von käfer
Vorab: Vielen Dank an meine treuen Leser für die lieben Kommis.
@littlepanimausi: Wie es mit Lily und Sev ausgeht, wissen wir seit Band 7. Im Moment sind sie erst 12 und denken noch nicht an Liebe...
Eigentlich hätte Severus´ Dasein als Slytherin-Schüler in Hogwarts richtig angenehm sein können: Er hatte ein warmes Bett und ordentliche Kleidung, konnte im Wesentlichen tun und lassen, was er wollte, hatte Freunde und lernte eine Menge interessanter Sachen.
Wie gesagt: eigentlich, denn etwas oder besser: jemanden gab es, der ihm regelmäßig den Spaß verdarb: James Potter, Sirius Black und ihre Anhängsel Peter Pettigrew und Remus Lupin. Letzterer begnügte sich damit, den stillen Zuschauer zu mimen, aber Lupins schadenfrohes Grinsen verriet, dass er auf seine Kosten kam. Pettigrew blieb nach entsprechenden Erfahrungen stets außer Reichweite von Severus´ Zauberstab, feuerte aber Black und Potter umso mehr an. Diese beiden hatten sich ausgerechnet Severus als Prügelknaben und Objekt für ihre Bosheiten ausgesucht. So sehr er sich auch bemühte, die Sticheleien zu ignorieren, Potter schaffte es immer wieder, ihn zur Weißglut zu bringen. Wenn Severus dann den Zauberstab zückte, um den beiden einen ordentlichen Fluch aufzuhalsen, waren sie mit ihrem Schutzzauber schneller. Und wenn dann zufällig ein Lehrer in der Nähe war – und die hielten sich oft dort auf, wo Slytherins und Gryffindors aufeinandertrafen – dann war Severus der Dumme, weil er den Fluch losgelassen hatte.
Schon um Ostern herum konnte Severus nicht mehr zählen, wie oft er schon bei Professor McGonagall hatte antanzen müssen. Der Ablauf war jedes Mal der gleiche: Sie fragte ihn, was losgewesen sei, Severus schilderte alles und wurde ermahnt, doch endlich Selbstbeherrschung zu üben und nicht bei jeder Kleinigkeit auszurasten. Wie oft Severus auch versuchte, McGonagall klar zu machen, dass es ihm sehr weh tat, wenn Potter sich über seine Nase lustig machte, sie verstand es nicht.
Irgendwann wurde es Severus klar, dass der brillante Potter Narrenfreiheit hatte. Man sah ihm Regelverletzungen nach, für die andere hart bestraft wurden, alle Lehrer mit Ausnahme von Horace Slughorn waren des Lobes voll, wenn es um Potter ging. Aber nichteinmal Slughorn merkte, wie durchtrieben und hinterhältig Potter in Wirklichkeit war.
Eines Freitagmorgens im Mai stand Peggy Hawkins im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses besonders der Gryffindor-Mädchen. Sie hatte Geburtstag und präsentierte stolz die Geschenke, die sie von ihrer ebenso großen wie wohlhabenden Familie bekommen hatte: Ohrringe mit Diamanten von ihren Eltern, eine Kette mit einem kleinen Besen als Anhänger von der Großmutter, …, … Das meiste Aufsehen erregte ein mit purpur-goldenen Intarsien verziertes Federkästchen. Wenn man es öffnete, stieg eine blütenweiße Schwanenfeder empor und schwebte griffbereit darüber. Severus schaute es verstohlen an, das Muster gefiel ihm.
Der Unterricht war sehr anstrengend an diesem Tag. Professor Flitwick machte die Pause durch und gestattete erst fünf Minuten nach dem Stundengong eine kleine Auszeit. Alle liefen aus dem Klassenzimmer. Severus war der letzte, er hatte es überhaupt nicht eilig. Draußen auf dem Gang steckten Potter, Black, Lupin und Pettigrew die Köpfe zusammen, tuschelten und schauten grinsend in seine Richtung. Die heckten doch wieder irgendeine Gemeinheit aus!
Severus zog es vor, auf den Schulhof zu gehen, doch dort war es so lausig kalt, dass er es nicht lange aushielt und zurück ins Warme strebte. Als er auf den Gang im zweiten Stock einbog, sah er an einem Ende Lupin stehen, am anderen Pettigrew und vor der Klassenzimmertür hatte sich Black aufgebaut. Potter kam aus dem Klassenraum, gab Pettigrew ein Zeichen und das Quartett vereinigte sich wieder.
Kurz vor Stundenbeginn schlenderte Severus in der Traube Slytherin-Schüler zurück an seinen Platz. Potter und sein Gefolge waren die letzten, die kamen.
Plötzlich ertönte ein Schrei. „Mein neues Federkästchen ist weg! Wer war das?“
Fragend sahen sich alle an.
„Wer ist als letztes hinausgegangen?“, fragte Professor Flitwick.
Severus meldete sich.
„Lag das Kästchen noch da?“
„Ich glaube, ja. Ich habe nicht darauf geachtet.“
„War das Kästchen noch da, als ihr hereingekommen seid?“
Lily Evans, die hinter Peggy saß, war die erste im Zimmer gewesen. Sie hatte das Kästchen nicht auf Peggys Platz gesehen und deshalb angenommen, dass Peggy es in der Pause bei sich gehabt hat. „Habe ich aber nicht. Ich habe es hier liegen lassen. Snape hat es ja noch gesehen.“
Professor Flitwick entschied: „Es ist nahezu unmöglich, dass ein Fremder in der Stunde hier auf dem Gang gewesen ist. Also muss jemand von Euch das Kästchen genommen haben.
Derjenige hat genau eine Minute Zeit, die Sache wieder herauszugeben. Danach werde ich geeignete Maßnahmen ergreifen.“
Er schaute auf die Uhr; im Klassenzimmer herrschte absolute Stille, keiner rührte sich. Sollte Potter etwa das Ding genommen und irgendwo versteckt haben? Zuzutrauen wäre es ihm.
Die Minute zog sich endlos hin. Schließlich sagte Professor Flitwick: „So. Alle Taschen auf den Tisch!“
Alle gehorchten. Mit einem Schlenker ihres Zauberstabes leerte Professor Flitwick die Taschen aus, deren Inhalt geordnet vor jedem auf dem Tisch landete.
Severus glaubte, nicht richtig zu sehen, als auf seinem Platz das Federkästchen lag.
„Ach, sieh an!“ Flitwick kam auf ihn zugestürzt. „Snape, wer hätte das gedacht.“
„Ich, ich hab´ das nicht genommen, ehrlich! Jemand muss mir das Kästchen in die Tasche gesteckt haben!“
„Wer sollte sich an deiner dreckigen Tasche vergreifen?“, höhnte Potter.
„Du zum Beispiel“, fauchte Severus.
„Mister Snape, ich bitte Sie!“ Professor Flitwicks Stimme klang vorwurfsvoll. „Ich glaube nicht, dass James Potter so etwas tut.“
„Aber ich glaube das!“, schrie Severus. „Potter und seine Gesellen haben in der Pause erst die Köpfe zusammengesteckt und dann habe ich gesehen, wie Potter aus dem Klassenzimmer kam. Black und die anderen haben Schmiere gestanden.“
„Gemeine Unterstellung!“, schimpfte Black. „Wir waren während der ganzen Pause im Treppenhaus obendrüber.“
„Stimmt nicht. Ich habe euch hier gesehen“, schrie Severus.
„Bitte Ruhe“, mahnte Professor Flitwick. „Snape, geben Sie das Kästchen zurück. Wir klären das nach dem Unterricht mit dem Direktor.“
Severus ging zu Peggy Hawkins und legte ihr das Kästchen auf den Platz. „Du gemeiner Dieb!“, fauchte sie. Severus sagte noch einmal so laut, dass alle es hören mussten: „Ich hab´s nicht genommen, ehrlich.“
„Schluss jetzt!“
Severus hoffte, dass Professor Dumbledore ihm glaubte. Der stand eigentlich in dem Ruf, erst die Tatsachen zu prüfen, ehe er jemanden bestrafte.
Geduldig hörte er sich Severus´ Schilderung an. „Wie sicher bist du dir, dass es wirklich James Potter war, der das Kästchen in deine Tasche gesteckt hat?“
„Ganz sicher.“
„Woher nimmst du diese Sicherheit?“
„Ich habe gesehen, wie Potter aus dem Klassenzimmer kam, während Black, Pettigrew und Lupin auf dem Flur herumstanden. Dann sind sie weggegangen und erst unmittelbar vor dem Stundenbeginn wiedergekommen.“
„Kannst du beweisen, dass sie das Kästchen genommen haben.“
„Beweisen kann ich es nicht, aber ich weiß, dass Potter es war.“
Das Verhör drehte sich noch dreimal im Kreis. Dann wurden nacheinander Black, Potter, Lupin und Pettigrew zum Direktor geholt. Sie sagten übereinstimmend aus, dass sie während der ganzen Pause nicht auf dem Gang gewesen waren. Dumbledore ließ die anderen Schüler zusammenrufen und fragte, wer wo gewesen war. Es stellte sich heraus, dass einige Gryffindors Severus zum Klassenzimmer hatten gehen sehen, aber niemand hatte Potter und seine Leute beobachtet.
Dumbledore sah Severus über seine Brille hinweg an. „Severus, das hätte ich von dir nicht erwartet“, sagte er in sehr traurig-vorwurfsvollem Ton. „Was wolltest du mit dem Federkästchen? Das ist doch so auffällig, dass du es nie hättest benutzen können.“
„Ich habe es nicht gestohlen! Glauben Sie mir doch endlich! Dieser Potter will mir doch nur eins auswischen!“
„Severus, mäßige dich! Niemand hat James Potter in der Pause vor dem Klassenzimmer gesehen. Statt dessen bist du gesehen worden. Das ist doch ziemlich eindeutig, nicht?“
„Scheinbar eindeutig, ja. Aber ich sage die Wahrheit.“
Dumbledore sah Severus wieder über seine Brille hinweg an. „Diebstahl wird mit fünfzig Punkten Abzug bestraft. Du kannst die Strafe mildern, wenn du bis heute Abend zu mir kommst und die Wahrheit sagst.“
„Aber ich HABE die Wahrheit gesagt!“
„Denk noch einmal darüber nach.“
Damit war Severus entlassen. Er ging vor dem Abendessen zu Dumbledore und wiederholte seine Geschichte; aber der glaubte ihm immer noch nicht und der Punktabzug blieb erhalten.
Lucius Malfoy schäumte, als er von dem riesigen Punktabzug hörte, und veranstaltete im Gemeinschaftsraum eine Art Gericht. Angestrahlt vom gleißenden Licht mehrerer Zauberstäbe musste Severus sich mit dem Rücken zur Wand stellen, während alle anderen im Halbkreis um ihn herum saßen. Haarklein musste er erzählen, was in der Pause passiert war. Immer wieder unterbrach ihn Malfoy, ließ sich Details erklären oder etwas wiederholen. Dieses Verhör war schlimmer als das von Flitwick und Dumbledore.
Endlich gab sich Malfoy zufrieden und fragte die anderen Erstklässler, wo sie während der Pause gewesen waren. Es stellte sich heraus, dass niemand dort gewesen war, wo Potter zu sein behauptete, niemand hatte ihn oder seine Kumpane nach dem Verlassen des Klassenzimmers gesehen. Dafür war Severus auf dem Gang beobachtet worden.
„Traut Ihr es Potter zu, einer Klassenkameradin etwas zu stehlen und es einem von uns in die Tasche zu stecken?“, fragte Malfoy in die Runde.
„Ja!“, antworteten alle wie aus einem Mund.
„Snape, würdest du schwören, dass du den Federkasten nicht genommen hast?“
„Selbstverständlich“, sagte Severus, zog seinen Zauberstab, hielt ihn auf der offenen Handfläche und sagte feierlich: „Ich schwöre bei dem Zauberstab, den meine Mutter gemacht hat, dass ich den Federkasten von Peggy Hawkins nicht genommen habe.“
„Das reicht nicht!“, rief Waldow Flint, „Er soll auf Slytherins Schlange schwören!“
Malfoy bedachte Flint mit einem wütenden Blick, sagte aber nach ein paar Sekunden des Nachdenkens: „Gut. Schwöre auf Slytherins Schlange.“
Severus wiederholte seinen Schwur „Auf das Symbol von Salazar Slytherin, unserem großen Vorbild.“
„Geh zu Slughorn, und erzähle ihm alles“, meinte Flint.
„Mache ich morgen; er ist nicht da.“
Dann berieten die Slytherins, wie sie sich an Potter und seiner Bande rächen konnten. Doch daraus wurde nichts. Potter nutzte die Attacken, um sein Unschuldslamm-Image zu pflegen und das verursachte noch mehr Punktabzüge für die Slytherins.
Potter und seine Gang hatten ganz schnell dafür gesorgt, dass die ganze Schule von dem Diebstahl erfuhr. Das „Dieb, Dieb, Spitzbub!“ - und „Haltet Eure Sachen fest, der Snape kommt“ - Geschrei hallte Severus in den Ohren.
Noch bevor er dazu kam, zu Professor Slughorn zu gehen, ließ dieser ihn rufen. Kaum hatte Severus das Büro betreten, prasselte ein Wortschwall auf Severus herab. Slughorn schimpfte wie ein Rohrspatz und hackte auf Severus herum wie ein Huhn auf dem Wurm.
Als der Lehrer endlich schnaufend innehielt, schrie Severus: „Aber ich habe es nicht getan! Potter hat mir den Federkasten in die Tasche gesteckt!“
Mitleidig-verwundert sah Slughorn auf Severus herunter. „Wirklich?“
„Ja, ehrlich. Ich habe nichts gestohlen. Potter ist nur darauf aus, uns Slytherins eins auszuwischen.“
Und noch einmal musste Severus alles erzählen.
Slughorn strich sich nachdenklich über seinen gewaltigen Schnauzbart. „Ich werde noch mal mit Dumbledore reden, aber ich glaube nicht, dass ich viel ausrichten kann.“
Severus durfte gehen. Selbstverständlich passierte gar nichts, außer dass am Montag wieder die „Dieb-Dieb“-Rufe hinter ihm herhallten. Sooft er auch sagte „ich war das nicht“, so viele Zettel er auch an diverse Schwarze Bretter hängte – es half nichts.
Die übrigen Slytherins gaben sich nicht mit ihm ab; sie redeten noch weniger mit ihm als bisher. Anscheinend hatte sein doppelter Schwur nicht mal sein eigenes Haus überzeugt.
Todtraurig und ziellos ging Severus über das Schlossgelände in den Verbotenen Wald hinein. Auf einer Lichtung setze er sich auf einen Stein und weinte still vor sich hin.
Plötzlich fühlte er etwas riesiges, warmes auf seiner Schulter. „He, du kannst hier nicht hocken bleiben, sonst wirst du Futter für die Thestrals. Komm mit zu mir in die Hütte.“
Severus sah hoch. Vor ihm stand Rubeus Hagrid und daneben Lily Evans. Hagrid reichte Severus die Hand, zog ihn hoch und gemeinsam gingen sie in die Wildhüterhütte. Hagrid machte Tee, den sie aus riesigen Bechern tranken, dazu gab es selbstgebackene Kekse, die klebrig waren wie halbtrockener Leim.
„So, und jetzt erzähl mal, was für einen Kummer du hast. Lass es raus, dann wird’s dir besser gehen.“
Severus schüttelte den Kopf. Er hatte keine Lust, die Geschichte nochmals zu erzählen, nur, damit man ihm wieder nicht glaubte. Lily antwortete an seiner Stelle: „Gestern hat Peggy ihren Federkasten vermisst und er kam aus Severus´ Tasche wieder zum Vorschein.“
„Was?“, fragte Hagrid irritiert.
„Potter hat mir das Ding in die Tasche gesteckt, da bin ich ganz sicher, auch wenn ich es nicht wirklich beweisen kann. Und jetzt glauben alle, ich wäre ein Dieb.“ Severus schluchzte.
Hagrid goss ihm noch einmal Tee ein. Draußen begann ein Hund furchtbar zu jaulen, Hagrid ging brummend nachsehen.
„Severus, auf Ehre und Gewissen: Hast du das Federkästchen genommen oder nicht?“, fragte Lily sehr ernst.
„Nein!“ Severus schrie fast.
Lily sagte ganz ruhig: „Ich glaube dir. James hasst dich, warum weiß ich nicht. Und ihm macht es Spaß, dich zu ärgern.“
Sie nahm seine Hand in die ihre. „Ich halte zu dir.“
Das beruhigte Severus ein wenig. Sie blieben noch eine ganze Weile bei Hagrid sitzen. Als es Zeit wurde für das Abendessen, schickte Hagrid die Kinder weg, sagte aber: „Ihr könnt jederzeit wiederkommen, wenn ihr wollt. Ich bin ganz alleine und habe gerne Besuch.“
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