willst wissen, wie es damals wirklich gelaufen ist?" Rons sturer Blick beantwortete ihm wortlos die Frage. „Ich sage dir, was passiert ist. Ich habe Kingsley darum gebeten Hermine zu helfen, nachdem man sie..." Er schüttelte leicht mit dem Kopf, als er versuchte seine Gedanken und Gefühle in eine gezielte Reihenfolge zu bringen. „Verdammt, du weißt, was damals passiert ist. Sie wurde von der Zauberwelt gejagt, weil sie eine Muggelgeborene ist und von den Menschen, weil sie eine Hexe war. Ich habe versucht ihr zu helfen und sie hatte sich zurückgezogen und dann war das Desaster mit Finnigan und sie war abgetaucht..." Er atmete einmal tief durch. „Über jede Person, nach der wir ermitteln, wird eine Akte angelegt... und nachdem es dann hieß, dass sie... tot... sei, da war sie im Archiv verschwunden und..." Er zuckte mit den Schultern, da er nicht mehr wusste, was er wirklich sagen sollte.

„Ich hätte dir dennoch helfen können."

„Ich weiß... Entschuldige."

Ron nickte leicht und es war der stumme Blick, der Harry wissen ließ, dass ihm vergeben war. „Wie sollen wir jetzt an diese Akte kommen? Wird Kingsley sie nicht bereits beschlagnahmt haben?" Seine Stimme war zu einem dringenden Flüstern gesunken.

Harry kratzte sich über den Hinterkopf. „Ich hoffe noch nicht. Um ehrlich zu sein, spekuliere ich darauf, dass er noch immer mit dem Vorfall im Museum beschäftigt ist..."

Aber weiter kam er nicht, denn schnelle Schritte, begleitet von einer dunklen, kräftigen Stimme, die seinen Namen rief, unterbrachen jegliche Worte, die den Satz beendet hätten. „Harry. Was tust du hier?" Kingsley sah sich zügig um. „Warum bist du hier?"

Harry richtete sich auf, etwas von der jugendlichen Sturheit schlich sich in seinen Blick. „Es gibt viel Arbeit. Und Sie brauchen im Moment jeden Auror, den Sie kriegen können."

Kingsley nickte zögernd. „Das will ich nicht abstreiten, aber, Harry-"

„Sie wollen nicht, dass ich mich in die Suche nach Hermine stürze, weil Sie denken, dass ich nicht objektiv genug bin." Er blickte den Auror bestimmt an. „Sie haben Recht, ich bin nicht objektiv genug. Keiner von ist das. Wir alle kannten... kennen Hermine und es tut mir Leid, aber ich werde sie finden und sie müssten mich schon einsperren, um mich davon abzuhalten."

„Bitte, Harry...", begann Kingsley mit einer leichten Verzweiflung in seiner Stimme und einen flehenden Blick in Rons Richtung.

„Sie ist unsere Freundin. Damals, als ich gegen Voldemort gekämpft habe, konnte ich niemanden davon abhalten sich ihm nicht zu stellen, egal, was ich versucht habe, dass sich meine Freunde von ihm fernhalten, sie haben es nicht getan. Und jetzt werde ich dasselbe für sie tun und Sie können rein gar nichts dagegen machen."

Harry sah aus seinem Augenwinkel, wie Ron entschlossen seine Arme verschränkte. Schließlich seufzte Kingsley, nachdem er mehrere Sekunden zwischen den beiden jungen Männern vor sich hin und her gesehen hatte. „Da gibt es wirklich etwas, wobei ich eure Hilfe bräuchte. Die kleine Eskapade im Museum?" Als die beiden nickten, fuhr er fort. „Nun, ich befürchte, so klein ist sie leider nicht mehr."

„Was?"

Aber Kingsley schüttelte mit dem Kopf und hob leicht seine Hand, in der er eine zusammengerollte Muggel-Zeitung hielt. „Nicht hier. Folgt mir."

Er setzte sich in Bewegung, um wieder zurück in Richtung Büro zu verschwinden. Neugierig und mit einem vielsagenden Blick, folgten sie ihm. Hermine hatte ihnen mal beigebracht, dass es nicht nur einen Weg gab und man erst sämtliche Informationen kennen musste, bevor man eine Entscheidung traf.

Es war nicht zum ersten Mal, dass sie erkannten, dass in den Nörgeleien und rechthaberischen Worten ihrer Freundin bisher immer ein Funke Wahrheit gesteckt hatte.


++++++

Anmkerkung: Dumnezeu ist rumänisch und heißt so viel wie "Gott". Meine Kollegin ist Rumänin und ich habe sie gefragt, ob man es so verwenden könnte und sie hat mir ihre Zustimmung gegeben.


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