"Was für herzallerliebste Kinder.", stellte eine alte Frau lächelnd fest. "Und so brav. Das sind zwei wirklich hübsche Jungs, die werden später sicher einige Herzen brechen."
"Entschuldigen Sie mal, meine Tochter ist kein Junge!", erwiderte Ginny aufgebracht. Man würde ja wohl erkennen können, dass Diane ein Mädchen war, also wirklich! Hermine legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter und schaute sie beschwörend an.
"Wirklich nicht?", fragte die Dame zweifelnd und beugte sich noch näher zu dem kleinen Mädchen herunter. "Komisch. Meine Brille ist doch erst letzte Woche neu gemacht worden ..." Die Frau war jetzt schon fast mit der Nase an dem Kind.
Hermine warf einen Blick auf ihre Uhr. "Oh! So spät schon!", sagte sie laut und gespielt erstaunt. Sie setzte sich langsam in Bewegung. Vor Matts Kinderwagen stand die Frau glücklicherweise nicht. "Es tut mir Leid, aber wir müssen los, wir haben gleich einen dringenden Termin..." Ginny nickte heftig bei ihren Worten.
Die Frau richtete sich wieder auf. "Natürlich. Entschuldigen Sie, dass ich sie so lange aufgehalten habe, aber die beiden Mädchen sind wirklich zu süß." Hermine verdrehte die Augen. Die Frau schien nicht nur unter Kurzsichtigkeit sondern auch unter Alzheimer zu leiden. Ginny schnaubte empört.
"Das ist doch nicht zu fassen!", sagte sie ärgerlich, als die Frau außer Hörweite waren. "Erst war Diane ein Junge, dann Matt ein Mädchen. Wenn wir noch länger geblieben wären, hätte sie uns am Ende noch für zwei Bodybuilder gehalten!"
Hermine lachte. "Ach komm Ginny, auch solche Leute muss es geben.", erwiderte sie und warf einen Blick in den Himmel. Er war grau verhangen. Aber von Schnee war noch keine Spur zu sehen, was Hermine sehr schade fand. Sie liebte den Schnee und Spaziergänge darin. Spätestens, wenn sie zu Weihnachten im Fuchsbau waren, konnten diese endlich stattfinden. Molly würde sich mit Freuden um ihr jüngstes Enkelkind kümmern und so hätten Ron und sie etwas mehr Zeit für sich. In den letzten Monaten war das sehr zu kurz gekommen, da sie ihre freie Zeit soweit es ging mit Cathy verbrachte, damit diese sich wegen ihres kleinen Bruders nicht zu sehr vernachlässigt fühlte.
Hermine wickelte sich den Schal enger um, da der Wind zunahm. Besorgt beugte sie sich über den Kinderwagen, um zu prüfen, ob Matt es noch warm genug hatte. Aber er lag in seine Decke gekuschelt da und das Mützchen, das Molly gestrickt hatte, wärmte ihn zusätzlich. Zärtlich strich sie über seine Wange.
"Geht es dir gut?", fragte Ginny nach einigen Minuten, in denen sie die Kinderwägen schweigend durch den Park geschoben hatten. Viele Leute waren nicht zu sehen, was kein Wunder bei dem Wetter war. Hermine wäre eigentlich auch lieber zu Hause geblieben, aber da Matt frische Luft brauchte, hatte sie sich von Ginny umstimmen lassen.
Hermine zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht genau. Eigentlich schon.", sagte sie vage.
"Dir macht die Sache mit den Einbrechern noch zu schaffen, hm?", forschte Ginny nach und musterte ihre Freundin prüfend. Sie hatten gestern telefoniert und Hermine hatte ihr den Vorfall genau geschildert. Als Harry am Abend nach Hause gekommen war, hatte er ihr ebenfalls davon erzählt, genau wie von der Gemütsverfassung ihres Bruders.
"Ja, schon. Es ist doch unglaublich, dass das gerade uns passiert ist!", erwiderte Hermine. "Ausgerechnet uns! Erst hat Cathy wegen dieser Bombe in Lebensgefahr geschwebt und nun auch noch diese Amateureinbrecher, die Cathy in ihrer Unfähigkeit etwas hätten antun können!" Hermine seufzte. "Ich hatte immer Angst um Cathy. Seit Ron sie in meine Amre gelegt hat, nachdem sie auf die Welt gekommen ist, hatte ich immer Angst, dass ihr irgendetwas passieren könnte. Aber bis jetzt dachte ich, ich könne sie beschützen. Aber sobald sie in Gefahr war, war ich wie von Angst gelähmt, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und hatte ständig das Gefühl, ich würde umkippen. Das kannte ich gar nicht von mir, Ginny, und ich war schon oft genug in brenzligen Situationen. Wäre Ron nicht da gewesen und hätte genau gewusst, was zu tun wäre, ich wüsste nicht, wie ich das geschafft hätte."
Ginny seufzte und blieb stehen. Hermine tat es ihr nach. Ginny legte ihr tröstend einen Arm um die Schultern. Es tat ihr Leid, ihre beste Freundin so zu sehen und nichts tun zu können. Aber ihr war klar, dass sie sich wohl genauso fühlen würde, wenn Diane so etwas passiert wäre. Dennoch war es ein schreckliches Gefühl, so hilflos zu sein. "Weißt du, dass Ron das auch sehr zu schaffen macht?"
"Was?" Hermine sah erstaunt auf. Ron hatte auf sie nicht gewirkt, als hätte ihm das zugesetzt.
Ginny nickte. "Ja. Aber vielleicht sollte ich dir nicht erzählen, was Harry mir gesagt hat." Sie hätte Hermine nichts sagen sollen, wenn Ron sich ihr auch nicht anvertraut hatte.
Hermine schüttelte energisch den Kopf. "Nein. Ginny, bitte, sag mir, was du weißt. Ron ist mein Mann und er sagt mir nicht, was in ihm vorgeht. Oder zumindest sehr selten. Manchmal habe ich das Gefühl, ihn überhaupt nicht zu verstehen." Hermine sah sie flehentlich an.
Ginny rang mit sich. Aber Hermine war ihr im Moment wichtiger als ihr Bruder. "Es geht ihm nicht anders als dir.", sagte sie schließlich. "Er macht sich große Vorwürfe, weil er nicht verhindern konnte, dass Cathy in Gefahr gerät. Dass ihr alle in Gefahr geratet. Im Grunde geht es ihm jetzt so wie damals Harry, als er uns ins Ministerium geführt und Voldemort Sirius gar nicht in seiner Gewalt hatte."
Hermine war überrascht. Sie hatte nicht geglaubt, dass so etwas in Ron vorging und machte sich jetzt selber Vorwürfe, dass sie das nicht bemerkt hatte. Sie kannte ihn jetzt schon seit so vielen Jahren und ihr war das überhaupt nicht aufgefallen.
"Sag Ron bitte nicht, was ich dir gesagt habe.", riss Ginny sie aus ihren Gedanken. "Ich glaube, es wäre ihm peinlich, wenn er wüsste, dass du es weißt."
Hermine nickte und verdrehte gleichzeitig die Augen. "Männer und ihr Stolz! Als ob es ihn umbringen würde, mit mir zu sprechen." Sie setzte sich wieder in Bewegung.
"Hermine, er glaubt, er muss stark sein.", erwiderte Ginny und hob Dianes Plüscheule vom Boden auf, die diese aus ihrem Kinderwagen gepfeffert hatte. "Er denkt, dass er für dich stark sein muss ... weil du es sonst nicht schaffst."
Hermine schaute Ginny erstaunt an. "Was?"
"Du bist so mitgenommen worden von den letzten Tagen, Wochen und Monaten. Ron will dich schützen, so wie er Cathy schützen will. Und deshalb denkt er, dass er stark sein muss.", erklärte Ginny. Ron hatte zwar nie etwas in der Richtung gesagt, aber so gut kannte sie ihren großen Bruder, dass sie das wusste. "Er will keine Schwäche zeigen."
"Nicht einmal vor mir?" Hermine konnte nicht fassen, was sie da hörte. Sie schien Ron gar nicht mehr zu kennen.
"Besonders nicht vor dir!", erwiderte Ginny. "Vor dir hat er noch nie gerne Schwäche gezeigt. Er wollte dich doch immer beeindrucken. Besonders nach Krum. Und ich denke, heute ist es genauso. Er denkt wahrscheinlich, dass du ihn nicht mehr liebst, wenn er nicht stark ist."
Hermine schüttelte den Kopf, Tränen traten ihr in die Augen. "Aber das stimmt doch nicht! Ich würde nicht aufhören, ihn zu lieben, nie! Ich werde ihn immer lieben." Sie schüttelte den Kopf. Wie konnte er das nur nicht wissen?
"Das weiß er, Hermine. In seinem Inneren weiß er das sicher. Aber trotzdem. Er kann einfach nicht aus seiner Haut, das wird sich nie ändern. Aber ..." Ginny überlegte, ob sie das wirklich sagen sollte. "Ich glaube, er hat Recht. Er muss im Moment wirklich stark sein."
"Was?"
"Ach komm, Hermine, du musst doch zugeben, dass du nicht mehr so viel Kraft hast. Dass dich das alles im Moment auslaugt. Sonst wusstest du auch immer, was zu tun ist."
Hermine seufzte. "Ich dachte nicht, dass das solche Ausmaße angenommen hat. Ich scheine langsam wirklich die Kontrolle zu verlieren. Aber ... aber ..."
"Es ist völlig verständlich, dass es dir so geht.", wandte Ginny sofort ein. "Du hast die Kontrolle doch schon mal im dritten Schuljahr wegen deinem Arbeitspensum verloren. Du schaffst das schon, Hermine, du musst dich nur daran gewöhnen. Und wenn Matt etwas älter ist, wird es auch wieder sehr viel leichter werden. Es sollte bestimmt kein Vorwurf sein, ich kann Ron einfach nur verstehen, was zugegebenermaßen eher selten vorkommt." Sie lachte. Hermine lachte nicht. Sie sah elend aus. "Hermine, du tust wirklich dein Bestes. Andere würden dich für das, was du leistest, bewundern und Ron gehört sicher zu diesen Bewunderern dazu. Er liebt dich. Spätestens seit du mit Krum auf diesem Ball warst, weiß er, dass er dich liebt. Und er wird dich immer lieben. Hab bloß keine Schuldgefühle!"
Hermine lachte bitter. "Das ist leichter gesagt, als getan, Ginny.", sagte sie zweifelnd. Ginny blieb stehen und umarmte ihre Freundin.
"Mach dir keine Vorwürfe! Es tut mir Leid, dass ich dir das gesagt habe, ich wollte nicht, dass du zweifelst."
Hermine schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen weg. "Nein. Nein, es war gut, dass du es mir gesagt hast. Mir war das überhaupt nicht bewusst."
"Du bist eine gute Mutter, eine sehr gute. Cathy würde das jederzeit bestätigen, genau wie Ron und ich auch. Und du bist eine wunderbare Ehefrau. Niemand anders hätte Ron so glücklich machen können wie du. Allerdings bist du eine miserable Köchin."
Hermine versuchte zu lachen. "Allerdings. Das stimmt."
Auch Ginny lächelte. Sie hoffte wirklich, dass Hermine nach diesem Gespräch nicht zu sehr an sich zweifelte. Ginny hätte sich ohrfeigen können, dass sie dieses Thema überhaupt angeschnitten hatte und sich nicht einfach weiter über die dämliche alte Oma aufgeregt hatte.
/-/
Mit schnellen Schritten eilte Ginny durch das Atrium im Zaubereiministerium und steuerte auf den Aufzug zu. Sie trug Diane auf dem Arm, die sich mit großen Augen umsah. Sie war nicht oft im Ministerium und jedes Mal war es ein Erlebnis für das kleine Mädchen. Als der Aufzug ratternd und klappernd vor ihr hielt, stieg Ginny ein. Sie und Diane waren die einzigen. Sie und einige Memos. Zwei Stockwerke später stiegen einige Menschen ein, darunter ein ihr nur zu gut bekannter Mann.
"Percy", sagte sie kalt und musterte ihn.
Er tat es ihr gleich. "Ginny", erwiderte er ebenso kühl wie seine kleine Schwester. Sein Blick blieb an Diane haften, die ihren Onkel gar nicht bemerkte. Der Hut eines anderen Zauberers war für sie viel interessanter. "Das ist also deine Tochter.", stellte er fest.
Ginny nickte knapp und versuchte, ihre Wut zu unterdrücken. Sie wollte nicht wie Ron aus der Haut fahren, das war Percy nicht wert. Sie strich Diane durch ihre roten Haare. "Ja, das ist Diane.", sagte sie.
Percy nickte und wich etwas zurück, als weitere Leute zustiegen. Er schluckte. Wahrscheinlich war er nicht darauf vorbereitet, ständig unerwartet in irgendwelche Familienmitglieder zu laufen. "Geht es euch gut?", fragte er schließlich. Mittlerweile waren sie im vierten Stock angekommen.
"Ich wüsste nicht, was dich das angeht.", erwiderte sie kühl. Sie verstärkte den Griff, mit dem sie Diane hielt und hinderte sie daran, dem anderen Zauberer den Hut zu klauen.
Percy nickte. Ginny suchte vergeblich nach einem Zeichen, dass ihn ihr Verhalten verletzte. Sie musste sich sehr beherrschen, ihn nicht doch anzuschreien. Als der Aufzug im nächsten Stock hielt, stieg er mit einigen anderen Menschen aus. Ginny sah ihm nach, hoffte, dass er doch etwas sagte, etwas tat, das ihr zeigte, dass es ihm Leid tat, wie er sich verhielt, aber nichts kam. Traurig wandte sie sich Diane zu, als sie die Türen schlossen. "Bitte, werde nie so wie dein Onkel, Diane.", flüsterte sie ihr zu. "Damit machst du die Menschen, die dich lieben, nur unglücklich."
Im nächsten Stockwerk stieg sie aus und ging zielstrebig zur Aurorenzentrale. Sie musste sich das Lachen verkneifen, bei dem Anblick der vielen Auroren, die an den Schreibtischen in ihren Büronischen saßen und sich über ihre Pergamente beugten. Selten waren so viele Auroren in der Zentrale. Sie ließ ihren Blick schweifen, bis sie Harry entdeckte. Geschickt schlängelte sie sich zwischen den Reihen durch und nickte hie und da einem bekannten Gesicht zu. Sie stoppte vor Harrys Schreibtisch, der erstaunt aufblickte. Er sprang auf, umarmte sie kurz und gab ihr einen schnellen Kuss.
"Ginny! Was machst du denn hier?", fragte er und musterte sie besorgt. "Ist alles in Ordnung? Geht es Diane gut?" Er strich seiner Tochter über die Wange.
Sie nickte. "Jaja, uns geht es super, keine Sorge.", beantwortete sie seine Frage, die sie Percy nie beantwortet hätte. "Ich wollte eigentlich nur mit Ron sprechen." Ihr Blick wanderte von ihrem Mann zu ihrem Bruder, der den Schreibtisch neben Harry hatte und gedankenverloren auf ein leeres Pergament starrte. Als er seinen Namen hörte, sah er auf.
"Ginny!" Er war ebenso überrascht wie Harry.
"Bevor du fragst, es geht mir gut und ich wollte mit dir sprechen.", schnitt sie ihm das Wort ab. Harry lächelte und setzte sich wieder. Ginny ging zu Ron und ließ sich auf der Schreibtischkante nieder. Sie nahm Diane auf die andere Seite. "Ich habe etwas sehr dummes gemacht.", gestand sie.
Ron schaute sie verwirrt an. "Was meinst du denn?"
"Ich ... habe Hermine möglicherweise irgendwelche Zweifel eingeredet.", gestand Ginny zögernd und warf Harry einen flüchtigen Blick zu.
"Was?", fragte Ron völlig verwirrt und starrte seine kleine Schwester fragend an. Was hatte das denn zu bedeuten?
"Mir ist irgendwie herausgerutscht, dass du dir Vorwürfe machst, Hermine, Cathy und Matt nicht so gut beschützen zu können, wie du es eigentlich möchtest und dass du stark sein musst, weil sie es nicht ist. Und sie hat dann geglaubt, dass ihr alles über den Kopf wächst, sie dich nicht mehr versteht und sie die Kontrolle völlig verloren hätte...", erklärte Ginny so schnell wie möglich und starrte auf den Boden. "Ron, es tut mir wirklich Leid, ich weiß, es war dumm von mir und ich hätte das nicht tun -"
"Moment", unterbrach Ron sie, verwirrt von dem ganzen Redefluss. "Du willst mir sagen, dass Hermine jetzt Zweifel an ihrem ganzen Leben hat und nicht mehr damit fertig wird oder dass sie-"
"So ungefähr.", unterbrach Ginny ihn. "Ich weiß auch nicht, wie das alles passieren konnte. Sie war nur so komisch drauf, seit der Bombe und den Einbrechern und ich wollte der Sache einfach auf den Grund gehen und dann sind wir irgendwie auf dieses Thema gekommen und -"
Ron sprang auf. Er hörte gar nicht mehr, was Ginny sagte. Er griff sich seinen Umhang, den er über den Stuhl gehängt hatte, sagte zu Harry, er solle ihn für den Rest des Tages entschuldigen und stürmte aus der Zentrale zu den Aufzügen. Er musste sofort zu Hermine. So ganz hatte er nicht verstanden, was zwischen ihr und Ginny war, aber er wusste, dass er sofort zu seiner Frau musste.
/-/
Zu Hause angekommen sah er sich suchend um. Er wusste, dass sie hier war, ihre Jacke hing am Haken und Matts Kinderwagen stand im Flur. Er schaute ins Wohnzimmer, wo Matt in seiner Wiege lag und schlief, in die Küche und schließlich in ihr Schlafzimmer. Dort fand er sie schließlich. Sie saß auf dem Boden, gegen das große Bett gelehnt, die Knie angezogen und den Kopf in ihren Händen verborgen. Ron konnte sie schluchzen hören.
Er ging so schnell er konnte zu ihr und ließ sich neben seiner Frau auf den Boden sinken. Hermine sah auf, als sie ihn bemerkte. Ihre Augen waren rot und geschwollen, als sie ihn mit tränenverschmiertem Gesicht anblickte.
"Hermine", flüsterte Ron leise und strich ihr über die Wange. Er wusste nicht, was er sagen sollte, wie er reagieren sollte, als er die großen Zweifel in ihren Augen sah. Er wusste überhaupt nichts mehr.
"Es tut mir so Leid.", sagte sie mit tränenerstickter Stimme und wandte sich ab. "Es tut mir so Leid, dass ich dich enttäuscht habe. Das wollte ich wirklich nicht." Sie verstummte. Eine weitere Träne rollte ihre Wange herab.
Ron fühlte sich wie versteinert. Er konnte nicht begreifen, dass sie wirklich dachte, was sie da sagte. Dass sie das wirklich glaubte. "Hermine", fing er langsam an und rutschte noch näher zu ihr. Sie sah ihn trotzdem nicht an. "Du hast mich nicht enttäuscht. Das kannst du gar nicht."
Hermine schüttelte den Kopf. "Doch!", beharrte sie. "Ich habe dich enttäuscht, ich habe dich enttäuscht, weil ich schwach bin und du stark sein musst."
Ron hob die Hand und zwang Hermine, ihn anzusehen. Widerwillig sah sie ihm in die Augen. "Du hast mich nicht enttäuscht, Hermine!", wiederholte er. "Und du bist so stark, wie du sein kannst. Mehr kann niemand von dir verlangen und das tut auch keiner!", sagte er eindringlich. "Ich bewundere dich dafür, wie stark du nach all diesen Erlebnissen bist."
Sie schüttelte erneut den Kopf und senkte den Blick. "Ich bin nicht stark. Du bist stark, ich nicht."
Ron unterdrückte einen Seufzer. Sie würden sich so nur weiter im Kreis drehen. "Ich bin nur stark, weil du bei mir bist." Er machte eine Pause. "Hermine, bitte zweifle nicht an dir. Tu das nicht. Du bist eine wundervolle und starke Frau, die wie jede andere auch mal schwach ist. Und ich liebe dich dafür. Du bist wunderbar."
Hermine blickte auf. "Wirklich?", fragte sie. Ron meinte, immer noch eine Spur von Zweifel in ihrer Stimme wahrnehmen zu können.
Er blickte ihr tief in die Augen. "Ich liebe dich.", sagte er eindringlich. Plötzlich waren alle ihre Zweifel weggewischt, sie fiel in seine Arme und küsste ihn stürmisch.
/-/
"Ich liebe dich auch, Ron.", flüsterte Hermine ihm etwas später zu. Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust, die sich rasch hob und senkte. Er strich ihr über ihre unordentlichen Haare. "Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde."
"Viel Geld für Schnellrestaurants, den Lieferservice und Küchenrenovierungen ausgeben.", erwiderte Ron lachend und küsste sie auf die Stirn. Sie verdrehte die Augen und schlug ihn auf den nackten Arm.
"Musst du nicht ins Ministerium zurück?" Sie hatte sich bis jetzt noch gar nicht mit der Tatsache beschäftigt, dass er mitten in der Woche zum Mittag in der Wohnung aufgetaucht war.
Ron schüttelte den Kopf. "Ich gehe heute mit Sicherheit nirgendwo mehr hin. Harry entschuldigt mich. Kingsley wird das schon verstehen.", sagte er abwinkend und zog sie noch näher zu sich. Er hatte sie vermisst.
"Woher wusstest du eigentlich, dass es mir so schlecht ging?" Hermine hob den Kopf, um ihm in die Augen blicken zu können. Sie bezweifelte, dass er hellseherische Fähigkeiten besaß, die ihm sagten, in welchem Gemüstzustand sie sich befunden hatte, dazu war ihm der Wahrsageunterricht immer zu unnötig und langweilig vorgekommen und er hatte sich viel zu viel durchgeraten.
"Ginny kam irgendwann ins Ministerium gestürzt und hat mir von eurem Gespräch erzählt. Sie hat ziemlich schnell gesprochen und ich hab nicht alles verstanden, aber ich glaube, den wichtigen Teil hab ich mitbekommen." Er grinste schelmisch. Hermine lächelte.
"Und sie hat mir gesagt, ich soll dir nicht sagen, dass sie mir was gesagt hat.", murmelte sie.
"Wahrscheinlich hat sie ein zu schlechtes Gewissen bekommen. Selbst bei ihr soll das mal vorkommen.", vermutete Ron und warf einen Blick auf seinen Wecker. "Ich glaube, wir sollten langsam wieder aufstehen. Cathy kommt bald nach Hause." Hermine nickte, machte aber keine Anstalten, sich zu bewegen. Ron stupste sie an. "Hey! Willst du ihr vielleicht erklären, was das hier zu bedeuten hat?" Ron war schon froh gewesen, dass Cathy nicht zu viele Fragen über Hermines Schwangerschaft gestellt hatte.
Hermine seufzte und rutschte schließlich von ihm weg. "Irgendwann muss sie es erfahren, Ron.", sagte sie.
Er richtete sich auf und machte sich daran, seine Kleidungsstücke zu suchen, die im Zimmer verteilt waren. "Irgendwann, aber nicht heute.", sagte er abweisend. Er hoffte, dass "irgendwann" noch in sehr weiter Ferne lag.
"Aber bald.", beharrte Hermine und beobachtete ihn lächelnd. Er sah zu ihr.
"Wenn's denn unbedingt sein muss.", seufzte Ron. "Aber das erklärst du ihr dann!"
Hermine lachte. "Sehr gerne. Wenn du das dann bei Matt übernimmst." Ron blickte sie mit weitaufgerissenen Augen an und wusste nicht, was er erwidern sollte. Hermine angelte sich ihren Morgenmantel und zog ihn sich über. Sie stand auf und just in diesem Moment hörte sie Matt weinen. "Ich geh schon.", sagte sie zu ihrem Mann, gab ihm einen flüchtigen Kuss und ging ins Wohnzimmer. Als sie Matt aus Cathys alter Wiege hob, in der sie selbst als Baby geschlafen hatte, wurde ihr wieder einmal bewusst, was für großes Glück sie doch mit einem Mann wie Ron und mit Kindern wie Cathy und Matt hatte.
TBC...
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