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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Ãœberall, nirgendwo

von Teekon

Von der nur schwach durch eine einzelne Birne in der Dunstabzugshaube beleuchteten Küche aus, kam es ihr wie Winter vor, doch draußen vor den Fenstern grünte der verkrüppelte Apfelbaum, und sommerlicher Duft nach reifenden Früchten und spätblühendem Rhododendron lag in der lauen Luft. Egal, wie sehr sich die Welt bemühte, es half ganz und gar nicht. Es blieb kalt und dunkel, trotz der wenigen Stunden, die der Nacht beschert waren um diese Zeit des Jahres.

Der Kessel pfiff auf dem Herd, und das unangenehm laute und durchdringende Geräusch ließ beide Frauen zusammenzucken, die eine mehr als die andere. Das Rascheln der Decke, die sie notdürftig irgendwie über sich geworfen hatte, vermischte sich mit dem schniefenden Hochziehen der Nase, wie das Mädchen versuchte, die dadurch entstandene Gänsehaut loszuwerden. So wie sie sich an dem rauen Stoff des Ohrensessels rieb, schaffte sie es nicht. Innehaltend mit dem schweren Gefäß in der Hand, im Begriff, die Kanne aufzugießen, verharrte Andromeda einen kurzen Moment und beobachtete sie dabei durch den türlosen Rahmen.

Blass. Frisch gefallener Schnee, so weiß war sie, fast genauso hell und leuchtend wie das so gewohnte Nachthemd an ihr, das sie noch immer trug. Früher hatte sie das gemacht, als Kind, wenn sie krank gewesen war, diese paar Wochen damals mit den Drachenpocken, die oft tödlich endeten, ihr aber nicht mehr getan hatten als ein simples Aufflammen von Röteln bei Muggelkindern. Den ganzen Tag lang damals herumgelaufen in einem ganz ähnlichen einfachen Überwurf mit albernen fluffigen Absätzen um die Knöchel und die Handgelenke. Aber niemals so niedergedrückt, in ihrem ganzen Leben nicht.

Es tat weh, sie in diesem Zustand zu sehen. Unnatürlich verdreht, hatte sie die Beine angezogen und halb unter sich gefaltet, dass ihre Fußsohlen sich gegen die Armlehne stemmten, und die Wirbelsäule zu einem Bogen gespannt, drückte sie ihren Hinterkopf in das Ohr von Großvater Tonks' Lieblingssitzgelegenheit. Wohin mit ihren Händen, das wusste sie offenbar nicht. Mal ineinander verdreht, mal ausgestreckt auf ihren Oberschenkeln, als wolle sie überprüfen, dass die Maniküre perfekt verlaufen war, schließlich wieder die Arme überkreuzend, um sich zu wärmen. Obwohl es nicht kalt sein konnte.

Ein kleines Feuerchen brannte im Kamin, dem sie ihre Breitseite zugedreht hatte, und das schwache Knistern der Scheite schien sich ihrer Stimmung anzupassen. Leise sein, sie nicht überfordern, keine zusätzliche Unruhe hineinbringen in diese zweite Nacht voller Bangen und Warten. Keine weitere Lichtquelle schien in dem hübschen Reihenhäuschen in der Chaffinch Lane, alles still und gespannt, während die Nachbarschaft friedlich schlief unter einem ausgedehnten Schutzzauber, dessen Natur niemand von ihnen so recht fassen konnte. Dora hatte nichts gesagt. Sie wusste es, sie verstand, aber darüber reden war so unwichtig.

Das heiße Wasser floss gleichmäßig aus der Tülle und traf dampfend auf die zerschnittenen und zerriebenen Kräuter in dem kleinen Sieb, ehe es sich im Bauch der Kanne sammelte. Sofort strömte der angenehme Zitronenduft des Pfaffenkrauts aufwärts und fing sich in der Nase der Hexe. Sie musste einen tiefen Atemzug nehmen und es genießen, die Wirkung schon spürend, noch ehe die Kraft der Pflanze gänzlich zur Geltung kommen konnte. Vielleicht würde der Tee nicht schaffen, ihr ein paar kurze Stunden ruhigen Schlafes zu gewähren, doch würde er zumindest ein wenig Linderung verschaffen. Andromeda schloss die Augen für einen Moment und fühlte sich versucht, ein Stoßgebet gen Himmel zu schicken.

Die Stille war kaum auszuhalten. Ja, die Standuhr tickte, ja, draußen fuhr die Brise sanft durch die Blätter und brachte sie zum Singen, und nicht allzu weit entfernt rauschten vereinzelt Fahrzeuge über die breiten Avenues und Boulevards der riesigen Stadt an der Themse, die das einstmalige Dorf von Penge schon vor vielen Dekaden überrollt und verschluckt hatte. Trotzdem war diese Leere fast ganzheitlich, reizte die Nerven und bohrte sich in jeden Winkel. Die Ohren blieben gespitzt wie die eines Wachhundes auf einem entlegenen Hof, immer kurz davor, das Knacken eines Zweigs für das peitschende Pistolengeräusch eines Apparierens zu halten.

Doch nichts. Er kam nicht. Keiner von beiden. Nicht eine Nachricht, keine Neuigkeiten wehten in Form von rautenförmig geknickten Pergamenten durch den Kamin. Nicht einmal grüne Flackerflammen wollten sich unter all das warme Orange mischen, das ihr keinen Trost spenden konnte. Wie lange war Pop jetzt schon fort? Wann war er aufgebrochen, um nach ihm zu suchen, um Ausschau zu halten, um Freunde, Bekannte, Ordensmitglieder nach ihm zu fragen? Sie konnte sich nicht erinnern, hatte nicht auf die Uhr gesehen, und jetzt war es ihr nicht möglich, sich weit genug vorzubeugen, um das Ziffernblatt dort hinten auf der Anrichte zu erkennen. Nicht einmal, wenn sie dabei vom Sessel fallen wollte.

Sie hätte selbst gehen sollen. Hier zu sitzen, das hielt sie nicht aus, es ging einfach nicht. Und kannte sie nicht viel besser all die Orte, zu denen er fliehen, wo er sich verstecken mochte? War es nicht sinnvoll, den Menschen nach ihm fahnden zu lassen, der am meisten Erfahrung und Routine darin hatte, so etwas zu tun? Ihn dabei auch noch am besten kannte? Dutzende Plätze fielen ihr spontan ein, an denen sie ihn finden könnte, ohne groß nachdenken zu müssen. York, Hogsmeade, Westminster, Aldgate. Lulworth. Überall. Als hätte man ihr die Kraft aus den Beinen gesaugt.

Nicht einmal ihren Zauberstab trug sie bei sich. Das weißgrüne Holz mit den Schnitzereien von gefiederten Birkenblättern ringsherum von der Spitze bis hinunter in den Schaft lag nutzlos auf dem Nachttisch, wo sie es hingelegt hatte, als sie zu Bett gegangen war an jenem Abend. Als er noch hier gewesen war, dort draußen im Garten, auf und ab laufend, um die Warnmeile um das Haus zu legen. Damit sie beim nächsten Besuch nicht so unvorbereitet handeln mussten. Sicher gefühlt. Mit einem Lächeln eingeschlafen. Aufgewacht allein mit einem Brief.

Den hatte sie hier bei sich, den hatte sie zwischen ihre zitternden Knie und die andere Armlehne des Stuhls geschoben, und die feinen Blätter vibrierten im aufgewühlten Puls. Sobald sie die Lider schloss, sie nur herabhängen ließ, flammten die Zeilen daraus auf wie von Blitzlichtgewitter erhellt. Und sie wollte sie nicht sehen. Und doch wieder jede davon inhalieren. So war Schlaf einfach unmöglich. Kein Auge würde sie zutun können, bis sie nicht zumindest eine winzige Nachricht hatte. Die Worte, die Sätze, die sich formten, die machten ihr Angst, eine Art der Furcht, wie sie nur ein winziges Kleinkind empfinden konnte, das in die Dunkelheit hinauslauschte und seine Eltern nicht mehr hören konnte.

Die Qual, die in ihr bleich gewordenes Gesicht kroch, übertünchte sogar die Farblosigkeit ihres Haares, zurückgerutscht in dieses unscheinbare Mausgrau, dabei jedoch noch halblang und mit ihres Schwungs beraubter Welle auf ihre Schultern fallend. Sich an Stirn und Schläfe fassend, rieb sich Nymphadora kühlen Schweiß in die Haut, ehe sie den schweren Schädel wieder zurück rollen ließ gegen die Ecke zwischen Rückenlehne und Ohr des Sessels. Geduld war nie ihre Stärke gewesen. Aber das hier, das erforderte viel mehr als nur reine Duldsamkeit. Kein Black in all ihrer langen Familiengeschichte hatte jemals eine solche Selbstbeherrschung an den Tag legen müssen.

Sie durfte nicht mit. Sie konnte nicht nach ihm suchen, nicht jetzt, nicht nach allem, was sie erfahren hatten in den vergangenen Tagen. Merlin, nur eine einzige Woche war es doch gewesen. Pop doch auch nicht! Pop konnte nicht, er musste auch zu Hause bleiben! Lestrange hatte es gesagt: Wenn sie ihn ohne Papiere erwischten, wenn er nicht vorweisen konnte, dass er als Muggelgeborener registriert war und Erlaubnis hatte, sich mit einem Zauberstab zu bewegen, dann … Sie mochte nicht darüber nachdenken. Aber er hatte ihr nicht zugehört. Hatte sich trotzdem hinaus gewagt.

Wie konnten sie von ihr erwarten, still zu halten und sich nicht zu rühren, wenn sogar ein so besonnener und verantwortungsvoller Mann wie ihr Vater sich über all diese Vorsicht hinwegsetzte? Musste man sie da nicht festketten? Müsste sie nicht schreien und strampeln und sich loshexen? Statt dessen hockte sie nur da, im Nachthemd, unbewaffnet. Nicht einmal Schuhe trug sie. Eigentlich verstand sie sich selbst nicht. Angst vor Häscherbanden? Pah. Was sollten die ihr schon tun? Sie hatte keinen Schiss. Nicht vor Heimscheißern wie Dawlish unter seinem Imperius, nicht vor Muttersöhnchen wie Malfoy und auch nicht vor Greyback und seinen Jungs. Zuvor mitten unter sie appariert. Für ihn. Wegen ihm.

Es ging nicht mehr nur um sie.

Ob sie die selben Fragen umtrieben? War das nicht dieser Blick, den sie so gut kannte von ihrer Mutter, den sie ihr da zuwarf aus der Küche, aus der sie nun herüber kam mit einer dampfenden Tasse heißen Tees? 'Ich versteh mein Kind nicht'? Am liebsten hätte Dora leise gelacht, wären ihre Mundwinkel nicht so entsetzlich festgetackert gewesen an ihrem Kinn. Den hatte sie oft gehabt, Ma, wenn es um Quidditch gegangen war oder um ihre miesen Noten in Zaubertränke oder um – der Himmel bewahre – Fußball. Muggelzeugs. Grillen im Garten, Autofahren. Und Jungssachen. Und die Ausbildung zum Auror, die Dora sich so sehr gewünscht hatte. Jetzt war er wieder da. Doch anstatt zu zetern, aufgebracht zu fragen, zu bohren, nach Erklärungen zu verlangen, umrundete sie nur den Sessel und ging zwischen ihrem einzigen Kind und dem Kamin in die Hocke.

Den hohen Becher streckte sie ihr entgegen, und nur zögerlich reagierte die junge Frau mit dem noch immer sternengleich strahlenden blauen Stein auf ihrem Ringfinger. Ihr Gewicht ein wenig mehr in Richtung des Lichts verlagernd, wandte sie sich ihrer Mutter zu und griff mit beiden Händen nach dem Porzellan. „Der wird dir gut tun,“ flüsterte Andromeda, nur um etwas gesagt zu haben, und mit zärtlichen Fingern, elegant wie eh und je, streichelte sie die flaumig weiche Wange ihres Mädchens. Die Spuren der Tränen darauf waren deutlich zu fühlen, wie sie leise „danke“ entgegnete. Natürlich würde er das. Melissentee von Mama.

Schon allein die pure Wärme an sich löste die verkrampften Gelenke, und das Aroma durchströmte rasch das weitläufige Wohnzimmer der Familie Tonks. Einerseits erfrischend, andererseits zähmend, das war die so gegensätzliche und gleichzeitig so harmonische Wirkung des Heilkrauts. Es vertrieb nicht dieses gähnende Nichts in ihrem Innern, nahm ihr nicht komplett das Beben ihres Herzens, das so ganz anders war als in hunderten gemeinsamen Gefechten zuvor, sich so ähnlich anfühlte wie damals dieses grauenhaft ruhelose Wummern in der Brust, als sie davon gehört hatte. Ein Wolf getötet worden. Aber es half.

Erwartung mischte sich in den Ausdruck auf Mas Gesicht, nun von schräg unten her zu ihr aufschauend. Dieser sorgenvolle, S-förmige Schwung in ihren Brauen, den konnte sie nicht mal unter ihren hübschen brünetten Locken verstecken, doch auch darauf ging Dora nicht ein. Ein halbherziges Seufzen stotterte aus ihrer Kehle, ohne dass sie die Lippen öffnete, und als ob das nicht so offensichtlich gewesen wäre wie die rote Nase in der Schminke eines gruseligen Clowns, schüttelte sie wispernd den Kopf: „Ich mache mir solche Sorgen.“

Andromeda nickte dennoch verständnisvoll, rührte sich sonst kaum. In die Mimik getrieben, diese so übermächtige Beklemmung und Bangigkeit, das kannte man nicht von diesem so lebenslustigen Mädchen. Längst erwachsen, sicherlich, aber sie würde es immer bleiben, nicht nur für ihre Eltern. Stark und aufrecht, sich niemals unterkriegen lassend, schimmerte das Blut ihrer Sippe durch ihre helle Haut hindurch, schon so gewesen, als sie geboren worden war. Sie so zu sehen, war eine Wunde im Paradies. Und für eine Mutter nur umso schwerer zu ertragen.

„Er wird Dummheiten machen,“ war Dora felsenfest, und für einen winzigen Augenblick ballte sich eine ihrer Hände zur Faust und deutete an, die Armlehne prügeln zu wollen, tat es aber nicht. „Er kann so,“ sie hielt kurz inne, um die rechten Worte zu wählen, „so stur und so unüberlegt sein und so,“ erneut pausierte sie, „so bescheuert heldenhaft.“ Dabei wurde sie nicht einmal laut, und dennoch flirrte heißer Zorn durch ihre Augen, die wie kleine Kohlen aufglühten und wieder erloschen. Das flüchtige Grinsen auf Andromedas Zügen, das in ein sanftes Lächeln überging, konnte sie nicht erklären.

Fast zuckte sie die Achseln, als sei das, was sie sagte, das Selbstverständlichste auf der Erde und prustete. „Das hat er von seiner Mutter,“ war sie überzeugt. „So sind die Longbottoms,“ behauptete Andromeda, und für den Bruchteil einer Sekunde schaffte sie es damit tatsächlich, ihr Kind abzulenken und aus den trüben Gedanken zu reißen. Ihr fiel der einzige Vertreter dieses Clans ein, der sich zur Zeit in jugendlichem Alter befand und den sie somit kannte. Neville. Stur. Unüberlegt. Heldenhaft. Das war zum Lachen. Doch so lange hielt es nicht an, und Dora schüttelte erneut den Kopf und widmete sich wieder dem Hier und Jetzt.

Mit einer Geste nur deutete Andromeda auf die Ecken von Pergament, die zwischen dem Nachthemd und der Decke sichtbar wurden, wo ihre Tochter den Brief eingeklemmt hatte. Auf der Kommode hatte er gehockt, das Bild verdeckt, das Foto von ihm und ihr, das sie genau dort aufbewahrte, wo sie es immer sehen konnte. Von jedem Winkel des Zimmers einsehbar. „Hat er geschrieben, was er vorhat?“ erkundigte sie sich nun zum ersten Mal nach seinen Worten, wo zuvor nur Ted hatte wissen wollen, worum es darin ging. Anhaltspunkte. Herausfinden, an welchen Orten er nach Spuren von ihm suchen konnte.

Die süße Stubsnase noch in der Teetasse vergraben, gerade einen tiefen, langen Schluck des zitronigen Getränkes nehmend, nickte Dora bereits, und man hätte schwören können, ihr ganzer Arm verliere für einen Herzschlag lang seine Kraft, ehe sie sich wieder fing. „Ja,“ hauchte sie über die Oberfläche des Tees hinweg, und der aufsteigende Dampf wurde von ihrem Atem zerstoben, bevor er wieder gleichmäßig und schwirrend in ausladender Welle nach oben entwich. „Er will ihn suchen,“ berichtete sie, die Finger schon wieder so fest zusammendrückend, dass sie weiß wurden wie die Keramik des Bechers. „Aber Harry kann überall und nirgendwo sein!“

Dass Mutter grübeln musste, ihren Blick aus ihrem Gesicht nahm, kam ihr wie gerufen. Sie sollte es nicht sehen, dieses Aufblitzen von scharfer Mischung aus Panik und tränentreibender Angst, das von der bloßen Erinnerung an seine Worte hervorgerufen wurde. Weil sie zwischen den Zeilen las. Weil sie mehr sah als seine so abgenutzten Argumente, seine immer wiederkehrenden Zweifel, mitgeschleppt aus Kindertagen, aus Jugend und Erwachsenenalter, die sie ihm in die Seele getrieben hatten, die ganz normalen Ausgrenzer genauso wie die mörderischen Verluste, die zwei Kriege ihm zugefügt hatten. Zusehen zu müssen, hören, lesen zu müssen, wie einem Menschen, den man so sehr liebte wie sie ihn, solches Leid nicht geheilt werden konnte, das war schwerer zu ertragen als die Untätigkeit, zu der sie sich nun zwingen musste.

Sie hatte recht. Harry Potter, der so weich und verwirrt ausschauende Junge, der hier in ihrem Gartenteich gelandet war, konnte sich überall verbergen, wo immer er wollte, war nicht gebunden an bestimmte Stätten oder bedeutungsschwangere Orte. Ein Muggelmotel in Leeds, eine verlassene Hütte auf der Isle of Man, eine von hunderttausenden gleichen Wohnungen irgendwo in Greater London. Allein. Mit seinen Freunden zusammen. Wechselnd. Täglich woanders, vielleicht sogar stündlich. Wie Remus gedachte, ihn überhaupt aufzuspüren, das konnte sie sich nicht im geringsten vorstellen. Doch dann wieder wusste sie eines genau: Jeder unterschätzte ihn. Nein, Dora vielleicht nicht. Und Sirius sicher auch nie. Aber alle anderen hatten keinen blassen Schimmer von den Fähigkeiten des Remus John Lupin.

Man konnte ihn förmlich sehen, diesen Schild, den er in so kurzer Zeit so fest wie einen Deckel auf einem Gurkenglas über ihr Heim gelegt hatte. Durchquerte ihn ein Insekt oder ein Vogel, dann flackerte die Luft, dann waberten Schlieren aus goldgelben Funken, so dicht wie Sandkörner in der Wüste, rechts und links davon, und das ganze Gebilde, diese Glocke aus seiner ganz persönlichen Magie, summte wie eine Karaffe, über deren Rand ein befeuchteter Finger strich. Es ließ einer geborenen Black das Herz entflammen, dass man am liebsten den eigenen Zauberstab gezogen hätte, um mit diesen verrückten jungen Leuten in eine Schlacht zu ziehen. Euphorisch.

Nicht bloß seine Zauberkunst. Beschämend, nie darüber nachgedacht zu haben, mit der Masse geschwommen zu sein, die immer nur die so besänftigend stille Oberfläche sehen wollte von ihm. Er stand noch immer. Ein bisschen gebeugt vielleicht nach all den Jahren, wie ein Baum an der Küste, der Sturm um Sturm überlebt hatte, doch, ja, Remus ließ sich biegen, aber niemals brechen. Hatte einmal eine Familie gehabt und eine Zukunft wie jedes andere Zaubererkind auf diesen schönen, grünen Inseln in der Nordsee, hatte Hoffnungen und Träume gehabt und Freundschaften so fest wie der Granit seiner Heimat. Alles verloren, Stück für Stück, Herz um Herz, Stein um Stein, und doch war er immer noch da. Welch adamantene Seele musste man dafür haben?

Sie verstand das jetzt. Es war nicht viel nötig gewesen, um ihr die Augen zu öffnen, nachdem sie sich so lange dagegen gewehrt hatte. Wann war das gewesen, dass sie es herausgefunden hatte? Wie viele Tage war es her, seit sie wusste, dass ihre gerade einmal 24 Jahre alte Tochter sich entschieden hatte für einen Ausgestoßenen, einen Aussätzigen, fast so alt wie ihr eigener Vater? Keine zwei Monate, nein. Unendlich viel war passiert seitdem, hatte ihre sprichwörtliche Wut abebben können, nachdem sie mehrfach hochgekocht war, so schäumend und gefährlich wie ein Feuersbrunst-Trank. Die Hochzeit unter Teds Segen der Höhepunkt gewesen.

Dora hatte es erzählt, hier am Küchentisch, während er unterwegs gewesen war, damit er es nicht noch einmal durchleben musste. Wie Dawlish sie gepackt hatte, wie er sie bedroht hatte, die Prellung zwischen den Rippen unter der Achsel auf der linken Seite noch immer so schmerzhaft, dass sie sich auch heute Nacht immer wieder an die Stelle griff und die Handfläche lindernd dagegen presste. In glühendem Zorn hatte sie davon berichtet, so plastisch und so lebendig, Ted hatte mit den Zähnen geknirscht, und Andromeda hätte ihn am liebsten selbst vermöbelt. Unnötig. Remus hatte das in die Hände genommen. Buchstäblich. Ohne Zauberei. Und damit hatte er den Auroren eiskalt erwischt. Grimmiger Stolz wollte sich einem ins Herz schleichen dabei. Ihr erbarmungsloser Verteidiger.

„Er will mich bloß beschützen,“ wisperte Dora über den Tee hinweg, holte ihre Mutter wieder aus den Gedanken zurück, und wie sie den Becher absetzte, offenbarte sie ein merkwürdig schauererweckendes Lächeln. Abwesend ihre wundervollen, dunkelbraunen Augen, sah sie in weite Ferne, und Andromeda war sich sicher, was oder wen sie dort erblickte. Ganz weich war ihre Stirn geworden, jede noch so tiefe Sorgenfalte daraus verschwunden, und gleichzeitig blühte eine erhebende Form der Wehmut in ihrem Blick, den so vielleicht noch niemand je an ihr gesehen hatte. Oh, Andromeda kannte ihn. Hatte ihn selbst eines Tages an sich entdeckt, erinnerte sich noch ganz genau an jenen Augenblick. In der Spiegelung einer Laterne dort hinten in dem kleinen Raum hinter der Küche, und eine zitternde Gänsehaut huschte ihr unter die Ärmel, als käme die Erkenntnis nah, so nah, dass sie fast gegriffen werden konnte. Soeben unter dem Bewusstsein schwimmend.

Dora schnaubte fast lachend. „Er glaubt, er kann das.“ Die gleiche zärtliche Belustigung schwappte auf ihre Mutter über, die ebenfalls die Schultern beben lassen musste. Allerdings, oh ja, das war ihr so vertraut. „Männer sind Idioten,“ ergänzte ihr Mädchen, als reiche das als Erklärung vollkommen aus und als habe sie jeden einzelnen Gedankengang erraten. „Aber er kann nicht der ganzen Gesellschaft die Knöchel wegziehen,“ übertrugen sie beide auf jenen Abend der Flucht unter den wachsamen Augen des Wieselkopfes, wo John Dawlish zappelnd wie ein Käfer auf dem Rücken im Gras gelegen hatte, nach Atem ringend, ehe sie appariert waren.

Den Becher beiseite stellend auf den Couchtisch, dass sie fast aus dem Sessel kullern musste, um ihn zu erreichen, seufzte Dora leise, halb unterdrückt, um darin den übermächtig werdenden Kummer einzuschließen. Es klappte nicht. Wie eine Orkanböe schlug es ihr ins Gesicht und in die ganze Haltung, zwang sie dazu, sich regelrecht ineinander zu falten, und als habe sie es vorausgeahnt, richtete ihre Mutter sich auf, um sich auf die Armlehne des Sessels sinken lassen zu können. Gerade rechtzeitig. Ihr entgegen fallend, stemmte das Mädchen ihre Stirn in die Achsel ihr gegenüber, und hemmungslos aufheulend rollten die erneuten Tränen. „Ich will, dass er nach Hause kommt!“

Wie ein verlassenes Kind jammerte sie, gehalten von den Armen ihrer Ma wie früher, wenn sie schlecht geträumt hatte. Nur dieses Mal war es die Wirklichkeit, und Andromeda Tonks konnte es kaum ertragen. Es gab nichts, was sie hätte sagen können, kein 'es war nichts', kein 'da ist kein Ungeheuer im Schrank'. Das Monster war längst herausgekrochen, und es war überall. Voldemort. Voldemort und seine Todesser. Die Hass säten, die Furcht verbreiteten, die ehrbare und einfache Hexen und Zauberer da draußen in ihre Schergen und Mitläufer verwandelten mit Hetzschriften, mit grausamen Gesetzen, Verleumdung und Kesseltreiberei gegen alles, was nicht reinblütig war und was nicht mitziehen wollte. Ach, was redete sie sich da ein?

Die Ängste, vor denen Remus Lupin floh, die waren nicht neu, die waren nicht erst jetzt so himmelschreiend und ekelerregend. Menschen wie Ted mussten sich registrieren lassen wie Schlachtvieh, mussten beweisen, einen magisch begabten Vorfahren gehabt zu haben, um nicht als kriminell zu gelten? Registrieren. Dieses Wort hatte Remus schon gelernt, als andere Kinder noch nicht einmal Lesen konnten. Er hatte schon eine Nummer gehabt, die aus ihm ein Tier auf zwei Beinen machte, Abschaum, zweiter Klasse, zu meiden und zu verschmähen, wo man nur konnte, ehe ein Bett in Hogwarts für ihn bestimmt worden war. Jetzt, ja, jetzt führten sie Krieg. Für die Freiheit. Für das Recht, so zu sein und so zu leben, wie man geboren war, wie man gewollt worden war von dem da oben, der einen erdacht hatte. Fast hätte sie gelacht, freudlos und voller Scham. Denn für die, die schon vorher unterdrückt und gefangen gewesen waren, für die hatte sie sich niemals interessiert. Wie all die anderen Bürger.

„Shhhh,“ flüsterte sie und streichelte sanft das Haar der jungen Frau in ihrem Arm, wiegte sie vorsichtig vor und zurück, um sie zu beruhigen und gleichzeitig zu ermutigen. Es war in Ordnung. Es dauerte eine ganze Weile, in der das Feuer herunterbrannte und es noch ein wenig mehr Nacht und der Lichtkegel so klein wurde, dass rings um sie beide herum eine abgeschlossene Höhle aus warmer Dunkelheit entstand. Schön war das, tat gut, und gemeinsam mit dem zarten Duft des erkaltenden Melissentees konnte es die Stimmung tatsächlich beruhigen. Vielleicht trug es dazu bei, dass Dora sich dazu aufraffte. Im Nachhinein wusste sie es nie so recht, warum das der passende Zeitpunkt gewesen war.

Schniefend zog sie sich nur so weit zurück, dass es ihr möglich war, aufzuschauen. Groß und rund waren ihre Augen, wie früher manchmal, Andromeda so sehr an ihren eigenen Spitznamen aus der Schule erinnernd. 'Kullerchen' hatte man sie genannt. Es ließ einem das Herz springen. „Ma?“ Es klang wirklich wie eine Frage, und ihr entkam ein kleines Geräusch zur Bestätigung und gleichzeitig als Aufforderung zum Fortfahren. Noch immer fest in die Umarmung gebettet, schlug Dora den Blick nicht eine Sekunde nieder. „Ich bin schwanger.“

Irgendwie keine Überraschung. Und trotzdem wie ein erneutes Stolpern aus kitzelnder Empfindung irgendwo dort, wo Rippenbogen an Rippenbogen stieß. Ein Kind. In dieser Ungewissheit. Inmitten von Feuer und Krieg. Einem Feldzug, der fast verloren schien. Ein Kind. Nicht einen Moment lang wollten ihr Gedanken kommen über Irrsinn und Verantwortung, über Gefahr und schwarze Zukunft voraus. Keine Verschwendung an all die grauenhaften Visionen, die sie noch davon gehabt hatte, als der Wolf im Kinderzimmer schlief. Andromeda Tonks, geborene Black, wunderte sich ihr ganzes Leben lang darüber. Doch immer nur so lange, bis er da war, bis er lachte, bis sie ihn schlicht summen hören konnte. Dann war es wieder genau wie in diesem Augenblick: Klimpernde Klaviertasten in Herz und Kopf gemeinsam.

Die Tür flog regelrecht auf, wie der Zauberer ins Haus barst und den Flur hinunter stob wie ein Geschoss, bis er den Türrahmen erreichte und keuchend darin stehen blieb. Zerzaust war sein blondes Haar, der Mantel feucht vom Tau, das Gesicht noch immer blass, die Wange rosig von Anstrengung und langer Nacht. Dora fuhr herum in ihrem Arm, und Mutter und Tochter starrten ihn an. Doch Ted konnte nur traurig den Kopf schütteln, niedergeschlagen, aber nicht müde. Keine Nachricht von Remus. Und niemand hatte ihn gesehen.

Andromeda hielt den Atem an, wie das Knirschen von Doras Zähnen ihr durch Mark und Bein drang, und sie schloss einfach ihre Arme wieder fester um sie, fuhr mit den feinen Fingern über das Haar, dem ihren so ähnlich. „Shhh,“ versuchte sie es erneut, und es wirkte irgendwie. Sich rückwärts sinken lassend, noch immer in die Augen ihres Vaters blickend, winselte das Mädchen leise, und ihre Mutter flüsterte nicht mehr. Sie sprach es aus. „Es wird gut, Kleines,“ war es mehr als eine Behauptung. Eine Ansage. „Jetzt kämpft er für uns,“ küsste sie ihre Stirn, „und wenn das alles hier vorbei ist,“ sie strich ihr über die Schläfe, „dann kämpfen wir für ihn.“

Die Tränen flossen wieder. Ungehindert.


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Mike ist Engländer, ein sehr englischer Engländer. Jeden Tag trug er seine Anzugweste, was mir gut gefällt – man erlebt es heute kaum mehr, dass jemand Westen trägt. Er hat ein unglaubliches Charisma und flößt uns großen Respekt ein. Doch er verinnerlicht den britischen Humor total und kann sich bestens in die Internats-Teenager hineinversetzen.
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