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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Nur das Herz

von Teekon

Nebel kroch aus den tiefen Einschnitten in der Landschaft, waberte über die Wiesen und breitete sich zwischen den Gräsern aus, sprang von Halm zu Halm, umgarnend, mit kühlen Fingern bedeckend und umschließend, so dass sich mehr und mehr eine weiße, undurchdringliche Decke über die Mulden und Furchen legte. Saftig und dunkler wurde das Grün dadurch, ein wenig unwirklicher die milchigen Schatten unter den Aufastungen der Bäume am Waldesrand, und der Tümpel am niedrigsten Punkt der Senke schien sich in die Luft zu projizieren. Aufschießender Röhricht reckte seine schlanken, pfeilartigen Blätter in den Himmel, Ansätze von flaumig-flauschigen Kolben dazwischen, während das Laub sich stumpf und zu langsam verfärbte, um kräftige Farben – Rot und Gelb und Orange – ausbilden zu können.

Spinnweben zogen sich durch die dichten Büsche in mehreren Etagen, Baldachine aus benetzter Seide hier, ausladende Räder von Ast zu Ast dort, dicke Tropfen darin verfangen. Wenn der Wind, leise und leicht, durch sie hindurch fuhr, dass Blattwerk und Zweige raschelten, schwangen sie mit, als lägen sie auf dem Wasser eines ruhigen Sees, in den man einen Stein geworfen hatte, um sich alsbald wieder zu beruhigen. Filigrane Gebilde unter der Schwere eines wolkenverhangenen Himmels, der vorübergezogene Regen daran noch herabrinnend irgendwo am Horizont.

Ein paar wenige Vögel sangen nun wieder, hüpften über den Rasen und sammelten die Würmer auf, die sich vor den Wassermassen an die Oberfläche geflüchtet hatten. Der Garten, längst verblüht und ein bisschen verwildert, lange nicht mehr gepflegt, versprühte noch immer einen englischen Charme, kühl und dennoch reich, wo sich ungeschnittene Rosen über den weichen Rasen beugten und Rhododendron und Azaleensträucher die Grenzen ihrer Beete und Rabatten ignorierten. Ein Ensemble von hohen Nadelbäumen begrenzte die Sicht zur Straße hin, dass Hinterhof und Terrasse wohlbehütet eine Oase hinter dem Haus bilden konnten.

Es musste einmal ein wunderschöner Rückzugsort gewesen sein, das Anwesen in den Hügeln von Silverdale, wie es sich zwischen die Hänge schmiegte und dennoch über das Land zu schauen vermochte. Ein ehemaliger Teil des Nationalforstes musste das sein, Ausläufer unregelmäßig wie Finger in die Landschaft greifend, zwei davon die parkähnliche Anlage umfassend, dass der Teich, mehr ein Pfuhl, tief und voller Unken, sich in die Kuhle zwischen den Grundknöcheln kuschelte. Dahinter, über und jenseits der Wipfel von kraftvollen Buchen, mächtigen Eichen und schlanken Birken hinweg, fiel die ganze Gegend ab, und Felder wurden von Hecken durchzogen, bis die Spuren von Tagebau die Grasnarbe aufrissen.

Das Dorf im Nordosten versteckte sich vollständig hinter den Kappen der beiden größeren Aufwerfungen, kegelförmige Gipfel, bedeckt von Wald und Strauchwerk, und die Straße stieg treppenförmig zu ihnen auf. Weit und breit gab es kein anderes Haus, nur dieses, im georgianischen Stil erbaut mit Erkern und Schornsteinen, die sich vom roten Backstein abhoben. Moos wuchs nun auf den Ziegeln; die ehemals weißen Einfassungen aus Stein und die lackierten Rahmen von Fenstern und Türen waren abgesplittert und von Flechten und Schmutz abgestumpft. Noch waren alle Scheiben vorhanden, schauten sogar Vorhänge und Gardinen dahinter hervor, doch waren die Stufen zum Eingang glitschig und ausgetreten. Hier hatte seit vielen Jahrzehnten niemand mehr dauerhaft gelebt.

Es machte nichts. Die Räume waren trocken und möbliert, gar nicht mal schäbig, und die Vliestapeten, Jacquard aus der Restaurationszeit, blätterten nicht von den Wänden. Sogar Zug war noch auf den Kaminen, und zu heizen war gut. Das war ein Fortschritt, ein gewaltiger, und die Gegebenheiten sollte man nutzen, solange man irgendwie konnte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie hier den Winter erleben können. Doch irgendwie bezweifelte Lily Potter, geborene Evans, dass es dazu kommen würde. Aber jetzt nicht daran denken. Die Verschnaufpause genießen, zur Ruhe kommen, sich zumindest eine Weile lang sicher fühlen und so etwas wie Alltag, wie Vertrautheit aufbauen. In diesem Landstrich, keine 20 Meilen vom Tyne entfernt, sollte das möglich sein.

Den Kopf schüttelnd, schwang sie den Zauberstab erneut in der immer gleichen Bewegung, ein Kringel im Uhrzeigersinn, ein Schwung in die andere Richtung, und das winzige Leibchen aus makellos weißem Baumwollstoff kreuzte die Ärmelchen und faltete sich ineinander, ehe es auf den Stapel fertig zusammengelegter Wäsche hinüber schwebte und die auch auf der Flucht unvermeidliche Hausarbeit ein Stück mehr bewältigt war. „Es ist unfassbar,“ befand sie und wischte sich mit der freien Hand kurz über die Stirn, als wäre es nicht nur ermüdend, sondern vor allem schweißtreibend, ein kaum eine Unze wiegendes Holz hin und her zu bewegen.

Der viel zu dürre Kerl, der sich in den knirschenden Rahmen der Metallstreben lehnte, grinste breit und biss sich auf die Lippe dabei, vorsichtig darauf bedacht, das Glas des Wintergartens nicht zu sehr zu belasten. Angebaut an den Block der Villa, so dass ein krüppeliges L am nördlichen Ende des Hauses entstanden war, ragte die Konstruktion in sich schälendem Weiß mit darunter hervortretendem Stahl in das noch immer watteweiche Grün des einstmals perfekten englischen Rasen hinein. Einzelne Ranken der früheren Bepflanzung klebten noch an den Pfeilern, ihre verdorrten Strünke in einem schmalen Streifen Erde an den Außenwänden übrig geblieben. Auch hier jedoch kein Loch in den Scheiben, keine Splitter herausgebrochen, und angenehmes, gedämpftes Herbstlicht drang durch die Wolken hinein. Schön war das. Ein bisschen heller als die vergangenen Tage. Und vor allem angenehmer als ihr letztes Versteck. Weder Lily noch ihr Besucher wollten daran zurückdenken.

„Wie ist das möglich, Remus, sag's mir!“ verlangte sie allen Ernstes und rollte mit den Augen, einen weiteren Stapel an Lätzchen, Stramplern und Hemdchen in einen Weidenkorb befördernd. Wenn man ehrlich war, sah das wirklich aus, als führe sie ein ganzes Kinderheim, aber er hielt besser den Mund und schmunzelte nur wortlos. „Wie schafft es ein einzelnes Baby, sich jedes Mal so dermaßen voll zu schlabbern?“ beendete sie ihre Tirade und breitete präsentierend die Arme aus, um das Gesamtausmaß ihrer Waschaktion zur Schau zu stellen.

Der Verursacher des ganzen Chaos lag friedlich und unschuldig in einem Stubenwagen, strahlend Weiß das Laken und seine Kleider, wo Harry an seinem Ärmel kaute und wie nebenbei trocken ausprobierte, wie man gezielte Tritte in den Allerwertesten verpasste, auch wenn gerade keiner zur Verfügung stand und er dazu viel zu klein war. Seine hübschen, schauderschönen grünen Augen suchten dabei das Innere seiner kleinen Behausung ab, als wäre die Spitze das spannendste Programm, der kleine Mann munter brabbelnde Geräusche von sich gebend, dass er hin und wieder auf sein Kissen sabberte. Stören tat ihn das nicht sonderlich.

Den Kopf schief legend, wappnete sich Remus Lupin gegen die Rache einer Mutter und verschränkte die Arme vor der Brust, die Achseln zuckend. „Wenn du mich so fragst,“ startete er einen Versuch, „ist er einfach blind wie ein Niffler.“ Und damit duckte er sich halb in sich selbst und feixte schon, auch wenn das gar nicht mal rein als Witz gedacht gewesen war. Augenblicklich, nur halb ausholend, um ihren besten Freund zu bestrafen, knickte Lily ein und schaute ganz mitleidig und enttäuscht drein, ehe sie laut seufzte. „Ja,“ meinte sie resigniert und berührte nur sanft mit den Fingerspitzen eine widerspenstige schwarze Strähne auf des Kindes Oberkopf. „Vermutlich hast du recht und er kann genauso weit gucken wie James.“ Nur noch mehr grummelnd ob dieses Schicksals führte sie an: „Von der Wimper bis zum Brillenbügel.“ Remus grinste nur noch breiter.

Lily quiekste und hob kurz die Schultern, die Beeinträchtigung ihres Sohnes beiseite wischend und sich über das Bettchen beugend, um ihn sanft mit der Nase zu streicheln. „Aber sonst kommst du auf die Mama raus, nicht wahr, Harry?“ wollte sie von dem armen Säugling bestätigt bekommen, dass er die sonstigen Unzulänglichkeiten des James Charlus Potter nicht geerbt hatte, und beiden Erwachsenen fielen ein paar derbst peinliche Momente aus der Regentschaft des Königs von Absurdistan ein, bei denen man nicht wusste, ob man hysterisch lachen oder im Erdboden versinken sollte. „Du bist nicht so ein Hirsch wie dein Vater, nicht wahr, mein Schatz?“ Und es klang eher wie ein verzweifeltes Gebet denn wie eine Feststellung, und dieses Mal musste Remus lauthals losbrüllen, dass sie sofort einfiel. OK, OK, die Zweideutigkeit war einfach zu köstlich.

Offenbar begeistert von diesem Konzert aus Fröhlichkeit, quietschte der Junge so hochfrequent, er hätte einer Fledermaus Konkurrenz machen können, und mit einer ruckartigen Bewegung führte Harry sämtliche Gliedmaßen zusammen, als wolle er mit Händen und Füßen Klatschen. Er mochte das, wenn die Zwei lachten. Das war wie Musik für die winzigen Öhrchen.

Sich wieder einigermaßen fangend, beförderte Lily die nun endlich erledigte Wäsche gänzlich beiseite, stemmte eine Hand in die Hüfte und stützte sich mit der anderen auf der ehemaligen Pflanzbank ab, die sie zur Verrichtung ihrer Hausarbeit herangezogen hatte. Mit einem kurzen, aber gründlichen Ratzeputz war die wieder in Schuss gewesen, aber für das Baby brauchte sie etwas mehr, wollte ihn auf keinen Fall in noch so einem schimmligen, muffigen Zimmer untergebracht haben wie die vergangenen Tage. Ihren Gast von der Seite und schräg unten her anschauend, konnte sie den schiefen Knick in seinem Mundwinkel, mittlerweile so gut verborgen von einem stoppeligen Dreitagesgestrüpp auf den Wangen und dem Kiefer – zusätzlich zu Lippen- und Kinnbart – nicht übersehen.

„Hast du mir was mitgebracht?“ erinnerte sie ihn, und die Brauen hochziehend, dass man die Erleuchtung hinter seiner Stirn regelrecht nach außen sichtbar machen konnte, richtete Remus sich auf und langte in die Seite seines langen Trenchcoats. Im kälter und windiger werdenden englischen Herbst war das immer noch das beste Kleidungsstück. „Oh, ja!“ bestätigte er, was sie schon dazu veranlasste, sich die Hände zu reiben, während er ein ordentliches Bündel grau-grüner Stängel mit Scheinquirlen in Blaulilaviolett daran zu Tage förderte und es ihr feierlich überreichte. „Bitte sehr, Ma'am,“ verbeugte sich Lupin, aber vielleicht tat er das auch nur, damit sie sich nicht so recken musste. „Lavandula angustifolia oder Lavandula officinalis, im Volksmund bekannt als Englischer Lavendel, frisch vom Blumenmarkt in der Columbia Road, Shoreditch, London, ganz wie bestellt.“

Zu gerne wäre sie auf der Stelle gehüpft wie ein kleines Mädchen mit blonden Ringellöckchen, so wie Mafalda Gainsworth vor einer riesigen Schüssel mit Plumpudding als 11jährige in der Großen Halle, doch sie konnte sich zusammenreißen. Ein freudiges, klitzekleines „weeh!“ musste Lily dennoch von sich geben, wie sie die Pflanzenteile an sich nahm und sofort ihre Nase darin versenkte, um den so wundervollen, charakteristischen Duft bitter-würziger Trockenrasen in der Sonne einzusaugen. Auf kräftiges Aroma hatte er geachtet, wie sie ihn gebeten hatte, und die Augen schließend träumte die Tränkemeisterin schon von dem reinigenden Elixier, das ihrem Sohn eine heimeligere Schlafstatt herrichten sollte. „Den mag ich am liebsten,“ schwärmte sie so leise, es war eher für ihre eigenen Ohren bestimmt als für seine.

Remus hatte sie dennoch gut gehört, und er ließ sich langsam wieder gegen die Scheibe und den kalten Stahl in seinem Rücken gleiten, das Grinsen in sich zusammen schrumpfend, zurück zu zärtlichem Lächeln. „Ich weiß,“ flüsterte er zufrieden und freute sich darüber, ihr diesen Wunsch erfüllt zu haben. Viel zu selten sah man sie dieser Tage mit sanft rosé gefärbten Wangen und glänzender Regenbogenhaut. Sich räuspernd schüttelte er beide Gefühle ab und beugte sich wieder vor, dieses Mal nur den Kopf auf dem Hals vorwärts schiebend wie eine Taube, die um eine Ecke schielen wollte. „Kommst du damit eine Weile aus?“ erkundigte er sich, ob auch die Menge ihren Vorstellungen entsprach.

Ohne zu zögern nickte Lily Potter, brauchte sie doch pro Flacon vielleicht gerade mal eine der Blütenrispen, und erst danach dämmerte ihr, warum er das wissen wollte. Ihre Stirn verdunkelte sich zaghaft; im schwachen Licht des nebligen Nachmittages in dem lange nicht mehr geputzten Wintergarten fiel es kaum auf. Er aber bemerkte es, kannte sie zu gut, um es zu übersehen. Wann er das nächste Mal so etwas Banales tun würde wie einen Blumenmarkt zu besuchen, das würde keiner von ihnen beiden abmessen können. Und Lily wusste auch genau, dass sie ihn von seinem Vorhaben nicht abbringen würde. Das hieß nicht, es auch sang- und klanglos hinnehmen zu müssen, nicht erneut protestieren zu dürfen. Und war es nur als ständiges Nörgeln.

„Ich bin immer noch nicht begeistert davon,“ musste sie nicht einmal erklären, was genau sie meinte, und noch bevor sie ausgesprochen hatte, war diese so bekannte, halb mitleidige, halb beschwichtigende Miene in seinem Gesicht, die so viele schon zur Weißglut getrieben hatte. „Es ist eine einmalige Chance,“ führte er sein bestes Argument zuerst an, das auch sie nicht hatte wegwischen können, und das sie ebenso sah. Ein verstohlener Blick auf das noch immer glucksende Kind in der Wiege legte eine salbungsvolle Decke auf ihr Herz. Für Harry, OK. Solange nicht für sie. Das könnte sie nicht ertragen. Ach, natürlich auch für sie. So schrecklich. Noch ehe sich das Wasser in den Augen sammeln konnte, schluckte sie es herunter, damit er es nicht sah, wenn sie sich wieder zu ihm herumdrehte.

Nur so konnten sie mehr erfahren, nur auf diese Weise war es ihnen möglich, in die Strukturen von Voldemorts Machtbereich einzudringen und zumindest im Kleinen, vielleicht sogar nur gerüchteweise, Informationen zu beschaffen. Ja, Dumbledore hatte seinen Spion, seinen Doppelagenten, wer auch immer das sein, wie auch immer man sich das vorstellen mochte, augenscheinlich im engsten Kreis um den schrecklichen Schwarzmagier, doch das war eine äußerst heikle und gefährliche Lage, in der man sehr vorsichtig und mit Bedacht herum stochern und umher tapsen musste, um nicht aufzufliegen, und so floss das Material spärlich und ausgesucht, und wie viel davon der Meister des Phönixordens ihnen wirklich zukommen ließ, das stand in den Sternen. Und – das wusste niemand so gut, das konnte keiner so wunderbar nachvollziehen wie Lily – eine solche Unwissenheit ertrug Remus Lupin nur schwerlich. Erst recht, wenn ihm eine eigene Tür offen stand.

Erneut seufzend, die Sorge nun offen in ihrem Gesicht schwimmen lassend, gab sie sich endgültig geschlagen. Zumindest, was das Grundunterfangen anbelangte. „Wenn du wenigstens die Jungs im Rücken hättest,“ erinnerte sie noch einmal, „wäre ich viel beruhigter.“ Backup, einen Rückzugsplan, eine von Moodys Spezialgrillen zum Beispiel, irgendwas, womit er sich Sirius und Peter zu Hilfe rufen konnte, doch dafür müsste er sie erst einmal in Kenntnis davon setzen, was er da vorhatte, und das hatte und würde er nicht tun. Sie wusste, wieso. Den Kopf schüttelnd, nur noch intensiver dieser Blick aus verständnisvollem Entgegenkommen, sprach er es aus: „Ich kann es ihnen nicht sagen, solange wir nicht wissen ...“ Wer der Verräter war.

Sie beide hassten das, sie alle, nicht zu wissen, nicht sicher sein zu können, was für ihre Herzen unumstößlich war. Dass niemand, kein einziger von ihnen aus diesem erlauchten Kreise der fünfeinhalb Helden von Soho, der Könige von Hogwarts, ein Heuchler sein konnte. Sie an Voldemort zu verkaufen, das ging einfach nicht, das war so unrealistisch und unmöglich wie die Umkehr von Gramps Gesetzen. Weil es nicht um einen Streich auf den Gängen und Fluren ging, nicht um eine grell leuchtende Lampe, die 'FILCH STINKT!' förmlich schrie, nicht um explodierende Kürbisse voller Stinkbomben. Es ging um Freiheit. Um Leben. Um Überleben. Und dennoch musste es so sein. Denn nur sie, sie und die Longbottoms, hatten gewusst.

Nicht einmal James durfte es wissen, würde er doch niemals einen Grund sehen, irgendetwas vor Sirius geheim zu halten. Und was Sirius wusste, das würde auch Peter erfahren, egal, wie dicht Black zu halten wusste, wenn es nötig war. Damit wieder alles zerstört. Und außerdem. Aus den tiefen Taschen seines Trenchcoats beförderte Remus das kaum pflaumengroße Etwas aus Messing und Magneten heraus und schüttelte es in seiner langgliedrigen Hand, dass Lily das feine Tickern der Kompassnadel hören konnte, das singende Schwirren der Zahnräder im Innern. „Vergiss nicht: Ich bin nur einen Ruf entfernt.“

Lily konnte nicht anders. Der Impuls war so heftig und so schmerzhaft im selben Atemzug, dass sie regelrecht sprang, sich an ihm hochzog und den linken Arm um seinen Nacken schlang. Im Reflex fing er sie auf und drückte sie fest, die zarte Wange an seinem rauen, stoppeligen Hals, und Remus musste die Augen schließen und so kräftig schlucken, der zuschnappende Kehldeckel übertönte ihr feines Schluchzen. Es war nicht fair, ihr dieses abscheuliche Bangen und den Kummer, die tatenlose Hilflosigkeit zurückgeben zu müssen, mit der er sich nun herumgeschlagen hatte seit Dumbledores Ankündigung in Godric's Hollow, doch wollte er ausbrechen aus seiner Verzweiflung, musste er irgend etwas tun. Und das hier war es nun mal.

Die innige Umarmung, zwei beste Freunde mit einem Fleck auf dem Herzen des anderen, hielt einen Tick länger, als sie sollte, bis sie sich von einander lösten. Startschuss. Jetzt musste er gehen. Lily verharrte auf ihren Zehenspitzen, die eine Hand mit zwei Fingern und dem Daumen noch an seinem kratzigen Kieferwinkel, Nilgrasgrün und Mondsilbergrau einander musternd, als müssten sie sich die Gestalt, die Züge, jede Sommersprosse, noch einmal einprägen. Nur für den Fall, dass es das letzte Mal war, dass sie einander sahen. „Pass auf dich auf,“ bat Lily leise und deutete mit dem Kinn über ihre Schulter. „Wir brauchen dich noch.“

Ihrem Blick folgend, fand er den zufrieden strampelnden Jungen in seinem Stubenwagen, und er musste so verklärt lächeln ob dieses Bildes, dass er die Lippen in seinem Mundwinkel kaum spürte. Nicht das erste Mal. Und alles, was darin steckte, schon lange in die Seele gemeißelt. Sich völlig aufrichtend, versenkte Remus die Hand mit dem Kompass in der Tasche seines Mantels, und ihr nur zunickend, verabschiedete er sich wortlos. Egal, was ihn da unten am Pier erwartete, er würde wiederkommen.

Sich am nackten Metall des Wintergartens um die Ecke ziehend, trat er auf den Hof hinaus, und mit ein paar wenigen Schritten seiner langen Beine war er über den Kies und auf der Straße und damit außerhalb ihres kleinen Schutzschildes, das James in mühevoller Arbeit noch aufbaute. Ein peitschender Knall – appariert – und er war fort.
Lily blieb zurück und seufzte noch einmal, konnte sich kaum daran gewöhnen, dass Tropfen versiegten Regens das einzige Geräusch war, was nun an ihre Ohren drang. Erst Stück für Stück kehrte die Welt zurück, die Vögel, Harrys Brabbeln und das Rascheln seiner Decke, die harschen, schrillen Schritte von James Potters Lederschuhen auf dem nassen Gras.

Sich bückend, schob die junge Mutter das Bündel Lavendelblüten unter den Henkel des Weidenkorbes, in dem sie die Wäsche ihres Babys verstaut hatte, während ihr Ehemann zu ihr unter den Schutz des schmierigen Glasdaches trat, und hätte sie sich herumgewandt, wären ihr vielleicht die eisig weißen Knöchel aufgefallen, die rotglühendes Mahagoni so fest umklammert hielten, dass sich das Holz darunter verbog. „Pack zusammen.“ Sie hörte ihn erst gar nicht recht.
Festwurzelnd, wie die Bedeutung der Worte an ihr Hirn drang, stützte sich Lily auf ein Knie und schwang den Kopf in seine Richtung, dass ihr kupferfarbenes Haar in ihr Gesicht flog, und wie durch einen Vorhang nur sah sie ihn da stehen, vornübergebeugt wie der Glöckner von Notre Dame von der Last der Flucht, des Krieges, des Verrats. „Was hast du gesagt?“ bat sie tonlos um Wiederholung, entgeistert, und James' Zähne knirschten wie feuchte Kreide auf Schiefer. „Wir müssen gehen,“ presste er dazwischen hervor. Und damit stemmte er sich förmlich vorwärts, schoss sich selbst wie einen Torpedo aus der Halterung in das Innere des Hauses ab, um ihr Zeug zu holen.

Und wieder blieb Lily mit Harry allein, der die Aufregung nicht mitkriegte und die merkwürdige Stimmung seines Vaters weder sehen noch verstehen konnte. Die harten Augen hinter kühlem, geschliffenem Glas. Gerade erst das Hexia salvia rund um das Anwesen gelegt. Woher er gewusst hatte, dass sie hier waren? Wusste er nicht. Von ihr? Hatte sie es ihm gesagt? Wie? Er hatte keinen Schimmer. Und er wollte nicht fragen. Und konnte nicht. Weil es nagte und biss und wieder brannte wie Feindfyre, wie damals, nun schon so lange besänftigt, wieder heiß und mächtig. Denn er mochte ohne seine Brille nicht weiter gucken können als bis zu seiner eigenen Nasenspitze. Aber James Potter war nicht blind. Nicht die Augen.


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Jo Rowling verlangte nicht von mir, den Roman buchstabengetreu umzusetzen, sondern eher dem Geist der Bücher gerecht zu werden.
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