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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Zurück

von Teekon

Kein Licht. Die Fenster waren alle dunkel, so weit das Auge reichte, die Straße hinauf wie hinunter. Straßenlaternen glommen zwischen den geparkten Autos, und in den von Grün überquellenden Vorgärten zirpten die Grillen ihre kleine Nachtmusik. Der Regen der vergangenen Tage hatte sich verzogen, langsam nur trockneten die Pfützen auf dem holprigen Gehsteig. Wärmer jedoch war es geworden, eine Glocke über die große Stadt an der Themse gelegt, ein watteweicher Schutzschild aus Flaute, und sacht noch raschelten die Blätter der niedrigen Bäumchen, die sich an die Wände der Reihenhäuser schmiegten.

Kein Wagen fuhr, kein Motor tuckerte leise in den umliegenden, schmalen Straßen und engen Gassen, und kein Schuhwerk klapperte über löchrigen Asphalt und unebenes Pflaster. Penge schlief friedlich, so friedlich wie es nur konnte in diesen Zeiten des Krieges, von dem in der Chaffinch Lane niemand etwas wusste, abgesehen von den paar wenigen Seelen, die hinter der Tür von Nummer 27 wohnten. Schwere Vorhänge zugezogen an den Scheiben des Salonfensters, das zur Straße hinausschaute, und auch oben, im ersten Stock, konnte man in der Gaube keine Regung entdecken.

Merkwürdig ruhig, ohne bedrohlich zu wirken, präsentierte sich der ganze Vorort. Ein Flugzeug überquerte in steilem Sinkflug die Siedlung und zog einen Kondensstreifen hinter sich her, die Positionslichter an den Tragflächen aufleuchtend in stetem Rhythmus, als wollten die Sterne Morsezeichen geben. Mit dem Kopf weit im Nacken beobachtete er dieses so alltägliche Schauspiel, fragte sich einmal mehr, wie es angehen konnte, dass etwas so Schweres flog. Ganz ohne Magie. Der Zauberstab, den er dazu in den Fingern drehte, schien es genau so wenig zu begreifen.

Lächerlich musste er aussehen, befand er, noch immer das Gesicht zu den Sternen erhoben und den Mund offen, wie er da mitten auf der Fahrbahn verharrte in einer langen, fast schleifenden Robe aus schwarzem Wollstoff, der Jahreszeit nicht gerecht werdend. Der Knick aus dem Rückgrat, der war verschwunden, die Arme hingen nicht mehr so schlaff und kraftlos, jedoch konnte er sich nicht dazu aufraffen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Zuhause. Angekommen.

Oh nein, kein Rückzieher. Er wollte tun, weswegen er gekommen war. Hinein gehen. Und nie mehr gänzlich heraus. Doch was sagen? Das Chaos fort, die gleiche, seltsame Stille und Beschaulichkeit wie ringsherum, breitete sich auch zwischen seinen Ohren aus, sickerte tiefer und erfüllte Brust und Herz und ließ die Seele zurück wie die weite Weidelandschaft Mittelenglands, schwer von vergangenen Regentropfen, dabei klar und reingewaschen und frisch, als wäre jedes einzelne Blättchen, jeder Halm, jede Blüte, gerade erst aufgesprossen und hätte sich sofort zu voller Pracht entfaltet. Echt und real. Er nahm einen Atemzug bis hinunter in die hintersten Winkel seiner Lungen und spürte die gleiche herbe Mischung aus Kräutern – Minze und Nessel und Schafgarbe – als würde er sie wirklich riechen.

Wie die Hügel seiner Heimat, so fühlte er sich. Traurig irgendwie in ihrer fortwährenden Melancholie, dem Nachhall alter Heldensagen und lang verblasster Erinnerung, dabei doch so lebendig und atmend, die Verheißung neuer Tage und anderer Geschichten immer schwebend in wabernden Fetzen dünnen Nebels, in dem sich die Sonnenstrahlen spiegelten, wenn sich das Gestirn durch die Wolken schummelte. Ein Menschenherz wie die Erde, aus der es stammte. Die Erkenntnis darüber, wie wahr gesprochen solche Worte waren, drang an so viel mehr als das bloße Bewusstsein.

Man konnte so sein. Ja, vielleicht musste, sollte man so werden, war das ein Teil des Kreislaufs und ein hehres Ziel auf dem gewundenen Weg zu sich selbst. Eine Quelle am Rastplatz. Der Gipfel nicht mehr weit und in Sicht, so dass die Schritte leichter wurden und die Last nicht mehr so niederschmetternd auf den Schultern wog. Dass man sich aufrichten konnte. Jeder einzelne Wirbel in seinem Kreuz drückte sich davon in eine geradere Position, und Gardemaß schlich sich in die Silhouette.

Was vergangen, war vorüber und dennoch präsent. Würde es immer sein. Weil es ihn zu dem gemacht hatte, der er nun hier stand. Ein weiteres Mal am Scheideweg. Ja, er hatte verloren. Immer wieder und so viele Male. Und vielleicht würde er wieder und wieder. Vielleicht auch nicht. Da waren noch ein paar Kurven und ein paar Felsdurchtritte voraus. Sollten sie kommen, sollte er zu ihnen kommen. Er sah sie nun mit anderen, mit klareren Augen. Sie waren nicht fort, all die Schrecken und Schwierigkeiten, die er sich ausgemalt hatte in immer graueren, eintönigeren Farben in den letzten Tagen besonders, aber der Dunst hatte sich gelichtet. Und in hellem Sonnenschein waren ihre Schatten nicht mehr so grausig, nicht mehr so drohend, nicht mehr so hoffnungszerschmetternd.

Um das zu erkennen, hatte er Hilfe gebraucht. Nie gut darin gewesen, sich anderen anzuvertrauen, selbst seinen besten Freunden nicht, niemanden belasten, niemanden mit hinabziehen in das Elend, das die entsetzlichen Fänge eines Monsters in das Fleisch eines Kindes geschlagen hatten, war es ihm nicht möglich gewesen, darum zu bitten. Ein Außenstehender, jemand, dem er es abnehmen konnte, ohne jeden Zweifel über all das erhaben, ohne emotionslos zu sein. Wer besser als Großvater? Ein Lächeln stahl sich in seine Züge, wie er an ihn dachte, an ihn und dieses göttliche Strahlen in seinen Augen. Mein Geschlecht stirbt nicht aus.

Ein Kind. In einen Krieg hineingeboren. In die Zweite Große Dunkelheit des Lord Voldemort, dessen Namen man nicht einmal mehr flüstern konnte, selbst wenn man es sich getraut hätte. Keine Aussicht auf Frieden, keine Aussicht auf Zukunft, nicht einmal greifbare Hoffnung, einen Sieg davon tragen zu können. Ein Kind. Hatte es jemals eine schlechtere Zeit gegeben, Leben zu schenken? Nein. Niemals eine bessere.

Harry. Neville. Ron. Hermine. Luna. Sie alle waren zur Welt gekommen in einem, in zwei Jahren so finsterster Bedrängnis, dass niemand erwartet hätte, sie auf dem Bahnsteig zu sehen an jenem 1. September 1991. Und doch waren sie alle gekommen. Voller Leben. Lachend. Stark und unumstößlich und gut. Welch Vorstellung, ihre Eltern hätten sich geziert. Remus Lupin, so wie er da stand vor einem verbeulten, himmelblauen Mini Cooper, ertappte sich dabei, wie er leise lachte. Leise, aber befreit. Die kreidebleiche Wand, die James damals imitiert hatte in seiner Küche in Godric's Hollow, die würde er nie vergessen. Und ihn, nicht mehr zerreißend vor Schmerz, sondern liebevoll erinnernd, zog er die Schultern zurück und verschaffte sich mehr Raum zum Atmen.

Eins nach dem anderen. War es nicht schon damals so gewesen, genau so? Erschreckend, wie es klang, wie es früher auch geklungen hatte, so erleichterte jemandem wie ihm der Krieg doch alles. Wenn er kämpfen musste, brauchte er keine Arbeit suchen. Wenn er sich sowieso verbergen musste, gab es keine demütigende Bittstellerei bei irgendeiner Registrierungsbehörde. Und solange er einen Feind hatte, den zu besiegen all seine Kräfte erforderte, waren Hunger und Schmähung und der Schmerz des vollen Mondes nur einzelne Symptome der grimmen Krankheit Krieg. Es schob nur auf, ja, mochte schon sein. Aber es war so gegenwärtig, so ausfüllend, dass man im Hier und Jetzt leben konnte, leben musste, alles danach vergessen durfte.

War es nicht auch damals schon irgendwie albern gewesen? Als wenn sie ihn im Stich gelassen hätten. Als wäre er aus dem Netz ihrer unglaublichen Freundschaft heraus geplumpst wie aus der Hängematte am Gartenzaun zu Mrs. Hubbablubbs Grundstück. Ein Job bei Black. Aufträge von Potter. Immer eine offene Tür. Seinen Stolz in den Arsch getreten hätten sie. Und Pete, armer, alter Pete, stets dabei. Hätten sie nur die Chance dazu gehabt. Und heute? Ohne sie? War er jetzt allein? Er schüttelte tatsächlich den Kopf, als spräche er mit sich selbst, als wäre da jemand, mit der sich darüber unterhielt. Hier, in diesem so simplen, so wenig besonderen Häuschen aus Backstein mit den übereinander gezimmerten Streifen Dachpappe als Schindelersatz oben drauf, lebten Menschen, die ihn genauso wenig fallen lassen würden.

Er schämte sich, und wie er sich schämte, dass er es in Erwägung gezogen hatte, dieses Angebot mit Füßen zu kicken. Doch das drückte nicht mehr nieder, das durfte es auch gar nicht. Dazu stehen. Einen Fehler begangen, beinahe noch viel größer als von sich aus schon. Es ausbaden, mit allen Konsequenzen. Das erschien ihm gar nicht mehr so abwegig und schwierig. Und obwohl es ihm einen Haufen Flusskiesel in den Brustkorb zu füllen schien, schreckte er davor nicht mehr zurück.

Was ihn erwartete, da drinnen, das war ihm bewusst. Oder zumindest konnte er sich ein gutes Dutzend Szenarien vorstellen. Keines davon war sehr erbaulich oder einfach, keine dieser Möglichkeiten behagte. Und dennoch sehnte er sie herbei. War es nicht auch so gewesen vor wenigen Wochen noch, als es schlussendlich unumgänglich geworden war, ihrer Familie zu eröffnen, was für sie beide zur Gewissheit geworden war? Dass sie zusammen gehörten, auf Gedeih und Verderb? Er musste prusten und den Kopf zur Seite drehen, um das heftige Ziehen in Höhe des Zwerchfells zu ertragen. Nein, leugne es nicht mehr, belüg' dich nicht mehr selbst, um dir die Verantwortung abzunehmen.

Mochte noch so viel Wahrheit hinter all dem stecken, was er gesagt, gedacht und geglaubt hatte. Klar war's leichtsinnig und fahrlässig für jemanden wie ihn, einfach mal so Vater zu werden. Sowas war nie zuvor geschehen. Was konnte aus so einem Kind werden? Na und? Was konnte alles schiefgehen, wenn ein Haufen herumblödelnder 14jähriger den Ysbridion-Zauber ausprobierte? Hatte ihn das damals irgendwie interessiert? Und war er nicht derjenige gewesen, der das – so mir nichts, dir nichts – durchgezogen hatte, obwohl seine Freunde viel zu bescheuert waren, den Ernst der Lage zu kapieren?

Hatte sich Christoph Columbus überlegt, was er anstellen würde, wenn die Erde nun doch eine Pizza gewesen wäre? Oder der Typ, der das erste Feuer gemacht hatte? War dem in den Sinn gekommen, dass er vielleicht das halbe Dorf abfackeln könnte? Und wenn schon! Was war das schlimmste, das wirklich allergrausamste, das passieren konnte? Dass dieses Kind, Doras hübsches Lachen und seine Augen, ein Wolf sein würde. So wie er. Jeden Monat wieder diese aussichtslose Hilflosigkeit, dieser erbärmliche Verlust seiner Integrität, das wundersame Prickeln von Tautropfen an empfindlichen Pfoten. Was dann? Es, sie, er – er? Er – würde lernen müssen, damit umzugehen, die Zeichen deuten, den Kalender abstreichen, die besten Orte finden, um die Vollmondnacht zu verbringen, die Wunden zu pflegen, die man sich zuzog. Und wer, ja, wer würde ihm das besser beibringen können als sein eigener Vater?

Die Annahme, das hätte sie allein hinbekommen, ohne hin, dass sie es überhaupt nur versuchen müssen sollte, wie geistlos und schlicht dumm. Natürlich hätte sie. Aber sie sollte nicht. Sich aus der Affäre ziehen wie ein gewisser Thomas Riddle. Der Vergleich war übertrieben, das wusste selbst er jetzt, wo er die ganze Schäbigkeit in seinem Verhalten mit entdecken konnte, und dennoch sträubten sich ihm die Nackenhaare dabei. Nein, so nicht. Wenn es so sein sollte, wenn ihr gemeinsames Baby sein Schicksal teilen musste, dann würden auch sie beide dafür gerade stehen und es um Vergebung bitten dafür, dass sie sein Leben, so wie es war, nicht nur in Kauf genommen, sondern gewollt hatten.

Das anschwellende Hu-huhu-hu-hu einer Eule drang zu ihm herab, der er immer noch mit dem Kinn nach oben in den Nachthimmel starrte, ohne wirklich die träge darüber hinwegziehenden dünnen Wolken wahrzunehmen, die einen Wetterumschwung einläuteten. Danach großartig zu suchen brauchte er nicht, entdeckte alsbald das wuschelige Federknäuel mit dem hellen Gesichtsfeld zwischen den beiden runden Schornsteinen auf der Esse des Hauses. Der Bote der Familie, Hobnail, frei wie der Wind und nie da, wenn man etwas zu verschicken hatte, saß mit schiefgelegtem Kopf und betrachtete den Mann auf der Straße, wartete geduldig auf eine Antwort auf seinen Begrüßungsruf.

Am liebsten hätte er gelacht. Der Raufußkauz war ihm nicht böse, schlug nicht mal mit den Flügeln aus. Wahrscheinlich hatte er gar nicht bemerkt, dass Remus überhaupt fort gewesen war. Die Hand hebend, der Zauberstab noch immer umschlungen von Ring- und kleinem Finger, winkte er dem Vogel vorsichtig zu, und mit einem weiteren Hu-huhu hüpfte Hobnail ungeschickt davon in Richtung seiner Baumhöhle im Garten, vollauf zufrieden. Ja, die Eule hatte recht. Zeit, ins Haus zu gehen.

'Was macht dein Pa?' 'Nichts.' 'Was kann dein Pa?' 'Nichts.' 'Was ist dein Pa?' 'Nichts.' Nichts? Vielleicht. Ja, vielleicht. OK. Dann eben nichts. Tja. Da blieb nur eine Lösung, nicht wahr? Dann musste er eben etwas werden.

Nur noch eine einzige Last, eine Sorge, hing wie ein Mühlstein an seinen Füßen, als Remus Lupin die fleckigen Oxfords dazu bewegte, ihn vorwärts zu tragen. Zwischen dem Mini und einem Vauxhall, der so verrostet war, man hätte den Lack als Kunstwerk versteigern können, schritt er hindurch und auf den zu hohen Bürgersteig, dessen Abschlusssteine heraus standen wie die Abbruchkanten der Klippen von Dover. Das winzige Gartentörchen in der niedrigen Begrenzungsmauer fehlte schon seit Jahren, führte ihn über den schmalen, kurzen Weg aus Tritten hinauf zur Haustür, und der Zauberstab im Ärmel gewährte ihm Einlass wie eh und je. Und dann war er drinnen, und das Schloss fiel leise klickend zu und sperrte die Sommernacht draußen aus.

Der Flur war dunkel. Zu seiner Rechten eilte die Treppe so steil nach oben, man konnte das Ende nicht sehen, auch wenn er wusste, dass sich dort der Durchbruch zum hinteren Abschnitt des Obergeschosses befand, dass es zu Bad, Gäste- und Schlafzimmer von Andromeda und Ted ging. Alles war still und nichts rührte sich. Jacken und Mäntel hingen unordentlich über der Garderobe, Schuhe, Pumps, Gummistiefel, ihre ausgelatschten Chucks, türmten sich übereinander, als hätte ein Maulwurf sich vertan und im Inneren des Hauses seine Gänge gegraben. Und dazu tickte die Standuhr im Salon in gleichmäßigem, einschläferndem Takt.

Sonst nichts. Hier unten standen die Türen zum Wohnraum und zur Küche offen, wie immer, warf ein noch junger Mond zunehmende Silberstreifen aus Licht auf das kräftig in Schwarz und Weiß abgesetzte Muster auf dem Boden. Die Stühle standen kreuz und quer, Tassen und Teller in der Spüle versenkt, und wenn man gute Augen hatte, konnte man bis hinaus zum Apfelbaum schauen, wo Hobnail sich nun zum Schlafen zusammenkuscheln würde, wo er doch offenbar wieder zu faul war, bei Nacht zu jagen, wie es sich für eine ordentliche Eule gehörte.

Und Remus stand nur da und lauschte. Es war so ruhig, so angenehm friedsam, als wäre es wirklich eine ganz normale Nacht im Sommer, wo alle Nöte verschwommen und zerflossen, wo Wärme und Stille sich zu einer zarten Decke verwoben. Lag es an ihm? War das nur sein Gefühl, dass keinerlei Spannung in der Luft zu spüren war? Spiegelung seines Gemütszustands? Er konnte es nicht erklären. Nur eines: Schön. Zuhause zu sein.

Erneut tief einatmend, dass ihm das Geräusch seiner eigenen Kleider, seines Kehlkopfes, fast laut erschien, versenkte Remus den Zauberstab zwischen zwei Hemdknöpfen, die kühle Spitze auf einen Rippenansatz gebettet, und vorsichtig, um niemanden zu wecken, trat er auf dem ausgelegten Läufer voran und begann bereits, sich aus der Robe zu schälen. Auf der Couch schlafen im Salon? Oder lieber nach oben, im Gästezimmer, dass niemand unverhofft am Morgen über ihn stolperte?

Ein Sandkorn seiner so wohl bekannten Unsicherheit, beinahe ein bisschen vermisst in dieser ungewöhnlichen und nie zuvor erlebten Hochstimmung des befriedeten Geistes, kehrte zu ihm zurück, und er begrüßte es sanft. Was war wohl geschehen im Hause Tonks, während er fort gewesen war? Sie hatte, ja sie musste seinen Brief gelesen haben, und vielleicht vermutete sie ihn bei den Jugendlichen. Hatte sie nach ihm gesucht? Natürlich hatte sie, wie abwegig der Gedanke einer untätig herumsitzenden Dora. Mit den Augen rollend, schollt er sich selbst und erhaschte die Reflexion im Spiegel der Garderobe, den hochgewachsenen, blassen Kerl mit dem leuchtend tiefroten Striemen vom Ohr bis zum Schlüsselbein.

Die steile Falte wanderte augenblicklich auf seine Nasenwurzel, doch er berührte die Wunde nicht, schaute nicht einmal genauer hin. Nur ein weiteres Erinnerungsstück daran, dass er – egal, wie verständlich seine Motive gewesen sein mochten, nicht nur für ihn und auch jetzt noch – gedankenlos gehandelt hatte. So rücksichtsvoll die Intention sich präsentiert hatte: Reiner Egoismus. Keine Sekunde lang daran verschwendet, darüber nachzudenken, wie es für die sein müsste, die er zurück ließ. Ihre Eltern. Sie. Auch wenn das der allerletzte Funke sein würde, ihr Urteil, und hieße es Verbannung, würde er akzeptieren. Und dennoch nicht die Konsequenz ziehen, die er doch beabsichtigt hatte: Nicht ohne sie leben zu können.

Sich ein weiteres Mal aus der Starre ziehend, seufzte Remus tonlos und schüttelte den Kopf. Er musste sie wecken, konnte nicht einfach irgendwo hier ruhen und warten, bis sie seine Rückkehr selbst bemerkte. Wie bescheuert das eigentlich war von ihm, einerseits zu glauben, er wäre das gar nicht und niemals wert gewesen und gleichzeitig zu wissen, dass sie vor Sorge fast platzte, auch wenn sie gerade schlief, das konnte er nicht recht begreifen. Ob sie oben war? Oder hier unten in ihrem eigenen Zimmer, in dem sie beide gemeinsam übernachtet hatten? Noch während er darüber grübelte, suchte er einen Haken für seine Robe und bemerkte die Änderung der Lichtverhältnisse nicht.

Da stand er. Und da stand sie. Er im düsteren Flur, eingeschlossen von den hohen Schatten der Treppe und der vollen Garderobe, sie im hell erleuchteten Rahmen zur Küche. Er wusste nicht, wann oder wie er diese Erscheinung schließlich wahrnahm, aus dem Augenwinkel nur, ein silberweißes Schimmern in ihrem langen Nachthemdchen, barfuß und mit ungekämmtem Haar. Das Gefühl, genauso umwerfend schön und grausam ermattend wie eh und je, weichte ihm die Knie auf, so ganz anders als noch in der letzten Nacht im strömenden Regen auf Großvaters Fußmatte, und er musste eine Hand flach gegen die Wand zwischen all den Kleidungsstücken legen, um Haltung zu bewahren. „Dora,“ atmete er mehr aus, als dass er sprach.

Die ganze Spannung, die ihm vorhin noch so merkwürdig weit fort erschienen war, presste sich in wenigen Herzschlägen unter das Brustbein und jagte Puls und Blutdruck nach oben im selben Maße, in dem er das Adrenalin in ihren Augen schwimmen sehen konnte. Die Pupillen ganz weit davon und von der Lichtlosigkeit in dem dunklen Haus, starrte sie ihn an als wäre sie ein muggelgeborenes Kind, gerade zum ersten Mal in den Hallen von Hogwarts einem Geist begegnet. So kindlich das Vibrieren des Films auf der Hornhaut und das Zittern ihrer geschlossenen Lippen, wie er sich zu ihr herumdrehte, ganz langsam, ganz bedächtig, wie ein Forscher, der unverhofft im Urwald einem Tiger begegnete.

Mehr zu sagen, war ihm unmöglich, solange sie sich nicht rührte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich nahezu asthmatisch, die Schlagader pulsierte kräftig zu beiden Seiten ihres makellos weißen Schwanenhalses, dass der Mond glosende, spielende Schatten, wachsend und schrumpfend und wieder wachsend, in die atmende Mulde zwischen Schulter und Drosselgrube malte. Was immer er erwartet hatte an Reaktion auf seine Wiederkehr, er hätte die schier tränentreibende Intensität in diesem Gefühl niemals erdenken können. Den Mund ganz trocken, blieb ihm nichts Anderes übrig, als zu warten.

„Remus,“ sagte sie, so herrlich aus zwei Silben eine machend, so hochfrequent und blendend, wie nur sie es konnte, durchdrungen von all dem, was in diesem Moment aufwühlte, und das traf ihn wie der helle Schall eines Gongs, wie das reine Schwingen eines Wassertropfens in einer Klangschale, viel umreißender und eindrucksvoller als es alles Weitere hätte tun können: Mit so fließenden Schritten, als würde sie fliegen, war sie bei ihm, endlich überzeugt davon, dass er es wirklich war, dass er zurück war, und noch ehe Remus irgend etwas tun oder sagen oder auch nur dazu ansetzen konnte, hatte sie ausgeholt, und die so zierlich anmutende, samtene Hand, die ihn selbst in seinen dunkelsten Träumen noch streichelte, brannte ihm eine schallende Ohrfeige mitten ins Gesicht.

Überrascht? Nein. Doch, irgendwie schon. Damit gerechnet und doch nicht in der Lage, recht damit umzugehen, ließ er es über sich ergehen. Mehr als verdient. Und dennoch brachte ihn erst der zweite Schlag, von der anderen Seite, mit dem Handrücken, wieder in die aufrechte Position. Der ganze Schädel klingelte ihm davon, und er wollte sich ans Kinn greifen, um den Sitz seines Kiefers zu überprüfen, doch er kam nicht dazu. Noch ehe der gleißende Schmerz auf Wangen und Jochbögen sich gelegt haben konnte, schluchzte Dora so laut und verzweifelt auf, dass er es nicht mehr vermochte. Obwohl er nichts sehen konnte mit tränenden Augen, öffnete er instinktiv die Körperhaltung und fing sie auf, die sie ihm in die Arme sprang und ihre schlanken Arme so fest um seinen Hals schlang, dass ihr Gewicht ihn nach unten zog.

„Du, du,“ jaulte das Mädchen los, nur noch wunderschöner in ihrem Gefühlsausbruch, „du blöder Dreckskerl, du!“ Richtig so, mehr davon, ihm gebührte jeder Schimpfname, der ihr nur einfallen wollte, hielt er sie fest und fester, bis sich der Knauf seines Zauberstabes ihm in die Brust bohrte und der ganze gertenschlanke Körper, vom an seiner Halsbeuge vergrabenen Scheitel bis runter zum lang ausgestreckten Zeh, auf jeder Zelle ihn berührte, als wollten diese Beiden am liebsten ineinander verschmelzen, um sich nie wieder trennen zu können.

Sie weinte. Sie weinte jetzt hemmungslos, und immer wieder trommelte sie mit einer schwächer werdenden Faust auf sein Schulterblatt, seinen Nacken, seinen Oberarm. Seine Tränen, unaufhörlich genau wie ihre, flossen ruhiger, gezähmter, hinterließen nasse Flecken auf dem Nachthemd und in ihrem mit einem Mal wieder springend welligen Haar, wie er ohne Unterlass „verzeih mir, bitte, verzeih mir“ flehte, so gut das überhaupt nur ging.

Als wäre sie jemals dazu fähig gewesen, ihm nicht zu vergeben. Längst getan. Kannte all die abscheulichen Sorgen, die in seinem Kopf zu einer Spirale ohne Ausweg geworden waren, auch ohne den erklärenden Brief, hatte sie alle mitempfunden und durchgelebt und für nichtig befunden, ohne sie ihm abzuerkennen. Nie geglaubt, dass sie so weit führen könnten. Von nun an, das schwor sie sich genau wie er dort draußen auf der Straße, würde sie nicht mehr still schweigen, wenn die Zweifel an der Seele nagten. Die eine Hand gänzlich um seinen Kopf geschlungen, genau wie damals im Novemberregen, berührten ihre Finger die neuerlich geschlagene Wunde, schlossen sie sich darüber wie eine schützende Glocke, und auch die winzige Kruste an seinem Daumenballen, die unablässig ihre Schulter streichelte, übersah sie nicht. Die würden verheilen.

„Es tut mir so leid,“ wisperte er an ihrem Ohr, vom Weinen jetzt die Stimme wieder so rau und wohlig heiser, wie sie es kennen und lieben gelernt hatte. „Verzeih mir.“ Sich auf die Zehenspitzen herunter gleiten lassend, befreite sich Dora Lupin nur vorsichtig von ihrem Mann, dass ja keine Lücke zwischen ihnen entstand. Die durch beide Ohrfeigen rosig gewordenen Wangen in ihren Händen haltend, brauchte sie kein Licht, um ihm in die Augen sehen zu können, und es war nicht mehr nötig, mit Worten zu antworten. Er hatte sie verstanden.

Stumm klaubte sie seine Hand von ihrer Taille, und das war alles, was sie tun musste. Er folgte ihr, halb gebückt, um den Größenunterschied auszugleichen, und ohne noch irgendetwas zu sagen, zogen sie sich zurück.

Die Ohren gespitzt, einander genauso im Arm haltend, entspannten sich Ted und Andromeda wieder, und nun endlich kehrte für sie alle diese so seltsame und gleichzeitig so herrliche Ruhe in das Haus in der Chaffinch Lane #27 ein. „Er ist wieder da,“ flüsterte sie, und er nickte erleichtert und zufrieden. „Ja. Dem Himmel sei Dank.“


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