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Fanfiction

Die Geschichte des Regens - Das Tagebuch der Emma Foley - Regen III

von >Rumtreiberin<

Ich glaube, ich war noch nie so nervös, wenn ich ein neues Kapitel hochgeladen habe. Deshalb gibt es diesmal auch wirklich keine Vorrede - ich hoffe einfach, dass es euch gefällt.
Wie immer geht ein ganz liebes Dankeschön an die Reviewer vom letzten Kapitel: Dissendium, Isabelle, greenday, Katie Weasley, Lilienblüte, PadmaPatil, Siry und Vooogt. Ich werde eure Reviews im Laufe des Wochenendes beantworten und sage euch dann per PN bescheid. Danke! :)
Und jetzt Vorhang auf...für den Frühlingsball, Part II.


~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~

23.3.1977

Es hat aufgehört zu regnen, und jetzt ist es ganz still. Wenn ich den Kugelschreiber nicht auf dem Papier bewege, kann ich Lilys regelmäßiges Atmen hören und ab und zu das Rascheln der Bettdecke, wenn Katie sich umdreht, und durch einen Spalt in meinem Vorhang sehe ich Lindsay, die die Bettdecke ganz weggeschoben hat und ihr Kopfkissen umarmt. Sie hat vorhin anscheinend vergessen, ihren Vorhang zuzuziehen, und an den am Fenster hat auch niemand gedacht. Deshalb sehe ich von meinem Bett aus, dass es draußen langsam schon hell wird, aber es muss wirklich noch früh sein, denn irgendwo auf den Ländereien singt ein Vogel.
Ich weiß nicht, warum ich schon wach bin. Eigentlich müsste ich noch schlafen wie ein Stein, aber in mir steckt kein kleines bisschen Müdigkeit. Stattdessen fühle ich mich, als würde mein ganzer Körper kribbeln. Bis in die Fingerspitzen. So wie wenn man klein ist und morgens aufwacht und weiß, dass man heute Geburtstag hat. Nur besser. Trotzdem habe ich nicht das geringste Bedürfnis, aufzustehen. Ich habe noch nicht mal Lust, meinen Zauberstab auf den Wecker zu richten, um zu gucken, wie viel Uhr es ist. Ich bin voll und ganz zufrieden damit, hier in meinem warmen Bett zu liegen und Tagebuch zu schreiben. Und ich muss schreiben. Eben, als ich aufgewacht bin, habe ich gedacht, ich hätte vielleicht alles nur geträumt. Alles kommt mir total surreal vor, wenn ich an gestern Abend denke, so als würde ich mich an einen Film erinnern, den ich mitten in der Nacht geschaut habe, als ich schon zu müde war, um die Handlung wirklich wahrzunehmen. Es rauscht durch meinen Kopf und ich habe wirklich Angst, dass ich vielleicht alles vergesse, wenn ich es nicht aufschreibe, so wie man immer diese wirren Träume vergisst, die man kurz vor dem Aufwachen hat. Und jetzt weiß ich es alles noch. Trotz dem Rauschen. Eigentlich sehe ich es noch gestochen scharf vor mir. Ich kapiere nur nicht mehr, dass das wirklich alles gestern passiert ist.
Ich muss auch nicht nachschauen, um zu wissen, wo ich aufgehört habe zu schreiben. Das war bei der Begrüßung, als wir alle noch auf den Stuhlreihen saßen. Remus und ich saßen ziemlich weit hinten, im hinteren Drittel, und das auch nur, weil die Anderen uns Plätze freigehalten hatten: Remus saß neben Sirius und ich neben Katie. Ich kann mir schon gar nicht mehr vorstellen, dass ich da wirklich mein Tagebuch rausgeholt und noch mal geschrieben habe. Aber, naja, ich war eben ziemlich durcheinander. Ich meine, hey, Remus hat mich ewig warten lassen und in den letzten Tagen konnten wir ja nicht gerade viel reden. Und in Anbetracht der Tatsache, dass ich ihn gefragt habe, ob wir zusammen zu dem Ball gehen wollen, ist es doch irgendwie verständlich, dass ich auf eine Reaktion gewartet habe, oder?
Nun ja. Wir saßen also auf unseren Stühlen, ich starrte etwas blöde vor mich hin, Remus redete mit Sirius, Lily und James neben ihm diskutierten leise miteinander, und auf meiner anderen Seite erzählte Katie Lindsay etwas. Keine Ahnung was, ich habe nicht zugehört. Plötzlich brach sie mitten im Satz ab, ein paar Sekunden später sprang sie auf. „Ich bin gleich wieder da!“, sagte sie hastig, anscheinend bevor Lindsay etwas erwidern konnte, und bahnte sich ihren Weg durch die Reihe. Als ich überrascht aufblickte, sah ich gerade noch, wie sie fast Evangeline und Matthew umrannte.
„Was ist los?“, fragte ich Lindsay verwirrt, aber die zuckte nur mit den Schultern, betrachtete ihre Fingernägel und antwortete nicht. Die Nagelhaut an ihrem Daumen blutete ein bisschen, weil sie daran herumgerissen hatte. Dann nickte sie mit dem Kopf in Richtung Remus. „Macht ihr jetzt einen auf Lily und James?“, fragte sie mich mit einem schiefen Grinsen, das ein wenig gezwungen wirkte.
Ich antwortete irgendetwas Sinnfreies und weil ich nicht wusste, was genau ich jetzt tun sollte, habe ich eben mein Tagebuch aus der magisch ausgedehnten Handtasche gekramt und noch ein bisschen geschrieben.
Bis mir klar wurde, dass ich mich nicht ewig drücken kann.
Weshalb ich das Tagebuch entschlossen zuklappte, tief einatmete und mich Remus zuwandte, mit dem festen Vorsatz, ein Gespräch zu beginnen und diese ganze dämliche Situation zu beenden.
Dumm nur, dass er sich im gleichen Moment von Sirius abwandte und sich zu mir umdrehte, weshalb ich mir beinahe den Kopf an seinem Kopf anhaute. Vor Schreck fiel ich fast vom Stuhl. Dann sah ich, dass Sirius hinter Remus' Rücken aufmunternd in meine Richtung gestikulierte, und dachte mir, dass er wahrscheinlich Remus aufgefordert hatte, mal mit mir zu reden, zumal er ein wenig genervt aussah.
„Tja“, sagte ich, und Remus sagte gleichzeitig: „Es tut mir -“
Okay, natürlich weiß ich nicht, ob er das wirklich meinte. Original sagte er nämlich: „I'm s-“, und das hätte genauso gut „I'm sick“ oder „I'm stupid“ heißen können. Meinetwegen auch „I'm singing in the rain“. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass er sich in diesem Moment für etwas entschuldigen wollte. Nur, dass ich es nie herausfand, weil exakt in diesem Moment auf der Bühne (die eigentlich der Hohe Tisch der Lehrer war, nur, dass der Tisch genau wie die Haustische verschwunden war), ein Licht anging und Professor Swindlehurst auf die Bühne hastete. Unter ihrem violetten Festumhang trug sie ein ziemlich paillettenbesetztes Kleid, und das weiß ich noch so genau, weil sie in dem auf sie gerichteten Licht glitzerte wie eine Art wandelnde Diskokugel. Sie wirkte ein wenig abgehetzt, als sie sich den Zauberstab an den Hals richtete und mit magisch verstärkter Stimme verkündete: „Meine Lieben, ich begrüße euch alle zum Frühlingsball der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei!“ Es gab ziemlich lauten Beifall. „Als ich so alt war wie ihr und selbst hier zur Schule ging“, fuhr Professor S. fort, „habe ich immer davon geträumt, es würde einen Ball geben. Allerdings habe ich mich dabei nicht als alte Schachtel gesehen, die das Ganze organisieren muss“, fügte sie trocken hinzu, was so gar nicht ihr typischer Humor war. „Aber ich hoffe, dass dieser Ball eure Vorstellungen erfüllen kann, und ich bin davon überzeugt, dass heute der richtige Zeitpunkt für ihn ist - trotz allem, was um uns herum passieren mag - also lasst uns unsere Sorgen vergessen und die Zeit genießen. Ich wünsche euch allen viel Spaß und möchte euch zum Schluss noch um einen Applaus für Professor Dumbledore bitten, der seinen Segen hierzu gegeben hat. Dankeschön! Und nun erhebt euch bitte von euren Plätzen.“
Während alle noch klatschten, standen wir auf, und ein paar Sekunden später verschwanden die Stuhlreihen. (Irgendjemand ein paar Reihen vor mir war zu langsam und landete unsanft auf dem Steinboden.) Dafür entzündeten sich die Kerzen, die unter der Decke schwebten, und wir sahen jetzt, dass die Große Halle überhaupt nicht so aussah wie sonst. Erstmal waren überall Blumen, und wenn ich sage, überall, dann meine ich das auch wirklich. Sie rankten sich an den Wänden entlang und um die Fenster, die Bühne war damit geschmückt und die vielen kleinen runden Stehtische, die um die Tanzfläche gruppiert waren. Aber das war nicht alles. In den zwei Ecken neben der Eingangstür waren so etwas wie Lauben aufgebaut, und zwischen den Stehtischen wuchsen mehrere echte Bäume, in denen kleine Lichter glitzerten und unter die Bänke als Sitzgelegenheit gestellt worden waren. Und in der ganzen Halle flatterten unzählige Feen herum und versuchten aufzufallen.
Ich bemerkte, dass mir der Mund aufstand und Remus mich anschaute.
„Wow“, sagte ich, nachdem ich es irgendwie geschafft hatte, meinen Kiefer wieder einzurenken, „es ist...unglaublich…und das habt ihr alles in den paar Tagen organisiert?“
„Wir hatten ziemlich viel Ärger mit den Feen“, gab Remus zu, „bis sie in die Große Halle durften und kapiert haben, dass sie zur Dekoration eingesetzt werden sollen. Und der eine Baum hat versucht, Wurzeln in den Hallenboden zu schlagen…“
Ich musste grinsen. „Also alles ganz entspannt, ja?“
Remus seufzte. „Hör mal, es tut mir wirklich -“
Diesmal war ich mir ganz sicher, dass er „I'm really sorry“ sagen wollte, aber er wurde ein weiteres Mal unterbrochen, denn auf der Bühne setzte Professor Flitwick anscheinend ein riesiges magisches Grammophon in Gang, das eine Walzermelodie ausspuckte, und sofort begann auf der Tanzfläche ein noch viel riesigeres Gedränge. Nachdem uns ein paar sehr tanzwütige Pärchen fast umgerannt hatten, bemühten wir uns erstmal, aus dem Zentrum wegzukommen. Als wir dann zwischen den Tischen herumschlenderten, um uns einen Platz zu suchen, war ich mir auf einmal gar nicht mehr sicher, ob ich hören wollte, was er hatte sagen wollen. Also…natürlich schon, aber nicht in diesem Moment. Irgendwie hatte ich das starke Bedürfnis, zu gewohnten Gefilden zurückzukehren, und fing deshalb ein Gespräch über…ich weiß gar nicht mehr was an. Die Ferien, glaube ich. Und dass ich auf einen Brief von meinen Eltern warte. Ich hatte den Eindruck, dass Remus das auch ganz lieb war, und was seltsam war: wir unterhielten uns so normal wie immer, dass ich glatt hätte vergessen können, dass wir auf einem Ball waren (okay, daran erinnerten mich die Feen, die ständig in der Frisur hingen, die Lily mir noch geflochten hatte) und dass ich weiß, dass er ein Werwolf ist.
Aber das weiß er ja nicht.
Wir diskutierten gerade die Frage, ob James den Abend unbeschadet überleben würde, als Katie auf einmal wieder auftauchte. (Remus meinte, Sirius hätte versucht ihn davon zu überzeugen, eine kugelsichere Weste anzuziehen, aber James hätte nicht gewusst, was das ist. Mir fällt es irgendwie manchmal immer noch schwer zu kapieren, dass Leute, die in Zaubererfamilien aufgewachsen sind, manche Dinge gar nicht kennen, von denen in der Muggelwelt jeder schon mal gehört hat. Wenigstens in Actionfilmen. Aber dafür hatte wohl jeder von uns Muggelstämmigen den Kulturschock seines Lebens, als er den Brief von seiner betreffenden Schule bekommen hat. Außerdem - woher weiß eigentlich Sirius, was eine kugelsichere Weste ist, wo er doch aus der Reinblutfamilie schlechthin stammt? Aber ich schweife gerade etwas ab, das ist mir nur so eingefallen.)
Andererseits bin ich im Prinzip gar nicht so weit vom Thema weg. Katie war ja noch vor Professor Swindlehursts Auftritt verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Ich nehme an, dass Lindsay nach ihr gesucht hat, aber ich hatte sie schändlicherweise komplett vergessen gehabt. Jetzt tauchte sie auf einmal keine fünf Meter von uns entfernt wieder auf - besser gesagt, ich bemerkte sie, denn vermutlich hatte sie schon längere Zeit dort gestanden. Also halb hinter einer der beiden Lauben, auf die Remus und ich uns unbewusst zubewegt hatten, keine Ahnung, wieso. Vermutlich waren wir uns gegenseitig hinterhergelaufen, wie das immer so ist. Jedenfalls erkannte ich sie sofort an ihrem dunkelroten Festumhang und der Art, wie sie beim Reden gestikuliert, und mein erster Gedanke war: Was macht Katie da mit Sirius?
Eine Sekunde später erkannte ich natürlich, dass es Regulus war, mit dem Katie redete. Und es war so…offensichtlich…die Art, wie sie miteinander redeten und sich anschauten…dass ich es vielleicht sogar kapiert hätte, wenn Katie mir nichts erzählt hätte. Vielleicht. Aber mit diesem Bild vor Augen denke ich jetzt, dass dahinter vielleicht viel mehr steckt, als das, was ich weiß.
Bevor ich realisieren konnte, dass ich die beiden total anstarrte, passierten zwei Dinge gleichzeitig: Regulus Black beugte sich zu Katie herunter und…naja, küsste sie, und direkt neben mir sagte eine laute Stimme: „Reg?! Was zur…?!“
Es war Sirius, der seinen Bruder fassungslos anstarrte. Katie wirbelte herum und starrte ebenso fassungslos von ihm zu Remus zu mir, aber Regulus hob nur leicht das Kinn und sah herausfordernd zu Sirius, wobei er ihm ähnlich denn je sah.
„Ja?“
„Was…ihr…“, stammelte Sirius. Ich habe ja keine Geschwister, also keine Ahnung, aber vielleicht ist das so eine globale Großer-Bruder-Reaktion. Auch wenn Sirius und Regulus ja anscheinend schon seit Jahren kaum noch miteinander reden. Und Sirius war wirklich fassungslos. Er wandte den Blick nicht von Regulus ab und das Einzige, was er noch herausbrachte, war: „Gryffindor…Slytherin…?!“
Regulus grinste spöttisch. „Lass uns gehen“, sagte er zu Katie, aber die blieb stehen und wandte sich verzweifelt an Sirius. „Bitte, sag nichts!“
Der erlangte langsam seine Fassung wieder und nun gewann anscheinend die Wut die Oberhand bei ihm. „Ach ja, gehst du jetzt zu deinen Todesserfreunden und stellst ihnen deine Freundin vor?“, sagte er in einem Tonfall, der dem seines Bruders in nichts nachstand. „Sie werden ja sicher begeistert sein, vielleicht lässt dein geliebter Lord Voldy dich jetzt endlich mitspielen, wo du doch so brav…“
Regulus machte einen drohenden Schritt auf Sirius zu und ich rückte reflexartig ein wenig näher an Remus. „Versuch nicht, dich jetzt in mein Leben einzumischen“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, „dagegen hast du dich vor Jahren entschieden. Und jetzt geht es dich - verdammt - noch - mal - nichts mehr an, was ich mache.“
„Tut mir leid, das ist ein natürlicher Reflex, wenn ich sehe, dass sich jemand wie ein Idiot verhält“, sagte Sirius wütend. Er verschränkte die Arme vor der Brust und hob nun ebenfalls in einer unterbewussten, herablassenden Geste das Kinn.
Regulus lachte, aber es klang sehr bitter. „Arrogant und voreingenommen wie immer, oder, Sirius? Ich dachte, du willst keiner von uns mehr sein? Guck mal in den Spiegel, du bist ein Black wie jeder andere.“ Er wandte sich zum Gehen. „Unser Vater hat eine Portschlüsselgenehmigung für Dienstag bekommen“, sagte er über die Schulter.
„Ich habe mich schon um meine Anreise gekümmert, vielen Dank“, antwortet Sirius kalt.
Katie stand hilflos zwischen den beiden und sah aus, als wüsste sie nicht, was sie tun sollte, aber Regulus fing ihren Blick auf und sagte leise: „Lass uns gehen.“
Aber gerade, als Katie auf ihn zustolperte und er ihre Hand nahm, löste sich eine Gestalt in einem weißen Festumhang aus der Menge und kam auf unsere Gruppe, wenn man das so nennen konnte, zugestürmt.
„Regulus?“, sagte Madeleine Zabini sehr liebenswürdig, obwohl ihr Blick vermutlich selbst Geister hätte töten können, „Was machst du mit der da?“
Regulus ließ Katies Hand los.
„Ich war gerade dabei, zu gehen“, sagte Katie tonlos.
„Ach ja?“, fragte Madeleine und trat so nah an Katie heran, dass kaum eine Handbreit mehr zwischen sie gepasst hätte. „Und was gibt dir das Recht, dich an meinen Freund heran zu machen, du kleine Blutsverräterin?“
Katie antwortete nicht, und ich dachte, dass ich etwas sagen müsste, irgendetwas, um ihr zu helfen, aber mir fehlten einfach die Worte. Deshalb machte ich einen kleinen Schritt und stellte mich neben sie.
„Weißt du“, sagte Sirius hinter uns, „ich glaube, der Unterschied ist, dass ich nicht feige genug für einen Black bin.“ Er packte Remus am Arm, marschierte geradewegs auf Madeleine zu, zwang sie, aus dem Weg zu gehen und bedeutete Katie und mir mit einer spöttisch-galanten Armbewegung, die Szene zu verlassen.
Nur, dass Madeleine ihm, sobald er ihr den Rücken zugedreht hatte, einen Fluch auf den Hals jagte. Sirius wirbelte reflexartig herum und wirkte einen ungesagten Schildzauber, aber Regulus hatte anscheinend ihren Arm weggeschubst, so dass der Fluch stattdessen in eine Gruppe älterer Schüler raste, die alle gerade noch so ausweichen konnten. Ein Tumult entstand, und plötzlich flogen mehrere Flüche durch den Raum; einer traf das Grammophon und die Tanzmusik erstarb mit einem schrillen Ton. Professor Slughorn joggte besorgt herbei und mehrere Schüler deuteten in unsere Richtung. „Aber…was machen Sie denn?“, hörte ich ihn hilflos fragen. Madeleine rauschte in Richtung Eingangstür davon, und nach ein paar Sekunden folgte ihr Regulus, nicht, ohne noch mal über die Schulter nach Katie zu schauen.
Bevor jemand von uns etwas sagen konnte, wurde die Bühne plötzlich erneut hell erleuchtet und eine Gestalt, die sich den Zauberstab an den Hals hielt, sagte laut: „Vielen Dank für das Feuerwerk zur Begrüßung, wir haben uns soeben gedacht, dass es jetzt Zeit für ein bisschen richtige Musik ist.“
Es wurde wieder dunkel, und dann, ohne Vorwarnung, krachte die Musik los. Alle hüpften auf den Zehenspitzen herum, um besser sehen zu können, aber ich wusste auch so, wer dort oben stand. Immerhin hatte ich das Lied gefühlte drei Millionen Mal im Gemeinschaftsraum gehört.
Ja, dort oben auf der Bühne standen die Hobgoblins.
Es ist wahrscheinlich unnötig zu sagen, dass wir alle vier dastanden und, naja, guckten wie ein Auto. Auch wenn das jetzt nicht unbedingt der beste Vergleich für ein Ereignis in einer Zaubererschule ist. Aber ich weiß, dass zumindest meine Kinnlade tiefer runterfiel, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Für einen Moment vergaß ich sogar komplett das Drama, das sich um mich herum angefangen hatte abzuspielen. Das Verblüffendste war im Prinzip, dass sie wirklich gut klangen. Also ich hab sie ja nie schlecht gefunden, aber es ist schon etwas Anderes, wenn eine Band im Schlafanzug im Gemeinschaftsraum probt, oder wenn sie in der Großen Halle vor der ganzen Schülerschaft spielt. Etwas ganz Anderes.
Nach diesem Schockmoment, der vermutlich nur eine Sekunde lang dauerte, stürmten plötzlich eine Menge Leute mit überraschend lautem Jubel an die Bühne. Ein Mädchen aus der Gruppe, die eben noch fast Madeleines Fluch abbekommen hatte, schrie: „Ist das Sirius Black?!“
Sirius guckte ein wenig verstimmt.
Wir quetschten uns durch die hüpfenden Leute und fanden einen Tisch, an dem Lindsay und Peter standen und ein wenig verloren aussahen. Sirius starrte sie für einen Moment lang unverwandt an, packte sie dann am Handgelenk und brüllte sie über die Musik hinweg ziemlich aggressiv an: „Lass uns tanzen!“
Zu meiner großen Überraschung leistete Lindsay keinen Widerstand, sondern ließ sich von ihm auf die Tanzfläche ziehen, wo sie innerhalb von Sekunden von der Menge verschluckt wurden.
Schon wieder mit offenem Mund drehte ich mich zu den Anderen um. Remus guckte ziemlich zufrieden, Katie lächelte ein wenig traurig (aber immerhin lächelte sie) und Peter hatte den gleichen Ausdruck permanenter Verblüffung auf dem Gesicht, den er schon bei unserer Ankunft gehabt hatte. Ich brauchte ein paar Minuten, bis ich kapierte, dass das seine Melodien waren, die die Hobgoblins da auf der Bühne zum Besten gaben. Und Lindsays Texte. Jedenfalls teilweise.
Da würde ich vermutlich noch viel entrückter gucken.
„Wollt ihr nicht auch mal tanzen?“, fragte Katie Remus und mich. „Oh, kommt, lasst uns tanzen“, fuhr sie mit einer kleinen Spur ihrer üblichen Begeisterung fort, die nicht ganz echt wirkte. „Auf geht's, Peter!“
Sie schnappte sich Peter, der immer noch nicht wirklich anwesend aussah, sich aber widerstandslos auf die Tanzfläche zerren ließ, und nachdem Remus und ich uns verlegen angeschaut hatten, folgten wir ihnen. Remus hielt mich leicht am Ellbogen fest, damit wir uns nicht verloren.
(Ich weiß, dass ich die ganze Zeit über unwichtige Details schreibe. Deshalb wird dieser Eintrag auch der längste Tagebucheintrag des Jahrtausends werden. Aber mir ist das eben im Gedächtnis hängen geblieben und deshalb muss ich es aufschreiben. Außerdem ist es immer noch total früh. Als ich aufgewacht bin, war es demnach wirklich früh.
Aber jetzt schweife ich wirklich ab und mache nach einer kurzen Handgelenk-Ausschüttel-Pause mal lieber dort weiter, wo ich aufgehört habe.)
Naja, weder Remus noch ich können besonders gut tanzen (und ich hab ihm bestimmt fünf Mal auf die Füße getreten), aber es war trotzdem irgendwie…schön. Obwohl es zu laut war, um zu reden. Also ihn anzulächeln und zu sehen, dass er zurücklächelt. Irgendwie. Das ganze Zeugs, was mir im Hinterkopf herumgeht, war auf einmal weg und kam mir gar nicht mehr so schrecklich vor.
Und dann, nach ein paar Liedern (ich hab nicht mitgezählt), tauchte auf einmal Arina Volkova, die Gastschülerin aus Durmstrang, aus dem Nichts neben Remus auf, sagte entschlossen: „Du erlaubst doch?“ und bevor ich reagieren konnte, hatte sie mir Remus einfach weggeschnappt. Ja. Genau. Wie in so einem dämlichen Teeniefilm! Demzufolge hatte ich das starke und plötzliche Bedürfnis, ihr etwas sehr Schweres auf den Kopf zu knallen, völlig egal, welche Konsequenzen das für die Völkerverständigung zwischen Ost- und Westblock gehabt hätte. (Okay, die Muggelmedien hätten hoffentlich niemals Wind davon bekommen, aber trotzdem.)
Stattdessen stand ich wohl eher da, als hätte mir jemand was auf den Kopf geknallt. Bevor ich aber von dem Pärchen neben mir umgerannt werden konnte, wurde ich am Arm herumgewirbelt und stand Evangeline gegenüber, die mich anstrahlte.
„Sieht aus, als hätte es für uns beide ein gutes Ende genommen!“, rief sie mir zu. „Ich hab euch gerade gesehen, sehr süß!“
Da ich nicht genau wusste, was man auf so etwas antwortet, rief ich zurück: „Und du bist mit Matthew da! Wie kommt es dazu?“
Evangeline warf lachend ihre langen Haare zurück. „Keine Ahnung! Er hat mich einfach gefragt und ich hab ja gesagt!“ Dann zwinkerte sie mir zu. „Schon dreist, diese Arina, oder? Pass mal auf…“
Sie nahm mich an den Händen und dirigierte mich in Richtung Remus und Arina Volkova (fairerweise muss ich sagen, dass Remus ständig über die Schulter schaute) und schnappte sich auf dem Weg noch einen Jungen, den ich schon ein paar Mal im Gemeinschaftsraum gesehen habe. (Katie sagte mir später, wie er heißt, aber ich konnte es mir nicht merken. Irgendwas Schottisches. Und er ist anscheinend in Evangelines Jahrgang, worauf ich eigentlich auch von selbst hätte kommen können.) Jedenfalls zwinkerte sie mir noch mal zu, tanzte dann Arina an, drehte sie einmal um sich selbst, schubste sie in die Arme dieses Schotten aus ihrem Jahrgang und bugsierte mich mit der anderen Hand wieder zu Remus. (Wie genau sie das machte, kann ich leider nicht sagen, es ging viel zu schnell. So ähnlich wie bei einem Muggel-Zauberkünstler auf einem Geburtstag.) Dann reckte sie den Daumen nach oben und verschwand wieder in der Menge, vermutlich auf der Suche nach Matthew. Ich nahm Remus' Hand und tanzte ihn schnell aus Arinas Reichweite. Dann fiel mir auf, dass Evangelines Aktion genauso dreist gewesen war wie ihre. Okay, dreister. Arina hatte wenigstens auf das Liedende gewartet.
Ich schaute Remus demzufolge etwas unsicher an. „Oder wolltest du mit ihr tanzen…?“
„Nein“, meinte er (beziehungsweise rief er zurück) und lächelte mich an. Und ich fühlte mich plötzlich der Heldin aus der Liebesschnulze meiner Oma, die ich mit zwölf in einem traumatischen Erlebnis mal gelesen habe, viel näher, als ich jemals gedacht hätte. Natürlich „schmolz ich nicht wie Butter in der gleißenden Sonne“ (abgesehen davon, dass es keins von beidem gab), aber meine Beine fühlten sich plötzlich ein wenig wackelig an. Und ich konnte Evangeline nicht so wirklich Recht geben - mir kam es eher so vor, als hätte sich das Schicksal vorgenommen, mich auf keinen Fall eine ruhige Minute mit Remus verbringen zu lassen. Aber jetzt schien es ja so, als könnte der Abend doch noch ein gutes Ende nehmen.
Gerade als ich diesen schönen Gedanken zu Ende gedacht hatte, schaute ich zufällig über Remus' Schulter und mein Blick fiel auf eine Szenerie, die sich nur wenige Meter von uns abspielte. Lily und James tanzten zusammen, aber das war nicht das Beunruhigende daran, denn sie schienen sich ziemlich gut zu verstehen. Lily legte gerade den Kopf in den Nacken und lachte laut, was man über die Musik natürlich nicht hörte. Das Beunruhigende war, dass Severus Snape ebenfalls nur wenige Meter von ihnen entfernt wie erstarrt stehengeblieben war und mit einem seltsamen Gesichtsausdruck in ihre Richtung schaute. Und ich weiß nicht, ob ich mich nicht getäuscht habe, vielleicht lag es auch am Licht, aber für einen Moment lang sah er unglaublich traurig aus.
Einen Moment später war das Lied schon zu Ende, und ich hoffte gerade, dass Lily Severus nicht bemerken würde, als sie sich auch schon umdrehte. Remus war inzwischen meinem Blick gefolgt und wir beobachteten zusammen, wie Lilys Augen sich verengten, als sie ihn bemerkte. Sie sagte etwas zu James und bedeutete ihm, an einen anderen Platz zu gehen. Aber als sie an Severus vorbeiging, konnte dieser sich anscheinend nicht zurückhalten und sagte etwas zu Lily, was ich nicht verstand. Was James sagte, hörte ich allerdings sehr gut, denn er baute sich vor Severus auf und sagte sehr laut und deutlich: „Hör auf, dich in Sachen einzumischen, die dich nichts angehen, Snivellus.“ Und er versuchte, Lily von Severus wegzuziehen. Doch damit hatte er anscheinend genau das Falsche getan: Lily riss sich wütend von ihm weg, fauchte (nun ebenfalls gut hörbar): „Das geht dich genauso wenig etwas an, James!“ und rannte in die andere Richtung davon. Also meine Richtung. Und rannte fast in mich rein. Als sie mich erkannte, stieß sie hervor: „Bitte, Emma, komm mit!“
Naja, was sollte ich tun?
Ich warf noch einen hilflosen Blick zu Remus, dann ließ ich ihn stehen und rannte Lily hinterher.
In der Nähe der Tür zur Eingangshalle holte ich sie wieder ein. „Was ist denn los?“, keuchte ich und zog meinen Festumhang wieder hoch (ich hatte ihm beim Rennen fast verloren). „Was hat Severus zu dir gesagt?“
Lily sah auf einmal so aus, als hätte sie alle Energie auf einmal verloren. Überhaupt nicht mehr wütend, sondern nur noch sehr müde. „Nicht wichtig“, sagte sie ziemlich leise. „Aber es war keine gute Idee, mit James hierher zu kommen.“
„Aber warum?“
„Weil er sofort den ganzen Arm nimmt, wenn ich ihm den kleinen Finger hinhalte“, sagte Lily, und dann, nach einer kurzen Pause: „Weil ich nicht ignorieren kann, wie er mal war.“ Sie schaute über meine Schulter und runzelte die Stirn. „Oh nein. Da kommt er.“
Ich drehte mich um, und sah James, ebenfalls mit sehr derangiertem Festumhang auf Lily und mich (okay, wohl eher nur Lily) zuhasten. „Lily!“, rief er atemlos.
Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Lilys Augen wieder Funken sprühten. Man spürte es förmlich in der Luft.
„Was ist?“, fragte sie, jetzt wieder mit unterdrückter Wut in der Stimme. „Falls du dich entschuldigen willst…“
„Ich will mich nicht entschuldigen!“, unterbrach sie James. Aber nicht in dem Tonfall, in dem er sonst mit Lily redet, wenn er sich immer bemüht, alles richtig zu machen. Trotzdem kam er mir vage bekannt vor, bis mir einfiel, dass es der gleiche Tonfall war, den er im Quidditchtraining anschlägt, wenn ich zu viele Tore durchlasse oder Stubby dumme Witze erzählt. Es war total seltsam, aber James war Lily ins Wort gefallen und er klang ebenfalls wütend. „Gut, vielleicht dafür, dass ich ihn Snivellus genannt habe, das ist mir eben so rausgerutscht…“
„Genau wie all die anderen Male auch, oder?“, fuhr Lily ihn wiederum an. „Die ganzen Jahre über, die ganzen Flüche, das ist dir alles nur rausgerutscht?“
„Warum kümmerst du dich überhaupt noch um ihn?“, rief James. „Nach dem, was er…“
„Das ist meine Sache, aber das scheinst du einfach nicht zu kapieren!“ Lily stand jetzt direkt vor ihm und sah so aus, als würde sie ihm gleich an die Gurgel gehen. Ich hatte das Gefühl, ich sollte irgendwie verschwinden, und setzte langsam den Rückwärtsgang ein. „Ich würde bei niemandem wollen, dass du ihn vor meinen Augen beleidigst, James, vor allem nicht auf einem Date! Das ist einfach eine Sache des Prinzips!“
„Und mein Prinzip ist es, nicht einfach nebendranzustehen, wenn er so einen Kommentar ablässt!“, rief James, der ein wenig eingeschüchtert aussah, aber offensichtlich nicht aufgeben wollte. „Das würde ich auch bei jedem machen, genau wie du! Ich verstehe überhaupt nicht“, langsam klang seine Stimme selbstsicherer, „warum du mir jetzt so eine Szene machst -“
„Weil ich dachte, dass du dich verändert hast, und du immer wieder in die alten Verhaltensmuster zurückfällst!“, schrie Lily.
„Gut!“, brüllte James zurück, „Wenn du mich wirklich und komplett für einen Idioten hältst, dann können wir die Sache auch lassen! Ich bin zwar hartnäckig, aber nicht blöd, und ich muss dir auch nicht ewig hinterherrennen! Du musst es nur sagen und dann bin ich weg!“
Eine plötzliche Pause trat ein.
Ich stand nun schon ein paar Meter von den beiden entfernt und suchte nach einer Möglichkeit, unauffällig abzutauchen.
„Du bist ein Idiot“, sagte Lily dann sehr leise.
„Und du bist cholerisch“, gab James zurück.
„Dein Ausbruch war aber auch nicht von schlechten Eltern.“
James zuckte mit den Schultern. „Irgendwie muss ich ja mithalten können. Allerdings fühlen sich meine Stimmbänder ziemlich kaputt an.“
„Du musst nur was trinken, dann geht das wieder.“
„Du musst es ja wissen“, sagte James seufzend.
Die beiden schauten sich unschlüssig an. „Wollen wir…?“, fragten sie dann gleichzeitig.
Dann drehte sich Lily plötzlich bestürzt zu mir um. „Oh Emma! Tut mir leid, ich hab dich vorhin einfach von R…“
„Ich find ihn schon wieder“, sagte ich und wedelte mit den Händen, um ihr zu signalisieren, dass sie gehen sollte. „Wir sehen uns später.“
Dann stürzte ich mich in die Menge und versuchte, meinen alten Standort wiederzufinden. Aber als ich schließlich das Gefühl hatte, wieder an derselben Stelle zu sein, war Remus nicht mehr da. Was vermutlich verständlich war, denn wieso sollte er auch alleine auf der Tanzfläche rumstehen? Das wäre irgendwie dämlich. Nur leider hatte ich keine Ahnung, wie ich Remus oder überhaupt jemanden in dem Gewühl wieder finden sollte. Der einzige Aufspürzauber, der mir einfiel, war Homenum revelio, was leicht sinnfrei war, und diese Rumtreiber-Karte haben wir ja immer noch nicht zum Laufen gebracht.

Übrigens glaube ich nicht, dass ich alle Dialoge noch ganz richtig in Erinnerung habe. Aber so ungefähr war es schon…eigentlich habe ich alles noch ziemlich genau vor Augen. Beziehungsweise Ohren.

Jedenfalls irrte ich über die Tanzfläche und bemühte mich, den meisten Leuten auszuweichen, und nicht verstehen zu wollen, was dieser Streit gerade für einen Sinn gehabt hatte. Ich verstehe es auch immer noch nicht ganz. Ich meine, Lily hat ihre Wut runtergeschluckt, weil er ihr Kontra gegeben hat. Ist das nicht paradox?
Natürlich dachte ich trotzdem darüber nach (wie jetzt auch) und rempelte prompt Alice Bryant an, die eng umschlungen mit einem großen blonden Typen tanzte. Dieser Frank vielleicht, von dem Evangeline geredet hat? Er fing sie jedenfalls sehr elegant auf, als sie wegen mir über ihren Umhangsaum stolperte. Und ich hielt noch nicht mal an, um mich zu entschuldigen.
Weil das Ganze zu nichts führte, quetschte ich mich schließlich zwischen den Stehtischen hindurch zum Ausgang, in der vagen Hoffnung, dass mir, wenn ich mal aufs Klo gegangen wäre, vielleicht ein Geistesblitz kommen würde, wie ich diese Situation wieder ins Reine rücken könnte. Ästhetisch wie immer, oder? Aber gestern Abend lief wirklich nichts so, wie ich dachte, dass es laufen würde. Denn in dem Korridor im ersten Stock, in den ich einbog, stieß ich nicht auf eine Mädchentoilette, sondern vielmehr auf eine wehende Gestalt, die von der anderen Seite um die Ecke stürmte und in mich reinrannte, so dass ich nun diejenige war, die fast zu Boden gerissen wurde. Panisch klammerte ich mich an ihrem Umhang fest und rief so etwas Schlaues wie: „WAAAH!“, bis ich mit einem weiteren Schrecken bemerkte, dass es sich bei der Gestalt um Professor Swindlehurst handelte.
„Oh, Professor, Entschuldigen Sie!“, stammelte ich, weil es einfach so ein Reflex ist, sich bei Lehrern zu entschuldigen, obwohl sie eigentlich mehr an dem Zusammenstoß Schuld war als ich. (Was an sich schon bemerkenswert ist.) Aber sie schien mich gar nicht zu hören, geschweigedenn überhaupt richtig wahrzunehmen. Erst, als ich sie losließ, warf sie einen Blick in meine Richtung, der, naja, völlig wirr war. Es schien, als wüsste sie überhaupt nicht, wo sie sich befand und was passierte.
„Professor?“
„Ah…muss in mein Büro, entschuldigen Sie“, stammelte sie, und, es war komisch, aber auf einmal fiel mir auf, wie jung sie noch ist. Für eine Lehrerin, meine ich. Und in dem Dämmerlicht, das immer in den Korridoren herrscht, sah sie sehr jung aus.
„Professor, wollen Sie nicht zurück auf den Ball gehen?“, fragte ich vorsichtig, um irgendetwas zu sagen, aber sie reagierte überhaupt nicht, sondern rückte fahrig ihren Seidenschal zurecht und ging an mir vorbei, als hätte der Zusammenstoß nie stattgefunden. Ich starrte ihr hinterher und wusste nicht, was ich machen sollte. Ihr hinterherlaufen? Wäre wohl komisch gekommen, immerhin ist sie meine Lehrerin und ich hatte ja keine Ahnung, was los war. Sorgen machte ich mir trotzdem irgendwie. Schließlich drehte ich mich wieder in die Richtung, in die ich ursprünglich hatte gehen wollen, und stellte fest, dass direkt hinter der Ecke die Tür zu einem Mädchenklo offen stand. Ohne mir groß etwas dabei zu denken, naja, also ich will jetzt natürlich nicht meinen Klogang im Detail beschreiben, aber in der Kabine, in die ich ging, klebten einige durchnässte Papierfetzen auf dem Boden. Ich dachte, dass es fast so aussah, als hätte jemand versucht, etwas im Klo herunterzuspülen, einen Brief vielleicht, denn auf dem Papier waren schwarze Flecken zu erkennen, die wie zerlaufene Tinte aussahen. Auf einem davon stand ganz deutlich UDB, was auch immer das zu bedeuten hat. Naja, ich schenkte der Sache auch gar nicht so viel Bedeutung, aber als ich wieder draußen im Korridor stand, dachte ich plötzlich: Was, wenn Professor Swindlehurst diesen Brief loswerden wollte? Vielleicht war sie deshalb so fertig.
Aber ich meine, es hätte auch jeder andere sein können.

Ich muss noch mal kurz Pause machen. Gerade habe ich den Spalt im Vorhang ein wenig vergrößert (mir ist eingefallen, dass man das auch mit dem Zauberstab tun kann. Es hat insofern funktioniert, dass ich die Vorhänge erst sperrangelweit auf- und dann schnell wieder zugerissen habe) und jetzt scheint ein rötlicher Schimmer auf meine Bettdecke. Anscheinend geht die Sonne gerade auf. Warum bin ich noch mal wach und schreibe Tagebuch?
Ach ja. Weil ich Angst habe, dass der Traum nachher platzt wie eine Seifenblase und ich mich an nichts mehr erinnere.

So. Dann erzähle ich mal an dem Zeitpunkt weiter, an dem ich nicht mehr ziellos in der Großen Halle herumirre (und ja, das ist ein recht ordentlicher Zeitsprung). Der Anlass dafür war, dass ich in dem ganzen Dämmerlicht, herumfliegenden Feen und Blütenblätter, Hobgoblins-Musik und Pärchen endlich an einem der runden Stehtische zwei bekannte Gesichter entdeckte: Katie und Peter. Rasch bahnte ich mir einen Weg zu ihnen, was ungefähr auf das Gleiche hinauslief, wie sich mit einer Dampfwalze durch den Verbotenen Wald zu schlagen. Zumindest kam ich mir ungefähr so elegant vor wie eine Dampfwalze. Trotz Festumhang und Lilys Flechtkünsten. Katie sah wieder munterer aus, wie ich erleichtert (und ein wenig besorgt) feststellte. Sie erzählte Peter gerade einen Witz, und er wirkte auch gelöster, als ich ihn jemals vorher gesehen habe. „Merlins Doxyspray!“, brüllte ich über die Musik hinweg, als ich endlich neben ihnen stand (die Lautstärke machte es irgendwie schwierig, erleichtert zu klingen). „Ich bin Ewigkeiten hier rumgeirrt! Was macht ihr hier?“
„Wir frönen unserem Singledasein!“, schrie Katie zurück und grinste mich an. „Kommt bloß nicht heute Abend alle mit euren love interests zusammen, sonst fühlen wir uns unter Druck gesetzt!“
„Kann ich mich zu euch stellen?“, war es wieder an mir, zu brüllen.
„Nee! Such mal lieber Remus, der ist vor zwei Minuten hier vorbeigekommen! Uns geht es gut!“
„Ja, Katie ist eine sehr begehrte Tanzpartnerin!“, meldete sich Peter zu Wort. Katie schlug ihm auf die Schulter. „Aah, ich hab eine Wette laufen, wie lange es noch dauert, bis Hayley Stewart ihn zum Tanzen auffordert!“, schrie sie und deutete an einen Tisch in der Nähe. Tatsächlich schaute Hayley gerade in unsere Richtung und schnell weg, als ich mich (total unauffällig) umdrehte.
Furchtlos wandte ich mich in die Richtung, in die Remus angeblich gegangen war, fest entschlossen, endlich meinen Tanzpartner wieder zu finden. Aber schon nach einer halben Minute fand ich mich einem erneuten Hindernis in Gestalt eines ungefähr drei Meter hohen blühenden Busches gegenüber, was Remus' Bemerkung darüber, dass die Bäume Probleme machten, eine ganz neue Bedeutung gab. Weil der Weg links daran vorbei von Victoria Keith und Will Harrison, den Ravenclaw-Vertrauensschülern, versperrt war und ich keinerlei Bedürfnis verspürte, sie bei ihren Aktivitäten zu stören, wandte ich mich nach rechts, blieb aber nach einigen Schritten stehen, als ich eine bekannte Stimme hörte. Es war eindeutig Lindsay, die ich jetzt unfreiwillig belauschte, während sie sich irgendwo hinter dem riesigen Ast vor meiner Nase mit jemandem unterhielt. Durch die Blüten konnte ich gerade so ihre dunklen Haare ausmachen.
„…vergiss es, ja?“, sagte sie gerade.
„Aber es verwirrt mich“, antwortete ihr eine andere, ebenfalls bekannte Stimme. Sirius' Stimme. „Jetzt unterhalten wir uns doch auch normal.“
„Das lässt sich ganz elementar auf momentane geistige Verwirrung zurückführen.“ Lindsay seufzte leise, aber es klang nicht genervt, so wie sonst, sondern eher ein bisschen traurig.
„Meinerseits?“, fragte Sirius ruhig.
„Vielleicht“, sagte Lindsay. „Hauptsächlich meinerseits.“
Ich stellte mir vor, wie Sirius die Stirn runzelte. „Also bist du der Meinung, es ist unvernünftig, mit mir zu reden, und vernünftig, jeden Gesprächsversuch abzublocken“, stellte er fest. „Darf ich fragen, warum?“
Eine Pause entstand. „Du hast doch jahrelang nichts anderes getan, als mich zu ärgern“, sagte Lindsay schließlich zurückhaltend. „Ich könnte mich genauso gut fragen, warum du auf einmal…Du kannst mich - wir können uns doch beide nicht ausstehen.“
Sirius machte anscheinend einen Schritt auf sie zu, denn ich konnte ihn jetzt auch durch das Loch in den Blättern sehen, wie er sich durch die Haare fuhr. „Du hast doch damit angefangen“, murmelte er. „Mit dieser Freundlichkeits-Tour.“
„Ja, und das war nicht ernst gemeint“, schoss Lindsay defensiv zurück. „Ich wollte dich damit nur…“
„…ärgern? Ich dachte, das ist meine alleinige Aufgabe.“ Sirius schien zu lächeln. „Es hatte jedenfalls den Effekt, dass mir aufgefallen ist, dass ich es vermisst habe. Irgendwie.“
„Du hast es vermisst, mit mir zu streiten“, wiederholte Lindsay tonlos.
„Frag mich nicht warum.“ Wieder entstand eine kurze Pause.
„Und warum streitest du dich dann nicht einfach mit mir, wenn du das unbedingt brauchst?“, fragte Lindsay schließlich abweisend.
„Weil du abblockst, egal, was ich sage, und ich mich frage, was genau ich dir getan habe.“
„Nichts“, antwortete sie. „Ich glaube einfach, dass es besser für mich ist. Du würdest es nicht verstehen.“
„Dann stell mich auf die Probe“, sagte Sirius.
Die Blätter raschelten ein wenig, als Lindsay den Kopf schüttelte. „Vergiss es einfach. Lass uns über etwas anderes reden, wenn du unbedingt reden willst, aber ich will, dass das hier morgen eine Erinnerung ist, mit der ich leben kann.“
Schweigen.
Ich machte vorsichtig ein paar Schritte zurück und schlich dann in weitem Bogen um den Busch herum. Die Hobgoblins spielten jetzt irgendein langsames Lied. Ich schämte mich, weil ich die beiden so belauscht hatte, aber ich musste mich einfach noch mal umdrehen, als ich an ihnen vorbei war.
Sirius hatte Lindsay in den Arm genommen, und sie umarmte ihn zwar nicht zurück, aber wehrte sich auch nicht, und ich hörte ganz sicher, dass Sirius in diesem Moment zu ihr sagte: „Kannst du damit leben?“
Dann ging ich schnell weiter, rot im Gesicht und entschlossen, auch über diese Szene erst am nächsten Tag (also heute) nachzudenken. Denn mir fiel jetzt auf, dass Katie in Richtung Eingangshalle gedeutet hatte, und mir kam ein Gedanke, wo ich suchen sollte. In der Halle war es viel kühler, und das Schlossportal stand noch offen. Vorhin waren einige Schüler draußen spazieren gegangen (das hatte ich auf meinem Trip zum Klo und zurück gesehen), aber ich hatte schon in der Großen Halle gesehen, dass der Himmel nun wolkenverhangen war und es zu nieseln angefangen hatte. Eine Gestalt stand in der Türöffnung und schaute nach draußen. Plötzlich befangen ging ich langsam auf sie zu und sagte das, was man eben sagt, wenn man einen Freund nach einem Date für den Frühlingsball fragt, dann drei Tage lang kaum ein Wort miteinander wechselt, er einen im Gemeinschaftsraum warten lässt, man selbst anfängt, Tagebuch zu schreiben, wenn er endlich auftaucht, und man dann aufgrund der Ereignisse des Abends ständig voneinander getrennt wird:
„Hallo.“
Remus drehte sich sofort zu mir um, sein Gesichtsausdruck schwenkte zwischen Erleichterung und so was wie Überraschung.
„Ich hab dich gesucht“, sagten wir dann beide gleichzeitig, und: „Ich dachte gerade, vielleicht bist du hier.“
Ich musste lachen, trat an ihm vorbei durch das Schlossportal und ließ mich auf den Treppenstufen nieder. Nach einem kurzen Moment des Zögerns setzte sich Remus neben mich. Unsere Knie berührten sich.
(Ich merke mir wirklich komische Sachen, oder?)
„Tja“, sagte ich. „Jetzt sind wir doch nicht so wirklich zum Tanzen gekommen.“
Remus lächelte mich an. „Was für eine Schande“, sagte er.
„Unser ganzes Talent vergeudet, für nichts.“ Ich lächelte zurück.
„Wir können es ja nachher noch mal probieren. Falls du willst, meine ich.“
„Ich hab inzwischen Übung darin, andere Paare umzurennen“, sagte ich. „Und ich habe nicht vor, dich heute Abend noch mal aus den Augen zu verlieren. Falls es dir nichts ausmacht.“
Irgendwie fühlte ich mich auf einmal ganz gelöst. Dass ich vorher so nervös gewesen war und mir Sorgen gemacht hatte, schien mir sehr weit weg. Vielleicht war es seltsam, mit seinem Tanzpartner auf einer Steintreppe zu sitzen, mit einem Mauervorsprung als einziges, was den Regen davon abhielt, unsere Festumhänge zu ruinieren. Ich meine, wir hätten drinnen sein sollen und tanzen und was weiß ich. Aber jetzt saßen wir eben hier draußen, und wenn man mich in diesem Moment gefragt hätte, was der beste Ort der Welt war, hätte ich vermutlich hier gesagt. Natürlich fragte mich niemand, auch Remus nicht. Stattdessen legte er vorsichtig seine Hand auf meine, und, hey, natürlich klopfte mein Herz wie verrückt, aber auf eine gute Art und Weise. Das machte es etwas schwerer, nachzudenken, aber ich musste trotzdem noch etwas wissen.
„Du bist mir aus dem Weg gegangen.“ Ich schaute ihn offen an und versuchte, den Ausdruck in seinen Augen zu deuten. „Und dann hast du mich warten lassen…warum?“
Remus wandte den Blick ab und betrachtete unsere miteinander verschränkten Hände. „Ich hatte Angst“, sagte er schließlich. „Ich wusste nicht, ob ich das Richtige tue. Für dich, meine ich.“
Ich musste eine Weile über diesen Satz nachdenken. Dann beugte ich mich vor, um seinen Blick wieder einzufangen, und sagte leise: „Ich weiß, dass ich nicht gut darin bin, gute Entscheidungen zu treffen. Aber manchmal bin sogar ich mir sicher mit dem, was ich mache.“
Ich drückte seine Hand und lächelte, und ganz zögerlich lächelte er zurück. Die Andeutung eines Lächelns mit traurigen Augen.
„Vielleicht gibt es Dinge…die deine Meinung ändern würden“, antwortete er ruhig.
Durch die Tür in der Eingangshalle wehte die Musik leise hinaus. Die Hobgoblins spielten jetzt eine Ballade.
Ich betrachtete sein Gesicht, so nah vor mir wie nie zuvor. Die blasse Haut. Die geschwungene Nase. Sein wunderbares Lächeln. Die schwachen Ringe unter den Augen. Und seine Augen. Ich sah ihn an, als würde ich ihn zum ersten Mal sehen. Und in gewisser Weise stimmte das, denn diesmal verstand ich, was er mit seiner Andeutung gemeint hatte. Mit dem rätselhaften Verhalten. Und ich weiß, das wäre der Moment gewesen, um ihm zu sagen, ich weiß, dass du ein Werwolf bist, und es macht für mich keinen Unterschied. Ich war mir nämlich jetzt sicher. Aber ich verpasste den Moment und tat stattdessen das Mutigste, was ich je in meinem Leben getan habe.

Ich beugte mich zu Remus herüber und küsste ihn.


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