von Marisol
A/N: ihr Lieben, ich hoffe ihr hattet ein schönes Weihnachtsfest mit tollen Geschenken und allem Drum und Dran. Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, bis ich den Teil hier fertig hatte, ich war in den letzten Tagen sehr beschäftigt mit Jobsuche etc.
In diesem Teil erwartet euch am Anfang und Am Ende Snape, und dazwischen gibt’s ein Widersehen mit jeder Menge bekannter Leute… ich wüsche euch viel Spaß!
Seine Haut fühlte sich unter ihren Fingern kühl und auf eine seltsame Art unwirklich an. Die Berührung erinnerte sie plötzlich an ihren ersten und einzigen Besuch bei Madame Toussauds in London, als sie ein kleines Mädchen gewesen war und staunend die Wachsfiguren betrachtet hatte, die so täuschend echt gewesen waren, so als wären sie nur einen Wimpernschlag vom Leben entfernt.
„Warum tun Sie das?“, fragte er überraschend sanft, und sie wusste, dass er nicht ihre Hand auf seinem Arm meinte…jedenfalls nicht nur.
Hermine schaute auf in sein fahles Gesicht, das wie üblich von seinem schwarzen Haar umrahmt war, und sie wollte etwas erwidern, weil ihr schien, dass die Antwort ganz simpel war, aber zu ihrem Erstaunen musste sie feststellen, dass ihr Mund sich öffnete und wieder schloss, ohne dass sie auch nur ein Wort gesagt hatte.
Begriffe wie Mitgefühl und Anteilnahme schwirrten in ihrem Kopf umher, aber sie wusste, dass er das weder hören wollte noch dass sie es sagen konnte.
„Ich weiß es nicht“, flüsterte sie also leise, während sie ihren Blick abwandte.
Er löste seinen Arm von ihrem Griff, nicht ruckartig und auch nicht gewaltsam, aber dennoch kam es ihr so vor, als hätte sie etwas Verbotenes getan.
„Tut mir leid“, murmelte sie, nicht wissend, wofür sie sich eigentlich entschuldigte, aber irgendwie schien ihr das angebracht. „Ich… ich lasse Sie jetzt allein.“
Noch während sie sich umdrehte, um zu gehen, hörte sie ihn etwas sagen, und sie blieb augenblicklich stehen.
„Vor einiger Zeit sagten Sie, ich wäre zu feige zum Leben und zu feige zum Sterben, erinnern Sie sich?“
Wie in Zeitlupe wandte sie sich wieder zu ihm um, um seinem Blick zu begegnen.
„Ich war aufgebracht, als ich das sagte“, begann sie eilig, „ich wollte nicht…“
„Doch, Sie wollten genau das ausdrücken, Miss Granger“, unterbrach er sie, und sie wusste, dass es sinnlos war, es abzustreiten, ebenso wie sie wusste, dass er selbst erkannt hatte, wie viel Wahrheit in ihren Worten steckte.
oOoOoOo
Im Schloss angekommen, hatte Hermine einige Mühe, Harry und Ginny wiederzufinden, da sich inzwischen viele ehemalige Schüler und Lehrer eingefunden hatte. Ihr war klar, dass sie McGonagalls Begrüßungsrede verpasst haben musste, aber nun ließ es sich nicht mehr ändern. Hier und da sah sie vertraute Gesichter und hörte bekannte Stimmen, aber ihre beiden Freunde konnte sie in der Menschenmenge nicht ausmachen.
„Hermine…hey!“ Sie wirbelte herum und sah plötzlich Ron vor sich stehen, der sie mit einem merkwürdig festgefrorenen Lächeln betrachtete.
„Ron!“ Ihr Impuls, ihn zu umarmen, wurde augenblicklich im Keim erstickt, als sie die junge Frau neben ihm bemerke, die seine linke Hand festhielt.
„Hermine, das ist Cecilia “, sagte Ron ungewohnt förmlich, während er sich mit seiner freien Hand hastig durch die Haare fuhr, was er, wie Hermine wusste, immer dann tat, wenn er den Eindruck erwecken wollte, dass alles in bester Ordnung war. Es war offensichtlich, dass er sich vor diesem Zusammentreffen gefürchtet hatte, aber Hermine glaubte in seinem Blick zu erkennen, wie viel ihm daran lag, dass diese Begegnung so angenehm wie möglich verlief.
„Oh, hallo Cecilia“, sagte Hermine lächelnd, während sie der kleineren Frau die Hand entgegenstreckte. „Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Hermine.“
„Freut mich auch.“
Cecilia schüttelte die ausgestreckte Hand, wobei ihr Lächeln etwas verkrampft wirkte. Zweifellos wusste sie bestens darüber Bescheid, wer Hermine war und in welcher Beziehung die beiden zueinander gestanden hatten.
Ein peinliches Schweigen entstand.
„Jaah, also… wollen wir uns nicht setzen?“, fragte Ron, während er sich in der Großen Halle umschaute. „Seht mal, da hinten sind Harry, Ginny und Neville!“ Erleichtert deutete er auf den Tisch, an dem die drei saßen und setzte sich, ohne eine Antwort abzuwarten, in Bewegung. Hermine und Cecilia folgten ihm.
„Hey Leute“, sagte er, als sie bei dem Tisch angekommen waren, nickte in die Runde und legte einen Arm um seine Begleiterin, die unsicher zu ihm aufschaute.
„Das ist meine Freundin Cecilia, ich glaube ich habe sie… äh, erwähnt, als ich bei euch war.“ Er schaute zu Harry und zu seiner Schwester, wobei seine Ohren rot anliefen.
„Ooch, das ein oder andere Mal“, feixte Ginny, ehe sie zur Seite rückte, so dass das Paar neben ihnen Platz nehmen konnte. „Wir haben uns schon gefragt, wann wir dich mal zu Gesicht bekommen“, fügte sie zu Cecilia gewandt hinzu, die das Lächeln schüchtern erwiderte.
Hermine begrüßte Neville, der sich sichtlich freute, sie zu sehen, und obwohl sie spürte, dass Harry und Ginny sie fragend und ein wenig besorgt musterten, vermied sie es, in ihre Richtung zu schauen.
Sie konnte nicht leugnen, dass sie einen Stich des Bedauerns fühlte, als sie Ron und seine Freundin beobachtete, gleichzeitig aber war sie erleichtert, dass Cecilia offensichtlich eine zurückhaltende, aber liebenswürdige junge Frau war.
Immer wieder suchte ihr Exfreund ihren Blick, so als würde er auf irgendein Zeichen warten, dass sie mit seiner Wahl einverstanden war, und als Hermine glaubte, dass niemand sie beobachtete, nickte sie ihm leicht zu.
Es war ein seltsames Gefühl, dass eine andere Frau ihren Platz eingenommen hatte, und obwohl Ron ihr schon vor einiger Zeit erzählt hatte, dass er sich mit jemandem traf, konnte Hermine es nicht vermeiden, dass der Anblick wehtat. Nicht, weil sie Ron das Glück nicht gönnte oder weil sie noch an ihm hing, sondern weil ihr dadurch umso deutlicher bewusst wurde, wie einsam sie selbst war.
oOoOoOo
Trotz des aufwühlenden Erlebnisses mit Snape in Hogsmeade und der Begegnung mit Ron und der Frau an seiner Seite wurde es überraschenderweise ein Tag, an den Hermine später gerne zurückdenken würde.
Sie trafen im Verlauf des Abends auf viele ihrer ehemaligen Schulkameraden und erfuhren nicht nur, dass Parvati Patil in Frankreich sehr erfolgreich Mode für junge Hexen entwarf, sondern auch dass Seamus Finnigan und Dean Thomas zusammen eine Kneipe in London führten, was weder Harry noch Ron gewusst hatten. Neville, der nun schon seit einiger Zeit an Hogwarts Kräuterkunde unterrichtete, schien bei den Schülern beliebt zu sein, woran niemand von ihnen ernsthaft gezweifelt hätte, und doch fühlte Hermine einen jähen Anflug von Stolz, als sie mitbekam, wie einer seiner ehemaligen Schüler Neville auf die Schulter tippte und sagte: „Ich wollte Ihnen nur noch mal danken, dass Sie mir letztes Jahr bei der Heilwurzelbestimmung so geholfen haben, Professor Longbottom. Ohne Sie hätte ich die Prüfung nicht geschafft!“
Als Ron und Cecilia auf die Tanzfläche zusteuerten, rutschte Ginny zu ihr herüber und fragte leise: „Wie geht’s dir, Hermine?“
„Gut“, antwortete Hermine prompt. „Ich wirke vielleicht nicht so, aber es macht mir nichts aus. Ehrlich.“
Sie beobachtete, wie Ron die dunkelhaarige Frau lachend herumwirbelte. Cecilia schien ihn zu vergöttern, und Hermine schoss durch den Kopf, dass Ron selbst nach all den Jahren derselbe geblieben war… trotz all der Anerkennung durch die Zauberergemeinschaft würde er seine Unsicherheit, was gewisse Dinge betraf, nie ablegen können. Vielleicht brauchte er einfach jemanden, der ihn bewunderte und ihm immer wieder die Bestätigung gab, die er brauchte… und vielleicht war Cecilia genau die Frau, die dafür geschaffen war.
„Ich habe Snape vorhin getroffen, als ich in Hogsmeade war“, sagte Hermine leise zu Ginny. Sie hatte gar nicht vorgehabt, davon zu erzählen, aber nun waren die Worte heraus und Ginny sah sie erstaunt an.
Hermine berichtete, was passiert war, wobei sie verschwieg, dass sie seinen Arm berührt hatte.
Sie wusste nicht genau, warum sie das für sich behalten wollte. Nicht, dass es ihr peinlich war, so gehandelt zu haben, aber aus irgendeinem Grund wollte sie nicht, dass irgendjemand davon erfuhr, noch nicht einmal Ginny.
„Weißt du, selbst nach all den Monaten, die Severus nun schon zu uns kommt, kann ich nicht behaupten dass ich wüsste, wie er wirklich ist. Ich meine, klar, natürlich unterhalten wir uns und so, aber er lässt nie durchblicken, was er denkt oder fühlt. Abgesehen von Al. Ich bin davon überzeugt, dass der Kleine ihm ans Herz gewachsen ist. Aber wenn ich mir vorstelle, wie er da steht und die Heulende Hütte anstarrt… er tut mir unendlich leid, Hermine. Ich würde gerne etwas tun, damit er nicht ganz so verloren im Leben dasteht, aber das einzige, was ich ihm anbieten kann, ist ein Platz in Als Leben. Ich denke nicht, dass er viel Wert auf meine oder Harrys Freundschaft legt. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er sich jemals wieder für eine Frau interessieren könnte… nicht nach Lily.“
„Eine Frau?“ Nachdenklich kaute Hermine auf ihrer Unterlippe. Seltsamerweise war ihr der Gedanke nie gekommen, Snape in Verbindung mit einer weiblichen Person zu sehen. Die Vorstellung war so unpassend wie Schnee im Hochsommer, und doch wunderte sich Hermine, dass sie es so abwegig fand, was vermutlich daran lag, dass er ihr ehemaliger Lehrer war. Es war eine weit verbreitete, wenn auch etwas kindische Vorstellung unter Schülern, dass ihre Lehrer asexuell waren. Jedenfalls hatte sich Hermine nie vorstellen können, dass die Professoren Flitwick, Sprout oder McGonagall verheiratet waren oder Liebesbeziehungen hatten. Bei Snape kam noch erschwerend hinzu, dass jeglicher Vergleich mit ihm und so etwas wie Romantik schon im Ansatz scheiterte.
„Wo sollte er auch eine kennenlernen?“, fuhr Ginny fort. „Es gibt nur drei Orte, an denen er sich regelmäßig aufhält: Bei uns, beim Apotheker, um die Tränke abzuliefern oder Bestellungen entgegenzunehmen oder bei sich zu Hause.“
„Über wen tratscht ihr schon wieder?“
Harry, der ein Tablett mit Getränken holen gegangen war, setzte sich wieder neben seine Frau und grinste sie an.
„Wir tratschen nicht, wir stellen nur fest“ korrigierte Ginny und boxte ihm spielerisch in die Rippen.
„Das ist für mich ein und dasselbe“, entgegnete er trocken. „Aber wo ihr schon dabei seid… wie findet ihr Cecilia?“
Er nickte mit dem Kopf in Richtung Tanzfläche, auf der Ron und seine Freundin sich im Takt zu der Musik bewegten.
„Ich glaube, sie ist ganz nett. Aber ein wenig schüchtern“, sagte Hermine.
„Was nicht etwa damit zusammenhängt, dass sie am Tisch des berühmten Harry Potter und seiner nicht minder berühmten Ehefrau sitzt. Nicht zu vergessen Hermine, auch bekannt als die Frau, die Ron das Herz gebrochen hat, das Cecilia nun mühsam wieder zusammenflickt. Aber scheinbar gelingt ihr das ganz gut, findet ihr nicht?“ Ginny grinste und drückte kurz Hermines Hand, um ihr zu signalisieren, dass sie das gebrochene Herz nicht ernst gemeint hatte.
„Es erklärt jedenfalls, warum er sich in den letzten Monaten so rar gemacht hat“, sagte Harry. „Wisst ihr was, mit euch Frauen zusammenzuhocken tut mir nicht gut. Ich werde noch genauso eine Klatschtante wie ihr es seid. Ich geh mal lieber rüber zu den Männern.“ Er deutete zu einem Tisch, an dem Seamus, Ernie, Dean und Lee Jordan saßen, die gerade dabei waren, Lavender Brown und Susan Bones hinterherzuschauen, als sie an ihnen vorbeimarschierten.
„Pass aber auf, dass ihr vor lauter Philosophieren über ernsthafte Männerthemen nicht Kopf- oder in diesem Fall Nackenschmerzen bekommt“, sagte Ginny süffisant und wich geschickt dem Papierkügelchen aus, das Harry nach ihr warf.
Er beugte sich zu ihr herunter, küsste sie auf den Mund, und ging dann zu seinen alten Freunden, die ihn strahlend begrüßten.
„Also, wo waren wir stehengeblieben?“, sagte Ginny ungerührt, als Harry außer Hörweite war.
Hermine kicherte.
„Wir haben Rons Freundin unter die Lupe genommen“, sagte sie.
„Ach ja, richtig… Ron scheint es peinlich zu sein, dass ich zwei euch begegnet seid, aber ich glaube er ist froh, dass er es hinter sich hat.“
„Es muss ihm nicht peinlich sein“, versicherte Hermine. „Klar ist die Situation ein wenig unangenehm, aber ich möchte dass Ron weiß, dass ich ihn glücklich sehen will.“
„Vielleicht ergib sich ja später die Gelegenheit, dass du es ihm sagst“, meinte Ginny.
Die Gelegenheit ergab sich tatsächlich, als Cecilia verschwand, um sich frisch zu machen.
Hermine sagte Ron, dass sie froh war, jemanden an seiner Seite zu sehen, dem offensichtlich viel an ihm lag, und er umarmte sie kurz und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Danke, Hermine“, murmelte er. „Es bedeutet mir viel, dass du das sagst. Es tut mir leid, dass ich mich in den letzten Monaten nicht gemeldet hab, ich war unsicher, ob…“
„Ich weiß“, unterbrach sie ihn. „Du musst dich nicht entschuldigen. Ich habe mich ja auch nicht gemeldet. Aber es wäre schön, wenn wir uns wieder mal treffen könnten, du weißt schon… so wie früher. Du, Harry und ich.“
Ron nickte, und Hermine schluckte, als sie daran dachte, dass diese besondere Freundschaft zwischen ihnen niemals abreißen würde. Ihre Verbindung war wie eine Tür, die manchmal ächzte und klemmte und knarrte… aber egal, was passierte, sie würde niemals verschlossen sein.
oOoOoOo
In den folgenden Stunden unterhielt sich Hermine mit Hagrid, Minerva, Padma und Parvati, sowie zahllosen anderen ehemaligen Klassenkameraden oder Lehrern. Sie alle hatten interessante Geschichten zu erzählen, und während sie sich an die vielen bedeutenden und unbedeutenden Erlebnisse erinnerten, die sie in Hogwarts gehabt hatten, durchströmte Hermine ein Gefühl der Dankbarkeit, hier sein zu dürfen.
Die schrecklichen Erinnerungen, die sie mit Hogwarts verband, verdrängte sie konsequent in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins, was auch erheblich durch den Alkohol erleichtert wurde, den sie zu sich genommen hatte. Sie hatte es irgendwie geschafft, die perfekte Gratwanderung zwischen Lockerheit und Bodenständigkeit hinzubekommen. Sie war deutlich angeheitert, aber nicht auf die Weise, dass sie in die Albernheit abgerutscht wäre.
„Hast du Lust zu tanzen, Hermine?“
Neville hielt ihr seine ausgestreckte Hand hin und sein rundes Gesicht strahlte, als sie nickte.
„Klar, gern“, sagte sie und ließ sich von ihm zur Tanzfläche führen.
Sie waren beide ein wenig ungeschickt, Neville noch mehr als sie, und sie schafften es auch nicht, den richtigen Takt zu finden, aber es machte Spaß und Hermine lachte ausgelassen.
Es störte sie auch nicht, dass sie sich gegenseitig auf die Füße traten, und als die Musik endete, bedauerte sie, dass es so schnell vorbei war.
„Danke, Neville“, japste sie, „so viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr.“
„Geht mir genauso“, grinste Neville.
Als sie zu ihrem Tisch zurückkehrten, bemerkte sie überrascht, dass Snape neben Harry saß.
Sie hatte sich im Lauf des Abends immer wieder umgesehen, ob sie ihn irgendwo unter den vielen Menschen erblicken würde, und war zum Schluss gekommen, dass er gar nicht erst im Schloss aufgetaucht war. Sie hatte sich ohnehin gefragt, warum er überhaupt zugesagt hatte, zur Feier zu kommen, aber Ginny hatte ihr erzählt, dass Minerva ihn überredet hatte, da sie ihn bitten wollte, als Lehrer nach Hogwarts zurückzukehren.
Neville nickte Snape kühl zu, ehe er sich abwandte und an einem anderen Tisch Platz nahm.
Snape erwiderte die Begrüßung auf die gleiche Weise, und mit erschreckender Klarheit wurde Hermine plötzlich die ganze Tragweite des Hasses bewusst, den Snape ihm immer entgegengebracht hatte. Die Prophezeiung, von der Harry ihr damals erzählt hatte, hätte sich auch auf Neville beziehen können, und Snape hatte das gewusst… hatte gewusst, dass Voldemort sich auch die Longbottoms hätte aussuchen können, und dass in diesem Fall Lily Potter am Leben geblieben wäre. All die Jahre, in denen Snape Neville schikaniert und gedemütigt hatte, waren das Resultat des verzweifelten Wunsches gewesen, dass er der Junge hätte sein sollen, den Voldemort jagte…
Die Erkenntnis traf Hermine wie ein Blitzschlag und sie setzte sich wie mechanisch hin, wohl wissend, dass die anderen sie erstaunt musterten.
„Alles in Ordnung, Hermine?“, fragte Harry mit gerunzelter Stirn.
„Jaah… ich glaube, ich habe zu viel getrunken“, murmelte sie.
„Willst du, dass wir ein bisschen an die frische Luft gehen?“, bot Ginny ihr an, aber Hermine schüttelte den Kopf. „Es wird schon gehen, danke.“
Sie spürte Snapes Blick auf sich ruhen, aber sie fand, dass sie nicht in der Lage war, den Kopf zu heben.
Hermine hörte, wie Harry sich bei Snape nach dessen Gespräch mit Minerva erkundigte, und ihr wurde auch bewusst, dass viele neugierige Gesichter zu ihrem Tisch herübersahen. Snape antwortete in seiner ruhigen, samtigen Stimme, dass er das Angebot, wieder als Lehrer zu unterrichten, ausgeschlagen hatte. „Dennoch rang mir Minerva das Versprechen ab, dass ich das noch einmal überdenke und ihr meinen endgültigen Entschluss nach Weihnachten mitteile“, fügte er hinzu.
„Heißt das, dass du keinerlei Interesse hast, wieder nach Hogwarts zurückzukehren?“, fragte Ginny.
„Nicht das geringste. Es war auch ein Fehler, zu dieser Feier zu kommen.“
„Du meinst wegen den Leuten, die uns jetzt angaffen?“, fragte Harry. „Das sollte dir egal sein, Severus. Mir geht es jedenfalls am A..llerwertesten vorbei.“
Snape verzog die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln. „Ihre Ausdrucksweise, Mr. Potter“, tadelte er. „Zehn Punkte Abzug für Gryffindor.“
„Da haben wir’s… zieh noch ein paar Punkte ab, vielleicht kommst du wieder auf den Geschmack zu unterrichten.“ Harry grinste ihm zu, ehe er sich erhob und Ginny fragte, ob sie tanzen wollte.
Hermine sah ihnen hinterher, wie sie auf die Tanzfläche zusteuerten. An einem der Tische, an dem Ron saß, beobachtete sie, wie dieser offensichtlich mit sich rang, ob er sich zu ihnen setzen sollte, aber scheinbar siegte die Abneigung gegen Snape und er blieb, wo er war.
„So schweigsam, Miss Granger? Ist es der Mangel an Konversationsmöglichkeiten oder meine Art und Weise?“
Sie begegnete seinem spöttischen Blick und ihr schien, als wäre die Episode vom Nachmittag nie passiert, als sie neben ihm gestanden und ihm erzählt hatte, was sich damals in der Heulenden Hütte zugetragen hatte.
„Weder noch“, entgegnete sie. „Sogar ich verspüre manchmal das Bedürfnis zu schweigen.“
„Tatsächlich?“
Sie ärgerte sich über seinen ironischen Ton, aber sie hatte keine Lust, einen Streit mit ihm anzufangen. Wahrscheinlich, dachte sie, war das seine Art damit umzugehen, was vorhin passiert war.
Die Stille zwischen ihnen wurde unangenehm drückend und Hermine ertappte sich dabei, wie sie auf ihrem Stuhl unbehaglich hin und her rutschte.
Nur um die Stille zu durchbrechen, fragte sie:
„Tanzen Sie, Sir?“
Sie bezog es im Grunde genommen überhaupt nicht auf sich, es war einfach das erste gewesen, was ihr in den Sinn gekommen war, während sie die tanzenden Paare betrachtet hatte.
„Mit Ihnen? Nein.“
Er betrachtete sie mit einer Mischung aus Irritation und Belustigung und sie verfluchte sich innerlich dafür, dass etwas so Dummes aus ihrem Mund geschlüpft war.
„Das war mit Abstand die charmanteste Abfuhr, die ich je bekommen habe, was mich umso mehr ärgert, da ich es überhaupt nicht als Aufforderung gedacht hatte, sondern nur, um einfach irgendwas zu sagen. Nichtsdestotrotz hätte ein Gentleman eine andere Formulierung gewählt“, fauchte sie.
„Zum einen bin ich wohl kaum das, was in Ihrer Vorstellung ein Gentleman ist“, entgegnete er trocken. „Zum anderen beobachtete ich Sie vorhin mit Longbottom und mir schien, dass ich mir selbst keinen Gefallen tun würde, wenn ich meine Füße der Gefahr aussetzen würde, von Ihren Schuhen traktiert zu werden. Sie sind, verzeihen Sie meine Aufrichtigkeit, besser dran, wenn Sie sitzen oder meinetwegen gehen. Was auch immer Ihre verborgenen Talente sind, Miss Granger… Tanzen ist es jedenfalls nicht.“
„Man ist immer nur so gut wie der Partner, von dem man geführt wird“, erwiderte sie spitz. „Neville ist ein lieber Kerl, und es gibt vieles, für das er absolut nichts kann.“ Sie warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. „Und Tanzen gehört nun mal nicht zu seinen herausragenden Eigenschaften.“
„Sie behaupten also, dass Sie eine bessere Figur machen würden mit jemandem, der sich ein wenig geschickter anstellt?“, fragte er spöttisch.
„Ja, sicher behaupte ich das!“
Ehe sie wusste, was ihr geschah, hatte er ihre Hand gepackt und sie hochgezogen.
„Dann beweisen Sie es!“
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