von Marisol
Erstmal vielen Dank an alle Kommentarschreiber *drück*
Noch ein kleiner Hinweis an Myrte: Ich glaube, du hast etwas falsch verstanden lol. James ist älter als Albus Severus, und kann auch schon laufen. Deswegen ist Ginny auch erschöpft von der Geburt von ALBUS SEVERUS, der ja erst wenige Tage alt ist. Alles klar? :D
Es war der erste Dezember, ein bitterkalter, aber sonniger Tag, und im Haus der Potters herrschte reges Treiben. Während Ginny damit beschäftigt war, James einen hübschen, dunkelblauen Pullover anziehen, den ihm Oma Weasley geschenkt hatte, nahm Hermine Harry die Dekoration behutsam aus der Hand und mit einem Schlenker ihres Zauberstabs verteilten sich die Blumen und Girlanden im Raum.
„Danke, Hermine“, grinste Harry. „Ich hab einfach kein Händchen für so was. Es ist eigentlich alles bereit, oder?“
Hermine nickte, während sie sich umsah, und sagte leise: „Ich kann einfach nicht glauben, dass er nicht gekommen ist.“
„Ist schon okay, Neville hat eine Eule geschickt, dass er sich ein bisschen verspätet.“
„Ich rede nicht von Neville“, antwortete sie und setzte sich an den gedeckten Tisch.
Harry, dem nicht entging, dass sie irgendwie beunruhigt wirkte, nahm neben ihr Platz und fragte: „Was genau meinst du?“
Sie seufzte. „Ich war bei Snape… an dem gleichen Abend, als auch du da warst… und hab noch mal versucht, mit ihm zu reden.“
„Du warst…“
Sie hob beschwichtigend die Hand und fuhr hastig fort: „Ja, ich hab ihm gesagt, dass es dir sehr wichtig wäre, wenn er Albus´ Pate wird. Du hattest ihm noch nicht mal gesagt, wie der Junge heißt“, sagte sie vorwurfsvoll.
„Weil er mich nicht gelassen hat! Hermine, er schmiss mich raus, sobald ich nur vom Kampf damals anfing!“
„Kannst du das nicht verstehen, Harry?“, sagte sie leise. „Als er dir die Erinnerungen gab, nachdem er von Nagini gebissen worden war, hat er geglaubt, dass er sterben würde. Er hat dir seine persönlichsten, intimsten Geheimnisse anvertraut… die Liebe zu deiner Mutter. Und als du Vol-Voldemort gegenübergestanden hast, hast du es ihm entgegengeschleudert, und jeder hat es gehört… Harry, begreifst du denn nicht, was das für einen Mann wie Snape bedeutet? Er hatte nie gewollt, dass irgendjemand je von seinem Gefühlsleben erfährt, von seinen Motiven, sich von den Todessern abzukehren.“
Harry starrte an einen Punkt an ihr vorbei, sagte aber nichts.
„Du weißt, was er aufs Spiel gesetzt hat“, fuhr sie fort. „Er hat nicht nur dich beschützt, sondern uns alle. Du warst und bist das gehende, lebende Ebenbild deines Vaters… des Mannes, für den Lily sich entschieden hat, und doch hat er seinen Hass auf dich, wenn es darauf ankam, immer überwunden und dafür gesorgt, dass du am Leben bleibst. Er hat sich der Gefahr ausgesetzt, dass Voldemort ihn durchschaut…“
„Das weiß ich alles!“, unterbrach Harry sie ungeduldig. „Ich weiß, was wir alle ihm zu verdanken haben. Deswegen wollte ich ja, dass er der Pate wird.“
„Ich hab ihm geschrieben, weißt du…“, sagte Hermine. „Ich hab ihm in den letzten Tagen beinahe täglich eine Eule geschickt, um ihm klar zu machen, aus welchen Gründen du das willst.“
„Und was hat er geantwortet?“
„Gar nicht“, seufzte sie. „Ich fürchte, er will einfach nur in Ruhe gelassen werden.“
Eine lange Pause entstand. Sie hörten, wie Ginny hinter James herlief, dem es irgendwie gelungen war, Kürbissaft über seinen neuen Pullover zu schütten, bis Harry schließlich langsam sagte: „Manchmal… da frage ich mich…“
Er kam sich ziemlich albern vor, aber er wusste, dass Hermine genau verstehen würde, was in ihm vorging.
„Manchmal frage ich mich… wenn damals alles anders gekommen wäre, wenn Snape sich anders verhalten hätte und meiner Mutter zuliebe seine Todesserkumpel sausen gelassen hätte… in seinen Erinnerungen, die er mir gegeben hat… weißt du, ich hab gedacht, dass er ihr doch ziemlich wichtig war. Er war ihr Freund, der erste Mensch, der ihre magischen Fähigkeiten erkannt hat und mit dem sie drüber sprechen konnte… vielleicht hätte sie sich in ihn verliebt. Vielleicht hätte sie dann nicht Dad geheiratet, sondern ihn… und sie hätten ein Kind zusammen gehabt… manchmal kommt mir dieser verrückte und ziemlich bescheuerte Gedanke, dass ich Snapes Sohn hätte sein können.“
Er wurde rot, nachdem er die letzten Worte ausgesprochen hatte, aber Hermine lachte nicht.
„Und glaubst du nicht“, entgegnete sie leise, „dass er diese verrückten Gedanken nicht jeden Tag seines Lebens gehabt hat?“
oOoOoOoOoO
Bis auf Ron waren alle Gäste, die für die kleine Zeremonie eingeladen worden waren, bereits anwesend, als der kleine, quirlige Mann vom Ministerium fragte: „Nun denn, wollen wir anfangen?“
Harry und Ginny nickten, während sie grinsend dabei zusahen, wie Neville nervös zu dem Baby in seinen Armen herabsah, das friedlich schlief.
Es klingelte an der Tür.
„Oh, das wird Ron sein. Kann bitte jemand aufmachen?“, fragte Harry. Mit grimmiger Miene ging Molly in Richtung Tür, wobei sie halblaut murmelte: „Der kann was erleben… einfach zu spät kommen…“
„Sehr schön, sehr schön“, murmelte Mr. Tybbit, als sie die Tür ins Schloss fallen hörten.
„Dann können wir ja anfangen.“ Er räusperte sich, sah herab auf ein Pergament und begann mit einer Stimme, die er vermutlich für feierlich hielt, vorzulesen: „Wer von den Anwesenden hat sich bereiterklärt, Pate für Albus Severus Potter zu sein, den Jungen zu beschützen und ihm im Falle des Todes seiner Eltern diese zu ersetzen?“
An der Stelle, an der Neville „Das bin ich“, hätte sagen sollen, hörten die Anwesenden plötzlich eine ruhige, samtige Stimme sagen: „Ich fürchte, das bin ich.“
Sämtliche Köpfe wandten sich um, um denjenigen zu sehen, der gesprochen hatte.
Blass, ausgemergelt und ohne irgendeine erkennbare Regung im Gesicht stand Severus Snape im Raum und sah zu Harry, der ihn verblüfft anstarrte.
Sämtliche andere Gäste taten es ihm gleich, wobei Hermine die einzige war, die lächelte, und es war überraschenderweise Neville, der als erster sprach. „Ähm, Harry, was geht hier vor?“
Ohne den Blick von Snape abzuwenden, sagte Harry: „Kann ich dich einen Moment sprechen, Neville? Ich muss dir etwas erklären.“
oOoOoOoOo
Mr. Tybbit war ausgesprochen verwirrt, als Ginny ihm die Situation erklärte, aber er war ohne lange zu überlegen bereit, die Zeremonie fortzusetzen. Severus Snape… der Mann war ihm natürlich ein Begriff! Er war selbst als Zuschauer dabei gewesen, als Snape von jeglichen Anschuldigungen, den Mord an Dumbledore betreffend, freigesprochen worden war, aber seitdem hatte er nie wieder etwas von ihm gehört oder gesehen.
„Sehr schön, sehr schön… die Bedingungen haben sich… nun, ein wenig verändert, aber da alle im Bilde sind, können wir fortfahren. Mrs. Potter?“, sagte er und deutete mit dem Kopf auf das Baby.
„Wie… ? Oh, natürlich“, sagte Ginny, ging auf Snape zu, zögerte einen winzigen Moment, und hielt ihm schließlich das Kind hin.
Es war das erste Mal, dass Hermine ihren ehemaligen Lehrer als hoffnungslos überfordert erlebte. Ungeschickt streckte er die Hände aus, und es wurde offensichtlich, dass er noch nie zuvor in seinem Leben ein Baby in den Armen gehabt hatte. In seinem Gesicht spiegelte sich jene Ratlosigkeit von Männern wider, die nicht die leiseste Ahnung hatten, wie sie ein Kind halten konnten, ohne ihm etwas zu brechen.
Albus Severus gab erste, wimmernde Töne von sich, aber Ginny ließ sich nicht beirren und zeigte Snape, was er zu tun hatte. Augenblicklich beruhigte sich das Kind wieder und Hermine wurde bewusst, dass alle um sie herum, inklusive ihr selbst, den Atem angehalten hatten.
Molly lehnte sich zu ihr herüber und flüsterte: „Hast du das gewusst?“
Hermine zögerte für einen Moment, nickte dann aber.
„Harry hat mir und Arthur erzählt, dass Severus abgelehnt hat, als er ihn gefragt hat“, sagte Molly ratlos.
„Er hat es sich wohl eben anders überlegt“, erwiderte Hermine, geheimnisvoll lächelnd, und wandte den Blick wieder zu Snape, der in höchster Konzentration auf das kleine Gesichtchen starrte.
Er antwortete auf die Fragen von Mr. Tybbit, ohne aufzusehen.
Snape mit einem Baby auf den Armen zu sehen war ein Anblick, von dem sie nie gedacht hätte, dass sie ihn je erleben würde. Es war wie ein Puzzlestück, das fälschlicherweise eingefügt worden war, und sie konnte nicht anders als leise zu kichern, als Albus Severus aufwachte und mit einer Bewegung seiner winzigen Händchen Snapes Nase erwischte. Seinem Paten jedoch schien es nichts auszumachen… was vielleicht auch daran lag, dass er zum ersten Mal die Augen des Babys zu sehen bekam, die von einem vertrauen, hellen Grün waren.
oOoOoOoOo
Das anschließende Essen begann mit einem angespannten Schweigen, aber Molly schaffte es schnell, eine Unterhaltung zustande zu bringen, an der sich Bill, Fleur und Arthur eifrig beteiligten. Hier und da unternahm Molly einige Versuche, Snape mit einzubinden, und er antworte höflich und zurückhaltend, ohne jedoch aktiv zur Konversation beizutragen.
Niemand konnte sich erklären, warum Ron nicht aufgetaucht war, aber man schob es allgemein auf seine berufliche Verpflichtung als Auror, von der er sich nicht hatte losmachen können.
Insgeheim war es Hermine ganz Recht, dass er nicht gekommen war.
Seit sie sich vor über einem Jahr getrennt hatten, fiel es sowohl ihm als auch ihr schwer, unbefangen in der Gegenwart des anderen zu sein, aber jetzt in diesem Augenblick konnte und wollte sie nicht darüber nachdenken.
Am frühen Abend verabschiedeten sich schließlich die Weasleys, und nur Harry, Ginny, Snape und Hermine blieben sitzen.
„Entschuldigt mich, ich bringe James nur schnell ins Bett“, sagte Ginny und erhob sch vom Tisch, die anderen drei in einem peinlichen Schweigen zurücklassend.
Das Ticken der großen Standuhr im Wohnzimmer der Potters wurde überlaut, als Harry sich schließlich räusperte und zu Snape gewandt sagte: „Ich… ich freue mich, dass du es dir anders überlegt hast. Es bedeutet mir viel, dass du der Pate unseres Jungen bist.“
Hermine, die wusste, wie viel Überwindung es ihren besten Freund gekostet hatte, diese Worte auszusprechen, schaute ihn an, ohne ihren Stolz verbergen zu können.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie störte, dass es den beiden Männern wahrscheinlich leichter fallen würde, sich zu unterhalten, wenn sie nicht dabei war.
„Ich schau mal, was der Kleine macht“, murmelte sie und verschwand außer Hörweite, um sich über Albus Severus´ Wiege zu beugen, die im Nebenzimmer war.
Tausende von Gedanken schossen durch ihren Kopf, während sie das schlafende Baby betrachtete und sich ausmalte, was Harry und Snape wohl zueinander sagen mochten.
Der Gedanke, dass sie es nach all den Jahren des gegenseitigen Hasses schließlich schaffen könnten, eine Art Respektverhältnis zueinander aufzubauen, verursachte ein seltsam beschwingendes Gefühl in ihrem Magen.
Sie streckte ihre Hand aus und berührte sachte die Wange des Babys, als sie plötzlich die Präsenz eines anderen Menschen wahrnahm.
Sie fuhr herum und sah Snape dicht hinter sich stehen. Er hatte sich mit jener Lautlosigkeit eines Mannes bewegt, der es gelernt hatte, sich im Schatten heimisch zu fühlen.
„Ich möchte mich von meinem Patenkind verabschieden“, sagte er sehr leise, sehr sanft.
Hermine ging einen Schritt zur Seite und sah dabei zu, wie er das Baby hochhob.
„Lassen Sie ihn nicht fallen“, entfuhr es ihr plötzlich, während er das Kind ungeschickt in seiner Armbeuge platzierte.
„Sie haben mich durchschaut, Miss Granger, genau das hatte ich im Sinn“, erwidere er spöttisch.
Für einen Moment bohrten sich seine schwarzen Augen in ihre, doch dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Baby zu und betrachtete es, als würde er versuchen, sich jedes Detail seines Gesichtchens einzuprägen.
Schließlich legte er es vorsichtig wieder zurück und verließ den Raum, ohne Hermine weiter zu beachten.
Inzwischen war auch Ginny wieder im Wohnzimmer, und sie stand zusammen mit Harry an der Tür und sagte: „Wenn du… ähm, Weihnachten noch nichts vorhast, würden wir uns freuen, wenn du zu uns kommen würdest.“
Es war offensichtlich, dass ihr das ‚Du’ nicht einfach von den Lippen kam, aber Hermine empfand ihre Einladung als ehrlich.
„Jaah“, hörte sie Harry sagen, „komm vorbei und sieh dir an, wie sich dein Patenkind so macht.“
Er hielt Snape seine Hand hin, der sie schließlich ergriff und schüttelte.
Er nickte Ginny mit der Andeutung eines Lächelns zu und sagte unverbindlich: „Danke für die Einladung, wir hören voneinander. Ich wünsche euch eine gute Nacht. Wenn der Junge etwas braucht…lasst es mich wissen.“
Er nickte noch einmal, nicht unfreundlich, aber auch nicht herzlich, und trat schließlich hinaus in die Dunkelheit, bereit zum Disapparieren.
Hermine verabschiedete sich hastig von Harry und Ginny und folgte ihm, ohne die verdutzten Gesichter ihrer Freunde zu beachten.
„Sir… warten Sie bitte“, rief sie.
Er wandte sich zu ihr um und erwiderte: „Was ist es nun, Miss Granger? Gibt es noch irgendwo ein Kind, das mich Ihrer geschätzten Ansicht nach als Pate braucht?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Danke, Sie“, sagte sie leise.
Plötzlich trat er so schnell auf sie zu, dass sie erschrocken zurückwich, aber er packte ihre Oberarme und sagte: „Ich hätte es wissen müssen, Miss Granger. Als ich las, dass Sie sich für eine Karriere im magischen Recht entschieden hatten, konnte ich mir ausmalen, dass Ihre Argumentation, Ihre Hartnäckigkeit und Ihre unerträgliche Art, sich in fremder Leute Angelegenheiten zu mischen, Sie zu der Besten Ihres Bereichs werden lassen würden. Nichtsdestotrotz hatte ich nicht erwartet, dass ich selbst je davon betroffen werden würde… aber Sie haben mich eines besseren belehrt.“
So schnell, wie er sie gepackt hatte, ließ er sie auch wieder los und sein Gesicht war vollkommen im Schatten, als er sprach: „Hätte ich auch nur eine weitere Eule von Ihnen an meinem Fenster gesehen, hätte ich sie erwürgt. Traurigerweise aber muss ich gestehen, dass ich meine Entscheidung schon in dem Moment gefällt hatte, als Sie aus meinem Haus verschwunden waren. Ich hoffe, dass ich mich niemals wieder in einer Situation einfinden werde, in der ich mit Ihrer Hartnäckigkeit konfrontiert sein muss. Es wäre nicht gut für mein Selbstbewusstsein.“
Sie bekam wie durch einen Nebel mit, dass er ihr spöttisch eine gute Nacht wünschte, ehe er Disapparierte und sie verwirrt, benommen, aber mit einem jähen Anflug von Stolz zurückließ.
TBC
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