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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Aus tiefem Tal

von Teekon

Eine Böe fuhr so heftig durch Baum, Strauch und Gebälk, dass ein Jaulen anschwoll und sofort kläglich ächzend erstarb. Sie rüttelte an den geschlossenen und fest verankerten Fensterläden, schoss zwischen die einzelnen Halme des reetgedeckten Daches und war dennoch nicht stark genug, sie von einander zu trennen. Blätter an voll besetzten Zweigen rauschten, wie sich die Stämme und Äste verbogen und wieder zurück sprangen, gerade weit genug, um dort vom nächsten orkanstarken Windstoß erfasst zu werden. Und dazu prasselte ein Schwall Hagelkörner, groß wie Kirschkerne, gegen die weißgetünchte Wand und in die Wildrosenhecke, dass es nur so trommelte.

Blitze zuckten so knapp hintereinander über den pechschwarz getupften Himmel, man konnte den augenblicklich darauf folgenden Donnerhall kaum noch dem einen oder dem anderen zuordnen. Stroboskopartig erhellten sie die vom Sturm gepeitschte Landschaft, in der Antennen schwankten und selbst Straßenlaternen zitterten vibrierend, ihre Lichter längst erloschen. Fratzen aus zerrissenen Wolken flogen in wilder Flucht von Horizont zu Horizont und verschwanden in einem Meer aus schwer tragendem Dunst.

Die Luft war so erfüllt von einem Gemisch aus Ozon und peitschendem Regen, dass alles, Häuser und Straßen, Block und Viertel, dahinter verschwomm und verzerrt wurde. Das suppenschüsselartige Tal darunter versank in einem dichten Brodem, und nur wenn man wartete und schaute und eine weitere Entladung von 300.000 Ampere ohne zu blinzeln ertrug, konnte man die Spitzen der Giebel von Nether Poppleton erkennen. Und sich die Augen reiben. Weil dort kein Dorf zu sein hatte.

Das unablässige Bombardement von schweren Tropfen wäre einschläfernd gewesen, hätte es eine Regelmäßigkeit erfahren. Der Orkan ließ das nicht zu. In Wellen trieb er die Kompanien vor sich her, dass sie klatschend und driftend auf das Reet auftrafen, und dumpf klang ihr Aufprall hinunter in die Räume unter dem Balkengerüst. Sie rannen herab, sammelten sich über den Rinnen und schossen wie aus einer Quelle als bogenförmiger Strahl gen Blumenrabatten, nur um unterwegs erneut vom Wind aus dem Kontingent gerissen und fortgetrieben zu werden.

Erneut ertappte er sich dabei, wie er innehielt und diesem Schauspiel lauschte, zu unterscheiden versuchte, aus welcher Richtung der dröhnende Hall des Donners an seine Ohren drang. Süd-Südost hätte er schwören können. So wie Panzer in der Wüste. Nur bei Weitem nicht so monoton und niemals so bedrohlich, auch wenn die Naturgewalt zigtausendfach mehr Kraft besaß. Wie Musik. Pauken. Das so wundervoll in den Füßen kitzelnde Crescendo, das die Schienbeine hinauf zu wandern schien, immer höher, bis es in den Kieferknochen bebte. Herrlich. Und so spannungsgeladen.

Der dunkelrote Stoffeinband seines Buches schrappte unhörbar über die Bettdecke, wie er ein Bein ausstreckte, um sich tiefer in die aufgetürmten Kissen sinken lassen zu können. Die funzlige Tranlampe auf seinem Schreibtisch musste ausreichen heute Nacht. Ausgefallen, der Strom, das geschah häufiger in solchen Stürmen, und er war es gewohnt und darauf vorbereitet. Ein angenehmes Licht verbreitete sich durch den milchigen Glasschirm, warf sich sacht wiegende Schatten durch das Schlafzimmer.

Der Sessel, auf dem seine Tweedhosen, das Hemd, das Jacket, ausgebreitet waren, lag in warmer Dunkelheit, die Konturen der Reflexion in dem ovalen Spiegel des Kleiderschrankes abgezeichnet, der dahinter in der Ecke unter der Dachschräge stand. Nur der sacht ausschlagende Schwanz mit der buschigen Quaste verriet, dass Spellbound es sich zwischen den Schössen bequem gemacht hatte, und sein ganzer Habitus war geprägt von Ruhe und Gelassenheit. Auch ihn brachte ein solch heftiges Unwetter nicht um seinen wohlverdienten Schlaf. So wie es Edward auch nicht vorhatte.

Längst abgelegt hatte er die feine Brille mit dem Goldrand, brauchte sie nicht zum Lesen, und sie residierte zusammengefaltet neben dem gestreiften Taschentuch unter dem Lampenfuß. Er mochte Abende, wie dieser einer gewesen war, genoss es, am Erkerfenster unten seinen Tee zu trinken und zu zusehen, wie sich das Gewitter zusammenbraute. Und auch das Wort dafür gefiel ihm, auch wenn er erst verstanden hatte, wie gut es passte, seit er Isabel zugeschaut hatte, wenn sie ihre Tränke zubereitete. Trotz seiner Professur in Anglistik. Die Augen schließend, lehnte er die schlohweiße Schläfe gegen die Borte seines Kissens, und sein Brustkorb begann bereits, sich ausladender zu heben und wieder zu senken.

Er löschte nicht das Licht. Leise nur tickerte das mechanische Geräusch des aufziehbaren Weckers, wie die Zeiger voranschritten in die Nacht, zwei Uhr, drei Uhr, während das Unwetter draußen mit unverminderter Härte über Yorkshire niederging. Als wären die Wolken voller gefrorener Regentropfen an dem winzigen flachen Hügel hängen geblieben, auf dessen Hängen Heslington erbaut worden war. Die Intensität und die Frequenz der Blitze ließ nach, das vielleicht, doch der Wind fegte heulend und scharrend um die kleinen Häuser und durch die Gärten, schüttelte die Spaliere mit schwankenden, schweren Rosenköpfen daran und ließ den Schuppen knarzen in morschem Holz.

Wäre es nicht so finster gewesen unter den dicht übereinander geschobenen Wolken, man hätte einen Streifen aus grüner Helligkeit erkennen können, irgendwo dort hinten im Osten, wo die Klippen sich ins Meer ergossen. Doch hier blieb es dunkel, kündigte sich der Morgen nicht an, verborgen vom Regen, dessen dicke Tropfen nun nicht mehr als Hagel niedergingen, sondern in einem undurchlässig gewobenen Netz, wie eines Fischers Reuse in den grünen Auen.

Beide, der alte Professor wie der Kniesel, hatten es dennoch gehört, durch Böen und Guss hindurch. Ein Poltern. Kein natürliches Geräusch, willkürlich. Einmal. Zweimal. Edward Lupin öffnete ein Auge und rührte sich nicht, wartete, ob er sich getäuscht hatte. Geträumt? Noch einmal. Nein. Zu exakt, diese Kopie. Sich aufstemmend, das Buch von seinen Beinen herunter befördernd, dass es zuklappend in die Ritze zwischen Matratze und Wand rutschte, setzte er sich auf und lauschte wieder. Auch wenn er eigentlich nicht mehr unsicher sein konnte, worum es sich handelte. Spellbounds schwarzer Kopf mit den grünen Augen schaute über die Armlehne des Sessels hinweg, die Ohren gespitzt und steif, als wäre das ganze Tier aus Porzellan.

Da war es wieder. Wamm bamm bamm. Klopfen. An der Haustür. So fest, so verzweifelt, dass die Mauer darunter erbebte. Nicht die Glocke gezogen. Egal, was ihm sein Bauch für einen Augenblick erschrocken sagen wollte, wie ihm das Herz in der Brust genauso durchdringend schlug wie damals in den Schützengräben, wenn die Stille nach den Granateinschlägen verriet, dass die Bajonette nun nicht mehr weit sein konnten – zählen, eins, zwei, drei, wie Blitz auf Donner – vertrieb sein Verstand es zuerst. Unsinn. Noch immer unter dem Fidelius, seit nunmehr 17 Jahren, und der Geheimniswahrer er selbst. Und es gab nicht viele, die eingeweiht waren. Und noch weniger, die in einer solchen Nacht ihren Weg hierher finden mochten.

Viel agiler, als man es von einem beinahe 80 Jahre alten Mann erwartet hätte, beförderte Edward die Decke von sich herunter, machte einen Satz aus dem Bett heraus und direkt in seine Pantoffeln hinein. Keine Zeit, sich anzuziehen, nicht einmal für einen Morgenmantel, eilte er los in knielangem Nachthemd, und Spellbound, aufmaunzend, hechtete ihm nach und aus der Tür in den schmalen, dunklen Flur des Obergeschosses.

Nichts zu sehen von hier oben, kein Licht, keine Laterne hinter dem von Sprossen unterbrochenen Fenster im oberen Drittel der Haustür, nur das Flackern eines weiteren Blitzes, und kein Schatten, der davon auf das Steingut geworfen wurde. Das Geländer schon in der Hand, verharrte er auf dem oberen Absatz der steilen Treppe, starrte hinunter und spürte die zunehmende Trockenheit von Zunge und Wangenschleimhäuten. Jemand da? Er sprach es nicht aus. Wamm bamm, knallte es wieder, und dieses Mal konnte er sehen, wie das Holz zitterte und das Schloss stöhnte, und augenblicklich schoss Edward förmlich die Stufen hinunter, immer unter den wachsamen Augen des Kniesels.

Der Schlüssel steckte, schwang herum mit einem metallenen Klimpern, und der Wind zog so fest an der Tür, er hätte sie fast nicht aufbekommen, obwohl das volle Gewicht des dahinter Knieenden ihm dabei half. Die Gestalt, so dunkel und schattengleich wie jede Silhouette da draußen, gepeitschte Büsche und gefährlich schwankende Zaunlatten, sackte ihm entgegen und in den Flur, und Edward Lupin brauchte kein Licht, um ihn zu erkennen, auch ohne das erleichterte Seufzen, das aufgesprungenen Lippen entkam. Dem einzigen, was offenbar trocken geblieben war.

„Remus!“ rief er aus, geschluckt das Wort im selben Moment vom schneidenden Wind und davon geweht. „Großvater,“ wisperte der Junge, über die Türschwelle kriechend und im richtigen Winkel gegen die Wand zwischen Fenster und Treppe fallend, dass es möglich war, die Tür wieder zu schließen und herein rauschenden Regen und verwehte Blätter auszusperren. Dumpf legte sich die beruhigende Stille des Hauses um sie, doch sie beide konnten sie nicht wahrnehmen. Spellbound miaute erneut eindringlich, blieb jedoch, wo er war, irgendwo auf halber Höhe der Stufen.

Nass war er, triefend nass, von den Sohlen seiner fleckigen Schuhe – waren das die selben wie bei seinem letzten Besuch vor so vielen Jahren? – bis hinauf zu den dünn gewordenen Haaren, ein kahler Fleck auf dem Oberkopf, durchscheinend wie eine Lichtung im dichten Wald, trotz der wild und durcheinander darüber gestrichenen Haarsträhnen. In der düsteren Finsternis war es nicht zu erkennen, was er trug, Cordhosen vielleicht, einen langen Trenchcoat, dessen Kragen fest und gänzlich hochgeschlagen worden war, dass er sogar seine Ohren halb verdeckte, und wie ein Blasebalg atmend, duckte er sich noch weiter in seine sehnigen, breiten Schultern hinunter.

Wie Pheidippides von Athen lag er vor dem Hausherrn auf den Knien, stützte eisig kalte, weiß gewordene Hände mit abgespreizten Fingern auf seine Oberschenkel, als wäre er soeben von Marathon gekommen und ringe um Atem, die Worte 'wir haben gesiegt!' aussprechen zu können. Nach Erfolg, nach Sieg, sah er nicht aus, nein. Gebeugt und das Gesicht gesenkt, nicht mal die Stirn präsentierend, tropfte ihm unablässig mitgebrachter Regen in eine sich rasch vergrößernde Pfütze unter seinem viel zu schlanken, ja, dürren Körper. Aber er war es. Oh, er war es. Sein Junge, sein Enkel, der letzte verbliebene Spross des Hauses Lupin. Edward dachte nicht länger nach. Er stürzte vorwärts, die eigenen nackten Knie auf dem Fußabstreifer, und er umfasste die Oberarme des unerwarteten Gastes und zog ihn an sich.

„Remus.“ Dies mal kein Ausruf, eine leise und glückliche Feststellung, schloss er ihn in seine Umarmung und drückte ihn, so fest er nur konnte, auch wenn der jüngere Mann fast anteilnahmslos und unbewegt blieb, sich wie eine Puppe handhaben ließ, kalt und steif und nass bis auf die zitternden Knochen und die Geste des Wiedersehens, der Freude, gar nicht so recht erwidern zu können schien. Noch immer japste er, schluckte so hart, man konnte es hören mit einem kehligen Schnappen und fühlen, wie ihm der Adamsapfel gegen den Mundboden sprang.

Es war gleichgültig, warum er hergekommen war, was ihn in dieser so sturmgeschüttelten Nacht hierher getrieben hatte, mochte es auch das Ende der Welt bedeuten, für die Edward und seine Kameraden vor so vielen Jahren selbst gekämpft, gelitten und gestorben waren. Keine Verletzungen konnte er an ihm entdecken, wie er ihn kurz abtastete und betrachtete, sich von ihm lösend, und er wollte auch nicht fragen. Unwichtig in diesem Augenblick. Erst das Nächstliegende, gedacht wie ein Krieger, und er musterte die bleichen, eingefallenen Wangen mit den tiefen, grauen Ringen unter den Augen, die seine Jochbögen einfärbten. Schrecklich schaute er aus. Edward erwähnte es mit keinem Wort.

„Komm, Junge,“ forderte er ihn auf, genauso liebevoll und keine Widerrede zulassend wie früher, als er wirklich noch gewesen war, als was der ältere Mann ihn bezeichnete, und welches Fitzelchen an Widerstand auch immer in Remus hätte zurückgeblieben sein können, wäre darunter zerschmolzen wie eine Kugel Eis vom Laden unten an der Ecke. Doch da war längst keines mehr. „Komm, du musst aus den nassen Sachen raus.“ Und er weigerte sich nicht einmal, das hier auf der Stelle mit sich geschehen zu lassen. Zu triefend, seine Kleider, um damit durch das halbe Haus zu laufen.

Er half nicht dabei, überließ sich völlig den Händen seines Großvaters, der kleine Junge, der im nordenglischen Herbst Kastanien und die schönsten und farbenfrohsten Blätter gesammelt und darüber Zeit und Himmel vergessen hatte. „Du holst dir den Tod.“ Am liebsten hätte er geschnaubt oder geprustet, zynisch und kalt, hätte er dafür noch Stärke zurückbehalten gehabt. Wie ironisch doch, und dabei so ernst und zärtlich gemeint, wie es nur Familie konnte. Familie. Ein letztes, peinlichst berührtes Aufflackern von zertretenem Stolz, zog Remus beide Schultern hoch und schirmte seinen Hals gegen die examinierenden Blicke eines Feldscherers ab.

Edward schwieg. Sagte auch dieses Mal nichts, sprach ihn nicht darauf an, nicht einmal, als er endlich lang ausgestreckt in der heißen Wanne lag und die halb verschwitzten, halb von Wind und Regen verdreckten Schläfen gegen die warme Emaille gleiten ließ. So offensichtlich in dieser Pose, der rissig-blutige Streifen in charakteristischem Diagonalmuster vom Ohr bis zur Drosselgrube. Der Duft von Kampfer und Wacholder vertrieb jedes Unbehagen, und während Großvater kleine funzlige Kerzen und Lampen entzündete, vorsichtig, um seine rotunterlaufenen Augen mit den geplatzten Äderchen darin zu schonen, wäre er beinahe so eingeschlafen.

Er konnte sich nicht mehr daran erinnern später, wie lange er dort gelegen hatte, wann der Regen vor den Fenstern draußen in gleichmäßiges, ruhiges Strömen übergegangen war und der Donner sich verzog. Nur das Pfeifen des Wasserkessels auf dem Herd in der Küche, das sanfte Tapsen von Spellbounds Pfoten auf dem Parkett im Flur mischte sich darunter, und Remus hatte das Gefühl, es würde heller werden, Stück für Stück. Ob es wirklich so war, ob die Sonne sich hinter den treibenden Wolken am Horizont empor schob, oder ob es einfach in seinem Inneren geschah, das konnte er nicht unterscheiden.

Weil es gut tat, so gut. Das Prickeln des Badesalzes, die angenehme Wärme. Ihm stieg nicht nur die Essenz in die Nase, sondern auch die Feuchtigkeit, benetzte die verkrustete Nase und besänftigte die brennenden Lippen. Kein Schmerz flammte auf, weder in der Flanke noch am Hals, die Wunden, alte und frisch geschlagene, nahmen die wohltuenden Arzneien an, das Fleisch davon beruhigt. Schmutz und Schlammspritzer, winzige Späne von zersplittertem Holz, sie wuschen sich herunter, und die klammen Gliedmaßen tauten auf.

Wie damals. Watteweiches Deja vu, schmerzerfüllt und dennoch selig, schwammen die Bilder wieder vor ihm, wie er in eben jenem Raum damals in seiner zerschrammten Wanne das selbe zu erreichen versucht hatte. Und es schaffte. Sie lag jetzt zerstört auf dem splissigen Rand, die zu Pranken geformten Füße gen Zimmerdecke gestreckt wie ein erfrorenes Tier in schneereichem Winter. Aber das war egal. Remus konnte und wollte nicht mehr daran denken, verdrängte den unter seinem Gewicht zerborstenen Stuhl ebenso wie die herausgerissenen Rohre. Es war noch immer möglich, zu spüren, zu fühlen, zu genießen. Seltsam, nicht wahr? Wie viel ein Mensch ertragen konnte. Wenn nicht er der Beweis dafür war, wer dann?

'Ich geb' nicht auf, Pa. Niemals!' Er hatte es ihm versprochen. Geschworen hatte er's, die Jungs als Zeugen in seinem Kinderzimmer unten im Dorf, und er hatte es so gemeint. Das trieb ihm erneut die Tränen in die Augen, das Gesicht vor sich, wie Vater ihn angesehen hatte, John, den dieser Krieg dahin gerafft, ausgezehrt und schließlich aus dem Leben gerissen hatte in seinen Armen. Sofort brannten die Augäpfel, heiß und pochend, als habe jemand sie durch Kohlen ersetzt, und Remus presste die Lider zusammen, so gut er konnte. Wie er ins Bett gekommen war, wann er eingeschlafen war mit der Nase im Kissen, das verschwamm gänzlich im Wirrwarr dieses so merkwürdigen Tages.

Als er schließlich erwachte nach langem, göttlich traumlosem Schlaf, fand er sich wieder unter weiß getünchten Deckenbalken, eingepackt in gutes Leinen und weiche Daunen, und irgendwo hinter und über ihm schien eine blasse Sonne durch den Hochnebel. Der Sturm war vorübergezogen und hatte Yorkshire zurückgelassen, reingewaschen und mit noch immer tropfenden Zweigen, die nun unbewegt und schwer über dem Rasen hingen. Vögel sangen in den Hecken, und Blüten versuchten, sich von der Last des Wassers zu befreien. Das Fenster war nur angelehnt, ließ angenehm kühle, reine Luft hereinströmen. Er musste einen tiefen Atemzug nehmen, und das Ziehen am Hals und das Gefühl eines Blutergusses gleich über dem vorstehenden Schildknorpel erinnerten ihn daran, wie schön es war, atmen zu können.

Fast hätte er ihn nicht bemerkt, den nun vollständig bekleideten, stattlichen Herrn auf einem einfachen Stuhl, den Kniesel auf dem Schoß, ihn mit kräftigen, gepflegten Händen streichelnd, nur da sitzend und ihn betrachtend. Edward lächelte unter dem fein ausgeschnittenen Bart, sacht nur, und die Krähenfüße an seinen Augen waren eng zusammengelegt in einer Mischung aus endloser Freude, ihn zu sehen, ihn hier zu haben, und betrübter Sorge über seinen Zustand. Augenblicklich rutschte Remus tiefer in die Kissen hinunter, um das so eindeutige Mal zu verbergen.

Röte schoss ihm unter die Lider und in die Schläfen, Scham und Reue, ihm solchen Kummer zu bereiten. Ihm. Und ihr. Der Brustkorb zog sich ihm zusammen, dass er daran greifen musste, damit ihm die Rippen nicht Herz und Lunge zerquetschten und die gerade eben erst wiedergewonnene Lust am Atmen vernichteten. Wohin nur von hier ab? Er schluckte fest und traute sich kaum, ihn wieder anzusehen.

Keine Frage nach dem Befinden. Und noch immer kein grässliches Bohren – was ist passiert? Wo bist du gewesen? Was hast du nur getan? Sich in der eigenen Leiste abstützend, richtete Edward sich auf. „Wie lange hast du nichts mehr gegessen?“ wollte er nur wissen, und der Kater sprang von seinem Bein herunter und strich um die Stuhlbeine. Auf den eigenen Zähnen herum kauend, überlegte der Junge, der er für ihn immer sein würde, egal wie wenig Rotbraun noch zwischen all dem Grau auf seinem Kopf übrig geblieben war. „Fünf Tage?“ gab er schließlich einen Tipp ab, der ihm irgendwie sinnvoll erschien. Ja. Ja, das musste ungefähr hinkommen. Seit er das Reihenhaus in Penge verlassen hatte.

Zufrieden mit dieser Antwort stemmte Edward Lupin sich hoch. „Gut,“ befand er und machte ein paar Schritte auf die nur angelehnte Tür zu. „Dann fangen wir mit Suppe an.“ Er ließ ihn allein, gemächlich im Untergeschoss verschwindend, wo er nun in die Küche gehen und die vorbereitete Mahlzeit heraufholen würde, und Remus rollte sich auf den Rücken und schloss für einen Moment die Augen. Appetit? Nein, ganz bestimmt nicht. Aber fünf Tage, das war eine verdammt lange Zeit, selbst für ihn. Der Teil seines Körpers zwischen den Hüftknochen und dem Rippenbogen fühlte sich an wie ein straff gespanntes Leichentuch.

Nicht einmal peinlich war es ihm, dass seine Kleider nicht hier waren, dass Großvater ihm alte Sachen von sich hingelegt hatte. Vielleicht hatten sie einmal John gehört, wer wusste das schon? Die Männer der drei letzten Lupin-Generationen teilten die gleiche hochgewachsene, schlanke Figur mit den langen Gliedmaßen und den breiten Schultern, und so fand Remus, dass ihm Hemd und Hose ausgezeichnet passten. Ein wenig locker vielleicht ob seines nicht gerade fülligen Ernährungszustandes, aber ausreichend, um die Blöße zu bedecken, ohne dabei wie in einen Kartoffelsack gehüllt auszuschauen.

So saß er auch, als Edward zurückkehrte mit einer Schüssel dampfender Brühe, die nackten Fußsohlen gegeneinander gedrückt, die Knie zur Seite fallend, und noch immer war es ihm nicht möglich, das Rückgrat durchzudrücken. Der Kragen, obwohl weich mit seinem abgescheuerten und viel benutzten Stoff, zwickte an der Wunde, doch er hielt es aus. Versteckte die Zeichnung jetzt wieder. Noch nicht darüber reden. Später. Das müsste er, ihm war das durchaus bewusst. Deswegen war er doch schließlich hergekommen, nicht wahr? 'Dass du immer zu mir kommen kannst, wenn du etwas brauchst'. Oh ja. Eine Kopfnuss oder einen kräftigen Faustschlag aufs Auge.

„Ich nehme nicht an, dass der Krieg schon verloren ist,“ formulierte Edward es nicht als eine Frage, während Remus noch die letzten Löffel aus dem tiefen Teller klaubte, und gar nicht richtig wahrnehmend, dass er damit das so gefürchtete und dennoch herbei gesehnte Gespräch begonnen hatte, schüttelte er den Kopf so wie ein Sechsjähriger, den man nach seinen Hausaufgaben fragte. Großvater, seinem Enkel gegenüber sitzend, bekam diesen Knick in den Mundwinkel, den er ihm vererbt hatte, und leise schnaufte er. „Das ist es also nicht.“ Und Remus begriff endlich, hob das Kinn und schaute ihm zum ersten Mal, flüchtig nur, in die Augen, ehe er den Blick wieder senken musste. Mehr Farbe kroch in die Partien rechts und links seiner Nase.

Edward blieb geduldig, drängte ihn nicht und spielte nicht auf die so offensichtlichen Spuren der vergangenen Nacht an. Es war auch nicht nötig. Sanfter. Sein ausgestreckter Finger deutete auf die an der Bettkante abgestützte Hand, und sein Kiefer folgte. „Damit?“ Glänzendes Silber, so unberührt, als sei es soeben aus der Esse gehoben worden, legiert um einen breiten Streifen simplen Stahls, unzerbrechlich und gleichzeitig edel, schlang sich dort um den vierten Finger, schmiegte sich gegen Wurzel und Knöchel, und Remus musste das Gelenk durchdrücken, um ihn überhaupt zu spüren, so sehr gehörte er dorthin. Ein Ehering. Sein Ehering. Mit ihrem Namen auf seiner Haut. Wie in Schlieren flossen die Emotionen ineinander in seinem Inneren.

Sollte er sich schuldig fühlen, dass er nicht einmal ihm davon erzählt, ihn irgendwie hatte wissen lassen, diesen Schritt zu gehen oder schon gegangen zu sein? Remus wusste es nicht und konnte es auch nicht herausfinden, so erfüllt von tausend wummernden Herzschlägen zugleich. Schuld? Davon hatte er doch zu genüge. Wie von unten her schaute er zu ihm auf, an den eigenen Brauen vorbei, nickte sacht. Schüttelte den Kopf. Konnte sich nicht entscheiden. „Ja,“ flüsterte er und revidierte erneut. „Nein. Doch.“ Sein Handgelenk, das rechte, rotierte um den Unterarm, während die Linke mit dem Ring daran blieb, wo sie war, damit Edward sie betrachten konnte. „Es ist …,“ Er stockte noch einmal, kniff die Lider nur wenig zusammen und knickte nur noch mehr nach vorne ein, bis sein Kopf fast zwischen die Knie geriet. „Alles zusammen.“

Wo sollte man da weitermachen? Den Knoten lösen? Ordnung in dieses Chaos bringen, einen Weg aus den Trümmern? Noch immer war es ihm unmöglich, und wie vor einer zusammengebrochenen Bibliothek, hunderte von Büchern in zersplitterten Regalen, durcheinander geworfen und aus ihrer so sorgsam erdachten Systematik gebracht, stand er da und konnte keinen Anfang finden. Wie sollte da Großvater? Aber vielleicht war es gerade das, vielleicht war für Edward eine Spur erkennbar, die seinem ganz eigenen Instinkt entsprang. Und er kümmerte sich nicht darum, überhaupt aufräumen zu wollen.

„Wie lange?“ wollte er stattdessen wissen, und obwohl so wenig präzise gestellt, wusste Remus gleich, was er meinte. „Keine vier Wochen,“ erklärte er, einen so festen und glibberigen Kloß dabei im Hals, dass er sich fast daran verschluckt hätte. Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor. Als wäre es schon immer so gewesen. Als hätte es schon immer so sein müssen. Das so vertraute Lächeln, das dabei um Edwards Mundwinkel spielte und seine weißen Barthaare zum Tanzen brachte, das bemerkte er gar nicht. Maidie und er. 'Ich lasse dich nicht diese bescheuerte Uniform anziehen, Edward Jacob, bevor ich einen Ring am Finger trage!' Er musste ebenso die Augen schließen, um das Bild vor sich zu sehen, und ob es Remus nun verunsicherte oder nicht, er musste leise seufzen.

Kein Wunder also, dass der Junge in anstierte wie eine sprechende Topfpflanze, sobald er sich wieder entspannte. Erklären konnte er ihm das nicht. „Ich wusste nicht, dass es ein Mädchen gibt,“ erinnerte er ihn nur daran, wie wenig er ihn gesehen hatte in den vergangenen Monaten, Jahren. Was er alles verpasst hatte. Ohne das jemals zu wollen. Kein Vorwurf darin. Und dennoch fühlte Remus sich nur noch mehr wie ein Esel, das war unverkennbar in seiner Mimik, in seiner ganzen Haltung. Trotzdem hoben sich seine Schultern in einem kurzen, stummen Lachen. „Sie ist,“ fing er an und schien selbst darüber amüsiert und erstaunt zu sein, „Sirius' kleine Cousine.“

Überrascht flogen förmlich Edwards Brauen nach oben und er schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel wie Potztausend und Donnerwetter. Am liebsten hätte er selbst laut losgebrüllt, hätte das einem britischen Gentleman gebührt. So aber war es ein freudiges „ha!“, das er von sich gab, und er schüttelte den Kopf in ungläubiger Bewunderung. Niemals hätte er ihn vergessen können, den vorlauten Bengel aus bestem Zaubererhause, von adligem Geblüt und bestem Herzen. Schmunzeln musste er, wie er an diese Charakterzüge zurück dachte, und Edward rieb sich fest den Bart. „Und du glaubst tatsächlich, du könntest vor einer Black davonlaufen?“

Wie lächerlich. Er hatte recht. Das war absurd. Einfach nicht drin. So als wolle man den Mount Everest versetzen oder auf den Grund des Meeres schwimmen, wo einen das schiere Gewicht zerquetschen musste. Dieser Kommentar, diese so einfache Erkenntnis doch, die war wie das Schwert Alexanders des Großen in Phrygien, und ob er wollte oder nicht, Remus Lupin musste lachen. Großvater stimmte darin ein, und sich die Bäuche haltend, zertraten sie damit endgültig die unangenehme Spannung, die Zurückhaltung zwischen ihnen. Großartig. Eine Black. Der Werwolf, der Sohn eines Schlammbluts und einer Blutsverräterin und eine waschechte Black. Grandios.

Die Sonne berührte das Westfenster nun schon nur noch im unteren Winkel, und sie im Augenwinkel erhaschend, begriff Remus, wie lange er geschlafen haben musste. War das merkwürdig? Nein. Nicht nach den Ereignissen der vergangenen Tage. Dass er überhaupt schon wach war, dass sein Magen die angebotene Suppe vertrug, seine Muskeln nicht zitterten vor Kraftlosigkeit, das war wahrhaftig seltsam. Er seufzte und drückte die Ellbogen durch, jetzt beide Hände um die Bettkante gekrallt. Ja, es war auch wegen der Heirat gewesen, dass er fortgerannt war, ja, auch das hatte dazu beigetragen, zu diesem entsetzlichen, unüberwindbaren Durcheinander aus Angst, aus Furcht, aus Lebens- und Überlebensschuld, das wusste er, das hatte er eigentlich gleich gewusst. Aber es war nicht der Grund. Was aber dann?

Nein. Auch das nicht. Merlins Bart und Gottes Willen, ganz bestimmt nicht, niemals. Nur noch mehr war es grässliche Scham, die sich ihm zwischen die Rippen trieb, und mit aller Macht zwang er sich, die Stimme des Jungen aus seinem Kopf auszusperren, die so schreckliche Dinge gesagt hatte. Eingebrannt in seinen Schädelknochen. Bloß nicht umsehen da drin. Vielleicht zu hart, ja, vielleicht kurzsichtig und unfair, aber dennoch nicht vollkommen unwahr. Aus einer Sicht, von einem Punkt aus, von seinem – Harrys – Punkt aus. Sich dem zu stellen, war nicht so leicht. Aber Remus John Lupin war nicht umsonst ein Gryffindor.

Sich aufrichtend, matt noch die Iris, doch ein Schimmer darin zurückgekehrt von diesem alten Leuchten, für das ihn seine Freunde so bewundert hatten, erhob er zum ersten Mal, seit er sich davon geschlichen hatte, wieder den Kopf über die eigenen Schultern hinaus. „Sie bekommt ein Kind.“

Edward wurzelte förmlich fest auf seinem Stuhl, weniger als den Bruchteil eines Atemzuges lang, ehe er blinzelte und dann prustete. Richtig verstanden. „Ha!“ konnte er wieder nur herausbringen, so wie es ein Gärtner im März ausrief, wenn er die ersten Köpfchen von Schneeglöckchen aus dem kahlen Boden gesprossen fand. Wie ein Winterschläfer, der Sonnenstrahlen spürte. Als habe man einen unruhig Träumenden mit eiskaltem Wasser übergossen. Und er lachte. Noch lauter und schöner und befreiter als gerade eben noch, auch wenn Remus ihn dafür wieder nur anstarren konnte, halb belustigt, halb erschrocken.

Erleichtert. Großvater schien erleichtert und wie entbunden von einer lang getragenen Bürde, die Wirbelsäule mit einem Mal so gerade und beweglich wie bei einem 20jährigen. Er strahlte, er glänzte, ein lebendiges Juwel, während seinem Gegenüber jegliche Farbe aus dem Gesicht geflossen war. Oh, das hatte er nicht erwartet. Keiner von beiden. Der eine nicht die Tatsache, der andere nicht die Reaktion. „Ich mache es dir nicht leicht, nicht wahr?“ erkannte der ältere Mann die Schwierigkeit, die er seinem Enkel auferlegte mit ungetrübter Zufriedenheit. Nicht einmal den Kopf schütteln konnte Remus, so baff war er.

Es war Krieg. Krieg! Auf aussichtslosem Posten! Voldemort war stark, so unendlich mächtig, hatte das Ministerium in seiner Gewalt, schickte Greifertrupps durch das Land und verhaftete wahllos Muggelstämmige, Aufmüpfige und unliebsame Bürger, wie es ihm gefiel. Ein Kind! In einen solchen Horror geboren! Wie konnte er, wie konnte Edward das nicht sehen?

„Ich entschuldige mich nicht,“ fuhr er fort und gab seine Beweggründe preis. „Das ist die schönste Nachricht, die mich seit vielen Jahren erreicht.“ So musste er dreingeschaut haben, wenn er die Arbeit eines Studenten zerriss, schoss es Remus durch die ohnehin vollkommen verworrenen Gedanken, doch er konnte nicht antworten, nicht protestieren, sich nicht verteidigen, genau wie ein ebensolcher Schüler es nicht gekonnt hätte. Kein „aber“. Edward hob eine abwehrende, flache Hand. „Nein, mach' es mir nicht madig, Remus!“ lehnte er kategorisch ab. „Mein Geschlecht stirbt nicht aus. Das darfst du einem sentimentalen alten Mann nicht übel nehmen, egal, wie dir davon die Hosen flattern.“

Wieder diese schier unmögliche Zusammenstellung aus Amüsement und himmelschreiender Panik. Remus konnte darauf kein Argument finden, keine passende Antwort, die auch nur im geringsten an die brutale Ehrlichkeit in diesem, Edwards Ausspruch herangereicht hätte. Er gab auf, sackte zusammen und faltete die eigenen Hände ineinander, fast flehentlich und gleichzeitig in Übersprungshandlung. „Ich kann das nicht,“ bekannte er, die Worte beinahe untergehend in einem gepressten Schluchzen, und er senkte rasch den Kopf und vergrub das Kinn zwischen seinen Schlüsselbeinen.

Sofort kehrte die ruhige Sanftheit in Edwards Gebahren zurück. „Du kannst das nicht?“ hakte er nach und legte den Schädel schief, um das nun hervorbrechende Kind besser anschauen zu können. Hektische, rote Flecken, winzig wie petechiale Blutungen, sprossen auf Remus' Wangen, Vorboten eines erneuten Weinkrampfes, doch es floss keine Träne. Nur wieder schüttelte er heftig den Kopf, dass seine fussligen Haare nur so flogen. „Ich kann's nicht,“ wiederholte er wie ein Mantra, als würde es dadurch echter. „Ich bin nicht so stark, Großvater.“

Edward erwiderte nichts. Saß nur da und hörte zu. „Pa und du,“ fing Remus an, ohne ihn anzuschauen, „ihr wart unbrechbar, ihr wart immer so ...“ Ihm fielen nicht recht die Worte ein, die seinen Vater und Großvater über ihn erheben sollten, und gestikulierend suchte er, sich Zeit dafür zu verschaffen. Längst auf ganzer Linie verloren. „Ihr konntet alles durchstehen, ihr habt immer das Richtige getan, während ich ...“ Davongelaufen war. Panik geschoben hatte. Feige gewesen war.

Das Lachen, zahmer jetzt und mit bittersüßem Stolz darin, ließ ihn doch das Kinn wieder heben und in das Gesicht des Collegeprofessors sehen, der mit verschränkten Armen in seinem Stuhl lehnte und nun seinerseits den Kopf schüttelte. „Bist du verrückt?“ Schon als Kind eine Lanze für sich selbst, aufrecht durch sein Schicksal gelaufen, das so viel grausamer war als das seiner Klassenkameraden, jeden Vollmond in unglaublicher Qual durchgestanden. Sich hochgekämpft, niemals klein bei gegeben in all den Jahren. Wo andere, wo ein ganzes Volk sich wie die Franzosen in den Löchern verkrochen hatte, war er aufgestanden und hatte einem Monster die Stirn geboten, das keine Skrupel kannte. Und jetzt hockte er hier und redete einen solchen Unfug?

„Ja, du bist verrückt!“ beschloss Edward, sich seine Frage selbst zu beantworten, und prustend kam er ihm entgegen. Hatte er ihm jemals irgendetwas davon erzählt? Nicht bewusst. Er konnte sich selbst nicht erklären, wieso eigentlich nicht. Zu gruselig war nichts für die Ohren seines Enkels, genug am eigenen Leib erfahren. Zu persönlich vielleicht? Ihm zu offenbaren, dass Zweifel und Ängste dazu gehörten, zu gefährlich?

All das beiseite wischend, umfasste Edward seine Schulter und drückte sie, zärtlich, jedoch fest. „Als ich den Brief erhielt, in dem mir deine Großmutter eröffnete, sie erwarte einen Sohn, da lag ich in den Schützengräben vor El Agheila, und um mich herum flogen Granatsplitter.“ Beinahe musste er darüber lachen, wie er das nun sagte, nach so vielen Jahren, die Absurdität dessen umso besser verstehend. „Ich habe mich in meinen Stahlhelm übergeben.“

Er glotzte ihn an. Der Jüngere hockte wie ein Standbild mit bebendem Herzschlag auf der Bettkante und konnte nicht einmal den Mund zu machen. „Abgetrennte Gliedmaßen, sterbende Schulfreunde, das alles konnte ich ertragen, aber das nicht.“ Wasser glitzerte auf den grauen Regenbogenhäuten, die letzten Sonnenstrahlen Kronen aus Gold hinein reflektierend, wie das Gestirn im Westen unterging. „Dein Vater,“ hörte er nicht auf zu sprechen, „wurde ohnmächtig. Ohnmächtig!“ Unvorstellbar. Dieser so unerschütterliche Mann, sein Vorbild, als Vater wie als Charakter, ganz schwindelig, nur wegen ihm. Und Edward lachte heiser.

„Es ist gut so, Remus,“ schämte er sich nicht dafür, nicht im geringsten. „Weil es bedeutet, dass dir bewusst ist, worum es geht.“ Im selben Maße, wie sich die Welt um sie beide herum verdunkelte, wurde es heller in seinem Innern, glomm die Erkenntnis auf, die der Professor mit seinen Worten heraufbeschwor. „Ein Kind ist alles.“ Und mehr musste er nicht sagen. Der Junge fiel einfach vorwärts und lehnte seinen Oberkopf gegen den Hals des Großvaters, die neuerlich aufkommenden Tränen dieses Mal nicht in Verzweiflung vergossen.

Seine Augen und Doras Lachen. Wie in seinen Träumen. Nur verwandelte sich das Kind nicht in Qual in einen Wolf. Es rannte über die Wiese zwischen Heslington und Fulford, den selbstgebastelten Drachen hoch oben an einer Schnur hinter sich herziehend, und Remus verstand, was Edward gemeint hatte. Dass von nun an sein Herz und seine Seele lebendig über diese Erde wandeln würden, niemals von der Seite dieses kleinen Wunders weichend. Und dafür, ja, dafür lohnte es sich, zu kämpfen und zu sterben. Silber-gelber Funkenschauer. Grüner Blitz. Und rotes Glühen gleich links neben dem Brustbein. Keine Angst mehr davor.

„Geh nach Hause, mein Junge,“ hörte er ihm ins Ohr flüstern, ehe ihn die kräftige Hand aufrichtete, und seinem Großvater nun offener in die Augen blickend, zurückgekehrt das Leuchten, nickte Remus Lupin bestimmt. Egal, wie schwer es fallen würde, auch wenn sie ihn gar nicht mehr zurück wollte nach dem, was er ihr zugemutet hatte in seiner Dummheit und seiner Ängstlichkeit. „Geh heim. Du wirst gebraucht.“

Nach seinem Mantel greifend, den Zauberstab vom Nachttisch einsteckend, erhob er sich und schwor, niemals mehr auf Knien zu leben. Für Edward das größte Lob und der schönste Dank, ohne dass es einer von beiden aussprechen musste.


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