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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Wo der Westwind weht

von Teekon

„Viele Mädchen sollen ja ihren zukünftigen Lebenspartner auf einer Hochzeit kennengelernt haben, sagt man,“ behauptete er mit einem lehrerhaften Lippenschürzen und fuchtelte dazu mit den beiden hellen Holzstäbchen in seiner Rechten herum wie mit einem Zeigestock an der Schultafel. Nur die Körperhaltung wollte dazu überhaupt nicht passen, und was ehemals vor vielen Jahren mal ein feiner Menjou gewesen und heute längst zum Gable geworden war, türmte sich dazu wie eine geköpfte Pyramide auf. Sie musste furchtbar lachen davon, weil es aus ihrer Position heraus noch viel merkwürdiger aussah, und kichernd wie eben dieses kleine Blumenkind die Augen auf ihr festliches Diner senkend, klimperte Dora mit den langen Wimpern. „Ach ja?“ fragte sie ganz unschuldig und musste doch schon grinsen.

Seinen Schnäuzer nur noch schlimmer vergewaltigend, nickte Remus bestimmt, einmal, zweimal, und presste dazu ein zustimmendes Geräusch aus der Kehle, wobei er sich fast den Schädel an dem steinernen Sockel hinter sich angerammelt hätte. So kleinlaut, dass man es kaum noch hören konnte bei all dem lebendigen Lärm ringsherum, nuschelte sie es sich in den Ausschnitt: „Haben diese Mädchen dem Herrn denn auch alle den Cut geklaut?“ Glitzernde Augen bekam er davon. Ein göttliches Lächeln kroch ihm ins Gesicht, und er beugte sich, sowieso schon mit ganz krummem Rücken sitzend, noch etwas mehr nach vorn, um ihr von schräg oben in den Zügen lesen zu können. „Das weißt du noch?“ flüsterte er, genauso wenig übertönt von tuckernden Schiffsmotoren wie sie zuvor. Dora nickte nur hastig und biss sich auf die Lippe.

Ein Boot legte ab, eines legte an, irgendwo links von ihnen, wo der langgezogene, vorgelagerte Pier sich halb unter die Brücke duckte, und flinke Hände vertäuten rasch die festmachenden Ausflugsschiffchen. Die Themse rauf und runter schipperten sie die Touristen, eine herrliche Aussicht auf viele der großen Sehenswürdigkeiten genießend in aller Ruhe, fernab von hektischen Straßen und hupenden Taxen und drängelnden Pendlern. Träge zog der breite Fluss in seiner so charakteristisch graublauen Färbung, heute einen Tick klarer, die Flut seine Geschwindigkeit drosselnd, wie sie das Wasser in das ausgebaggerte Bett zurückdrängte. Sonnenstrahlen tanzten auf den krausen Wellen, schneller und verspielter nur, wenn ein Kahn vorbei zog und die Schiffsschrauben schlugen und der Bug sich hindurch pflügte.

Einen dreieckförmigen Schatten warf die Hungerford Bridge unter sich, fast kerzengerade, wo die Sonne nun im Mittag stand, und wunderbar heiß brütete sie über dem Asphalt und den Trassen der Thameslink-Züge. Rot und weiß und gelb und blau ratterte Wagon um Wagon darüber hinweg, gen Süden, nach Southwark, nach Walworth, nach Streatham, nach Penge, wohin Ted nun appariert war, nach Hause. Die Gleise sangen, die Kabel hoch oben in den Masten vibrierten, und dann war die Sicht wieder frei auf einen makellosen Himmel, gespickt mit dünnen Schleierwolken und den sich rasch auflösenden Kondensstreifen der startenden Flieger von Westen her. Charing Cross, im Herzen von London & Westminster.

Möwen, landeinwärts gezogen, schrien hin und wieder, doch die Stadt war sowieso niemals still. Der Verkehr brummte in seinem stetigen Rhythmus wie rauschendes Blut in den Adern, und schnatternde, lachende Menschen in Grüppchen, mit Fotoapparaten ausgestattet, schlenderten die Uferpromenade hinunter, vorbei an Ständen voller gemalter Panoramen der Metropole, Karikaturisten und Zeichner auf ihren Stühlen, bereit für ein Porträt jederzeit, an Antiquariaten mit unzähligen Büchern, die Rücken schon beschädigt, die Deckblätter fleckig. Dazwischen hockte man auf Bänken und las, fütterte die gurrenden Tauben, und ein Pudel hechelte die Hitze hinfort zu den Füßen seiner Herrin.

Das Grün der Embankment Gardens leuchtete, zartlila Storchenschnabel gleich neben hängenden Klettertrompeten betupfte Baum und Strauch mit seinen Blüten. Die späten Rosen, in langen Reihen aufgestellt rechts und links der breiten Wege hinauf zum Wassertor, zeigten ihre ersten Köpfchen, manches sich schon entfaltend, und die Rasensprenger klickerten gleichmäßig vor sich hin. In hohen Schleifen, synchron und harmonisch, spritzte das Wasser auf glänzendes Gras, und die Sonne malte winzige Regenbögen in jeden einzelnen Tropfen hinein. Hochsommer am Victoria Embankment.

Der beste Platz, der perfekte Platz, genau hier, zwischen Wasser und Gärten, der offene Himmel über ihnen, um zu feiern, um auf Teds Wohl zu trinken, wie er es sich gewünscht hatte, viel besser als in irgendeinem dunklen Restaurant. Ja, gut, es war vielleicht kein Wein, aber immerhin auch kein Dosenbier, und sich gegen ihren frisch Angetrauten lehnend, zwischen dessen Knien sie auf dem runden Stein saß, schloss Dora die Augen. Er roch immer noch genauso fantastisch wie damals, wie sein Cut unter dem Stuhl auf der Wiese von Godric's Hollow. Kiefernnadeln im Sommer, würziges Harz und knisternde Borke, wenn flirrend die Hitze darüber stand. Sie musste einen tiefen Atemzug nehmen dort oben an seiner Halsbeuge, wo der Kragen längst geöffnet war und die Krawatte entknotet herunter hing.

Nein, Fish und Chips waren es nicht geworden, auch wenn sie das beide schade gefunden hatten, aber gebratene Nudeln vom Chinesen um die Ecke waren auch nicht zu verachten. Mit den Essstäbchen in seiner Pappschachtel herumrührend, um die Hühnchenstücke heraus zu picken, kippte Remus sein Kinn in ihre Richtung und berührte sacht stubsend das weiche, wellige Haar, das nun langsam, aber sicher, Stich um Stich dunkler wurde und diesen so gewohnten violetten Ton annahm, den sie so mochte. Die Menschen um sie herum würden das nicht einmal wahrnehmen, viel zu beschäftigt mit sich selbst und viel zu rasch vorbei eilend. Sie beide hatten heute alle Zeit der Welt.

Er lehnte mit dem Kreuz gegen den breiten, quadratischen Sockel einer alten Gaslaterne, aus schwarzem Gusseisen empor schießend bis unter die Kronen der Bäume, die den Pier säumten, mittlerweile gekrönt von einer weißen Glaskugel, in der die elektrische Lampe verborgen blieb. Links von ihm führte eine schmale Treppe abwärts zu den früheren Landestegen, heute ungenutzt, ersetzt durch den schwimmenden Kai, über den nun die Fahrgäste zu den Booten liefen und wieder zurück. Das Mädchen, jetzt so viel mehr als das, hockte auf ihren eigenen Füßen zwischen seinen aufgestellten Beinen, nur wenig darauf bedacht, ihr hübsches Kleid nicht zu beschmutzen, und die Sandaletten schauten zum Ufer hin darunter hervor.

Eigentlich viel zu warm für ein solches Jacket, wie Remus es gerade trug, war es, doch er zog es nicht aus, genoss ihre zierliche Hand auf seinem schwitzigen Rücken, nur das fein gewobene Hemd dazwischen. Zuende kauend, schon kaum noch schmeckend, betrachtete er die noch immer geschlossenen Lider, steckte die Stäbchen ganz ungebührlich in die restlichen Nudeln und entsorgte das Ganze ohne hinzusehen in den Abfallkorb halb hinter ihm. Genug gehabt. Richtig hungrig war er sowieso nicht gewesen. Nur ein wenig zurückgekehrten Appetit stillen nach diesem doch nicht gerade entspannten Morgen. Wie seltsam. Immer noch. Und würde es sicher auch noch für eine ganze Weile bleiben.

Nun beide Hände frei, konnte er den rechten Arm um sie legen, um sich in der gegenüberliegenden Taille zu verhaken und sie ein wenig näher heran zu ziehen. Die Blicke der vorbeigehenden Leute, die spürte er genau, erhaschte aus dem Augenwinkel, wie sie dann lächelten, weil sie genau das gleiche sahen wie er. Das Kleid, der Anzug, der Myrtenzweig mit drei kleinen, blassgrünen Blättern daran, der in seinem Knopfloch steckte, das waren unverkennbare Zeichen. Auch wenn sie den Ring an ihrem Finger, Mutters Ring, jetzt Doras Ring, nicht sehen konnten, der sich gegen seinen Wirbel abzeichnete. Hier saß ein junges Paar, egal, ob graue Strähnen sein Haar scheckig färbten, egal, ob zwei narbig rote Striemen sein Gesicht zeichneten. Für einen Tag – welch unwahrscheinlich schönes Wunder – war nicht nur für sie, sondern für die ganze Welt 'egal'.

Ob unwillkürlich oder nicht, er fühlte das genau, wo ihre Hand lag, wie sie sacht massierend jene wulstigen Stränge streichelte, die sie so oft schon blutig aufgerissen gesehen und zärtlich liebevoll versorgt hatte, und er konnte nicht anders antworten, als sie fester in seine Arme zu heben. Wie sie die Linke zurückzog, nicht einen Sekundenbruchteil den Kontakt verlierend, fuhr sie diesen Halbgürtel aus fleischgewordener Erinnerung entlang, nach vorn, wo zwei punktförmige Narben in den Rippenbogen ragten, ihn erschauern lassend, obwohl heiße Sonne auf sie herunter brannte. Nie so offen gezeigt, nie so sehr all die vielen Menschen ignoriert, gerade mal Hand in Hand in der Öffentlichkeit gewesen, und nun? Er konnte das selbst kaum glauben.

In inniger Umarmung, seine Nasenspitze gegen den winzigen Wirbel mitten auf ihrer Stirn gedrückt, berührten ihre Hände, lang ausgestreckt auf seinen Schlüsselbeinen, den Übergang in das Brustbein, spielten mit dem weißen Kragen, rieben die Fingerspitzen sacht diese dünnhäutige kahle Stelle über dem Knochen in Form eines altmodischen Schlüssels. Gezeichnet, der ganze Kerl, an so vielen Stellen. Und sie liebte das, wie er vom albernen Schuljungen in einem Herzschlag zum grimmigen Kämpfer wurde und wieder zurück schwenkte, vom grübelnden Denker zum verletzlichen Kind wurde und wieder zu diesem erwachsenen Mann mit glühenden Silberaugen. Und ganz allein ihrer. Jetzt erst recht.

Lächeln musste Dora, so schön und frei, wie sie es damals getan hatte, als diese kleine Vogelrotte über den Sand gelaufen war in absolutem Einklang, und daran erinnert, konnte Remus nur erwidern, schief und bedeutungsvoll, leicht zu lesen für die, die ihn verstanden. „Verheiratet,“ schnaubte er und schüttelte ungläubig den Kopf. Was eine Schicksalswendung. Gerade noch ein Ausgestoßener, ein verborgener Spion an einem der gefahrvollsten Orte von ganz Großbritannien, einsame Nächte unter verfallenden Dächern bei zerschlagenen Fenstern, und nun? Verheiratet. Alleine das Wort unmöglich. Nein, nichts, das nicht sein konnte. Solange es sie gab, dieses Mädchen hier, war alles drin.

„Nu uh!“ grinste sie frech und verneinte auch mit einem ausgestreckten Zeigefinger, hin und her schwingend, und so wie sie sich auf die Lippen biss dabei, folgte er schon wieder ihrem Gesichtsausdruck. Oh, wie furchtbar lächerlich. Wie sagenhaft gut. „Noch nicht,“ behauptete Dora, Remus zum Stirnrunzeln bringend. „Nein?“ fragte er, halb verwirrt, halb schon amüsiert, weil das hier nur einer ihrer Momente sein konnte. Heftig nickend, bestätigte die Braut ihre Aussage mit einem langgezogenen „Jaaahaaa. Laut anglikanischem Gebetsbuch ist eine Ehe erst gültig, wenn sie auch vollzogen wurde.“ Na klar. Wieso hatte er mit sowas gerechnet? Prustend rollte Remus beide Augen nach oben, als müsse er angestrengt überlegen, um mit einem „hmmmm“ sein bärtiges Kinn mit dem Daumen zu reiben. „Gilt auch im Voraus?“

Ein lautes Lachen mit allen Mitteln niederkämpfend, riss sie sich zusammen, platzierte den noch immer langen Finger auf seinem Kiefer und schüttelte schon wieder den Kopf, dieses Mal langsam, vorsichtig, fast verstohlen. „Nu uh,“ machte sie schon wieder, leiser und viel weniger angriffslustig. Dem angepasst, heiser raunend, als wäre soeben der Vollmond untergegangen und er bitte um Einlass in kühlem Morgengrauen, flüsterte Remus: „Wie grauenhaft.“ Und dabei hörte er nicht auf, ihre Taille zu streicheln mit warmen, rauen Fingern über Seide und Satin, den Blick so tief in ihren versenkt, dass er die Umgebung gar nicht mehr wahrnahm.

Sie konnte nichtmal antworten. Morgen schon konnten sie wieder im Gefecht stehen, morgen schon alles vorbei sein, so wie gerade zwei Wochen her dort oben im Schloss. Krieg blieb Krieg. Aber erst recht deshalb so großartig, ein Tag wie dieser, von Sonne getränkt, von Sommer angefüllt, ausgenutzt für pures Leben und ein vielleicht bescheiden anmutendes, doch absolut unüberbietbares Fest ihrer Gefühle zu einander. Nicht übel Lust, es förmlich an die Wand zu schreiben. Und gleichzeitig immer noch perfekt privat. Der richtige Zeitpunkt für einen Kuss.

„Schaut euch diesen Glückspilz an!“ schüttelte der Teenager den Kopf, stemmte die Hände in die Hüften und stieß den nächststehenden seiner Freunde mit dem Ellbogen an, wie sie da gemeinsam unter einem Baum auf ihren Reiseleiter warteten. Wesentlich interessanter, so ein Ausblick, als Schaukasten um Schaukasten in irgendeinem Museum, spannender anzuschauen als architektonische Meisterwerke und mit absoluter Sicherheit tausendmal schöner, die Kleine da, als jedes Gemälde im Tate auch nur ansatzweise sein könnte. Die Jungs neben ihm, gelangweilt murrend, grinsten so breit wie es nur ging, sobald sie seiner Blickrichtung folgen konnten. „Der is' mindestens so alt wie mein Vater,“ behauptete ein pickliger Bursche in Schuluniform, und die ganze Rotte schmunzelte lautstark.

Oh, man hatte sie genau gehört. Und man ignorierte nicht mal, aber darauf tatsächlich zu reagieren, schenkte sich das Paar trotzdem. Er musste kichern und sich an ihrem Ohr verstecken, die Stirn gegen ihre Schläfe reibend, und Dora kaute auf ihrer Zunge herum und schlang beide Arme um Kopf und Hals ihres Mannes. Blöde Kerle. Sie so schnöde zu unterbrechen. Und außerdem saßen hier zwei Pilze, nicht nur einer. Auch wenn sie durchaus begriff, wie die Schüler auf diese Idee kamen, ihr Haar mittlerweile von so dunklem Pflaumenblau, dass es schwärzlich glänzte in der hellen Sonne. Wie getönt, die Ohrringe dazu, ja, jetzt mussten sie wirklich aussehen wie das berühmte Klischee des Professors mit seiner Studentin. Ungeniert berührten ihre Lippen seinen Kieferwinkel, ein Lächeln im Gesicht, als sei sie gerade von einer Wolke herunter gestiegen. Die vier Jungs unter dem Baum johlten förmlich.

Der Frechste von ihnen, ein jetzt schon breitschultriger Kerl mit viel zu schwarzen Locken, pfiff auf den Zähnen. „Nehmt euch ein Zimmer!“ Und damit brachte er seine Kumpanen zu gröhlendem Gelächter und das Pärchen auf dem Steinsockel zu wenig verlegenem Innehalten. Die Schultern des Herrn im Anzug bebten vom Kichern, auch wenn er kaum sein Gesicht zeigte, und sie hatte die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, um nicht genauso loszubrüllen wie die Ausflugsklasse. Unverschämte Bengels mochten das sein, aber weder sie noch er waren die richtigen Leute, um sich darüber aufzuregen. Nicht nur früher, als sie selbst noch Uniformen einer großartigen Schule getragen hatten, hätten sie genau das Gleiche gemacht. Und überhaupt: Kein schlechter Gedanke.

Ein Geistesblitz. Eine Kombination aus vielen kleinen Erinnerungsfetzen und Sonne auf der Nase, und Remus löste sich leicht von ihr und klaubte ihre Linke von seiner Halsbeuge herunter. Das gespiegelte Licht vom Fluss, hinaufgeworfen von schäumender Bugwelle einer kleinen Segeljolle auf dem Weg zum Meer, glitzerte in dem bläulichen Diamanten an ihrem Ringfinger, und sich vorbeugend, musste er mit stoppelig weichem Bart über den darüber liegenden Knöchel wischen. Fast konnte man die Zeit darüber vergessen, alles ringsherum, nur weil man dieses Phänomen betrachtete. Und das war nicht das Schmuckstück an sich, sondern die Tatsache, dass es auf diesem Zauberwerk der Natur steckte. Ein bisschen mehr Einsamkeit für sie beide wäre jetzt gut, und er zog an ihr und ließ das rechte Bein von dem steinernen Geländer herunter gleiten, bis Teds teure Schuhe den Boden berührten. „Komm.“

Ohne Eile, bloß nicht zu hastig, half Remus seiner Braut von ihrem Sitz herunter, bevor er selbst aufstand, noch immer ihre Hand haltend. „Ich hab' ein Geschenk für dich,“ sagte er diesen so von ihr gefürchteten Satz, der sie immer wieder in eine Mischung aus heller Panik und bekümmerter Rührung trieb, doch das ließ er heute nicht zu. Mit einem Kopfnicken in Richtung der Eisenbahnbrücke bat er sie, von hier zu verschwinden, und ihm vorsichtig, fast zögernd folgend, schmiegte sie sich an ihn. Ob ihnen die Jungs noch hinterher sahen, darum kümmerten sie sich nicht, traten unter den Schatten des ersten Pfeilers und machten einen Schritt dahinter, hinaus aus dem Fluss der sich vorwärts treiben lassenden Menschen.

„Mach die Augen zu,“ bat er leise, und es fiel ihm schwer, ernst zu bleiben, wenn ihre Lider so flackerten in einem Anflug von Furcht. Was dieser Engel sich bloß wieder vorstellte, wenn er von Geschenken sprach. Dabei sollte sie's doch wissen. Es gab vielmehr als Galleonen und teuren Schmuck. Sie wie zu einer Tanzfigur in seine Arme drehend, den schlanken Rücken an seinen Bauch, beugte er sich so weit herunter, dass er das Kinn auf ihrer Schulterkappe ablegen konnte. Noch immer hielt sie die Augen geschlossen, wartend, bis er ihr erlauben würde, sie wieder zu öffnen, und wie eine Blinde hielt sie sich mit beiden Händen an dem über ihren Rippenbogen gespannten rechten Ärmel fest. „Vertraust du mir?“ flüsterte er an ihrem Ohr, eingedenk dessen, was er nun vorhatte. Dieses Mal zögerte sie nicht und nickte rasch und bestimmt. „Dann halt' dich gut fest.“

Und während sie noch Luft holte, um sich zu wappnen, gab es diesen feinen Peitschenknall, den niemand in all der Geschäftigkeit hörte, und wo gerade noch ein frisch verheiratetes Pärchen unter dem Brückenkopf gestanden hatte, blieb nichts zurück. Und das Rattern der Züge war fort, und die Motoren der vielen Autos und Busse nicht mehr wahrzunehmen. Kein Stimmenwirrwarr zerschnitt mehr eine süße Stille, die sich nur langsam füllte, wie sich ihre Ohren daran gewöhnten, ihre Empfindlichkeit steigerten, um alles davon aufzunehmen, aufzusaugen, wo ihren Augen noch der Blick verwehrt war. Den Atem anhaltend, traute sich Dora nicht, sich auch nur im Geringsten zu bewegen, lauschte einfach hinaus, bis sie erkennen konnte, wo er sie hingebracht hatte.

Alles beherrschte der Wind. Kräftiger als in den Straßen der Metropole. Frisch und klar und rein, angefüllt mit Salz und saftigem Gras, mit Kalkstein in Sommerhitze und dem hauchzarten Duft von blühender Landschaft. Das Stadtkind sog mit zittrigen Zügen den herben, reichen Geruch in sich auf, der bestimmend blieb, der rings um sie herum aus dem Boden zu steigen schien, während die Brise, die sanft die Wangen streifte, diese vielen anderen Eindrücke mit sich brachte. Die Mischung war überwältigend, und er konnte spüren, wie sie ihr ganzes Gewicht ihm auferlegte, sich gegen ihn lehnend und in seinen Arm fallen lassend. Nicht einmal den Mund machte sie auf, um zu fragen, obwohl ihre Augäpfel hinter den geschlossenen Lidern hin und her tanzten, als könne sie hindurch schauen.

Sie erlösen wollend, sein Kinn noch immer knapp oberhalb ihres Schulterblatts die so herrlich weiche Haut streichelnd, drückte er zaghafte Lippen auf ihren Nacken, die Nase diese winzige Stelle hinter der Ohrmuschel berührend. Ganz genau wissend, wie sehr sie das liebte. Die Härchen stellten sich auf, und sie erbebte davon, sich nur noch mehr auf seinen Arm verlassend. „Mach sie auf,“ hauchte er direkt über dem Gehörgang, und Dora ließ sich da nicht zweimal bitten. Und konnte trotzdem kein Wort sagen. Ihr Kehldeckel schnappte mit einem Klicken zu, wie sie schluckte und schon wieder nicht atmen konnte. Einfach unbeschreiblich.

Juwelen. Edelsteine. Tausendfach und mehr, unbezahlbar und doch ausgebreitet direkt vor ihren schokoladenfarbenen Augen. Da waren Saphire und Achat in glitzerndem Blau aneinandergereiht. Und zerriebenes Platin schimmerte an den Ufern, aufgetürmt zu Bergkristallen, Schicht um Schicht, gekrönt von unendlich tiefgrüner Kappe aus Turmalinen, Aventurinen, Smaragden, so kostbar wie die Welt. Überall leuchteten eingestreut die glühenden Rubine, winzige Steinchen aus gelbem Citrit und Bernstein. Doch was den ganzen Blick einnahm, was so unübersehbar die ganze Steilküste von einem Horizont zum anderen überzog für sie, das war ein wallendes Tuch aus lebendem Gold, wie von den Hügeln zu ihrer Linken die erntereifen Felder sich bis in weite Ferne gen Westen erstreckten.

„Remus,“ quietschte Dora in einen viel zu lang zurückgehaltenen Ausatmer, und sie musste ihren rechten Arm an seinem Hals hinauf schieben, um besseren Halt zu haben. Er sagte nichts, lächelte nur still vor sich hin und hielt sie, ließ sie zuschauen, wie die Sonne und der Wind, die formenden Kräfte der Natur, mit den Ähren spielten. Ein Vlies, ausgebreitet über das wellige Gelände, getrieben von sanften Böen, und das Licht tanzte darauf, wie hier und dort helle, dann dunkle Flächen entstanden und weiter wanderten, sich auflösten und neu aufbauten, wie die langen, weichen Grannen der Gerste sich schüttelten und wiegten mit dem ganzen Korn. Goldgelb präsentierte sich das Getreide im milden Klima der südenglischen Küste, bald schon bereit zur Ernte, nur für kurze Zeit in all dieser Pracht. Die schönste Zeit, um zwischen den Feldern zu wandern, ob in Hosen oder im Brautkleid.

Dazwischen blühten Kräuter auf, schwankten letzte Blüten von Mohn in zartem Rot mit dicken, schwarzen Pollenkissen, und ganze Dickichte von Vergissmeinnicht quollen über auf den unbefestigten Weg, gegraben von Ackergerät und Fuhrwerken. In eng stehenden Büscheln spross das Gras aus den Furchen hervor, bedeckte den von Sommersonne staubigen Boden, wo die weißen Steine der Küstenklippen hindurch brachen, und irgendwo dort unten, ein Stück die Senke hinunter, über der sie beide hier standen, breiteten sich die Seggen aus bis zu den steilen Abbrüchen. Da unten begann der weiße Sandstrand von Lulworth, in einem ebenmäßigen Bogen um die Bucht gezogen, und das Meer rauschte in ruhigem Wiegenlied, die Flut auf ihrem Höchststand.

Das war sein Geschenk. Zurückzukehren an jenen Ort vor beinahe genau zwei Jahren, an dem ihm Wind und Sonne, Salz und Meer verraten hatten, was geschehen sollte, wo er für einen winzigen Moment zugehört und geglaubt hatte. Sie begriff diese Geste, und sah so viel mehr darin, doch keiner von beiden sprach darüber. Worte überflüssig jetzt. Worte nicht groß genug, nicht hoch genug hinauszugreifen in der Lage, wie sie Arm in Arm, Seite an Seite durch die Felder streiften. Den Pfaden folgend, schmal und ausgetreten von Rehen und Füchsen, zwischen aufgeschossenem Kraut hindurch, bis sie wieder an eine der Hecken aus Weißdorn, Schlehe und Kirschlorbeer stießen, die Weizen von Gerste trennte und Gerste von Hafer. Und dann standen sie wie Leuchttürme auf den Felsen, längst das Jacket über die Schulter geworfen, die langen Enden der rot-goldenen Krawatte mit dem Wind wehend, in gleißender Nachmittagssonne, und suchten die Küste von Frankreich in der Ferne, und ein einzelner Kutter stand mit den Kurren im Priel weit draußen, umschwebt von Wolken aus Lachmöwen.

Manchmal liefen sie, ihre zierliche Hand die seine haltend, ihn ziehend, dass sie beide lachen mussten, wo die Landschaft abfiel in eine Mulde, dann wieder schlendernd über weite flache Abschnitte. Wenn es wieder aufwärts ging, war es langsames, bedächtiges Schreiten, unterbrochen von kurzen Pausen. Sitzen konnte man auf trockenem Holz, wo die Geländer des Küstenwegs, vorbei an steilem Abgrund und über gefährlich enge Vorsprünge, halb verfallen in der Erde steckten. Und die Sonne schien so schön, wanderte mit und ihnen entgegen am südlichen Horizont entlang, löste sich vom Festland und trieb hinaus aufs Meer, während sie nur weiter nach kleinen Wundern in ihrem ganz großen suchten, Stück für Stück und Schritt für Schritt, Schmetterling um Blütenblatt.

Wie die Zeit verging, wie die Stunden verrannen an jenem blendenden Juli-Tag, sie spürten es nicht, sie merkten es nicht, und nahmen es gleichzeitig hin. Weil zusammen verbracht, fernab von alldem, was es ihnen so schwierig gemacht hatte und wieder machen würde. Keine noch so kleine Sorge hatte Platz in zwei weit offen stehenden Herzen. Egal als Lebensphilosophie, und wenn es nur für heute war. So unbeschwert wie der plätschernde Bach, holpernd und springend über die Kiesel in seinem Bett, bis er den Wanderpfad kreuzte, unter einer eingelassenen Bohle hindurch sauste und in Kaskaden dem Meer entgegen eilte. Hier tranken sie, wenn sie durstig waren, und Hunger kam gar nicht auf. Nicht nach Brot.

Keine Lust, nach Hause zu gehen. Kein Grund, diesen herrlichen Ort zwischen Himmel und See zu verlassen. Warm und trocken, das Wasser die Temperaturen aufrecht erhaltend auch durch die aufziehende Nacht hindurch, wo erste Sterne zu glitzern begannen am östlichen Horizont, und als Kopfkissen reichte die Jacke allemal. Gleich dort vorn, wo sich die Gerste in einem dichten Kreis in eine Senke kuschelte, die Krone aus frischem, grünem Gras auf der Klippe empor ragte, dort könnte man schlafen, den Gestirnen zuschauen, wie sie über den Zenit zogen und glitzernd zu ihnen herunter zwinkerten. Nicht einmal absprechen mussten sie sich.

Wie er noch stand, hoch aufgerichtet gegen den samtblauen Himmel, ein Streifen aus hellerem Türkis und glühendem Orange über dem Land, und das untergehende Licht seine Haut in Brand steckte, dass jedes rotbraune Barthaar daran wie Quarz aufleuchtete, drückte sie zärtlich mit beiden Händen gegen seine Brust, und er verstand den Wink wortlos.

Nur noch wogende Gerste, golden wie die Sonne selbst, wisperte ihren sanften Gesang, wie die Welt sich schlafen legte, besiegelt von einem Kuss zwischen den Ähren und Halmen, und der Westwind zog über den Atlantik heran und brachte Wärme mit und den Duft von weit entfernten Küsten, als sich diese zwei Menschen einen kleinen Stern vom Himmel holten.


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