von Marisol
A/N:
Die Story ist fertig geschrieben. Es kommen noch 3 Teile plus Epilog, aber ich hatte in der letzten Zeit keine Nerven, es zu posten, weil bei meiner Mutter ein Herzproblem festgestellt wurde. Danke für euer Verständnis. Wenn ihr mir was Gutes tun wollt, betet für mich, dass es ihr wieder besser geht.
Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten... und vergesst nie, wie wichtig eure Familien sind.
„Und... ähm, hast du Urlaub gemacht?“, fragte Harry in einem Ton, der zwar beiläufig klingen sollte, es aber nicht tat, während er Severus ein Glas Wein reichte und sich setzte.
Es war eine Woche her, seit Severus nach seinem plötzlichen Verschwinden wieder aufgetaucht war und von Hermine hatten Harry und Ginny natürlich erfahren, was sich im Garten ihres ehemaligen Lehrers abgespielt hatte.
Hermine war immer noch so wütend, dass sie sich geweigert hatte, Harrys und Ginnys Einladung zum Abendessen anzunehmen, wohl wissend, dass auch Severus anwesend sein würde, was ihre beiden Freunde durchaus nachvollziehen konnten, da auch sie sich Sorgen um ihn gemacht hatten.
„Ja“, erwiderte Severus knapp und sein Blick verriet deutlich, dass das alles war, was er zum Thema sagen würde.
Die Potters waren überrascht gewesen, dass er ihrer Einladung ohne weiteres gefolgt war, aber noch ehe sie ihm Fragen hatten stellen können, hatte Albus Severus seinen Paten in Beschlag genommen. Es hatte einiges an Überredungskunst von Ginny gekostet, ihren Sohn von Severus loszueisen und ihn zum Schlafengehen zu bringen.
„Und wo warst du?“
Severus nahm einen kleinen Schluck von dem Wein, setzte das Glas dann langsam wieder ab und sah Harry an.
„Ich war in Irland“, sagte er ruhig, doch die pochende Ader an seiner Schläfe entging Harry nicht.
„Hör zu, ich will dich nicht ausfragen“, begann er vorsichtig, doch Severus unterbrach ihn.
„Dann tu es auch nicht!“, sagte er gereizt.
„Es ist nur so, dass wir uns Sorgen gemacht haben, das ist alles. Natürlich bist du nicht verpflichtet oder so, uns über jeden deiner Schritte zu informieren, es war nur... wie gesagt: wir fingen an, uns Gedanken zu machen, ob dir nicht was zugestoßen ist.“
Harry wusste, dass Hermine vor einer Woche etwas ähnliches zu ihm gesagt hatte, und obwohl er vermutlich niemals ein enges, freundschaftliches Verhältnis zu ihm haben würde, war ihm in den Wochen von Severus' Verschwinden klar geworden, dass er tatsächlich Anteil an seinem Leben nahm.
„Wir beide werden wohl nie die dicksten Freunde oder so etwas werden, und das ist auch okay, aber du bist der Pate meines Jungen, und... und du bist mir nicht egal. Ebenso wenig wie Ginny... oder Hermine. Es war kein besonders angenehmer Gedanke sich vorzustellen, dass dir etwas passiert sein könnte- genau genommen war es eigentlich ein ziemlich belastender Gedanke.“
Harry hätte nicht einmal sagen können, warum er diese Wort ausgesprochen hatte, aber aus irgendeinem Grund war es ihm wichtig, Severus wissen zu lassen, wie er über ihn dachte.
Und während er ihn ansah und dabei hoffte, dass Severus nachvollziehen konnte, warum sich alle Sorgen um ihn gemacht hatten, geschah etwas, was in all den Jahren, in denen sie sich nun schon kannten, noch nie passiert war: Severus sah weg, ganz so als wäre ihm schlagartig bewusst geworden, dass er durch seine Art die einzigen Menschen vor den Kopf gestoßen hatten, denen etwas an ihm lag.
Die Erleichterung von beiden schien beinahe greifbar zu sein, als Ginny, die die Kinder endlich zu Bett gebracht hatte, sich zu ihnen setzte und sich eine großzügige Portion Kartoffeln mit Putenfleisch auf den Teller häufte.
Sie grinste Severus an.
„Schön, dass du zum Abendessen vorbeigekommen bist“, sagte sie schlicht und reichte ihm die Platte mit dem Fleisch.
„Es hat ewig gedauert, bis Albus eingeschlafen ist. Er war so aufgeregt, dass du da bist, und wollte unbedingt noch mal ins Wohnzimmer. Ich musste alle möglichen Tricks auffahren, um ihn zum Schlafen zu bewegen und ihm außerdem versprechen, dass du bald wiederkommst und mit ihm spielst. Das... das ist doch okay für dich, oder?“
„Ja“, erwiderte Severus ohne zu zögern.
„Natürlich.“
Sie aßen schweigend, aber es war keine unangenehme Stille.
Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, und als sie nach dem Essen noch ein Butterbier tranken, kam es Harry so vor, als hätte Severus das erste Mal wirklich begriffen und akzeptiert, dass er so wie er war geschätzt, willkommen und gern gesehen war.
SsSsSsS
Severus hielt das Versprechen ein, das er Ginny gegeben hatte, und kam bereits am folgenden Sonntag wieder. Es war ein warmer, sonniger Tag und er schlug vor, mit Al ein wenig spazieren zu gehen.
Die anfänglichen Bedenken, die Ginny und Harry zuerst gehabt hatten, verflogen in den Moment, als sie sahen, wie der Junge seine Hand vertrauensvoll in die seines Paten schob und mit ihm ging, ohne sich überhaupt nach seinen Eltern umzudrehen.
Er war sonst ein schüchternes, zurückhaltendes Kind, aber es war nur zu deutlich, dass er gerne mit Severus zusammen war.
„Ich glaub ich weiß, warum er so plötzlich und ohne ein Wort abgehauen ist“, sagte Ginny nachdenklich, während sie sich mit Lily auf dem Arm vorsichtig in einen der Gartenstühle setzte.
„Ach ja? Warum denn?“, fragte Harry und setzte sich neben sie.
„Wegen ihr hier“, sagte Ginny leise und schaute auf das friedlich schlafende Baby hinab.
„Wegen Lily?“
„Ja. Ich glaube er musste einfach für eine Weile weg. Er musste verkraften, dass es wieder einen Menschen gibt, der Lily Potter heißt. Ist dir nicht aufgefallen, dass er sie, seit sie geboren ist, nicht einmal angesehen hat?“
„Doch, schon“, sagte Harry zögernd, „aber ich weiß nicht... mit James beschäftigt er sich ja auch nicht sonderlich.“
„Trotzdem... ich glaube, dass das alles damit zu tun hat. Ich kann mir vorstellen, dass es wieder alles aufgewühlt hat.
„Möglich“, stimmte Harry seiner Frau zu. „Ich denke aber nicht, dass er es uns je verraten wird.“
Sie spekulierten noch ein Weile hin und her, als sie plötzlich den riesigen Uhu bemerkten, der auf sie zugeflogen kam.
Elegant ließ er sich auf Harry Stuhllehne nieder und ließ den Brief in seinem Schnabel auf Harrys Schoß fallen.
„Wer schreibt dir denn?“, fragte Ginny neugierig und beugte sich näher zu ihm, um die Schrift auf dem Umschlag zu entziffern, und wie ihr Mann erkannte auch sie sofort den Absender.
„Harry, mein Vater hatte einen Verkehrsunfall und liegt im Krankenhaus. Es sieht schlimm aus. Kannst du bitte kommen? Ich brauche dich. Hermine.“
Auf die Rückseite hatte sie die Adresse des Krankenhauses gekritzelt.
„Oh mein Gott“, flüsterte Ginny besorgt und nahm Harry den Brief aus den Händen.
„Kommst du alleine mit den Kindern klar?“, fragte Harry, nachdem er aufgesprungen war.
„Ja, natürlich. Beeil dich!“
Hastig zog Harry seinen Umhang aus, von dem er natürlich wusste, dass er in einem Muggelkrankehaus unnötigerweise Aufsehen erregen würde und überlegte kurz, zu welcher Stelle er am besten Apparieren konnte, so dass er es nicht weit haben würde.
Er war gerade erst mit einem lauten Plopp verschwunden, als Severus mit Albus auf dem Arm zurückkehrte.
„Ist etwas passiert?“, fragte er sofort, als er Ginnys bleiches Gesicht sah.
Wortlos reichte sie ihm Hermines hastig gekritzelten Brief.
SsSsSsS
Anderthalb Stunden später kehrte Harry zurück und strich sich erschöpft durch die Haare, während er sich neben Ginny auf die Couch fallen ließ.
Er war nicht sonderlich überrascht, dass Severus noch da war.
„Und?“, platzte es aus Ginny heraus, die ihn besorgt beobachtete.
„Hermines Dad wurde von einem betrunkenen Autofahrer angefahren, als er die Straße überqueren wollte. Er hat schlimme Verletzungen, aber die Ärzte sagen, dass sie ihn wieder hinkriegen werden. Allerdings wird es wohl sehr lange dauern, bis er das Krankenhaus verlassen kann, denn er hat ziemlich komplizierte Knochenbrüche und außerdem scheint die Leber gerissen zu sein. Ich selber habe ihn nicht gesehen, aber Hermine sagt, dass er schlimm aussieht. Ihre Mom steht unter Schock.“
„Arme Hermine“, flüsterte Ginny und drückte Harrys Hand.
„Ich war dabei, als sie mit einem der Ärzte gesprochen hat. Er hat gesagt, dass Mr. Granger noch einmal Glück im Unglück gehabt hat, aber trotzdem... wenn ich dieses betrunkene Schwein nur erwischen könnte...“
Er ballte die Hand zur Faust und stieß einen frustrierten Seufzer aus.
„Ich bin nur froh, dass er nicht lebensgefährlich verletzt wurde.“
Aus dem Augenwinkel heraus sah Harry, dass Severus ihn aufmerksam beobachtete.
„Wie geht’s Hermine?“, fragte Ginny leise.
Harry zuckte mit den Schultern, was zwar keine direkte Antwort war, aber dennoch ausdrückte, wie es in Hermine aussah.
„Ich bringe die Kinder morgen zu meiner Mom und gehe zu ihr ins Krankenhaus“, murmelte Ginny.
„Hermine wird bestimmt die Nacht über dableiben, oder?“
Harry nickte und sah zu Severus, der sich nun langsam erhob.
Er hatte nicht ein Wort gesagt.
SsSsSs
„Es wird alles wieder gut, Mom“, sagte Hermine und legte ihrer weinenden Mutter einen Arm um die Schultern.
Mit all den Verbänden an seinem Körper und dem blutverkrusteten Gesicht sah Thomas Granger nicht so aus, als würde er sich je von seinen Verletzungen erholen, aber Hermine hatte Vertrauen zu den Ärzten, die ihnen immer wieder versichert hatten, dass er wieder gesund werden würde.
Es waren mittlerweile drei Tage seit dem Unfall vergangen und Hermines Vater war immer wieder kurz wach gewesen, war jedoch nicht in der Lage gewesen, mit ihnen zu sprechen.
Nun jedoch schlug er die Augen auf, blinzelte ein paar Mal und krächzte dann kaum verständlich: „Onkel Larry ist in Moldawien, nicht wahr?“
Hermines Mutter hörte sofort auf zu schluchzen, sprang auf und beugte sich ganz nah zu ihrem Mann.
„Thomas? Liebling, kannst du mich hören?“
„Ja... es ist so furchtbar grell“, murmelte er. „Oh, und da ist ja auch Melanie“, sagte er und drehte den Kopf ein wenig zu Hermine.
Melanie war der Name einer ihrer Cousinen.
„Schatz, das ist unsere Hermine. Erkennst du sie nicht?“, fragte Jean ängstlich und strich im vorsichtig über die Stirn.
„Aber natürlich...“, stimmte er stöhnend zu. „Hermine... ja, ja, das ist sie. Wo ist eigentlich Oma Catherine?“
Auch Hermine beugte sich nun ebenfalls mit wachsender Panik zu ihrem Vater.
Oma Catherine war verstorben, als sie vier Jahre alt gewesen war.
„Jean, erinnerst du dich an diesen furchtbaren Lehrer von Hermine... der war letzte Nacht da und hat mir etwas zu trinken gegeben... genau wie... genau wie... Australien im Winter...“ Seine Worte wurden immer schleppender, bis sie völlig unverständlich wurden, und schließlich fielen auch seine Augen zu.
Hermines Mutter drückte voller Panik den Knopf neben seinem Bett und es dauerte nur wenige Sekunden, bis eine Schwester erschien.
Abwechselnd erzählten Hermine und Mrs. Granger, was passiert war, aber die junge Frau beruhigte sie sofort und erklärte ihnen, dass diese verwirrten und zusammenhanglosen Sätze nur aufgrund der hohen Schmerzmitteldosierung zustande gekommen waren und dass das völlig normal war.
Auch der behandelnde Arzt, der wenig später erschien, bestätigte den beiden Frauen, dass es keinen Grund zur Sorge gab.
Am selben Abend, als Mr. Granger untersucht wurde, stellten die verblüfften Ärzte fest, dass seine Verletzungen schon besser aussahen, und als Hermine spät in der Nacht in ihrem alten Kinderzimmer im Bett lag, rotierte etwas in ihrem Kopf, das sie nicht recht zu fassen kriegen konnte, aber gerade, als sie in den Schlaf zu dämmern begann, fielen ihr die gemurmelten Worte ihres Vaters wieder ein.
Es war etwas über einen Lehrer von ihr gewesen, der ihm etwas zu trinken gegeben hatte... und plötzlich war sie sich nicht mehr sicher, ob tatsächlich alles, was ihr Vater von sich gegeben hatte, blanker Unsinn gewesen war.
SsSsSsSs
Zwei Wochen, nachdem Mr. Granger den Unfall gehabt hatte, besuchte Hermine die Potters und war nicht überrascht, als sie auch auf Severus traf, der sich im Garten mit seinem Patensohn beschäftigte.
„Hermine!“, rief Ginny überrascht aus. „Wie schön, dass du vorbeikommst! Gibt’s was Neues von deinem Dad? Am Donnerstag sah er schon richtig gut aus, als wir bei ihm waren.“
Sie und Harry umarmten sie nacheinander und freuten sich, als ein Lächeln auf ihrem blassen Gesicht erschien.
„Es geht ihm jeden Tag besser“, antwortete Hermine mit einem Seitenblick auf Severus, der langsam näher kam.
„Eigentlich ist es schon fast unheimlich, wie gut er sich erholt hat“, fügte sie hinzu.
„Hallo Hermine“, sagte Severus ruhig, als er neben dem Trio stand.
Er streckte ihr die Hand entgegen, die sie nach kurzem Zögern nahm.
„Hallo Severus.“
„Ähm... wollen wir nicht ins Haus gehen? Ich mach uns Tee“, sagte Ginny und sah von einem zum anderen, doch Hermine winkte ab.
„Ich hab nicht so viel Zeit, ich wollte euch nur kurz Bescheid sagen, dass Dad wahrscheinlich sogar in spätestens zwei Wochen wieder nach Hause darf.“
„Das ist doch toll! Deine Mom ist bestimmt sehr erleichtert“, sagte Ginny und drückte Hermine noch einmal an sich.
„Das kannst du laut sagen. Die ersten Tage hat sie nicht ein Auge zugetan, aber jetzt ist sie wieder richtig zuversichtlich, dass alles gut wird und dass er auch keine bleibenden Schäden davontragen wird.“
Sie redeten noch eine Weile, bis Hermine schließlich auf die Uhr sah und feststellte, dass sie bald los musste.
„Ähm, Severus, könnte ich dich kurz sprechen?“, fragte sie und war sich der Blicke ihrer Freunde nur allzu deutlich bewusst, die sich diskret zurückzogen.
Mit seiner üblichen undurchschaubaren Miene stand er da, nickte aber.
„Gehen wir ein Stück die Straße entlang?“, schlug sie vor.
Sie winkte Harry und Ginny zu, und als sie außer Hörweite waren, fragte sie leise: „Was hast du meinem Dad gegeben?“
„Wovon redest du?“, fragte er, und obwohl er die Überraschung perfekt spielte, täuschte er sie damit nicht.
„Dad hat unter Einfluss der Medikamente etwas von einem meiner Lehrer gemurmelt, der in der Nacht da war und ihm etwas zu trinken gegeben hat. Ich hielt es zunächst für Unsinn, aber als mir dann klar wurde, wie schnell seine Verletzungen zu verheilen begann, hab ich eins und eins zusammengezählt. Ich hab selbst mit dem Gedanken gespielt, im Sankt Mungo etwas für ihn zu besorgen, aber ich konnte und wollte meine Mutter nicht alleine lassen.“
Sie erwartete, dass er alles abstreiten würde, aber zu ihrer Verblüffung sagte er: „Es war ein Trank, den ich selbst entwickelt habe. Wie du bereits festgestellt hast, hilft er, die Wundheilung zu beschleunigen.“
„Warum hast du das getan?“, fragte sie leise und sah zu ihm auf, aber er erwiderte ihren Blick nicht.
Statt dessen zuckte er mit den Schultern und sagte: „Ich halte nicht viel von diesen Muggelärzten.“
Es war nur eine unbefriedigende Antwort und es brannte ihr unter den Nägeln, ihm weitere Fragen zu stellen, doch alles was sie zustanden brachte war ein geflüstertes: „Danke.“
Sie gingen noch eine Weile schweigend nebeneinander her, und als sie das Gefühl hatte, ihre Stimme unter Kontrolle zu haben, sagte sie: „Es war ein Schock, ihn so zu sehen. Für mich schien er immer so stark und unverwundbar zu sein... und dann lag er in diesem Bett mit all diesem Verbänden und Schläuchen, konnte nicht sprechen und sich nicht bewegen. Und meine Mom... sie dachte, er würde in ihren Armen sterben. Sie hat den Unfall nämlich mit angesehen, weißt du.“
Ihre Stimme verlor sich und sie fühlte sich plötzlich wie ein kleines Kind, das sich im Wald verloren hatte und den Weg nicht mehr zurückfand.
Obwohl es ein warmer Tag war, fröstelte ihr plötzlich und erst jetzt wurde ihr in all der Tragweite klar, was sie in einem einzigen Moment hätte verlieren können.
Ohne das sie wusste, woher der Drang kam, begann sie, von ihren Eltern zu erzählen, was sie gerne mochten, was sie in ihrer Freizeit taten.
Severus unterbrach sie nicht ein einziges Mal, sah sie aber auch nicht an, und als sie geendet hatte, sagte sie noch einmal: „Danke, Severus.“
Er quittierte ihre Worte mit einem Nicken und als er den Kopf zu ihr drehte, lag ein ungewohnter Ausdruck von Sanftheit in seinen Augen.
„Wie... wie waren deine Eltern?“, fragte Hermine.
Er schwieg für einen langen Moment, und als sie schon sicher war, keine Antwort zu bekommen, sagte er:
„Mein Vater war ein gebildeter Mann. Ein Physiker.“
„Oh“, entfuhr es ihr überrascht.
Aus irgendeinem Grund hatte sie immer geglaubt, sein Vater wäre bestenfalls ein ungelernter Arbeiter gewesen, der hier und da ein wenig Geld verdiente.
„Ja, er war in jungen Jahren ein aufstrebender Wissenschaftler gewesen, der ehrgeizige Ziele verfolgte. Und dann... lernte er meine Mutter kennen, und als er erfuhr, wer sie war... was sie war, änderte sich alles für ihn. Bisher bestand seine Welt aus naturgegebenen Gesetzmäßigkeiten. Jedes Phänomen, das er kannte, ließ sich durch physikalische Gesetze erklären, aber dann wurde er mit etwas konfrontiert, das sich durch nichts erklären ließ. Hexerei und Zauberei war etwas, das er mit keinem ihm bekannten Mittel erforschen konnte, und es stellte alles, woran er je geglaubt hatte, auf den Kopf. Das ganze Konstrukt, das die Welt, in der er lebte, erklärte, war plötzlich in sich zusammengestürzt und hatte nichts als Trümmer hinterlassen. Er hasste meinte Mutter dafür. Und mich hasste er noch mehr, weil ich zwar von ihm abstammte, aber so war wie sie... genauso unerklärbar, genauso unnormal.“
Seine Stimme verriet durch nichts, das seine Kindheit die Hölle gewesen sein musste, aber gerade der nüchterne Ton, in dem er es erzählte, ließ Hermines Herz sich schmerzhaft zu einem Klumpen zusammendrücken.
„Es tut mir leid“, sagte sie fast unhörbar.
„Das muss es nicht“, erwiderte er achselzuckend. „Ich kannte nie etwas anderes.“
Sie blieb stehen.
„Ich weiß, dass du das nicht hören willst, Severus, und dass du mich für naiv und kindisch hältst, aber du bist ein guter Mann, und nichts, was du sagen oder tun wirst, wird mich von dieser Überzeugung abbringen.“
„Nichts?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
„Nichts“, bestätigte sie.
„Du bist tatsächlich naiv. Ich habe Dinge gesehen, Hermine, und ich habe Dinge getan, die....“
„... die in der Vergangenheit liegen“, unterbrach sie ihn. „Ich wünschte, du könntest dich selbst nur ein einziges Mal durch meine Augen sehen, Severus.“
Sie hatte die Worte gerade ausgesprochen, als sie eine Entscheidung traf...
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel