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Fanfiction

Die Suche nach dem verlorenen Ich - Phänomene der Seele

von käfer

Vorab: Hallo, Eo-Lahallia, hier gibt´s das nächste Stück Leben des Hermann Meier. Ich hoffe, du hast danach noch Kraft für Chap 6, das gleich hinterher kommt, sozusagen als Schmeckerchen zwischendurch...
Ansonsten: Danke für´s Review!


„Kaffee ist fertig!“
…
„Hallo, es gibt Kaffee!“
Langsam drangen die Worte in sein Bewusstsein. Er hob den Kopf, öffnete die Augen und sah einen großen Teller voller Kuchen. Lecker! Da geriet sein gerade gefasster Vorsatz ja schon ins Wanken!
Ă„chzend setzte er sich auf.
„Na, hast du schön geschlafen?“, frage Minna und drückte ihm ein Küsschen auf die Wange. Es fühlte sich kalt an, war nur Routine. War es das?
Er rieb sich die Augen und nickte.
Sie verschwand in der KĂĽche und kam mit dem Kaffee zurĂĽck.
Er betrachtete sie nachdenklich. Minnas Gang war watschelnd; Leggins und ein relativ enges T-Shirt betonten unvorteilhaft die Polster an HĂĽften und Beinen. Ein paar Pfund weniger wĂĽrden auch ihr guttun.
Sie ließ sich in den Sessel plumpsen, nahm genüsslich schlürfend einen Schluck Kaffee und stöhnte: „Das tut gut. War heute wieder furchtbar stressig… Der Chef hat total am Rad gedreht… wollte unbedingt von jetzt auf gleich eine Zusammenstellung haben, wie viele Kinder für jede Grundschule angemeldet sind… Dann hat er noch ´rumgemeckert, weil ich nicht in einer halben Stunde fertig war… und hat behauptet, er hätte mir das schon vor drei Tagen aufgetragen… und fragt dauernd, wieso das so lange dauert… der hat doch keine Ahnung… muss ja nicht selber in den Akten wühlen…“
Immer zwischen zwei Halbsätzen schob Minna einen großen Happen Kuchen in den Mund. Sie kaute kaum, schluckte schnell und sprach weiter. Nach der dritten Wiederholung ihrer beruflichen Ärgernisse und dem dritten Stück Kuchen lehnte sie sich zurück und seufzte: „Jetzt ist mir wohler.“

Der Kuchen war wirklich lecker. Langsam und genießerisch aß er während Minnas Rede ein Stück.
Sie fragte: „Und, hast du den Rasen gemäht?“
„Sieht man das nicht?“, knurrte er.
Irritiert schaute sie ihn an, druckste herum. „Und, wie ist es gegangen?“
„Ging schon“, murrte er. Jetzt oder nie!!!
„Mir ist dabei eines klar geworden: Hermann ist – ich bin … viel zu fett.“
Minnas Augen quollen aus den Höhlen.
„Ich habe geschnauft wie ein asthmatisches Walross und geschwitzt wie ein Pferd, bis ich mich vor mir selbst geekelt habe.“
„Das ist doch nicht dein Ernst“, rief sie.
„Doch“, antwortete er entschieden, „ich fühle mich in diesem Körper einfach nicht wohl.“
Sie schnappte nach Luft.
Er versuchte nun, so sanft wie möglich zu klingen. „Und dir würden ein paar Pfund weniger auch gut tun, dann würden vielleicht deine Knie und Füße nicht mehr so schmerzen.“
„Willst du mir etwa das Essen verbieten?“, rief sie empört.
„Nein, nein,…“, setzte er an.
„Kommt nicht in Frage! Wenn ich von der Arbeit komme, brauche ich was Süßes, Nervennahrung.“
Ihre Stimme wurde lauter, schriller, sie kreischte fast. „Und auf Diäten lasse ich mich nicht ein, das kannst du vergessen!“
Er holte tief Luft. „Nein, ich meine, ich will dir nicht das Essen verbieten. Und mir auch nicht, dazu schmeckt es einfach zu gut. Machen wir es einfach gemeinsam und essen ein bisschen weniger. Nicht mehr jeden Tag Kuchen, und dann auch nur ein Stück für jeden und wir kaufen weniger Wurst, dafür mehr Obst und Käse.“
In ihrem Gesicht spiegelte sich Entsetzen. „Hermann! So kenne ich dich ja gar nicht!“
„Eben“, sagte er, „ich bin nun mal nicht Hermann.“
Sie schluckte.
Er setzte fort: „Von weniger Essen alleine nimmt man nicht so gut ab; wir müssen uns auch mehr bewegen.“
„Bewegen? Soll ich vielleicht durch die Gegend joggen und mir die Haxen brechen wie die Neumannsche? Ver-giss-es!!!“
Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Joggen wäre für uns zwei völlig Untrainierte das Falscheste, was wir tun könnten. Ich dachte mehr an Laufen, Gehen, Wandern.“
„Doch nicht etwas dieses Nordic Walking?! Ich rase doch nicht wie eine Angestochene mit zwei Stöcken durch den Stadtwald!!!“
„Ich weiß nicht, was ´Nordic Walking´ ist. Ich dachte wirklich nur an Gehen, Wandern, Spazieren, so in der Art, statt wie letztes Wochenende nur daheim zu hocken und zu futtern.“
Sie schüttelte den Kopf. „Am Wochenende will ich mich von der Arbeit ausruhen und erholen.“
„Erholen kann man sich beim Spazierengehen besser als beim Vor-der-Glotze-sitzen. Vielleicht verzichte ich darauf, den Führerschein zu machen; wir könnten das Auto verkaufen.“
„Und wie bitteschön willst du nach M. zur Arbeit kommen? Dorthin fährt nix!“
Dummerweise hatte sie damit Recht.
„Und wenn du nicht Hermann Meier bist, kannst du nicht einfach sein Auto verkaufen.“
Nanu?
„Wenn ich nicht Hermann Meier bin, darf ich auch sein Auto nicht fahren.“
Sie tappte nicht in die Falle. „Das Auto gehört ja auch zu einem Teil mir. Und ich borge es dem Fremden, der aussieht wie Hermann Meier.“
Mist!
Sie schwiegen. Nach einer Weile Nachdenkens sagte sie: „Gut. Ich bin beim weniger Essen und mehr Spazierengehen dabei. Aber du musst dich zur Fahrschule anmelden. Und dann machen wir Ausfahrten.“
„Falls die Medizinmänner mich überhaupt für fahrtauglich erklären.“
Eigentlich hatte er „Heiler“ sagen wollen, weil er wusste, dass das der richtige Begriff in seiner Welt war.
Er stand auf und wollte Kaffee holen. Mit einem scharfen Schmerz machten sich die Blasen an den Füßen bemerkbar. „Aua.“
„Was ist denn passiert“, fragte sie ein bisschen teilnahmslos.
„Ich bin nach dem Rasenmähen ins Einkaufszentrum gelaufen und wollte mir Turnschuhe kaufen. Dabei habe ich mir furchtbare Blasen geholt.“
„Du Armer“, tröstete Minna, aber es klang irgendwie unecht, „wieso kommst du nur plötzlich auf solche Ideen?“
„Ich bin immer viel zu Fuß gegangen, aber mir, ich meine, meinem Originalkörper, machte das nichts aus.“ Er war sich nicht ganz sicher, ob stimmte, was er da sagte.

Minna übertrug ihm von nun an Aufgaben in Haus und Grundstück. Er hielt das winzige Vorgärtchen in Ordnung, lernte, mit Staubsauger und Wischlappen umzugehen und die Waschmaschine zu bedienen. Er räumte den Vorratskeller auf und ging – in des Wortes ureigener Bedeutung – Einkaufen. Zwischendurch las er die Zeitung und sah populärwissenschaftliche Sendungen im Fernsehen.
Obwohl er so ziemlich viel Beschäftigung hatte, fehlte ihm etwas. Was es war, wurde ihm klar, als er beim Staubwischen die „Phänomene der Seele“ in die Hand nahm. Bücher!
Er glaubte sich zu erinnern, dass er einst eine ganze groĂźe Bibliothek zur VerfĂĽgung gehabt hatte und dort BĂĽcher nahm wie er wollte.
Das Meiersche Bücherregal war mager bestückt, also setzte er sich mit „Phänomene der Seele“ auf die Terrasse. Nach ein paar Minuten suchte er eine CD mit klassischer Musik aus und setzte die Kopfhörer auf. Die Schmitts redeten wieder mal über ihre Pflanzen. Ein anderes Thema schienen die nicht zu kennen, aber er konnte auch nichts über Pflanzenpflege lernen, wenn er ihnen zuhörte.
Er drehte die Lautstärke so hoch, wie er es gerade noch aushielt. Bald schon war er in „Die Phänomene der Seele“ so vertieft, dass er nichts mehr von seiner Umgebung wahrnahm.
Er las von Personen, die behaupteten, dass die Seelen längst Verstorbener in ihnen wohnten und die vorgaben, sich deshalb an Dinge zu erinnern, die vor Hunderten von Jahren passiert waren. Er wusste, dass es das nicht gab. Laura Lammos entlarvte diese Leute als Schwindler.
Er las von Personen – meist Frauen –, die mental stärkeren Leuten – meist
Männern – so verfielen, dass sie ihre eigene Persönlichkeit aufgaben und wie fremdgesteuert lebten. Er dachte an ein kleines rothaariges Mädchen und wusste, dass es noch eine Steigerungsform gab. Laura Lammos riet zu einer Therapie.
Er las von Personen, in denen zwei verschiedene Menschen zu existieren schienen, die mitunter im Hirn stritten. Er erinnerte sich an einen Turbanträger mit zwei Gesichtern und ahnte, was mit diesen Unglücklichen geschehen war. Laura Lammos beschrieb das Phänomen, ohne die Ursache benennen zu können.
Er las von Personen, die im Trance Bilder aus der Zukunft sahen und Vorhersagen machten, die auch eintrafen. Er erinnerte sich an eine seltsam gekleidete Frau in einem heruntergekommenen Wirtshaus und wusste, dass es wahr war. Laura Lammos fĂĽhrte einige Beispiele an, zweifelte aber an der Wahrheit.
Er las von Menschen, die Stimmen gehört hatten, die die Anwesenheit von anderen Wesen oder Geistern spürten, die merkwürdige Dinge sahen…, aber keines der beschriebenen Phänomene glich dem, was er gerade erlebte.
Minna, die bemerkt hatte, dass er sich mit dem Buch beschäftigte, brachte die Sprache wieder auf den beabsichtigten Brief. „Ich glaube nicht, dass diese Laura Lammos uns helfen kann, aber schreib´ ruhig“, meinte er.

Zu Dr. Schuppski ging er regelmäßig. Die erste Fahrt dorthin wäre fast eine Katastrophe geworden. Schuppski hatte seine Praxis in C. und natürlich wusste er nicht, wo das war. „Wie komme ich dorthin?“, fragte er Minna. Die hatte auch keine Ahnung. „Hermann ist überallhin mit dem Auto gefahren.“ – „Ich kann aber nicht fahren.“
„Ich glaube, da fahren Busse von W. aus.“
Aber im Hause Meier gab es keinen Fahrplan, also konnte er nur auf gut Glück losgehen. Immerhin wusste er, wo in S. die Bushaltestelle war, und konnte sich dunkel erinnern, dass halb Acht ein Bus nach W. fuhr und der nächste erst um Elf.
Leider hatte er sich ein bisschen geirrt. Der Bus nach W. fuhr schon fünf vor halb und war auch noch etwas zu früh dran. Er trieb Meiers Füße zur Höchstleistung und der Busfahrer war gnädig und wartete. Schwitzend und schnaufend ließ er sich auf den erstbesten Sitz plumpsen.
Am Bahnhof in W. stieg er aus. Während er die Haltestelle nach C. suchte, kam ihm ein Bus entgegen, an dem als Fahrtziel „C.“ angezeigt wurde. Alles Gestikulieren und Arm-in-die-Höhe-Recken half nichts, der Fahrer hielt nicht an. Zu dumm! Der nächste Bus nach C. fuhr erst in 70 Minuten, da kam er viel zu spät
zu Dr. Schuppski. Am liebsten wäre er wieder umgekehrt, aber das ging nicht. Er musste eine Unterschrift von Schuppski haben, dass er den Termin wahrgenommen hatte, weil sich sonst die Krankenkasse weigerte, weiter Krankengeld zu bezahlen. Er war körperlich gesund…
Während er so dasaß, grübelte er darüber nach, wie umständlich das Leben hier eingerichtet war. Er konnte sich dunkel erinnern, früher auch schon mit dem Bus gefahren zu sein. Aber irgendwie war er der Meinung, dass man nur den Arm in die Höhe zu recken brauchte, und schon kam der Bus und brachte einen genau dorthin, wo man hinwollte. Und zwar ohne Haltestellen, Fahrplan und Umsteigen…

Nach einer Weile akzeptierte Dr. Schuppski scheinbar, dass er sich nicht mehr hypnotisieren lassen wollte. Er hatte behauptet, dass seine Erinnerungen auch so wiederkamen und als Beweis ein paar Geschichten aus seiner Kindheit erzählt. Die hatte er sich von seinen Geschwistern Klaus und Gusta erzählen lassen. Seine wirklichen Erinnerungen wollte er niemandem preisgeben. Abgesehen von Kreaturen, die hierzulande ins Märchenreich verbannt waren – dreiköpfige Hunde, Drachen, Einhörner – erinnerte er sich hautsächlich an dunkle, bedrohliche Dinge. Schwarzvermummte Gestalten mit totenkopfähnlichen Masken, er selber mitten unter ihnen, versammelten sich um einen Meister mit rotglühenden Augen. Im Traum sah er Fetzen düsterer Rituale, Kämpfe, Töten. All diese Traumbilder und Erinnerungen waren ohne Zusammenhang und verliefen in absolutem Schweigen. Er sah, wie sich Münder bewegten, aber er hörte kein Wort, kein Geräusch.
Manchmal wurde es mitten im Traum hell, dann erschien ein hübsches Mädchen mit grünen Augen, nur um schnell wieder zu verschwinden.
Das alles beunruhigte und ängstigte ihn. Wer war er? Was waren das für Versammlungen, an denen er zweifellos teilgenommen hatte? Was hatte er außer diesen düsteren Dingen noch getan? Hatten die verschiedenen Rituale einen Zusammenhang? Wieso bedeutete ihm dieses Mädchen so viel? Alles Fragen, auf die er keine Antwort wusste. Er glaubte, dass Dr. Schuppski ihn ins Irrenhaus stecken würde, wenn er von den echten Erinnerungen erfahren würde. Und er wusste, dass er nie wieder in seinen Körper zurück konnte, wenn er einmal im Irrenhaus gelandet war.
Vorerst gab sich Dr. Schuppski mit seinen Erklärungen zufrieden und machte jede Menge Tests mit ihm: Gedächtnistests, Mathematik-Tests, Reaktionstests,… ,…., Intelligenztests. Letzterer bescheinigte ihm einen leicht überdurchschnittlichen IQ.
Schmeichelhaft, aber was nutzte ein hoher IQ, wenn man nicht mal den eigenen Namen wusste? Natürlich hütete er sich, Schuppski gegenüber solche Äußerungen zu machen. Außer Minna ließ er alle Welt in dem Glauben, er sei tatsächlich Hermann Meier.
Und dann kamen noch viele, viele Sprach- und Schreibtests. Das Sprechen fiel ihm immer leichter, wenn er auch den örtlichen Dialekt nie so richtig beherrschte und bei manchen Wörtern das Gefühl hatte, den Mund voller Steine zu haben. Mit dem Schreiben war es eine merkwürdige Sache. Gab Schuppski ihm Texte zum Abschreiben, schrieb er flüssig und fehlerfrei in einer engen, steilen, etwas eckigen Handschrift, die nicht die von Hermann Meier war. Diktierte Schuppski jedoch, machte er anfangs Fehler über Fehler. Das änderte sich mit der Zeit. Je mehr er las, desto besser wurde seine Rechtschreibung. In gleichem Maße nahm die Hirntätigkeit beim Schreiben ab, es strengte ihn zuletzt gar nicht mehr an.
Eines verstand allerdings weder Dr. Schuppski noch er selber: Wieso er unter Hypnose Englisch gesprochen hatte, geläufiges Oxford-Englisch. Im Wachzustand konnte er außer „Äktschn“ und „Ssänk juh“ kein einziges Wort sagen. Er verstand auch Null Komma nichts, wenn Schuppski ihm seine eigenen Sätze vorspielte.
Obwohl er gern gewusst hätte, was das Ganze zu bedeuten hatte, weigerte er sich standhaft, sich hypnotisieren zu lassen. Wer weiß, was da alles zum Vorschein kommen würde!
So grĂĽbelte er vor sich hin. Seine Gedanken drehten sich im Kreis und je mehr er sich anstrengte, sich erinnern wollte, umso weniger Erinnerungen kamen zu ihm zurĂĽck.

Manchmal tat er merkwürdige Dinge: Wenn er Tee brühen wollte und den Wasserkocher gefüllt hatte, fasste er mit schöner Regelmäßigkeit an seine Brust, als ob er etwas aus der Brusttasche ziehen wollte. Genauso regelmäßig ärgerte er sich darüber, dass da nichts war und fragte sich, was er gerade wieder gesucht hatte. Dann schüttelte er den Kopf und steckte den Stecker in die Dose. Die Teebeutel hatte er abgeschafft, das Tee-Ei in die hintere Schrankecke verbannt. Minna hatte verständnislos zugesehen und sich geschüttelt, als er Milch in den Tee kippte. „Wie die verrückten Engländer“, hatte sie gelästert. Stundenlang grübelte er anschließend darüber nach, woher er kam. War er etwa ein „ver-rückter Engländer“, im wahrsten Sinne des Wortes? Das würde einiges erklären. Genauso, wie er sich bei manchem Wissen, manchen Erinnerungen völlig sicher war, war er über seine Herkunft im Unklaren. Alles Grübeln half nicht weiter.
Mitunter, wenn er zum Einkaufen aus dem Haus gehen wollte, stellte er sich auf die Terrasse, legte die Arme verschränkt an den Körper, drehte sich auf der Stelle und ärgerte sich dann, dass er immer noch an derselben Stelle stand.
Was hatte das nun wieder zu bedeuten?

Von Laura Lammos kam erst im August Post, als sie schon nicht mehr daran glaubten, überhaupt noch von ihr zu hören. Sie vereinbarten für Anfang September einen Termin, die Autorin wollte zu ihnen nach S. kommen.
Laura Lammos war ein wandelndes Skelett. Die Haut hing ihr schlaff und faltig von den Knochen; das leicht verlaufene Make-up verdeckte nur unzureichend die geisterhafte Blässe des Gesichts, ihre dunkelblauen Augen glühten fiebrig. Minna sah mit finsterer Miene und gerunzelten Brauen zwischen ihm und ihr hin und her.
Laura Lammos sprach leise, langsam, mit schleppender Stimme, ganz so als müsste sie jedes einzelne Wort über ihre Lippen zwingen. „Sie sind also der Mann, der meint, dass noch ein anderer in seinem Körper steckt?“
„Ich meine, ich stecke in einem fremden Körper“, antwortete er schärfer als beabsichtigt. Die Lammos starrte ihn ungläubig an. Klar, die glaubte ihm auch nicht. Warum aber war sie dann überhaupt gekommen?
„Wie kommen Sie darauf? Ich meine, wie äußert sich das?“, fragte sie nach einer Ewigkeit.
„Dem Ausweis nach bin ich Hermann Meier, aber die Erinnerungen, die so nach und nach wieder auftauchen, sind meine eigenen, nicht die von Hermann Meier.“
Wieder starrte ihn die Lammos lange an. „Wie heißen Sie wirklich?“
„Das ist es ja gerade. Ich erinnere mich nicht mehr an meinen eigenen Namen. Die Personen, die in meinen Träumen und Erinnerungen auftauchen, kommen mir bekannt vor, ohne dass ich weiß, wer es jeweils ist.“
„Welche Hilfe bekommen Sie?“
„Dr. Schuppski hat es mit Hypnose versucht. Derzeit macht er verschiedene Tests, um herauszufinden, was überhaupt noch da ist.“
„Hypnose ist für Sie nicht geeignet. Wie kommen Ihre Erinnerungen zurück? Ich meine, wodurch wird das Erinnern ausgelöst?“
„Entweder im Traum oder spontan durch kleine Ereignisse. Der Anblick eines Klemmbretts beispielsweise brachte die Erinnerung an eine Frau in rosa Kleidern zurück, die ein Klemmbrett benutzte und mir Ärger machte. Allerdings ohne dass ich weiß, wer sie ist und was für Ärger sie mir gemacht hat. Verstehen Sie?“
Laura Lammos nickte und sah ihn mit verhangenem Blick an. „Erzählen Sie mir von Ihren Erinnerungen!“ Sie nahm ein Diktiergerät aus ihrer Tasche.
„Nein. Das ist alles unzusammenhängend. Ich begreife es selbst nicht und spreche mit niemandem darüber.“
„Aber Sie müssen mir alles erzählen, wenn ich Ihren Fall in mein nächstes Buch aufnehmen soll.“
„Ich will nicht in ein Buch aufgenommen werden, ich erwarte Hilfe von Ihnen. Außerdem kenne ich Sie nicht genug, um Ihnen zu vertrauen.“
Wieder entstand eine Pause. Die Lammos starrte ihn an, Minna rutschte unbehaglich auf dem Sofa hin und her.
„Sie sollten für eine Weile zu mir nach P. in die Waldklinik kommen. Unter Hypnose werden Ihre Erinnerungen garantiert wieder vollständig. Vielleicht kann ich auch herausfinden, warum Sie ein anderer sind. Wir schließen einen Vertrag, dass Ihr Fall in meinem Buch ausführlich behandelt wird, dann brauchen Sie nichts zu bezahlen.“
Minna klappte die Kinnlade herunter. Er konnte die seine gerade noch oben lassen und um etwas Bedenkzeit bitten. Frau Lammos verabschiedete sich schnell, Minna atmete hörbar auf.
„Sag mal ganz ehrlich, gefällt dir so ein Hungerhaken?“, fragte sie mit provozierendem Unterton.
„Ganz ehrlich“, antwortete er, „mein Traum ist ungefähr die Mitte zwischen dir und ihr.“
Minnas Miene wurde säuerlich.
„Du wolltest meine ehrliche Meinung hören und du hast sie gehört.“
Minna schluckte.
„Ist dir eigentlich aufgefallen, dass die Gute erst behauptet hat, dass Hypnose falsch ist und dann, dass damit meine Erinnerungen garantiert wiederkommen?“
Minna schüttelte den Kopf. „Ist mir entgangen. Die war mir so was von unsympathisch, das glaubst du gar nicht.“
Er grinste. „Haben wir wenigstens etwas gemeinsam. Ich brauche übrigens keine Bedenkzeit, was die Waldklinik angeht. Diese Laura Lammos sieht mich nie wieder.“

Damit war das Thema erledigt. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Waldklinik drei Monate später wegen zweifelhafter Behandlungsmethoden in die Kritik geriet und geschlossen wurde. Laura Lammos verschwand und wurde nie wieder gesehen.


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