von Marisol
A/N: Sorry, dass ihr so lange warten musstet. Ich war in den letzten Tagen durch eine Grippe außer Gefecht gesetzt, und zusätzlich bin ich am Samstag auch noch Tante geworden, so dass ich wenig Zeit hatte, um weiterzutippseln.
In diesem Teil gibt es als Entschädigung nicht nur die versprochene Auflösung vom letzten Teil, sondern auch noch das Auftauchen von George, verbunden mit einer freudigen Nachricht, sowie natürlich ein Zusammentreffen von Severus und Hermine ;) Viel Spaß!
„Alles in Ordnung mit dir, Hermine?“, fragte Emilia besorgt, während sie die junge Frau prüfend musterte, die das Pergament in ihren Händen wie versteinert anstarrte.
„Wie…? Oh, ja, danke“, antwortete Hermine ihrer Kollegin, ehe sie den Brief hastig zusammenfaltete und in ihre Tasche steckte.
Sie atmete einige Male tief ein und aus und lächelte Emilia zu, dir ihr, ihrem Stirnrunzeln nach zu urteilen, nicht recht abkaufen konnte, dass es ihr tatsächlich gut ging.
Natürlich kennt er Muggelliteratur, dachte sie verzweifelt,
Sie dachte an den Moment zurück, als sie beschlossen hatte, den Leserbrief an die Zeitung zu schicken, wohl wissend, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit Aufsehen erregen werden würde, wenn sie ihren richtigen Namen benutzte. Als enge Freundin von Harry Potter gehörte sie zu jenem Personenkreis, dem die Medien selbst nach acht Jahren seit Voldemorts Sturz große Aufmerksamkeit schenkten, und so hatte sie instinktiv auf ein Pseudonym zurückgegriffen. Sie hatte bezweifelt, dass jemand aus ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis erraten würde, wer sich hinter Leontes Pearson verbarg. So berühmt die Werke Shakespeares in der Muggelwelt auch waren; Zauberer und Hexen lasen üblicherweise nicht häufig Muggelbücher… zumindest nicht die Personen, mit denen Hermine unmittelbar zu tun hatte.
Bei der Wahl des Pseudonyms hatte sie eine Person aus dem Werk Shakespeares ausgesucht, bei dem ihr eigener Name eine wichtige Rolle spielte.
Königin Hermione… hatte ihr Vater sie liebevoll genannt, als sie ein kleines Mädchen gewesen war, was ihr immer das Gefühl gegeben hatte, sie wäre etwas ganz besonderes.
In Shakespeares ‚Wintermärchen’ hatte König Leontes, Hermiones Gemahl, seine schwangere Ehefrau der Untreue verdächtigt und sie in den Kerker werfen lassen. Er war ein von rasender Eifersucht beherrschter Mann, der stets nur das sah, was er sehen wollte.
Parallelen zu lebenden Personen sind rein zufällig, dachte Hermine mit einem ironischen Lächeln, während sie tief ein- und ausatmete.
Snapes Zeilen, ein Zitat von Leontes, bewiesen ihr eindeutig, dass er nicht nur das Wintermärchen kannte, sondern auch die richtigen Schlüsse gezogen hatte, wer sich hinter dem Leserbrief verbarg.
Eine tiefe Röte überzog ihr Gesicht als sie sich vorstellte, wie Snape die Zeitung las und feststellte, dass sie ihn, wenn auch nicht mit ihrem richtigen Namen, verteidigt hatte.
Was mochte er dabei gedacht haben?
Ironischerweise wusste sie selbst nicht genau, warum genau es ihr unter den Nägeln gebrannt hatte, ihn gegen Rita Kimmkorns Verleumdungen zu verteidigen. Sie versuchte sich einzureden, dass sie aus Zorn gegenüber der Reporterin gehandelt hatte, aber sie wusste, dass das nicht der einzige Grund war.
Snape war ein unangenehmer Mann, der taktlos, unhöflich und ungerecht war, da gab es nichts zu beschönigen. In seiner Gegenwart fiel es ihr schwer, sich zu entspannen, erst recht seit er in ihren Geist eingedrungen war und in ihren Gedanken wie in einem Buch gelesen hatte.
Im Grund genommen ergab es überhaupt keinen logischen Grund, dass sie sich geradezu dazu verpflichtet gefühlt hatte, diesen Brief an die Zeitung zu schreiben.
Aber dann dachte sie an den verlorenen Ausdruck auf seinem Gesicht und die Art, wie seine Augen sich überall in dem Raum umgesehen hatten, nur nicht in ihre Richtung, als er die Worte gesagt hatte, die ihre Seele betäubt hatten: „Ich bin gar nichts… und ich bin nirgendwo.“
Hermine hätte es nicht zulassen können, dass er seine Arbeit verlor, das einzige, was in seinem Leben irgendwie an Normalität erinnerte.
Sie versuchte sich vorzustellen, wie sein Tagesablauf aussehen würde, wenn er nicht Heiltränke für die Apotheken herstellen würde.
Vielleicht würde er, wenn er nicht gerade bei den Potters war, von morgens bis abends nichts anderes tun als in seinem abgenutzten Sofa sitzen, die leere Hülle, die er war… er würde atmen, schlafen und essen, möglicherweise auch ein Buch lesen- aber nicht leben.
Der Gedanke machte sie seltsam betroffen und sie schüttelte den Kopf, als würde sie versuchen, ihn auf diese Weise loszuwerden.
Plötzlich musste sie daran denken, dass ihr Mitleid sie daran erinnerte, wie sie damals die Hauselfen- Befreiungsfront gegründet hatte.
War das hier dasselbe?
War das ihr natürlicher Drang, sich ungefragt einzumischen, Anteil an Snapes Leben zu nehmen, weil sie es nicht ertrug, dass er an den Schatten seiner Vergangenheit zu ersticken drohte, ohne überhaupt erst den Versuch zu machen, daraus hervorzutreten?
Sie nickte, als würde sie eine Frage beantworten, obwohl sie in einem versteckten Winkel ihrer Seele wusste, dass das hier sich ganz anders anfühlte als die Hauselfen- Befreiungsfront.
oOoOoOo
Viel zu schnell nahte Albus Severus’ erster Geburtstag heran und Hermine sah sich mit dem Problem konfrontiert, was sie dem kleinen Jungen schenken sollte.
Er war nicht so lebhaft und bewegungsfreudig wie sein älterer Bruder James, dem sie zu seinem ersten Geburtstag einen magischen Hüpfkreisel geschenkt hatte.
Sie überlegte hin und her und fragte auch ihre älteren Kollegen, die Kinder hatten, um Rat, bis sie sich schließlich dazu entschloss, ihm ein Kinder- Kochset zu schenken, bestehend aus einer Schürze, einer Kochmütze und kleinen Kochtöpfen und Pfannen.
Von Ginny wusste sie, dass der Kleine es liebte, ihr zuzuschauen, wenn sie in der Küche das Essen zubereitete.
Spontan entschloss sie sich dazu, die Mütze und die Schürze in den Gryffindorfarben Rot und Gold zu kaufen, und sie grinste bei der Vorstellung, wie er darin aussehen würde.
Harry hatte ihr erzählt, dass lediglich Ginnys Eltern, George und natürlich Snape abends kommen würden. Bill, Fleur, Charlie und Ron waren bereits am frühen Nachmittag da gewesen. Hermine war froh über die Anwesenheit der anderen, da sie es so vermeiden konnte, mit Snape zu reden, ohne dass es sonderlich auffiel. Sie würde sich einfach mit Molly oder George in ein Gespräch vertiefen, bis sie sich guten Gewissens verabschieden konnte.
Sie bezweifelte, dass sie wusste, was sie zu ihm sagen sollte. Andererseits erschien es ihr auch unwahrscheinlich, dass Snape die Sache erwähnen würde- hätte er es direkt ansprechen wollen, hätte er schließlich genügend Gelegenheiten gehabt.
Aber warum hatte er sie dennoch wissen lassen, dass er sie durchschaut hatte?
Seufzend zwang Hermine sich dazu, nicht mehr darüber nachzudenken und hoffte stattdessen, dass der Abend keine peinlichen Überraschungen bereithalten würde.
oOoOoOo
Als Hermine um sechs Uhr abends eintraf, war George schon da und zog sie in eine stürmische Umarmung.
Es war bestimmt mehr als ein halbes Jahr her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten, und obwohl so viele Jahre vergangen war, war es immer noch ein seltsames Gefühl, George ohne seinen Zwillingsbruder zu sehen.
Er war ein wenig dünner, als Hermine ihn in Erinnerung hatte, und trotz seines häufigen Lachens war in seinen Augen manchmal eine Ernsthaftigkeit, die nicht recht zu seinem ehemals so unbeschwerten Wesen passte.
„Hört mal, Leute, ich muss euch was sagen, ehe Mom und Dad auftauchen“, sagte er, nachdem Hermine Albus Severus herumgewirbelt und ihm sein Geschenk überreicht hatte, das es nun mithilfe von James begeistert auspackte.
George schaute in die gespannten Gesichter, ehe er betont gleichmütig verkündete: „Ich habe letzte Woche in Mont Blistery geheiratet.“
„Du has WAS?“, quietschte Ginny nach einer langen Sekunde des Schweigens.
Auch Harry und Hermine starrten ihn an, als hätte er verkündet, dass er einem Fremden eine Niere gespendet hatte.
Mont Blistery war, wie Hermine wusste, das, was für Muggel Las Vegas war.
„Jep“, erwiderte George grinsend. „Lorna und ich hatten spontan beschlossen, nach Mont Blistery zu fahren und ein paar Galleonen zu verspielen. In einem Casino hab ich dann in einem Anfall von Wahnsinn alles Gold, das ich bei mir trug, auf die 14 gesetzt… ihr wisst schon, der erste April, unser Geburtstag.“
Hermine fiel auf, dass er von unserem Geburtstag sprach- seinem und Freds, und sie schluckte schwer als ihr bewusst wurde, dass für George immer etwas fehlen würde, was ein Teil von ihm gewesen war.
„Ich sagte zu Lorna, dass ich sie auf der Stelle heirate, wenn die Zahl tatsächlich kommt… und ja, jetzt sind wir ziemlich reich- und ziemlich verheiratet.“
Er schaute in die geschockten Gesichter und lachte, als niemand ein Wort sprach.
Harry war schließlich der erste, der sich fing.
„Ja, also… gratuliere, Mann! Lorna ist ein toller Fang!“ Er klopfte George, nun ebenfalls grinsend, auf die Schulter und stand auf, um eine Flasche Feuerwhiskey zu holen, damit sie anstoßen konnten.
„Jaah, das ist sie… wenn auch nicht so toll wie ich!“
Ginny fiel ihrem älteren Bruder um den Hals, ehe sie ihm in die Schulter boxte und anklagend schnaufte: „Du hättest was sagen können, du Schuft!“
„Ja, sorry, wenn ich nächstes Mal beschließe, spontan zu sein, bist du garantiert die erste, die davon erfährt!“
Er zerstrubbelte Ginnys Haar und knuffte sie liebevoll in die Seite.
Auch Hermine stand auf und umarmte George, wobei sie lachend sagte: „Wenn jemand so etwas selten Bescheuertes macht, dann du, George! Ich freu mich für dich und Lorna.“
„Danke, Hermine“, erwiderte er strahlend, als hätte sie ihm das größte Kompliment überhaupt gemacht.
Harry stellte vier Gläser und den Feuerwhiskey auf den Tisch und schenkte allen ein.
George räusperte sich, hob sein Glas und sagte leise: „Auf Fred, der nicht hier mit uns sein kann, um als mein Trauzeuge zu verkünden, dass Lorna einen Riesenfehler macht, da er schließlich viel besser aussieht als ich.“
Ein Schatten huschte über sein Gesicht, nachdem er diese Worte gesprochen hatte.
„Auf Fred“, sagten Hermine, Harry und Ginny gleichzeitig, ehe sie anstießen und die anschließende Stille, die sich wie eine Decke über das Wohnzimmer ausgebreitet hatte, auf sich wirken ließen.
„Puuh“, keuchte George, nachdem er die bronzefarbene Flüssigkeit auf Ex gekippt hatte. „Die Stärkung konnte ich definitiv brauchen. Mom wird ausrasten wenn sie erfährt, auf welche Weise ich geheiratet hab. Ihr gebt mir doch Rückendeckung, oder?“
„Worauf du dich verlassen kannst“, erwiderte Ginny lachend.
oOoOoOo
Molly und Arthur trafen fast zeitgleich mit Snape ein, der zwar alle höflich mit Händeschütteln begrüßte, aber ansonsten durch nichts zu erkennen gab, ob ihm die Gesellschaft passte.
Seine schwarzen Augen ruhten für einen Moment ausdruckslos auf Hermine, und jeder, der ihn nicht kannte, wäre möglicherweise auf die Idee gekommen, dass die beiden überhaupt nicht miteinander bekannt waren.
Albus Severus kicherte fröhlich, als sein Pate ihn hochhob und so leise etwas sagte, dass niemand ihn verstehen konnte.
„Oh, Severus, lass ihn mal für einen Moment runter und… nun, setz ihn einfach runter und du wirst sehen“, sagte Ginny mit einem geheimnisvollen Lächeln.
Snape runzelte die Stirn, tat aber, was Ginny von ihm verlangt hatte.
Mit beiden Händen hielt er die des Jungen fest.
„Lass ihn los“, instruierte Ginny leise. Snape schaute sie zweifelnd an, aber als sie nickte, gab er die Händchen von Albus zögernd frei.
Ziemlich wackelig stand der Kleine auf seinen pummeligen Beinchen da, aber dann machte er plötzlich zwei, drei unbeholfene Schritte. Als er auf den Hintern zu fallen drohte, fing Snape ihn rechtzeitig auf, und ein überraschter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, als er den Kopf hob.
„Seit gestern“, beantwortete Harry seine ungestellte Frage. "Er hielt sich am Tisch fest und ging dann plötzlich ein paar Schritte. Er ist zwar gleich wieder hingefallen, aber hey- dein Patensohn ist kurz davor zu laufen!“
Er und Ginny strahlten in die Runde, und Molly war die erste, die ihren Enkel an sich drückte und ihm geräuschvoll einen Kuss auf die Wange gab.
„Vielleicht hätten wir ihm doch diese Schuhroller kaufen sollen, Molly“, sagte Arthur fröhlich.
„Rollschuhe“, verbesserte Harry automatisch, ehe er seinem Schwiegervater gutmütig auf die Schulter klopfte. „Aber warte damit lieber, bis er siebenundzwanzig ist oder so. Ich mag die Knochen meines Kindes nämlich so, wie sie sind. Und mein Haus auch.“
Arthur lachte dröhnend, und auch Harry stimmte ein.
„Ich weiß gar nicht, ob das so ein Grund zur Freude ist“, sagte Ginny mit hochgezogenen Auenbrauen. „Wir haben schon genug damit zu tun, hinter James herzulaufen und aufzupassen, dass er nichts anstellt. Bei zwei kleinen, unermüdlichen Kerlen wird das alles andere als ein Vergnügen.“
Aber ihre Augen strahlten, als sie liebevoll ihre zwei Söhne betrachtete, die sich wieder fröhlich Albus´ Geschenken widmeten.
„Wolltest du nicht eh abnehmen?“, fragte George augenzwinkernd und duckte sich geschickt, als seine Schwester mit einem Schuh nach ihm warf.
Hermine lächelte, als sie die Weasleys betrachtete, aber dann huschten ihre Augen zu Snape, dessen Gesichtsausdruck nach wie vor Überraschung ausdrückte- und etwas, das ziemlich nach unverhohlenem Stolz aussah.
Als hätte er ihren Blick gespürt, drehte er den Kopf plötzlich in ihre Richtung und sie sah hastig weg, so als wäre sie bei etwas Verbotenem erwischt worden.
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Das anschließende Kaffeetrinken war geprägt von einer ausgelassenen Unterhaltung. George amüsierte alle mit Geschichten, die er in seinem Zauberscherzeladen erlebte, und obwohl Snape sich am Gespräch nur beteiligte, wenn er direkt gefragt wurde, schien es nicht so, als würde er sich unwohl fühlen.
Hermine fragte sich, was er seinem Patenkind wohl geschenkt hatte, aber sie ahnte, dass er abwarten würde, bis alle gegangen waren, ehe er es dem Jungen gab.
„…und dann hat er die Kotzpastillen dummerweise mit den Scharfzüngige-Sprüche-Tabletten verwechselt. Hat eine ziemliche Sauerei gegeben… oh, da fällt mir ein, Professor Snape, wo wir gerade von Kotzpastillen reden… nach all den Jahren muss ich endlich gestehen, dass Fred und ich dafür verantwortlich waren, dass reihenweise Schüler den Unterricht versäumten, weil sie im Krankenflügel behandelt werden mussten.“
Er hatte jenes schalkhafte Grinsen im Gesicht, das an den George von früher erinnerte- bevor er seinen Zwillingsbruder und besten Freund verloren hatte.
„George!“, mahnte Molly, als wäre ihr Sohn noch immer der Teenager, der sich in Gegenwart eines Lehrers frech benahm.
„Das überrascht mich jetzt aber“, erwiderte Snape ironisch. „Ich war fest davon überzeugt, dass die betreffenden Schüler zuvor in den Genuss von Hagrids Kochkünsten gekommen waren und dann im Unterricht… nun, das Beste aus sich herausholten.“
Seine dünnen Lippen kräuselten sich, als George auflachte.
„Aber da Sie nun davon anfangen, muss ich Ihnen gestehen, dass ich in Ihrer ZAG- Prüfung einen Punkt abzog… den einen Punkt, der gefehlt hätte, damit Sie bestehen. Ich zog ihn ab wegen Unleserlichkeit der Schrift bei einem Wort. Die Frage war gewesen, wogegen der Grünzwirbeltrank am wirksamsten hilft.“
„Keuchhusten“, antwortete Hermine prompt, und errötete, als Snape sie spöttisch musterte.
„Vielen Dank, Miss Granger. Leider war Mr. Weasleys Schrift so unleserlich, dass ich der festen Überzeugung war, er hätte statt Keuchhusten ‚Kuchenessen’ hingeschrieben.“
Er zuckte gespielt bedauernd die Schultern, aber George lachte auf.
„Nichts für ungut“, sagte er, nachdem er sich beruhigt hatte. „Ich hätte es mir eh nie verziehen, wenn ich mehr ZAGs als Fred erhalten hätte. Und außerdem ist aus mir ja doch noch was Anständiges geworden, oder?“
Molly kämpfte mit dem Drang, ihren erwachsenen Sohn zu tadeln, aber noch ehe sie etwas sagen konnte, begann George hastig: „Da jetzt scheinbar der richtige Augenblick gekommen ist, um Geständnisse zu machen, will ich euch auch noch was sagen.“
Er drehte sich zu seinen Eltern, die ihn schickalsergeben ansahen und verkündete, was er zuvor Harry, Ginny und Hermine erzählt hatte.
Das alles sprudelte so schnell aus ihm hervor, dass man ihm kaum folgen konnte, aber offensichtlich hatte Molly die wichtigsten Details aufgeschnappt.
„Geheiratet? In Mont Blistery?“
Sie drehte sich zu ihrem Mann, so als wolle sie ihn fragen, was sie bloß bei der Erziehung falsch gemacht hatten, aber Arthur schien den ersten Schock überraschend schnell überwunden zu haben.
Es dauerte eine Weile und viel gutes Zureden seitens Harry und Ginny, bis Molly akzeptiert hatte, dass ihr Sohn in einer völlig verrückten, ungeplanten Aktion und ohne die Anwesenheit seiner Familie geheiratet hatte.
„Ich hätte eh nie mit so einem riesen Brimborium geheiratet, wie es damals bei Bill und Fleur war“, sagte George sanft. „Weder Fred noch ich. Ich wette, er wäre stolz auf mich.“
Plötzlich kullerten Tränen über Mollys rundlichen Wangen, als sie George an sich zog und ihn umarmte.
Zweifellos, dachte Hermine, war auch sie in diesem Augenblick in Gedanken bei ihrem toten Sohn, der bei einem so wichtigen Ereignis im Leben seines Zwillingsbruders nicht hatte anwesend sein können.
Hermine fühlte sich seltsam fehl am Platz, als sie spürte, wie die Weasleys enger zusammen rückten. Dies war irgendwie zu persönlich und zu privat, als dass sie es ertrug, dabei zu sitzen.
Unauffällig erhob sie sich von ihrem Stuhl, ging hinüber zu den spielenden Kindern und hockte sich vor Albus Severus.
„Na, wollen wir mal deine Kochmütze und die Schürze anprobieren?“, fragte sie leise.
Sie deutete auf ihr Geschenk und als Albus kicherte, setzte sie ihm die Mütze auf.
Er quiekte fröhlich und befühlte mit seinen Händchen die ungewohnte Kopfbedeckung.
Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, dass auch Snape langsam aufstand und in Richtung Badezimmer verschwand.
Sie zweifelte nicht daran, dass es ihm höchst unangenehm war, in dieser intimen Atmosphäre von Trauer und gleichzeitiger liebevoller Erinnerung anwesend zu sein.
„Komm, Al“, sagte sie zu dem Kleinen, hob ihn hoch und ging mit ihm in die Küche, während James lieber mit den übrigen Geschenken sitzen blieb.
Der Junge hatte offenbar große Freude daran, mit einem Holzkochlöffel in den kleinen Pfannen und Töpfen herumzurühren, die Hermine mit einem gemurmelten „Accio“, herbeigezaubert hatte.
„Da sind Sie sich aber ziemlich sicher, nicht wahr, Miss Granger?“, hörte sie plötzlich Snapes Stimme hinter sich.
Sie wirbelte herum.
Mit einem spöttischen Grinsen deutete er auf die Mütze in den typischen Gryffindorfarben.
„Die Anzeichen deuten jedenfalls darauf hin“, entgegnete sie. „Seine Eltern waren beide in Gryffindor.“
„Sie haben von Kindern keine Ahnung.“ Snape schaute sie mit einem undeutbaren Blick an, während sie sich fragte, was ihn dazu bewogen haben mochte, ihr in die Küche zu folgen.
„Dass ausgerechnet Sie das sagen, Professor“, schnappte sie.
Unbeeindruckt kam er einige Schritte näher. „Ich würde hundert Galleonen wetten, dass er nach Slytherin kommt.“
„Oh, ich gehe mit und erhöhe auf hundertfünfzig, dass er ein Gryffindor wird, durch und durch.“
Kampflustig hob sie ihr Kinn.
Snape betrachtete sie, während seine Mundwinkel zuckten. „Sie haben diese Mimik so oft benutzt, Miss Granger, Sie sollten sie sich patentieren lassen.“
Sie setzte zu einer bissigen Bemerkung an, aber dann überraschte es sie selbst, als sie sich plötzlich leise sagen hörte: „Der Junge bedeutet Ihnen viel, nicht wahr?“
Er hatte wieder jenen entrückten Gesichtsausdruck, bei dem sie nicht wusste, ob er sie gehört hatte oder ob er überhaupt antworten würde.
Aber dann wandte er den Blick zu dem spielenden Kind, und sie wusste, dass er gar nicht wirklich zu ihr sprach, als er leise sagte: „Durch ihn fühle ich mich… lebendig.“
Das letzte Wort sprach er so leise aus, als wäre er selbst nicht sicher, ob es sich richtig anfühlte.
Hermine schluckte und sah betreten zu Boden.
Sie wollte etwas sagen, aber sie wusste nicht wie und was. Es fühlte sich irgendwie an wie damals, als sie Sirius´ Haus betreten hatten und festgestellt hatten, dass Moody einen Zauber gesprochen hatte der bewirkte, dass die Zunge wie festgeklebt am Gaumen saß, nur mit dem Unterschied, dass die Barriere jetzt aus ihrem Inneren herauskam und nicht auf einen Zauber zurückzuführen war.
„Es wäre nicht möglich, sich lebendig zu fühlen, wenn nicht das, was verloren gegangen ist, wieder auftaucht“, sagte sie schließlich leise, als sie die Sprache wieder fand, sich plötzlich an Shakespeares Wintermärchen erinnernd.
Leontes hatte, nachdem er voller Reue begriffen hatte, welch schrecklichen Schaden er angerichtet hatte, indem er seine schwangere Frau in den Kerker werfen ließ, gesagt, er werde ohne Erben bleiben, wenn das, was verloren gegangen sei, nicht wieder auftauche.
Bei Snape war es nicht der Erbe, sondern der Funke, den er verloren hatte, um einen Lebenswillen zu haben… und er hatte ihn offenbar wieder gefunden.
Snape wandte sich ihr zu, und in seinem Blick lag eine Art stummes Verständnis, die es unnötig machte, dass sie ein Wort darüber verloren.
Beiden war klar, dass sie die schwachen, aber dennoch vorhandenen Parallelen sahen, die es zum Wintermärchen gab, und beide wussten ebenso, dass es besser war, wenn es bei ihrem Schweigen blieb.
Und während sie Snape zusah, wie er aus der Küche ging, wurde Hermine schlagartig klar, was er hatte sagen wollen, indem er ihr dieses Zitat von Leontes geschrieben hatte:
„Fahre immer fort, fahre immer fort: Du kannst nicht zu viel sagen - - ich hab' es verdient, daß mir alle Zungen das Bitterste sagen, was sie können.“
Es war seine Art, ihren Leserbrief anzuerkennen und sich gleichzeitig für das, was in seinem Haus vorgefallen war, als er in ihre Gedanken eingedrungen war, zu entschuldigen.
TBC
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