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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Herzinfarkt

von Teekon

Er rannte. Er rannte und rannte auf schnellen, langen Beinen immer nur die regenfeuchte Straße hinunter, dass die Lederabsätze nur so knallten. Keine Pause, er hielt nicht inne, achtete nicht der vereinzelt vorbei tuckernden Autos, wischte nicht die feinen Nieseltropfen ab, und die Krawatte flog ihm über die Schulter wie die Fahne eines mongolischen Bannerträgers im Sturmangriff auf die chinesische Armee. Das dünne Haar, ausbleichend, schien sich nicht entscheiden zu können, ob es ihm an den Schläfen kleben oder flattern sollte, und Strähnen davon waren in seinen Augen, doch auch das nahm er nicht wahr, egal wie weh das tun musste.

Die sanfte Kurve, welche der Weg beschrieb, ignorierte er vollkommen, passierte einfach die halbrunde Rasenfläche, übersät von aufschießenden, blasslila Krokussen, sprintete darüber hinweg und sprang von der Bordsteinkante, um die Fahrbahn zu überqueren, ohne auch nur einen Blick nach links oder rechts zu verschwenden. Dabei keuchte er nicht einmal, war sich kaum sicher, dass er noch atmete, und die Arme hoben und senkten sich mit jedem fliegenden Schritt.

Keine Anstalten machend, abstoppen zu wollen, um das Gartentörchen zu öffnen, das fast in genau gleicher Ausführung vor jedem der kleinen Vorgärten Einlass gewährte in der hübschen Vorstadtsiedlung, vollführte er einen gestreckten Satz wie ein Dreispringer bei Olympia, und das Gewicht presste Wasser aus dem vollgesogenen Rasen.

Mit einem spritzenden Geräusch, Schrappnell aus Regen, stoben Fontänen davon, die durchnässten Hosenbeine kaum schlimmer verdreckend als sie es nicht ohnehin schon waren, und mit dem nächsten Ausholen erwischte Remus Lupin die mittlere der drei niedrigen Stufen vor der Haustür und donnerte gegen Holz, Messing und Glas mit einem lauten Knall, der ihn unmissverständlich ankündigte, noch bevor er die schwieligen Fäuste gegen den Rahmen hämmern ließ und sein Gehör auf den Innenraum fixierte. Augenblicklich blendete sich das glitzernde Rauschen des Bindfadenregens aus, und dumpfe, unruhige Stille legte sich auf seine Ohren.

Feste Schritte, zwei, drei, konnte er hören auf den gebeizten Dielen, wie mit einem Muffliato belegt, dahinter irgendwo klanglose Stimmen. Ein Schatten huschte durch das unbeleuchtete Halbdunkel, mehrfach gebrochen von einer elektrischen Lampe im Nachbarraum, kam näher, und die Klinke wurde heruntergedrückt, die Haustür in den Raum hinein genommen. Ohne auch nur eine Sekunde zu warten, drängte sich Remus in den Flur und schob Black regelrecht nach hinten. Er triefte. Er war pitschnass von oben bis unten, das Gesicht ganz bleich und blutunterlaufen die Augen, so als wäre der Vollmond gerade erst hinter den alten, geschwärzten Schornsteinen am Kanal untergegangen. Und nun forderten auch Eile und Anstrengung ihren Tribut.

Nach Luft ringend, stützte Remus sich halb gegen den Rahmen der Haustür, halb gegen das Blümchenmuster der Tapete über der Garderobenkommode. Durch das verwaschene Hemd zeichneten sich seine Schlüsselbeine ab, transparent beinahe der Stoff, und er musste schlucken, so trocken war ihm die Kehle. „Was ist passiert?“ japste er, denn die müde, graue, aber grimmig entschlossene Miene des Sirius Black sprach Bände und mehr als tausend Worte. Deutlich stachen die kräftigen Muskeln seines Kiefers hervor, selbst vorbei am mittlerweile stattlichen Schnauzbart mit gezwirbelten Enden, und die schwarzen Brauen verdunkelten die schwelende Glut seiner Augen, wie er wortlos einen Wink mit dem ganzen Kopf in Richtung Salon vollführte. Remus ließ sich nicht zweimal bitten.

So wie er war, sich weder der Schuhe noch des Mantels entledigend, wischte sich Lupin nun doch endlich die rostbraunen Strähnen aus der Stirn, zog sich in den Flur und sogleich durch den Rahmen in den Salon hinein, wo ein fünfarmiger Leuchter in Birminghamer Barock mit glühenden Wolframfäden funzlige Beleuchtung brachte. Noch nichtmal den Mund aufzumachen brauchte er, hatte keine Chance, die Situation in sich aufzunehmen, da spürte er schon die Erschütterung gegen seinen Brustkorb, und er wunderte sich kaum darüber, dass er augenblicklich beide Arme um das lebendige Geschoss legte und begriff.

Lily. Es war Lily, deren Stimme er noch von draußen hatte schrillen hören, hoch und berstend wie noch nie zuvor, wie sie gezetert und gleichzeitig gejammert hatte. Zu viel. Endlich in der Lage, es heraus-, es loszulassen. Ob er tropfte oder nicht, das interessierte sie nicht, die junge Mrs. Potter, die einfach nur hemmungslos weinend ihr schönes Gesicht in seiner Achsel verbarg und sich mit zitternden, klammernden Fingern in sein Hemd krallte. „Remus!“ heulte sie so hochfrequent, dass man es nur als eine Silbe wahrnehmen konnte. Und er schloss sogleich die Augen, vergaß die Szenerie rings um sie und sich herum und stieß einen Seufzer der Erinnerung und des Mitleidens aus. Oh, wie er das kannte. Oh, wie er das verstand. Niemand brauchte ihm mehr zu sagen, was hier los war.

Er musste ihr Gesicht nicht sehen, nicht das mit einem Mal so stumpfe Kupferhaar, die matten, schauderschön grünen Augen, als hätten sie mit jeder Träne etwas von ihrem Glanz verloren. Diese Furchen, so grau wie der gesprungene Asphalt zwischen den zerfallenen Lagerhallen, wie das schäbige, filzige Fell einer Kanalratte, die sich von der Nasenfalte aus nach unten zogen, die aufgeplatzten Lippen, winzige Pünktchen aus geronnenem Schorf darauf, verrieten eine Trauer, wie sie nun schon jedem von ihnen in die Herzen gebrannt worden war. Nun also auch ihr. Und nur eine Frage blieb: Wie?

Remus stellte sie nicht. Eingefroren in der Zeit, so fühlte er sich, hilflos, haltlos, viel mehr auf eine gewisse Weise als bei den eigenen Eltern, das Wasser des Regens nun wieder ganz ähnlich dem, das ihm um die Beine gespült war auf den so vertrauten und geliebten Kirschholzstufen. Weil sie davor behütet hätte sein sollen, sie, die Beste von ihnen an Können und vor allem an Herz und Seele. Aber sie konnten sie nicht beschützen, nicht einmal mit vereinten Kräften.

Als stecke er in Wackelpudding, die Welt auf Zeitlupe gestellt, so fühlte sich Remus, wie er vorsichtig die Lider hob, selbst schon blutrot die Bindehäute von einschießenden Tränen, die nicht fließen wollten, und er kam nur langsam dazu, seine Sinne Stück für Stück wieder einzuschalten, seine Umgebung zu registrieren. Sirius war da, stand halb hinter ihm, noch fast im Flur, wo er gerade mal einen Schritt in den Salon hatte machen können, bevor Lily ihn erwischt hatte. Jugendlich fast in seiner Aufmachung heute, Beobachtungsposten gewesen irgendwo, ausgestellte Hosen und einen Pullover über dem Hemd, in dunklen Farben gehalten, unauffällig und dennoch in seiner so gewohnt mächtigen Präsenz, füllte er seinen ganzen Augenwinkel aus, still nur zuschauend.

Das parterre gelegene Wohnzimmer der Familie Evans, der Charme der unteren Mittelschicht in jedem Möbelstück, in der Polstergarnitur, dem kitschigen Porzellannippes in jeder verfügbaren Nische, war nicht leer. Spärlich erhellt, die Regenfront so gerade erst vorübergezogen, lag Aston unter drohend grauschwarzer Wolkenschicht, und diese Decke breitete sich bis in jeden Raum hinein aus. Das wenige Licht, das durch das Erkerfenster zur Straße hin herein dringen wollte, wurde verschluckt von James Potters schlacksiger Gestalt, gehüllt in ein schwarzes Jacket, und sein Haar stand wirr ab, wie elektrisiert, wie er eine Hand flach auf Lilys Schulterblatt gelegt hatte zum Trost. Viel zu geschockt er selbst, um mehr als das zu vollbringen. Es war OK. Er verteidigte sie auf andere Weise.

Denn da waren noch andere Leute, standen aufrecht wie hässliche Felsbrocken mitten in der Pampa, und der dickste schnaufte wie ein erstickender Wal auf trockenem Strand. Hochrot angelaufen war der feiste Kopf von Vernon Dursley, Lilys Schwager, und so ausgegangen bereits sein fransiges Haar, dass man kaum Gesicht von Nacken unterscheiden konnte. Die Nasenflügel blähten sich mit jedem krampfhaften Atemzug, die winzigen Schweineaugen zuckten asthmatisch, wie er sich mit über dem Bauch gekreuzten Armen aufgebaut hatte, die zierliche Frau mit der Pferdeschnute halbwegs hinter seiner massigen Statur verborgen. Nur die zarte Wölbung ihres Leibes verriet, dass sie in den gleichen Umständen war wie ihre Schwester.

Die Auseinandersetzung war im vollen Gange gewesen, als er hereingeplatzt war, Remus erkannte es an der Spannung in der Luft mindestens genauso sehr wie an ihren Gesten, ihrer aller Mimik. Da waren Spuren von Tränen auch auf Petunias Wangen, auch wenn sie versuchte, diese zu verstecken. Stumme Anklage in ihren so fürchterlich hellen Augen, starr auf den Hinterkopf ihres jüngeren Geschwisters gerichtet. Sie brauchte es nicht nochmal auszusprechen, was sie vorhin gesagt hatte. Lupin hörte sie auch so, als wäre er dabei gewesen: „Das ist deine Schuld, deine ganz allein.“ Er drückte Lily fester und rieb ihr sacht die Schulter, ein feines, leises „shhh“ flüsternd, das die drückende Grabesstille beendete.

Dursleys bellende Stimme zerfetzte das Schweigen regelrecht. „Wir verlangen, dass diese scheußlichen Taten endlich ein Ende haben!“ donnerte er los, und sein schwabbelnder Wanst rollte davon auf und ab wie die Wellen einer Sturmflut. „Widernatürlich, und das ist die gerechte Strafe dafür!“ Noch ehe es ertönte, wusste Remus, dass es passieren würde, wie James' makellose und kerzengerade Zähne übereinander schrammten und knirschten, und das Gesicht des jungen Mannes entgleiste, wie er sich erst aufrichtete und dann vorbeugte, den Finger drohend erhoben. „Tickst du noch ganz sauber, du aufgedunsenes Mastschwein?“ fuhr er den wahrhaftig zu voluminös geratenen Schwager an, der augenblicklich noch mehr Blut in seinen Schädel pumpte und die Farbe von alt gewordenem Pflaumenmuß annahm.

„Was erlau...“ Weiter kam er nicht. Wie ein Einzelkämpfer im Dschungel nur, hatte Sirius sich von der Seite genähert, Remus hatte ihn regelrecht gespürt, und da stand er nun, aufgebaut wie ein Wachsoldat vor den Horse Guards, rührte sich nicht, jederzeit bereit, seinem besten Freund zur Hilfe zu springen, wenn er gebraucht wurde, und zwischen dem zu heftiger Gebärde ausholenden Potter, dem vor Erregung hüpfenden Schmierbauch von Dursley und dieser unausgesprochenen Herausforderung von Black, bemerkte man kaum den unbeteiligten Zuschauer, denn Peter Pettigrew war so tief in die Couch versunken, er hätte eine Kissengarnitur sein können. So unscheinbar und tief bewegt.

Den Arm von sich werfend, ihm den Mund damit verbietend, schnarrte James regelrecht. „Ihre Eltern sind – tot – du Vollpfosten, kapierst du das? Tot!“ Und das letzte Wort betonte er so hart, so harsch, dass seine Kiefer knallten, und sich die Finger in die Ohren stopfend, jaulte Lily auf, vergrub sich mehr in die Schulter ihres besten Freundes, der keinerlei Einspruch erhob, der sich nicht einmischte, nur beobachtete. Und dabei wurden auch seine gerade noch so von Schrecken und Entsetzen und erneutem Leid wässrigen Augen unbarmherzig und kalt. Ob Dursley überhaupt bemerkte, dass es sich dabei auch um Vater und Mutter der Frau handelte, die er mit dieser lächerlichen Nummer beschützen, vielleicht auch bloß beeindrucken wollte? Remus war sich nicht sicher, ob der Fettsack ansatzweise begriff, um was es hier ging.

Wie ein Karpfen öffnete und schloss Dursley den Hals, dass die schlaffe Haut um die Lippen nur so tanzte. Förmlich sehen konnte man die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, die gemeinsten Formulierungen für das, was er wirklich dachte, aber sie ließen ihn nicht. Das in sich versunkene Mädchen weiter zärtlichst im Arm, drückte Lupin das Rückgrat durch im selben Moment, in dem James Potters Brille wie ein Brennglas mitten auf die Brust des feisten Gegenüber eine Art Ziellaserpunkt brannte und Sirius Black einen bestimmten Schritt nach vorn tat, die Hand winkend ausgestreckt. „Ihr verschwindet jetzt besser hier.“ Hätten sie den eleganten Mann mit den breiten Schultern, auf die springende Locken fielen, besser gekannt, die Dursleys hätten sich gefürchtet vor diesem Tonfall. Ruhig, gelassen, das Feuer Black'scher Magma kontrolliert aufsteigend. Seine Freunde jedoch blieben vollkommen unbewegt.

Ein erstes Lebenszeichen von Petunia, wie sie hastig nach dem Ärmel ihres Ehegatten griff, beide Hände mit den langen Spinnenfingern dazu brauchte, das klobige Gelenk seines Ellenbogens überhaupt umfassen zu können, und augenblicklich zerrte sie an ihm wie ein Kind im Süßwarenladen. „Vernon!“ quietschte sie mit ihrer so merkwürdig vertrauten und dennoch so gänzlich verdreht andersartigen Stimme. „Vernon, tu' doch was!“ Die wollten sie aus dem Haus ihrer Eltern vertreiben, aus dem Heim, in dem sie aufgewachsen war, regelrecht hinausschmeißen. Das konnte sie nicht ertragen. Verständlich, oh ja. Aber es interessierte Remus nicht die Bohne. Kein Mitleid. Nicht mit solchem Hintergrund.

Einen winzigen Seitenblick warf Dursley ihr zu, Schweißperlen sofort auf seine Stirn tretend, als ahne sein Unterbewusstsein, in welche Gefahr er sich begab, doch sein Verstand ließ sich nicht darauf ein. „Wir gehen nirgendswohin!“ wehrte er sich und reckte den Kopf auf einem nicht vorhandenen Hals, um größer zu erscheinen, wollte von oben auf die jungen Männer und die Schwester seiner Frau herunterschauen. Vergebliche Liebesmüh. Der Dürre mit dem zerzausten Bart überragte ihn um eine ganze Haupteslänge, und auch wenn Vernon Dursley keine Ahnung hatte, wieso: Vor dem dort, dem Stillen, dem Unbewegten, fürchtete er sich am meisten.

Black versteinerte. Die Nase schien spitzer zu werden, wie in Marmor gemeißelt der ganze Kerl, und sein angestrengtes Atmen wurde komplett geräuschlos, wie er vorsichtig den Kopf schüttelte. „Das war keine Bitte, Klöpschen.“ Der Versuch, sich noch mehr aufzuplustern, blieb dem Muggel im Kehlkopf stecken. Sirius brauchte keinen Zauberstab, um irgendjemandem Angst einzujagen, doch der Schritt in Potters Richtung, die fetten Fäuste geballt, provozierte zu sehr. Schneller noch sausten elf Zoll Mahagoni in James' Hand steil nach oben, als wolle er Dursleys Mundboden durchbohren, und Petunia kreischte wie eine kaputte Feuerwehrsirene, bevor sie die Hände vor dem Gesicht zusammenschlug, sich sofort an den Schwangerschaftsbauch griff und wieder hoch an die Augen, als könne sie sich nicht entscheiden, was denn nun wichtiger sei.

Purpur wich gelblich-grüner Übelkeit in Vernons Gesicht, Stammeln und Stottern ersetzte das Trompeten, wie er kleiner und kleiner wurde, als sei ein Luftballon in der Sonne porös geworden. „Das … das, das ...“ blubberte er, und es fehlte nur noch, dass er Blasen dabei schlug. „Das wagen Sie nicht!“ brachte er heraus, aber sicher klang er dabei ganz und gar nicht, und nervös huschten seine Augen hin und her, von einem zum anderen, dem Schrank an der Tür, dem Riesen bei Lily, dem vor Wut wie eine Wünschelrute ausschlagenden Zauberstab in Potters Hand, selbst zu dem so vollkommen unbeteiligt wirkenden Pummel auf der Couch irgendwo unter ihm. „Ach ja?“ zuckte James' Kinn nach oben, als wolle er die Schmähungen eines Slytherin'schen Treibers mit einer Herausforderung auf dem Spielfeld beantworten. „Probier's halt mal aus!“ Und britzelnde Silberfunken sprangen aus der Spitze des Stabes heraus.

Das war zu viel für die Dursleys. Wimmernd, winselnd, halb wieder in Gekreisch verfallend, krallte sich Petunia noch fester an den Arm ihres Angetrauten, und das Fleisch rund um Vernons Kragen vollführte eine Polka, so panisch wurde der ganze Kerl, wie er sie an ihrem Unterarm näher zog, als könne seine schiere Masse sie vor James Potters Hexerei bewahren. „Komm, Petunia!“ verkündete er im verzweifelten Versuch, Herr der Lage zu bleiben und auch so zu erscheinen, dabei so offensichtlich in die Enge gedrängt, dass nur ein geschmeidiger Schritt von Sirius Black zur Seite ihm und ihr einen Fluchtweg offen ließ. Sie ergriffen die Gelegenheit sofort, nicht ohne eine letzte Bemerkung zumindest zu probieren. „Wir werden vertrieben, Petunia, aus deinem Elternhaus. Aus deinem,“ er betonte das besonders, „eigenen Elternhaus, von … von ….“ Aber es fiel ihm nichts Passendes ein.

Black schon. „Von formidablen, außerordentlichen, exorbitant fabelhaften Zauberern, die nie wieder so fette Ärsche aus der Scheiße hauen werden!“ Und damit verpasste er Vernon regelrecht einen Schubser hinaus auf den Flur, ohne ihn auch nur anrühren zu müssen, angelte nach der Haustür und riss sie soweit auf, wie es eben nur ging, damit der Fleischberg auch in einem Stück hinaus konnte. Kein Wort des Abschieds, ein froschartiges Geräusch, das Dursleys Kehle entsprang, und das wars. Ehe die Tür hinter ihnen ins Schloss knallte, war das Letzte, was man erhaschen konnte, dieser so stierende Blick aus Petunias blauen Augen, doch sie konnte die, der er galt, nicht sehen, behütet in Lupins Armen. Und dann endlich: Stille.

Mehr Raum zum Atmen, jetzt, wo die Schwester fort war. Und dennoch dumpf, dieses Gefühl, diese entsetzliche Lethargie, die das kleine Häuschen am Rande von Birmingham mit einem Mal befallen hatte. Leer. So spürbar, dass der Hausherr, dass die Dame dieses Heims, nicht bloß zum Einkaufen oder in einem wohlverdienten Urlaub auf den Kanaren unterwegs waren. Endgültig. Und wie sich diese Erkenntnis in sie alle, die sie doch wussten, was Tod bedeutete, die doch gesehen, am eigenen Leib erfahren hatten zuvor, erneut in ihre Herzen und Seelen und Beine schlich, brach die neue Realität wie ein schlingerndes Gebäude in einem Erdbeben über ihnen zusammen, und Lily ballte ihre zarten Hände zu Fäusten und schlug mit beiden, erst der Linken, dann der Rechten, fest auf Remus' Brust. Er nahm es hin.

„Wo hast du gesteckt?“ schluchzte sie so verzerrt, man verstand sie nur, wenn man so nah war wie er jetzt. Sein stoppeliges Kinn berührte ihren Scheitel so gerade eben, während James bereits den Zauberstab in der Tasche seines Jackets versenkt hatte und nun näher rückte. Remus, aber auch all die anderen Anwesenden, wussten gleich, was sie meinte, und wären seine Wangen nicht so eisig gewesen vom Frühlingsregen, er wäre womöglich errötet. „Ich hab' gedacht,“ Lily heulte weiter, „dir wär' auch was ...“ Der Weinkrampf unterbrach sie mehrfach, jedoch war es nicht nötig, es auszusprechen. Er hatte nicht reagiert. Er war nicht sofort losgestürmt auf den Ruf der Specksteingrille. Was das bedeuten konnte, das musste niemand laut sagen. Aus dem Augenwinkel erkannte er das synchrone, feste Schlucken seiner Freunde, und sie alle, einschließlich Remus selbst, schlugen kurz die Augen nieder.

Er sagte nichts, verteidigte sich nicht und fing gar nicht erst an, sich zu entschuldigen. Nichts davon war jetzt wichtig. Nur verstohlen setzte er den Fuß ein Stück weiter zur Seite, um das Salatblatt zu verdecken, das in seiner Sohle klebte, und er hoffte inständig, seine Finger mögen nicht allzu sehr nach Kohlköpfen riechen. Sie sollten sich keine Sorgen machen seinetwegen. Das Mädchen schon gar nicht. Andere Dinge viel wertvoller, und er spürte das umso mehr, dieses erhebende Aufbäumen eines Beschützerinstinktes, wie sich ihr runder Bauch gegen seine Seite schmiegte, während Sirius in den Raum zurückkehrte. Dichter aufrückend, alle Vier.

„Rutsch' mal beiseite, Pete,“ flüsterte Black und scheuchte den Moppel ein wenig, und Pettigrew brauchte einen Augenblick, um die Aufforderung zu verarbeiten. Er sah aus wie eine Wasserleiche, dabei war es Remus, der patschnass geworden war, nicht er. Zusammengeschrumpft, bleich und blutleer, so hockte er da, ein Klumpen Elend, Angst und Kummer, und er konnte Lily kaum ansehen, wie sie sich langsam neben ihn gleiten ließ. James ließ sich auf der Lehne des Sofas nieder, um seine Frau nun in die Arme zu schließen und sanft tröstend zu wiegen, während Moony statt dessen in die Knie ging. Eine Hand jetzt an Potters Kragen, die andere weiterhin in den langen Fingern ihres besten Freundes, lehnte sich die werdende Mutter gegen die Brust ihres Ehemannes.

So von unten her schaute Remus hoch, zu James, zu Sirius, überließ Peter seiner Furcht um die eigene Mama, und auch Lily wollte er aussparen. „Wie?“ fasste er die Frage kurz, und augenblicklich schnaubte James, liebevoll den Oberarm seiner Geliebten streichelnd. „Autounfall,“ gab Sirius zur Antwort, und dabei klang er in etwa so überzeugend wie Richard Nixon im Watergate-Skandal, und das war offensichtlich genau das, was er erreichen wollte. Lupins Stirn bekam augenblicklich mehr Falten als ein Sharpai-Hund, was von seinen beiden noch ansprechbaren Freunden mit Augenrollen und Brauenhüpfern quittiert wurde. Lily prustete und wischte sich das Gesicht am eigenen Ärmel ab.

„Die Polizei behauptet,“ berichtete sie, das Muggelmädchen, das viel mehr mit diesen Begriffen anfangen konnte als ihre zauberischen Kameraden, einigermaßen gefasst, „Pa hätte am Steuer einen Herzinfarkt gehabt.“ Sie biss sich fest auf die eigenen Zähne und schloss die Lider, nun auch ein Schuss Wut unter die frische Trauer gemischt. Wäre es nicht so furchtbar gewesen, man hätte über Remus' Gesicht lachen können. Sämtliche Muskeln schoben die Miene in Richtung Nase von allen Seiten, so voller Unglauben war er, und Lily quiekste in frustriertem Lachen, wie sie die Schultern zuckte. „Mein Vater war kerngesund.“

Von der Seite her, als Einziger von ihnen noch stehend, meldete sich Black zu Wort, sich aus der Hüfte hierhin und dorthin drehend. „Es wird nichtmal von den Auroren aufgenommen,“ murrte er grimmig, klopfte Peter beruhigend auf den Rücken und machte Anstalten, ausspucken zu wollen. „Für die sind das nur zwei Muggel, die mit ihren Spielzeugen nicht umgehen konnten.“ Und das Schlimmste an dieser Aussage war, dass Lily davon zornig, traurig, verzweifelt, nicken musste. Er hatte recht. Es würde niemanden interessieren im Ministerium. Keiner würde den Tod von Henry und Moira Evans dem Zauberer anlasten, dessen Namen niemand mehr auch nur zu denken wagte.

So düster hingen die Wolken über der Vorstadtsiedlung, dass auch der Leuchter kaum Helligkeit zurückbringen konnte in das Wohnzimmer zum Vorgarten hinaus. Das Erkerfenster, von Vorhängen eingerahmt, blieb trüb, wie sich wieder Schweigen ausbreitete zwischen den fünf Freunden. Ihr leises Weinen, Peters hörbar hämmerndes Herz, es waren die einzigen Geräusche, die blieben. Nicht einmal eine Uhr tickte.

Keine Ahnung, in diesem Moment nicht, erst viel, viel später, Jahre ins Land gezogen und Gras über so viele Gräber mehr gewachsen, begriff Remus Lupin, woher dieser Funke gekommen war, der so urplötzlich aufblühen wollte wie die ersten Blumen draußen in den Beeten in diesem März, so kurz vor seinem Geburtstag. Eine winzige Geste nur, die unbewusste Reaktion auf eine Rolle rückwärts, legte Lily eine Hand auf ihren eigenen Bauch, und Remus musste mit einem Mal an ihr ziehen und „hey!“ wispern. Die Nase noch immer zwischen den Knopfleisten von James' Hemd, schielte die junge Frau zu ihm herunter, und er deutete genau dorthin.

Er brauchte nichts zu sagen. Es war glasklar, als würde man die Sonne anzünden wie eine Kerze, und Lily musste augenblicklich lächeln, echt und ehrlich, und sich eine Strähne aus dem Gesicht wischen. Remus hatte recht. Das Kleine da in ihrem Bauch, das war immer noch und würde wachsen und geboren werden und lachen, und genauso Alices und Franks Kind und Weasleys gruslig rothaariger Ronny, keine Woche alt. Der schönste Lichtblick von allen, selbst im Angesicht des Todes, schon wieder. Der Gedanke tat weh, dass ihre Eltern niemals ihren Enkel sehen würden, wie ein Nadelstich gleich unterm Rippenbogen war das. Aber dann wieder die Vorstellung, wie es wohl aussehen würde, ein Mädchen, ein Junge, sie wusste es nicht. Es konnte gar nicht schnell genug Juli werden.

Unvermittelt seufzte Lily und setzte sich gerader hin. Das würde nicht heute weggehen und nicht morgen; sie würde Ma und Pa endlos vermissen, vielleicht Jahre brauchen, so wie es auch in James' Augen oft schwamm (auch wenn er nicht darüber redete), wie sie es in Remus' abwesendem Blick erhaschen konnte, fast täglich, ja, selbst wenn Sirius sich unbeobachtet fühlte, war sowas da. Schon OK. Es durfte so sein.

„Remus,“ sagte sie nur und griff wieder seine Hand, hielt sie fester, zog ein wenig daran und legte den Kopf schief wie zu einer ihrer so herzzerreißenden Bitten um irgendeinen stumpfsinnigen Gefallen, Hilfe bei Hausaufgaben, gruselige Monsterprojekte für Alte Runen, ein viel zu schwerer Koffer an einem von Muggeln überfüllten Bahnsteig. Er gab schon auf, bevor sie ausgesprochen hatte. „Such' dir ein Mädchen, hörst du?“

Sie kicherten ringsherum, wie er so furchtbar dämlich dreinschaute, diese Forderung nicht zu verstehen scheinend. Lilys Lächeln wurde immer breiter dabei, und sie rollte den Kopf in den Nacken und schaute sie alle an, die drei ehemaligen Zimmergenossen ihres Mannes. „Das gilt für euch alle.“ Pettigrew explodierte förmlich vor Verlegenheit, und ob er wollte oder nicht, dieses so seltene zärtliche Schmunzeln huschte über Blacks Wangen hinweg und erreichte die Augen komplett. Sie bereits verstehend, grinste James und drückte sie fester an sich, wie Lily ihren Plan von grenzenloser Stärke für den nächsten 'Letzten Potter' offenbarte: „Unser Kind braucht viele, viele Menschen, die es lieb haben kann.“

Quietschend ließ Pete sich einfach gegen ihre Seite fallen, dass sie ihn mit umarmen musste, und Sirius warf sich halb auf den Dicken drauf, während Remus heiser lachte. Und irgendwo im Westen riss der Wind die Wolken auf, und ein paar kleine Sonnenstrahlen krabbelten bis hinunter auf die blasslila Krokusse.


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