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Fanfiction

Die Aurorenzentrale - Crown Court, Salisbury

von Krabbentaucher

Lieber James!

Herzlichen Glückwunsch zu Deinem zwölften Geburtstag!
Wir wünschen Dir alles Gute für das neue Lebensjahr und in der Schule, viel Gesundheit und alles, was so dazugehört. Schade, daß du nicht hier sein kannst und wir gemeinsam feiern können, aber wir denken an dich!

Mum
Dad
Lily
Albus

„Okay, dann werden wir mal unsere beiden Familieneulen engagieren“, sagte Ginny.
Harry stimmte zu: „Eine Eule allein kann so ein Paket nicht tragen.“
Er dachte betrübt daran, daß aus Termingründen – Ostern lag recht früh in diesem Jahr – der Vortrag doch erst nach den Ferien stattfinden konnte und er deshalb James doch nicht vor den Ferien wiedersehen konnte.
Er legte die Geburtstagskarte in das Paket und verschloß es. Tinky stand neben dem Tisch und stieg ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
„Was ist?“ fragte Harry.
Tinky verbeugte sich und sagte: „Der Meister will das Paket doch nicht selbst hochbringen zum Dachboden zu den Eulen? Tinky als gute Hauselfe...“
„Okay, hier, nimm das Paket und bring es auf den Weg“, sagte Harry.
„James' Geburtstag ohne James ist nicht dasselbe“, stellte Albus weise fest.
„Er ist doch bald wieder da“, tröstete ihn Harry. „Nur noch zwei Wochen.“

Zunächst stand aber ein Besuch in der Muggelwelt an: Am Morgen des zehnten März brachten Harry und Ginny Albus und Lily gemeinsam zur Schule und fuhren von dort aus direkt weiter nach Salisbury. Als sie kurz vor dem Termin vor dem Gerichtsgebäude ankamen, war Harry enttäuscht. Mit einem Gericht assoziierte er eigentlich ein ehrwürdiges, mindestens viktorianisches Gebäude, aber das Gerichtsgebäude von Salisbury war ein hochmoderner Kasten mit Glasflächen zwischen hellockerfarbenen Klinkermauern, einem vorkragenden Flachdach und einem gläsernen Vorbau mit Rollstuhlrampe vor dem Eingang. Auf der Rückseite schloß sich ein schmuckloser Zweckbau mit hellbeige verputzter Fassade an. Allerdings hatte die moderne Konzeption einen Vorteil: Man hatte an Parkplätze in ausreichender Anzahl gedacht.
„Das ist für mich das erste Mal“, sagte Ginny.
„Für mich auch. Jedenfalls in einem Muggelgericht“, sagte Harry, nachdem er das Auto geparkt hatte.
Auf dem Parkplatz stiegen auch zwei Polizisten aus ihrem Streifenwagen, als sich Harry und Ginny auf den Weg zum Eingang machten.
„Ah – das ist also der Nachfolger!“ sprach einer Polizisten Harry an.
„Ähm – wie?“ erwiderte Harry.
„Ich meine: Nach dem Unfall. Der heute verhandelt wird“, erläuterte der Polizist.
Harry erinnerte sich vage, daß es sich bei dem Polizisten um einen der Beamten handelte, die am Unfallort gewesen waren.
„Ja, der weiße Passat war nach dem Überschlag ja Schrott.“
Der Polizist nickte bestätigend und sagte noch etwas davon, daß an diesem Tag die Sache zuende gebracht werde. Harry setzte mit Ginny den Weg zum und ins Gericht fort.
„Siehst du? Es war doch gut, daß wir nicht appariert, sondern mit dem Auto hierhergekommen sind“, flüsterte er ihr ins Ohr.
„Okay, hast Recht gehabt“, flüsterte sie zurück.
Das Innere des Gerichtsgebäudes war beherrscht von weiß gestrichener Betonarchitektur, wobei es gewöhnungsbedürftig war, daß die Stockwerke nicht an die Außenwand auf der Straßenseite herangeführt waren, sondern einen Meter vor der Fensterfront in Galerien endeten. Harry erkundigte sich am Empfang, wohin sie gehen mußten. Dann stiegen sie hinauf in den zweiten Stock, wo vor der dunklen Tür auf der Galerie schon zahlreiche Leute warteten, darunter auch – und wenigstens das erkannte Harry aus den alten Spielfilmen wieder – einige Herren mit kleinen Perücken auf dem Kopf, die allesamt wie notgelandete, plattgefahrene Pudel wirkten. Sie trugen über ihren Anzügen schwarze Roben mit Ärmel, die nur bis knapp zum Unterarm reichten und statt Krawatten weiße Beffchen. Harry wandte sich an einen dieser Herren: „Entschuldigen Sie, ich bin als Zeuge geladen worden in der Strafsache gegen einen Mr Fierro. Wo muß ich mich denn da melden?“
„Oh – Sie warten am besten hier draußen und warten darauf, von dem Gerichtsdiener hereingerufen zu werden. Die Verhandlung findet dort in dem Raum statt.“
„Danke.“
Harry war schon immer neugierig gewesen und steckte erst einmal die Nase durch die Tür. Der Gerichtssaal war leer und eine Enttäuschung. In den alten Filmen spielten sich die Gerichtsszenen immer in holzgetäfelten Gebirgslandschaften ab, aber es handelte sich um einen nüchternen, weißen Raum mit Möbeln aus hellem Holz. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein erhöhter Tisch und neben der Tür eine Art erhöhte große Holzkiste. Links an der Wand waren zwei Tische auf einem niedrigen Podest hintereinander montiert, hinter denen insgesamt zwölf Stühle standen, vor dem erhöhten Tisch stand ein Tisch mit Stühlen dahinter, im Raum drei lange Tische mit Stühlen davor. Rechts neben dem Tisch vor dem erhöhten Tisch war eine Art kleines Pult aufgestellt. Harry bemerkte, daß Ginny neben ihm stand und auch guckte. Sie sahen einander an, nickten sich zu, dann schloß Harry die Tür.
„Sieht anders aus als der Gerichtssaal im Ministerium, was?“ fragte Ginny leise.
„Ja, da sind steinerne Sitzstufen an drei Seiten des Saales. Die Wände bestehen aus rohem Stein. Und alles ist von Fackeln beleuchtet. Die kleinen Säle haben aber ein Podium mit einer Balustrade. In der Mitte steht dann ein großer Stuhl mit Ketten. Hat sich nicht verändert, seit du mal dort warst.“
Sie gingen ungeduldig auf und ab. Die Tür zum Gerichtssaal öffnete sich nun von innen. Ein Mann in der Robe mit den etwas zu kurzen Ärmeln, jedoch ohne Beffchen und Perücke, trat heraus und rief: „Aufgerufen wird die Strafsache gegen John Fierro, bitte eintreten! Die Zeugen warten bitte weiterhin hier draußen.“
Die Leute gingen in den Saal, so daß es auf der Galerie merklich leerer wurde. Außer Harry und Ginny befanden sich jetzt nur noch die beiden Polizisten und drei andere Herren auf der Galerie. Die nun folgende Zeit verging, indem man sich immer wieder kurz ansah und dann woanders hinguckte.

Die Tür zum Gerichtssaal öffnete sich. Der Mann mit der Robe und ohne Perücke trat heraus und sagte: „Sergeant Crisp, bitte eintreten.“
Einer der Polizisten stieß sich vom Geländer ab und folgte dem Mann in den Saal, die Tür fiel hinter ihnen zu. Harry und Ginny setzten sich auf eine der zweisitzigen Bänke.
„Wir hätten eine Zeitung mitnehmen sollen“, murmelte er.
Ginny nickte und machte nur: „Hm-hm.“
Nach einiger Zeit kam der Polizist wieder raus, dicht gefolgt von dem Gerichtsdiener, der nun den zweiten Polizeibeamten aufrief: „Constable Gray, bitte eintreten.“
Der zweite Beamte verschwand mit dem Gerichtsdiener im Saal. Harry mußte zugeben, daß er nervös wurde. Die Tür öffnete sich nach einer Weile wieder, der zweite Polizist kam heraus, winkte seinem Kollegen zu und ging mit ihm zur Treppe. Der Gerichtsdiener erschien in der Tür und sagte: „Mr Harry Potter, bitte eintreten.“
Mit klopfendem Herzen und trockenem Mund stand Harry auf und ging in den Saal. Der Gerichtsdiener schloß hinter ihm die Tür und bedeutete ihm, ihm zu folgen. Die Stühle an den Tischen auf der linken Seite waren von zwölf Personen besetzt, am vorderen Tisch im Raum saßen zwei Herren mit weißer Perücke, am Tisch vor dem erhöhten Tisch ein weiterer Herr und neben ihm eine Dame, beide ebenfalls in Gerichtstracht. An der Stirnseite am hohen Tisch saß ein Mann mit einer aufwendigeren Perücke, die nicht wie ein notgelandeter Pudel aussah. Er trug eine rote Robe, dazu eine rote Schärpe und die obligatorischen Beffchen.
Der Gerichtsdiener führte Harry zu dem kleinen pultartigen Tisch. Harry sah kurz nach hinten in den Raum. Dort in der Holzbox saß der Lastwagenfahrer, den er wiedererkannte. Weiter hinten waren einige leere Bänke und abgetrennt davon saß an einem weiteren Tisch eine junge Frau mit Schreibzeug.
„Bitte, Mr Potter, Sie müssen den Eid leisten“, sagte der Gerichtsdiener und drückte ihm ein Buch in die Hand.
Harry sprach die Eidesformel nach und wurde dann gebeten, Platz zu nehmen.

Nun erhob sich der Perückenträger von dem ersten der beiden Tische in der Mitte des Raumes, der Harry am nächsten saß. Er sagte: „Nun, Mr Potter, bitte berichten Sie uns, was sich auf der A303 bei West Knoyle zugetragen hat.“
„Ich, ähm“, begann Harry, der sich erstmal fangen mußte, „ich war mit meiner Familie auf dem Rückweg von meinen Schwiegereltern. Also, nicht mit der ganzen Familie. Mein Ältester besucht ein Internat in Schottland und hat dort keine Herbstferien. Jedenfalls waren meine Frau Ginny, mein jüngerer Sohn und meine Tochter im Auto. Es herrschte leidlich gutes Wetter, also es war trocken. Ähm – meine Schwiegereltern wohnen in Ottery St Catchpole in Devon, wir wohnen in London. Und wir fahren diese Strecke häufiger im Jahr, denn in den Oster- und den Herbstferien besuchen wir meine Schwiegereltern immer. Übrigens zusammen mit meinen Schwagern, also meinem Schwager und meiner Schwippschwägerin, aber die fahren im eigenen Auto. Und sind damals auch mit dem eigenen Auto gefahren. Mit ihren Kindern, also meiner Nichte und meinem Neffen. Hm – die Fahrt war eigentlich ziemlich ereignislos, aber dann machte die Straße so einen ganz leichten Rechtsknick. Und da kam uns ein LKW entgegen.“
Harry schilderte, wie der entgegenkommende LKW im Knick geradeaus gefahren war, er selbst versucht hatte, zu bremsen und schließlich die Flucht in den Acker angetreten hatte. Von den Unfallfolgen erzählte er und wie er vor den Trümmern des anderen Autos gestanden hatte.
„Dieser Mann, also der Angeklagte, ich erkenne ihn wieder, hat daneben gestanden, also er stand gewissermaßen auch neben sich, er war noch ganz geschockt. Er hat irgendetwas gestammelt von wegen 'die Straße...', er war jedenfalls sehr durcheinander. Weiter bin ich nicht dabeigeblieben, sondern zurückgegangen zu meiner Familie, die weiter hinten auf der anderen Seite stand.“
„Haben Sie eine Vermutung, Mr Potter, warum der Angeklagte etwas von 'die Straße' gesagt hat?“ fragte der Mann mit der Perücke.
Doch der andere Perückenträger, der am selben Tisch saß, stand auf und sagte zu dem Richter: „Eure Lordschaft, die Frage des Herrn Anklägers der Krone zielt nicht auf eine Wahrnehmung des Zeugen, sondern auf eine Vermutung.“
Es war das erste Mal in Harrys Gegenwart, daß der Richter sprach: „Mr Chadbon, ich fürchte, die Verteidigung hat Recht. Formulieren Sie die Frage um oder lassen Sie sie fallen.“
Der Ankläger überlegte kurz und fragte: „Mr Potter, was hat der Angeklagte gemeint -“, er brach ab und sagte: „Eure Lordschaft, ich ziehe die Frage zurück.“
Er setzte sich hin, der Verteidiger blieb stehen und richtete das Wort an Harry: „Nun, Mr Potter, das ist ja eine ganz nette Geschichte, die Sie da erzählen, aber ich erinnere Sie daran, daß Sie unter Eid stehen. Deshalb frage ich Sie: Sind Sie sich sicher, daß es der LKW war, der seine Seite der Fahrbahn verließ – oder waren Sie es?“
Harry war über diese Wendung erstaunt: „Ich? Nein, der LKW.“
Der Verteidiger ließ nicht locker: „Es gibt durchaus eine andere Möglichkeit, wie sich der tragische Unfall zugetragen hat: Sie haben den Rechtsknick, wie Sie ihn nennen, geschnitten, waren also auf die Fahrbahn von Mr Fierro geraten, was Mr Fierro wiederum dazu veranlaßt hat, Ihnen auszuweichen, und zwar auf die einzige Seite, wo es noch möglich war, nämlich auf die Spur, auf der, Ihnen folgend, die unglückliche Mrs Saunders mit ihrem Baby fuhr.“
Harry merkte, worauf der Verteidiger hinauswollte und hatte Mühe, seinen Ärger zu unterdrücken: „Nein, so war es nicht. Außerdem hätte ich dann nicht versucht, nach links auf den Acker auszuweichen, oder? Wenn der LKW schon dahin fuhr.“
„Was Sie getan hätten, Mr Potter, ist hier zweitrangig. Wichtig ist, was Sie getan haben. Es ist durchaus denkbar, daß der LKW von Mr Fierro eben nur zum Teil seine eigene Spur verlassen hat und für Sie der Weg nach links noch frei war, als Sie ihren bedauerlichen Fehler bemerkt haben.“
„Denkbar ist vieles“, erwiderte Harry, der seine Ruhe zurückgewonnen hatte. „Sogar, daß ein UFO den LKW auf die Gegenfahrbahn gehievt hat.“
Im Saal machte sich unter den wenigen Anwesenden Heiterkeit breit. Nur der Verteidiger blieb ernst: „Sehr geistreich, Mr Potter. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die Verteidigung einen Sachverständigen mit der Untersuchung des Unfalls beauftragt hat, und der hat herausgefunden, daß die Unfallspuren meine Sachverhaltsdarstellung bestätigen. Sie sind sich also absolut sicher, daß nicht Sie, sondern der LKW auf die Gegenfahrbahn geraten ist?“
„Ja.“
Der Verteidiger lächelte maliziös und sagte: „Mir ist eine Kleinigkeit an Ihrer Aussage aufgefallen: Sie sagten, daß eines Ihrer Kinder ein schottisches Internat besuche, aber keine Herbstferien bekomme, weshalb Sie nur mit Ihren zwei übrigen Kindern unterwegs waren.“
„Und mit meiner Frau.“
„Wie auch immer. Es ist doch äußerst ungewöhnlich, daß eine Schule keine Herbstferien macht.“
Nun war es am Ankläger, sich zu erheben: „Eure Lordschaft, die Frage der Ferien ist für die Frage ohne Bedeutung, ob Mr Potter oder Mr Fierro auf die falsche Seite geraten sind.“
„Dieses Detail ist wichtig für die Frage, wie genau es der Zeuge mit der Wahrheit nimmt und wie genau er sich erinnert“, beharrte der Verteidiger, während der Ankläger sich wieder setzte.
Der Richter sagte: „Mr Parkes, ich kann es hier kurz machen: Meine Tochter besucht ebenfalls ein schottisches Internat, und auch sie hat keine Herbstferien. Dafür sind die Sommerferien etwas länger. Würden Sie darauf bestehen, daß der Zeuge eine Schulbescheinigung beibringt?“
Harry war genauso überrascht wie der Verteidiger, da er bislang davon ausgegangen war, daß es sich bei der Ferienregelung um eine Besonderheit von Hogwarts handelte. Der Verteidiger sagte nur: „Nein, Eure Lordschaft.“ An Harry gewandt fuhr er fort: „Mr Potter, Sie haben auf der Straße keine Reifenspuren hinterlassen, als Sie von Ihrer eigenen Spur aus die Flucht in den Acker angetreten haben. Sie können also nicht beweisen, daß -“
Hier unterbrach ihn der Ankläger: „Herr Verteidiger, was soll dieses Insistieren? Sie sehen doch, daß Mr Potter heute nicht dazu aufgelegt ist, Ihnen den Gefallen zu tun, die ganze Schuld an dem Unfall auf sich zu nehmen.“
„Haben Sie noch Fragen an den Zeugen zu richten, Mr Parkes?“ fragte der Richter.
Der Verteidiger setzte sich und sagte: „Nein, Eure Lordschaft.“
Harry wurde entlassen. Der Gerichtsdiener geleitete ihn zur Saaltür. Harry fragte ihn: „Kann ich im Saal bleiben und weiter zuschauen?“
„Sicher, Sir, nehmen Sie dort drüben Platz. Auf den Zuschauerplätzen, wo niemand sitzt.“
„Und wer ist das da?“ fragte Harry und zeigte auf die Frau an dem gesonderten Tisch.
„Das ist die Presse.“
„Aha. Danke.“
Harry ging an der Box mit dem Angeklagten vorbei zu der Zuschauertribüne und setzte sich. Der Gerichtsdiener ging hinaus und kam mit Ginny im Schlepptau zurück. Er geleitete sie zum Zeugenstand, nahm ihr den Eid ab und hieß sie, sich zu setzen. Der Ankläger stand auf und bat Ginny, die Ereignisse zu schildern.

Nachdem sie im wesentlichen die Geschehnisse so dargestellt hatte wie Harry, setzte sich der Ankläger und es erhob sich der Verteidiger.
„Mrs Potter, haben Sie einen Führerschein?“
„Ja.“
„Warum sind Sie dann nicht gefahren?“
„Hinter dem Steuer ist nur Platz für einen.“
Die Erwiderung kam so trocken, daß Harry unwillkürlich lachen mußte. Glücklicherweise herrschte auch ansonsten Heiterkeit im Gerichtssaal. Wieder blieb der Verteidiger ernst: „Ich meinte: Haben Sie ihrem Ehemann vielleicht das Steuer überlassen, weil Sie wenig Fahrerfahrung haben? Immerhin geht es darum, wie Sie als Beifahrerin eine Verkehrssituation -“
„Ich fahre häufiger mit dem Auto als er. Also kann er ruhig auch mal fahren“, sagte Ginny knapp.
„Nun, wie dem auch sei: Mrs Potter, ich muß Sie eindringlich daran erinnern, daß Sie unter Eid stehen. Ich frage Sie: Sind Sie sich sicher, daß Ihr Mann nicht auf die Gegenfahrbahn geraten ist und dadurch den LKW dazu gezwungen hat, seinerseits auf die Gegenfahrbahn auszuweichen?“
An der kurzen Pause konnte Harry ablesen, daß Ginny verdutzt war. Sie antwortete: „Nein. Da bin ich mir sicher.“
„Was – nein? Nein oder sind Sie sich sicher?“
„Ich bin mir sicher, daß nicht mein Mann auf die Gegenfahrbahn geraten ist, sondern der LKW.“
„Bleiben Sie auch dabei, wenn ich Ihnen sage, daß wir einen Sachverständigen mit der Untersuchung des Unfalls beauftragt haben, der zu dem Ergebnis kommt, daß die Unfallspuren durchaus den von mir geschilderten Verlauf nahelegen?“
„Ja“, sagte Ginny und setzte nach: „Ist doch klar, daß er das bestätigt, schließlich wird er von Ihnen bezahlt.“
„Nun, wir werden sehen“, sagte der Verteidiger. „Keine weiteren Fragen.“
Er setzte sich, Ginny wurde entlassen. Sie ging herüber zu Harry und setzte sich neben ihn, während der Gerichtsdiener den nächsten Herrn hereinholte.

Es handelte sich um einen Sachverständigen, der vom Ankläger aufgefordert wurde, sein Gutachten zu erstatten. Der Gerichtsdiener brachte eine Klemmtafel herein, an die der Sachverständige eine Zeichnung einklemmte, die von der Zuschauertribüne aus nicht richtig zu erkennen war. Mit eine Zeigestock fuhr er über die Zeichnung hinweg, während er sprach.
„Hier sehen Sie die beteiligten Fahrzeuge: Das hier ist der Lastwagen des Mr Fierro, das hier ist der VW Passat des Mr Potter und das hier ist der Renault Clio der Mrs Saunders. Das, das und das sind die jeweiligen Endstellungen. Wie Sie hier sehen können, stimmt die Endstellung des LKW genau mit der Linie überein, die sich ergibt, wenn man an dieser leichten Kurve geradeaus fährt. Mr Potter hat an dieser Stelle die Straße verlassen und sich hier überschlagen. Wir haben hier in diesem flachen Graben eine Aufschlagspur gefunden, die eindeutig dem linken Vorderrad des Passat zuzuordnen ist. Von dort aus setzt sich die Spur fort bis zu der Stelle, wo der Überschlag stattgefunden hat. Von der Weg-Zeit-mäßigen Einordnung her fuhr Mrs Saunders zwar nicht dicht hinter Mr Potter, aber doch immerhin so dicht, daß sie nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte. So ist es zu dem Frontalaufprall gekommen, bei dem der Clio mit seinem Vorderwagen unter das Fahrerhaus des LKW getaucht ist, so daß die Knautschzone nicht mehr wirksam werden konnte. Jedenfalls sind die Längsträger am Clio kaum gestaucht. Dafür ist oberhalb des Stoßfängers und der Längsträger alles zurückgeschoben. Das Auto ist nahezu direkt mit der Spritzwand gegen den LKW geprallt. Dadurch hat der Airbag spät ausgelöst und dadurch wurde die Fahrgastzelle soweit verkürzt, daß kaum noch Überlebensraum blieb.“
„Danke“, sagte der Ankläger. „Sehr überzeugend. Keine weiteren Fragen.“
Er setzte sich, der Verteidiger erhob sich.
„Haben Sie die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß der Passat seinerseits auf die Gegenfahrbahn geraten und der LKW ihm ausgewichen ist?“
„Nein, denn der Passat hätte ja wohl erst in der Kurve einen Grund gehabt, so zu fahren, wenn er die Kurve geschnitten hätte. Der Beinahezusammenstoß hat sich aber aus Sicht des Passatfahrers deutlich vor der Kurve ereignet. Das ergibt sich aus den Spuren, wo der Passat die Straße verlassen hat.“
„Ja aber was ist, wenn der Passat schon vorher aus Unachtsamkeit oder was auch immer auf der falschen Seite gefahren ist und der LKW erst später auf die Gegenspur geschwenkt ist, um auszuweichen?“
„Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Der Passatfahrer hätte dann wohl versucht, nach rechts auszuweichen, auch wenn dort Büsche sind. Außerdem wäre der LKW wohl ins Schleudern geraten, weil es eine Zick-Zack-Bewegung gewesen wäre. Er wäre selbst im Acker gelandet und hätte nicht die Endstellung erreicht, die mit dem von mir geschilderten Verlauf übereinstimmt.“
„Hätte Mrs Saunders nicht auch auf den Acker ausweichen können?“
Der Sachverständige schüttelte den Kopf: „In der Regel ist es so, daß ein Autofahrer bei dem bleibt, zu dem er sich entschieden hat, also etwa zu bremsen. Daß Mr Potter nach links gelenkt hat, war schon eine ziemliche Geistesgegenwart.“
„Wie kommt es, daß es keine Verletzten in dem Passat gegeben hat?“
„Der Überschlag hat sich erst bei relativ niedriger Geschwindigkeit ereignet. Bei diesem Unfalltyp wirken keine starken Verzögerungen auf die Insassen ein. Übrigens spricht auch das gegen Ihre Theorie: Hätte der Passat von der Gegenspur aus die Flucht nach links angetreten, dann hätte der Fahrer so stark nach links lenken müssen, daß der Passat eingedreht und sich im oder direkt hinter dem Graben mehrfach überschlagen hätte.“
Der Verteidiger hatte keine weiteren Fragen, so daß der Sachverständige entlassen wurde. Der nächste Mann wurde hereingerufen.

Es handelte sich um den Gerichtsmediziner, der von der Obduktion zu berichten wußte, daß der Tod der Cliofahrerin und die Verletzungen ihrer Tochter eindeutig auf den Aufprall mit dem Lastwagen zurückzuführen waren. Nun erhob sich der Verteidiger und sagte, an die Jury gewandt: „Wir haben die Beweise der Anklage gehört und gesehen: Einen Zeugen, der natürlich nicht zugibt, selbst schuld an dem Unfall zu sein, dessen Ehefrau, die ihn natürlich schützt und einen Sachverständigen, der sich im Vorfeld mit der Möglichkeit nicht auseinandergesetzt hat, daß es Mr Fierro gewesen sein könnte, der ausweichen mußte. Was den Gerichtsmediziner angeht, so dürfte klar sein, daß der Tod der bedauerlichen Mrs Saunders durch den Aufprall auf den Lastwagen hervorgerufen wurde. Worauf es ankommt, ist aber die Frage, wer wem ausgewichen ist. Sie kennen die Theorie der Verteidigung. Jetzt ist es soweit, diese Theorie auch zu beweisen. Ich rufe den Sachverständigen Mr Allan Penton auf.“

Der andere Sachverständige klemmte, nachdem er von dem Gerichtsdiener hereingeführt worden und vereidigt worden war, seine Unfallskizze an die Klemmwand und erläuterte, wo welches Auto ist. Dann führte er aus: „Die Unfallspuren sprechen keineswegs zwingend dafür, daß der LKW zuerst auf die falsche Seite gefahren ist. Es ist durchaus ein Unfallverlauf mit den Spuren in Übereinstimmung zu bringen, wonach der Passat das auslösende Fahrzeug ist, also zuerst auf der falschen Seite war. Der LKW-Fahrer hätte dann hier an dieser Stelle festgestellt, daß der Passat auf seiner Seite ist – sei es, daß der Passat erst kurz davor rübergewechselt ist, sei es, daß er noch von der Kurve dahinten auf der falschen Seite war und der LKW-Fahrer dieses zunächst nicht bemerkt hat – und ein Ausweichmanöver eingeleitet. Wenn der Passatfahrer seinen Irrtum an dieser Stelle bemerkt hat, kann er versucht haben, auf den Acker auszuweichen. Es ist auch der Winkel möglich, der sich aus der Linie zwischen den ersten Aufschlagspuren und den Überschlagspuren ergibt. Der LKW-Fahrer könnte sodann versucht haben, wieder auf seine Seite zurückzulenken, aber weil er das schlingernde Fahrzeug unter Kontrolle bringen mußte, ging das nicht sofort, so daß es hier zu dem Zusammenstoß mit dem Clio gekommen ist. Und zwar in einer Endstellung, als sei der LKW in dieser Kurve geradeaus gefahren.“
Der Verteidiger bedankte und setzte sich. Der Ankläger stand auf und fragte: „Wie wahrscheinlich wäre dieses Geschehen denn? Wie wahrscheinlich hätte der Passat eingedreht und sich im Graben oder direkt dahinter überschlagen statt draußen auf dem Feld?“
Der Sachverständige wand sich ein wenig und räumte schließlich ein: „Die Wahrscheinlichkeit ist zugegebenermaßen hoch, daß der Passat sich gedreht und überschlagen hätte. Der Passat hätte eben schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt nach links zum Acker hin ausscheren müssen.“
„Wo wäre der LKW dann gewesen? Hätte er dann zurücklenken und den Aufprall mit dem Clio verhindern können?“ hakte der Ankläger nach.
„Ähm, ja, er wäre hier gewesen und hätte sicher noch eine längere Strecke bis zum Aufprallort gehabt“, gab der Sachverständige zu und schob nach: „Es ging mir darum, aufzuzeigen, daß sich der Unfall auch so abgespielt haben könnte, daß der Passat zuerst auf der falschen Seite war.“
„Mit der Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Abläufe haben Sie sich demnach nicht auseinandergesetzt?“ fragte der Ankläger.
„Nein“, sagte der Sachverständige.
„Danke, keine weiteren Fragen.“

Nun war es am Verteidiger, sich zu erheben: „Unter all' dem Geflecht aus Schutzbehauptungen von Unfallgegnern und der Unterstützung einer Ehefrau und der Voreingenommenheit des von der Polizei beauftragten Sachverständigen gibt es nur eine Möglichkeit, Licht in das Dunkel zu bringen – durch den Angeklagten selbst. Die Verteidigung ruft Mr John Fierro in den Zeugenstand!“
„Ziemlich theatralisch“, flüsterte Ginny Harry zu.
„Was bleibt ihm übrig? Der sieht seine Fälle wegschwimmen“, flüsterte Harry zurück.
Der Angeklagte verließ seine Box und ging hinüber zum Zeugenstand, wo er vereidigt wurde und sich setzte. Der Verteidiger forderte ihn auf, zu schildern, wie sich der Unfall wirklich abgespielt hatte.
„Ja – ähm... ich war auf dem Weg von Andover nach Exeter... ähm... mit mei'm LKW... und ich fahre so die Straße entlang, also die A303 – wie immer übrigens, ich kenne die Straße – und wie ich da so langfahre, sehe ich, wie da so ein Auto auf meiner Seite fährt. Ich will ausweichen, also nach rechts, und das tue ich dann auch, da fährt der plötzlich auch nach rechts und fährt irgendwie von der Straße runter. Jedenfalls... ähm, ja. Und ich will den LKW wieder nach rechts lenken, da war da auch schon dieser Clio da, direkt vor mir. Ich denk' noch so: 'Gleich knallt's' – da knallt's auch schon. Also, ich hab' natürlich gebremst wie verrückt, aber es hat halt geknallt. Und die Frau war tot. Da haben dann auch andere angehalten, die haben die Türen aufgemacht oder so, und ein Hubschrauber ist gekommen. Ja.“
„Und Sie sind sich absolut sicher, daß das Auto, also das erste Auto, Ihnen auf Ihrer Seite entgegenkommen ist?“ hakte der Verteidiger nach.
„Ja.“
Der Verteidiger setzte sich, der Ankläger erhob sich.
„Mr Fierro, wann ist denn das Auto auf Ihre Seite gefahren?“
Der Angeklagte blies die Backen auf und pustete die Luft raus, dann sagte er: „Öh, wohl schon weiter vorne. So genau weiß ich das nicht mehr.“
„Wo waren Sie und wie weit war das Auto von Ihnen entfernt, als das Auto von der Straße runtergefahren ist?“
„Ähm, das ist schwierig. Ich war... wohl schon auf der anderen Seite. Ich meine, ich mußte dem doch ausweichen, sonst hätte ich den plattgemacht!“
„Ja, aber wie weit war der andere von Ihnen entfernt, als er die Straße verlassen hat?“
„Das weiß ich nicht mehr so genau. Er ist jedenfalls nach rechts und war weg.“
„Wenn er ein großes Stück vor Ihnen rechts rüber gefahren ist, dann hätten Sie doch sofort wieder nach links lenken können“, hielt der Ankläger dem Angeklagten vor.
„Ja – schon. Aber er war erst kurz vor mir rüber, da konnte ich nicht mehr so schnell wieder nach links!“
Der Ankläger setzte sich mit einem „Danke“.
Der Angeklagte wurde aus dem Zeugenstand entlassen und ging wieder zurück in seine Angeklagtenbox.
„Nun“, sagte der Richter, „wenn keine Anträge oder Anliegen vorgebracht werden, darf ich um die Plädoyers bitten.“

Der Ankläger erhob sich und wandte sich an die Geschworenen: „Sie haben hier über einen Fall zu entscheiden, der von erheblicher Tragweite ist. Auf der A303 ist im Oktober des Jahres 2015 ein kleines Kind durch einen tragischen Verkehrsunfall zum Halbwaisen geworden, und zwar nicht durch nachlässiges Fahren der Mutter, sondern eines anderen. Welches anderen? Die Verteidigung will uns glauben machen, daß es der Zeuge Potter war, der den Angeklagten veranlaßt hat, auf die falsche Straßenseite zu wechseln. Doch sehen wir uns die Beweise an.“
Der Ankläger machte eine Kunstpause.
„Da wären einmal die Zeugen der Anklage, die Eheleute Potter. Beide haben überzeugend und übereinstimmend geschildert, wie ihnen der von Mr Fierro gesteuerte Lastwagen auf ihrer Seite entgegengekommen ist. Sie haben geschildert, daß er praktisch aus der leichten Kurve heraus geradeaus fahrend auf die falsche Seite geraten ist, gerade so, als habe er durch Unaufmerksamkeit versäumt, dem Straßenverlauf zu folgen. Ihnen blieb nur der Weg in den Acker, wo sich ihr Auto überschlug und als Totalschaden liegen blieb. Der Angeklagte berichtet nun aber das Gegenteil, nämlich daß Mr Potters Passat ihm auf der eigenen Spur entgegengekommen sei. Wer sagt die Wahrheit?“
Der Ankläger gönnte sich eine weitere Kunstpause.
„Mr Fierros Aussage war nicht überzeugend. An die entscheidenden Punkte erinnert er sich angeblich nicht mehr, so etwa, wann denn der Passat auf seine Seite gefahren ist und wie weit er beim Verlassen der Straße von ihm entfernt war. Er sagt nur, daß es dicht vor ihm war, und hier bricht das Kartenhaus der Verteidigung zusammen. Wir haben den Sachverständigen der Anklage gehört: Nach der vom Angeklagten geschilderten Version hätte sich der Passat schon viel früher überschlagen müssen. Auch der Sachverständige der Verteidigung hat das eingeräumt. Dieser hat auch zugegeben, daß er nur einen möglichen Ablauf untersucht hat. Und der ist, wie der Sachverständige der Anklage nachgewiesen hat, wenig wahrscheinlich. Der Ablauf paßt einfach nicht. Dagegen ergeben die Endstellungen des LKW und des Clio, daß Mr Fierro aus Unaufmerksamkeit nicht dem Straßenverlauf gefolgt, sondern in der leichten Kurve geradeaus gefahren ist. Sorgloses Fahren hat den Tod der bedauerlichen Mrs Saunders und die schweren Verletzungen ihres Kindes verursacht. Die Spuren sind eindeutig, die physikalischen Gegebenheiten auch. Die Aussagen der Zeugen der Anklage widerlegen in überzeugender Weise die Aussage des Angeklagten. Sie können daher nur zu dem Spruch 'schuldig im Sinne der Anklage' kommen.“
Der Ankläger setzte sich. Der Richter wandte sich an den Verteidiger: „Und nun, Mr Parkes, darf ich um Ihr Plädoyer bitten.“


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