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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Novemberregen

von Teekon

Unaufhörlich prasselte ein so dichtes Band aus Regen hernieder, dass die Sicht in die Ferne schon rasch verschwamm. Grau in grau der Himmel, die Wolkenfelder nicht voneinander abzugrenzen, von einem Horizont zum anderen nichts als eine diesige, trostlose Decke aus Holzasche. Ob es mal heller, mal dunkler wurde, konnte niemand sagen, denn keiner schaute empor, weder die, denen das Glück beschieden war, sich im Inneren aufhalten zu dürfen, noch die eilig vorbeihastenden Passanten auf dem Weg in U-Bahn-Schächte und breite Straßen überquerend, die wie Flüsse und Bäche ineinander flossen.

Als wären sie Boote, bewegten sich die Fahrzeuge darauf, selbst die roten Doppeldeckerbusse fahl und farblos in der tristen Masse, und Motorengeräusch und gedrückte Hupen gingen fast unter im eintönigen Rauschen des Niederschlags. Holpernd und plätschernd waren die Rinnsteine gefüllt, bildeten sich tiefe und langgezogene Pfützen dort, wo schwere Lastwagen den Asphalt eingedrückt hatten, wo einzelne Pflastersteine fehlten, und immer noch mehr Tropfen wühlten die Oberflächen auf wie tanzende Finger. Die Themse, hinausgezogen ins Meer von der Ebbe, gab glitschig lehmige Strände preis, übersät mit Kies und Treibholz und Abfall, den der Fluss zurückgelassen hatte, und das Trommelfeuer vom Himmel spülte Steinchen um Steinchen in die reißende Strömung.

Tagelang ging das nun schon so. Es war, als seien alle Schleusentore der Nordsee geöffnet worden, als fiele sämtliches Wasser hernieder, das den ganzen herrlichen Sommer über zurückgehalten worden war, und nun wusch sich London rein von Staub und Schmutz und Unrat, um sich nur selbst damit zu schaden, wie schwefelhaltig verseucht die Industriebrühe über den Statuen und Mauerwerken ausgegossen wurde. Die Parks leer, nicht mal Besitzer von Corgis und Labradors noch unterwegs, die Grenadiers am Buckingham Palace niedergedrückt von der Schwere mit Flüssigkeit vollgesogener Bärenfellmützen. Der See von St. James sah aus wie ein Schlauch voll mit Millionen winziger Bleikügelchen, die einer Schallquelle ausgesetzt waren, so intensiv hopste Tropf um Tropf hin und her und auf und nieder.

Kein Wetter, um auch nur einen Hund vor die Tür zu jagen. Wie hieß es doch so schön? 'Wenn Regen Britannien so großartig macht, dann ist Manchester großartiger'? Nun, das traf heute wohl eher auf London zu. Der November hatte Einzug gehalten, hatte nach langem Warten den Herbst mit sich gebracht, wo sich heiße Tage und angenehme Nächte bis in den Oktober hinein gehalten hatten, golden und sonnig und von immenser Farbenpracht an Laub und spätsommerlichen Blüten. Vorbei jetzt, endgültig für dieses Jahr. Ein schneidender Wind hatte es eingeläutet, war pfeifend und jaulend durch die Straßen gezogen, als wolle die Luft sprechen, als wäre sie lebendig geworden. Und dann war der Regen gekommen.

Merklich abgekühlt nun alles, der Mantel bereits ständiger Begleiter, und für einen Regenschirm oder einen Hut viel zu stürmisch. Böen jagten einander über das Themseufer, nutzten jede freie Fläche und wirbelten Windhosen aus zusammengekehrten Blättern auf. Peitschend schlugen sie einem Spaziergänger die Tropfen ins Gesicht, wo sie unter den Kragen und den Schal krochen und eisige Kälte auf die Haut träufelten. Wahrlich kein Kampfwetter. Und auch keines, um sich draußen herumzutreiben. Nicht einmal Wachdienst bestand so regulär wie sonst. Magisches Feuer in dieser Witterung? Flüche? Unmöglich. Das Wasser würde daran verdampfen, Funken würden sprühen und unkontrolliert fliegen, das wäre wie leichte Artillerie in einem Tornado. Zu gefährlich für beide Seiten.

Eine gute Verschnaufpause, genau das Richtige, um zuhause auf der Couch oder im Bett zu liegen, zu ruhen, zu dösen, Kraftreserven aufzufüllen. Ein heißes Bad, vielleicht mit Wacholder oder edler japanischer Kirsche, um die Nerven zu beruhigen und den Körper zu reinigen, dazu einen wunderbaren Tee und gutes Essen, angenehme Konversation vielleicht oder gänzlich für sich sein, während Sturm und Niederschlag die Welt vor dem Fenster in einen Schleier aus Dunst tauchten. Die fünf jungen Leute jedoch standen eng bei einander, zusammengepfercht, um einander Wärme zu spenden und Schutz vor allzu heftigen Windschlägen zu suchen auf dem beschädigten Bürgersteig vor einer Reihe schäbiger alter Villen. Und warteten.

Geschwärzte Speerspitzen krönten den eisernen Zaun, der Nummer 12 von der Straße abgrenzte, der Flieder im schmalen Vorgarten längst verblüht und seiner Blätter beraubt. Ein jämmerliches Bild, der krüppelig gewachsene Strauch, so gänzlich seine Würde genommen, und fast symbolisch betrachteten sie ihn aus dem Augenwinkel, ehe Sirius sich endlich einen Ruck gab. Seine Beine wollten ihm erneut den Befehl verweigern, doch er trickste sie aus, klatschte in die beiden Hände in gefüttertem Leder und zwang das linke Knie zum Ausscheren. Gut verborgen hinter einem hellgrauen Schal versteckte er die knirschenden Kiefer, unterstützt in seinem Bestreben auf die Stufen zur Haustür zu von den Schulterklopfern seiner Freunde. Er würde das hinkriegen. Es war nicht für lange, eine 'kurze Unterredung' hatte in dem Brief gestanden. Und dennoch traute dem Frieden keiner so recht. Deswegen waren sie ja alle hier.

„Wir warten hier auf dich,“ versicherte James noch einmal, rechnete genauso wenig wie seine Kameraden und seine Frau damit, eingelassen zu werden. Nicht einmal, um im Foyer auszuharren. Sie sollten Recht behalten. Wie er oben ankam und nach dem so vertrauen silbernen Türklopfer griff, zischte die Schlange missmutig, und dennoch schwang das verzierte Portal in den Innenraum hinein. Dunkelheit verhüllte den Flur dahinter, nicht zu erkennen von ihrem Standort auf dem Trottoir aus, und sie schauten auch nicht großartig auf. Der greise Hauself würde dort sein, und die krächzige Stimme mit dem grantigen Unterton vernehmend, rollte Peter mit den Augen. Remus musste schmunzeln und rieb sich den patschnassen Bart, während Lily mit einem abgewandelten Scutum minimalen Schutz gegen die Unbillen des Londoner Novemberwetters schaffte.

Welch seltsames Gefühl, wieder hier zu sein. Drei Jahre. Länger war er fort gewesen, hatte nicht auch nur einen Fuß in dieses Viertel gesetzt (was auch nicht für Gefechte nötig gewesen war, denn die Todesser hielten eine Art Bannmeile rund um den Grimmauld Place ein, und erst seit Kurzem begriff Sirius, wieso), außer für die wenigen Minuten im September, als er die Eule hierher zurück geleitet hatte. Er war sich nicht sicher, ob sich etwas verändert hatte. Sein Geist, seine Erinnerungen spielten ihm so viele Streiche, hatten sich seiner Wahrnehmung der Ereignisse damals so intensiv angepasst, dass er Wahrheit von Fiktion kaum noch unterscheiden konnte. War es düsterer geworden um den hübschen kleinen Park herum? Oder war das nur der Sturm?

Zu neblig, zu grau dieser Tag, um die Fassade der Villa begutachten zu können, und der junge Mann in seinem langen, schwarzen Lodenmantel, darunter Gamaschen-bestückte Halbstiefel aus bestem Leder und maßgeschneiderte Nadelstreifenhosen hervorlugend, legte nicht den Kopf in den Nacken, um an den Simsen, Erkern und Balkonen hinauf zu blicken. Davon rann einem nur das Wasser ins Gesicht und in die Augen. Den niedrigen Fahrzylinder von den kräftigen Locken nehmend, einen kurzen Gehstock in der einen Hand, trat Sirius Orion Black ein in das Haus, in dem er geboren worden und in dem er aufgewachsen war, und ihm schlug das Herz bis unter die Zunge. Anmerken ließ er sich nichts.

Kreacher kaum beachtend, der ihn mit einem simplen „Mr. Black“ begrüßt hatte und sofort beiseite getreten war, sich bis auf den Boden herab verbeugend, dass er mit den Schlappohren eine Pfütze von der obersten Stufe aufgewischt hatte, sah er sich um so gut es ging in jenem nur schwach erleuchteten riesigen Foyer. Durch die geschmückten Buntglasfenster drang nicht genug Licht herein, um den Weg zu erhellen, und nur der große silberne Armleuchter gleich rechts im langen Schlauch des Flures, der nach hinten und zum Treppenaufgang führte, brannte mit flackerndem Kerzenschein. Der Eingang zum grünen Salon nach links herum lag in absoluter Dunkelheit, nicht einmal die Tür erkennbar.

„Sie wird nicht hier sein, du brauchst dir darüber keine Gedanken zu machen“, hatte der Brief versichert, und dennoch hatte Sirius das Gefühl, die krankmachende Anwesenheit der alten Hexe deutlich zu spüren, wie eingefressen in die ehemals so stolzen Mauern. Er schauderte leise und schüttelte es ab, indem er sich aus dem Mantel pellte und ihn irgendwo schräg unter sich gleiten ließ, wissend, wenn auch nicht bewusst, dass Kreacher ihn auffangen und an einen der unzähligen Haken hängen würde. Platz für viele Gäste war hier immer gewesen. Schon so lange keine mehr empfangen. Nicht einmal die eigene Familie. Zu groß geworden, das Misstrauen, dieser Tage.

Eine Robe trug er dennoch über dem so perfekt anliegenden Anzug, zauberische Eigenart, wie er sie sich als Junge verboten hätte. Sich abgrenzen gegen die Reinblütersippe, die diesem Kleidungsstück so viel Bedeutung beimaß. Eine filigrane Schnalle aus goldenen Löwenköpfen verschloss den Umhang über der Drosselgrube, der Querbinder darunter gerade und korrekt gebunden. Dem Elfen auch die übrigen Utensilien eines Reisenden reichend, blieb er stocksteif auf dem runden Perserteppich stehen, ringsherum das schwarz-weiße Mosaik, als befinde er sich auf einer Insel inmitten des aufgewühlten Meeres und würde dort nicht weichen. Aber er tat es dennoch, sobald der Diener eines seiner dürren, ausgemergelten Ärmchen ausstreckte und den Flur hinunter deutete. „Seine Herrschaft erwartet Euch im Studierzimmer,“ leierte er herunter, und der Gast setzte sich in Bewegung.

Die selben Porträts, genauso angeordnet wie damals, säumten seinen Weg, ihn stumm beobachtend, bis er vorbei war, und dann konnte er sie hören, flüsternd, tuschelnd, aufgeregt, wie sie über ihn sprachen, seine Erscheinung, sein aufrechtes Rückgrat, sein Hiersein an sich. Es kümmerte ihn nicht weiter, dazu hatte er gar keine Zeit. Viel zu wirr die Gedanken und Gefühle, die ihn hier überwältigten. Dieser Geruch. Möbelpolitur und ein bisschen Staub, Kerzenwachs und das knisternde Feuerchen aus der Küche, wie er an dem tunnelartigen Übergang vorbei schlenderte und nach dem Geländer griff, die Handschuhe längst in den Taschen seines Mantels irgendwo dort unten an der Garderobe versenkt. Wie ein Stromschlag war das, dieses weiche Holz, abgerundet und schnörkelig gedrechselt die Streben darunter. Ein Bild schoss ihm durch den Kopf, wie er hier herunter gerutscht war in seinem Matrosenanzug, der Kleine dicht über ihm. Er musste die Augen schließen und ihn aus seinen Erinnerungen vertreiben.

Nur zwei Absätze hinauf in den ersten Stock, Kreacher dicht hinter ihm, ohne dass er ihm Aufmerksamkeit schenkte. Die patschenden nackten Füßchen des Elfen gehörten zu diesem Ort. Vorbei an den abgeschlagenen Schädeln seiner Vorfahren, Stufe um Stufe empor, unter dem Rosettenfenster entlang, an dem nun wie ein Wasserfall der Regen herunterfloss, spielende Schatten auf die einzelnen Scheiben in bleierner Einfassung werfend. Und dann der große repräsentative Salon, der schauerliche Wandteppich, dessen Bilder sich zaghaft bewegten, durchsetzt von verkohlten Brandlöchern. Sirius zwang sich, nicht dorthin zu sehen, diesen Raum auszublenden. Hier, vor über drei Jahren. Er drehte sich rasch zur Seite und befand sich genau neben der gut verborgenen Tür zu Orions eigenen Gemächern.

Das war schlimmer, als dieses Haus zu betreten. Nach Außen hin völlig gefasst stand er da, wünschte sich, er hätte seinen Hut wieder, um ihn in den Händen zu drehen, wusste nicht, wohin mit den Fingern. Nur in seinem Innern, ganz tief in der Brust, kam es ihm vor, als zittere ihm das Herz stellvertretend für den Rest seines Körpers, weiter schlagend, aber wummernd wie die Flanken eines Rehs, das man im hohen Gras gefunden hatte, wo es nicht hatte gefunden werden wollen. Wieso nur konnte er nicht so kalt und ruhig sein wie damals, wie sonst auch? Er wusste genau, warum. Weil das hier schon viel früher hätte geschehen müssen. Nicht aufgearbeitet. Liegen gelassen zum Verrotten. Aber das tat es nicht. Es musste raus. Also gut. Dann eben jetzt. Und er nahm einen tiefen Atemzug und nickte dem Hauselfen zu, der augenblicklich an die Tür klopfte.

„Herein!“ erklang diese feste, kräftige Stimme, und Kreacher zögerte nicht, dem nachzukommen. Nur unwesentlich erhellte sich der Flur, wie er das Blatt in den Raum schob, das Dahinter genauso in das novemberliche Grau getaucht wie alles andere auch. Der Schein einer einzelnen Laterne warf einen viel zu engen Kreis aus warmem Licht rund um ein Tischchen nicht weit vom Eingang, und der junge Mann entsann sich lebhaft, warum das so war. Eine Sitzgruppe, die Ottomane dazu gleich rechts in der Ecke, und dorther stammte das feine Rascheln einer Decke, während sich seine Augen noch an die veränderten Verhältnisse gewöhnten. Keine zwei Schritte vor ihm blieb der Elf erneut stehen, schwenkte den Arm aus wie ein Ansager und beugte den klapprigen Körper genau in der Mitte, bis er mit der Stirn beinahe die herrlich polierten Dielen berührte. „Meister Sirius ist hier,“ verkündete er überflüssigerweise, denn dieser Schatten dort im Türrahmen, der war unverkennbar, es sei denn, seine Herrschaft selbst hätte sich hier stehen gesehen. Fast hätte Orion darüber gelacht.

Statt dessen münzte er es um in ein Husten, wie er sich zurechtrückte auf seiner Schlafstatt, um sich besser unterhalten zu können. Eine Kissenrolle im Rücken, pflanzte er sich einigermaßen auf, die Hände auf der Brust gefalten und unter den dichten Brauen hervorschauend. „Sehr gut, Kreacher,“ war alles, was er dazu sagte, mit einem Wink von Kinn und Fingern den Gast zu sich heran lotsend. Sirius kam der Aufforderung nach, egal, wie viel prinzipieller Trotz in ihm hochkochen wollte. Oh, was für ein unsagbar merkwürdiger Wirrwarr aus Gefühlen. Das war er. Orion Arcturus Black. Vater. Der Mann, dem es niemals gelungen war, ein eben solcher zu sein, der das vielleicht auch nie gewollt hatte. Abweisend, gleichgültig, oft zornig in hitzigem Temperament, dann wieder eisig und unnachgiebig, wie der Frost im Januar. Und gleichzeitig so ehrfurchtgebietend, so würdevoll und unbeugsam, dass man nichts weiter wollte, als genau so gesehen zu werden.

Keiner begrüßte den anderen. Keine Höflichkeitsfloskeln, kein geheucheltes Interesse an einander, auch wenn es möglicherweise doch da war. Sie hatten das nicht nötig, so zu tun, als wäre das hier ein fröhliches Wiedersehen. Zu viele Vorbehalte. Von beiden Seiten. Auf einen bequemen Lehnstuhl deutend, gleich aufgebaut neben seiner Brust, gebot das Sippenoberhaupt seinem Besuch, sich zu setzen. Sich an dem wartenden Diener vorbei bugsierend, lehnte Sirius auch hier nicht ab. Nicht lange zu bleiben gedachte er, aber daneben zu stehen, auf ihn herab zu schauen, wie er da lag und keinerlei Anstalten machte, sich aufrichten zu wollen, das könnte er nicht ertragen. „Möchtest du etwas trinken?“ richtete Orion, ganz der gute Gastgeber, seine ersten Worte an ihn, und sofort schüttelte der junge Mann hastig den Kopf. Das stand seinen Plänen im Weg. Der Vater nickte nur.

„Kreacher,“ sprach der den Elfen an, der sich sogleich wieder verbeugte. „Lass uns allein.“ Seine Dienste waren nicht mehr vonnöten, wollte der Junge nichts, und das Geschöpf schlurfte rückwärts in Richtung der Tür. „Wir wollen nicht gestört werden,“ fügte sein Herr an, damit deutlich klar machend, was das bedeutete: 'Sorg' dafür, dass es auch so sein wird'. „Sehr wohl, Sir,“ quakte Kreacher und huschte auf den Flur hinaus, die Tür dabei mit sich ziehend. Und dann waren sie allein in dem alten Studierzimmer mit dem wunderschönen Wintergarten.

Die Stille, die eintrat, war nicht ganzheitlich. Sie konnte es gar nicht sein. In stetigem, so beruhigend träumerischem Rhythmus fiel der Regen auf die abgeschrägten Scheiben dort hinten, rollte daran herunter und überzog das ganze viktorianische Gebilde mit einem Film aus perlendem Wasser. Man hätte Stunden damit verbringen können, den Tropfen dabei zu zusehen, wie sie sich miteinander vermengten, sich ineinander verloren und der Erde entgegen liefen. Und auf den Bänkchen, geschmückt mit Glasmosaiken, aus gehobeltem Holz, aus emailliertem Metall, reihten sich die noch immer mit zarter Hand gepflegten Pflanzen aneinander, schlafend in ihrem Herbstkleid, die Blütezeit längst vorüber. Grüne Ranken, Saugfüßchen, Haken, schlängelten sich um einander und hielten sich an Klettergestellen und am Gerüst des Glashauses fest, während andere aus Töpfen von der Decke herab glitten. Ein Wunder, dieser Ort, immer wieder.

Sich den Hals verdrehend, um diese Schönheit zu betrachten, wie eine Oase in der Wüste, bemerkte Sirius gar nicht den Grund, warum der gerade einmal 50 Jahre alte Zauberer neben ihm das Gespräch nicht eröffnete. Argwöhnisch, in winziger Ausprägung seines sonst so brennenden Zorns, stierte Orion dem Elfen nach, die Kiefer fest aufeinander gepresst, und die Zähne mahlten unruhig. „Er sagt kein Wort,“ grollte er aus der Kehle, und erst da fuhr Sirius wieder herum und schaute ihn an, augenblicklich die Stirn runzelnd in Verwirrung. „Nicht eines, egal, was ich ihm androhe.“ Es knackte laut und unangenehm, wie das Gelenk in Höhe seiner Koteletten sich aus- und gleich wieder einrenkte, und der junge Mann auf dem Lehnstuhl spürte eine Gänsehaut aus Gruseln über seinen Nacken jagen. Keine Ahnung, wovon er da redete.

Seufzend schüttelte Orion Black den Gedanken ab, sich entspannend, dass sich seine kräftige Brust hob, und er schloss für einen Moment die Augen. „Dafür bist du nicht hier,“ erlöste er seinen Ältesten von dieser Grübelei, und Sirius wunderte sich nur darüber, wie gut das funktionierte. Wie als Kind. 'Das brauchst du nicht zu wissen', und prompt vergaß er es. Fast wäre er dafür dankbar gewesen. Noch immer liegend, vielleicht ein paar Zoll weit zu ihm herum gedreht, obwohl er ihm nach wie vor nur die Seite präsentierte, wandte Orion sich ihm nun zu und musterte ihn zunächst mit merkwürdig matten, grau-braunen Augen, den seinen so ähnlich und doch ganz anders. Nickend schließlich, schürzte er die Lippen. „Du siehst gut aus,“ befand er.

Das konnte niemand leugnen. Ein stattlicher junger Mann, der Anzug nur sein Übriges dazu beitragend, dass er daher kam wie ein perfekter Gentleman, seines Hauses und dessen langer Tradition mehr als würdig. Auch wenn man ihm das besser nicht sagte. Dezent und dennoch deutlich wohlhabend mit Alphards Geld in der Tasche, dunkle Nadelstreife und beste Ware, von den spitz geschnittenen Schuhen bis rauf zum Kragen, feine Manschettenknöpfe und hellgrau abgesetzte Weste mit eingearbeitetem Goldfaden. Großartige Form, fabelhafter Geschmack. Davon, dass Sirius in Erwägung gezogen hatte, seine Abschlussweste zu tragen, dunkelrot und mit dem Wappen von Gryffindor verziert, konnte er nichts wissen. „Provozier' ihn nicht so,“ hatte James gebeten, und er hatte recht gehabt. Kontraproduktiv.

Dagegen er. Oh nein, niemals hätte Orion Black sich gehen lassen oder wäre gar schäbig daher gekommen, nicht einmal in seinem derzeitigen Zustand. Soweit es sichtbar war, wo er bis runter zu den Füßen sorgfältig in eine Wolldecke eingewickelt war, trug er seinen besten Hausanzug, war ordentlich frisiert, der Bart frisch gestutzt und aufgezwirbelt, wie es sich gehörte, empfing man Besuch, erst recht solch bedeutenden, und dennoch kam Sirius nicht umhin, ohne nachzudenken die Schultern zu zucken. „Du nicht.“ Und das musste das erste Mal gewesen sein, dass er seinen Vater dutzte.

Orion konnte nicht anders. Er musste davon lachen, kurz nur, aber seltsam amüsiert. „Allerdings,“ bestätigte er diese Beobachtung mit hochgezogener Braue, kein bisschen geschockt oder wütend darüber, weder das eine, noch das andere. Es stimmte nun mal. Nicht einmal die Laterne konnte nur suggerieren, wie fahl und bleich seine Gesichtsfarbe war, wie eingefallen die Wangen, als habe er schlecht gegessen über Wochen. Wahrscheinlich hatte er das auch. Müde, abgeschlagen, die sonst so glühenden Augen matt, die Lider tiefer gesenkt als sonst. Mit einem Mal begriff Sirius, dass es keine Unhöflichkeit, keine Anmaßung und keine Vorspiegelung von nicht vorhandener Vertrautheit war, dass er dort auf seiner Ottomane liegen blieb, statt ihm gegenüber zu sitzen, wie es sich für eine Unterredung gehörte. Unruhe breitete sich davon in ihm aus, und herumrutschend zwang er sich, still zu sitzen.

„Genau deshalb habe ich dich auch herbestellt.“ Das Gefühl wurde heftiger, und der jüngere Zauberer mochte das hier noch weniger als ohnehin schon. Das war mehr als nur dubios, mehr als unerquicklich, Sirius konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, Orion Arcturus Black könne es auf irgendeine Weise schlecht gehen. Eine viel zu große Unsicherheit schlug das in eine Welt, die irgendwo feste Grundmauern haben sollte. Es verstieß gegen die Gesetze der Physik. Weil dieser Mann dafür sorgte, dass alles blendend und nach seinen Plänen verlief. Weil er sich wehren konnte. Und weil alles, was er nicht ändern konnte, an ihm abprallte und ihn vollkommen kalt ließ. Das musste so sein. Wenn dem nicht so war, dann ...

Forschende Blicke warf er ihm zu, und obwohl er es nicht ansprach, spürte Sirius genau, wie gut er in ihm lesen konnte. Menschenkenntnis. Orion Black. Fast zum Lachen. Aber danach war ihm so überhaupt nicht zumute. „Ich bin krank, Sirius,“ fasste der Mann mit den ergrauten Stellen im Bart es in Worte für ihn, und nur für den Bruchteil eines Herzschlags hatte der Junge diese Bilder im Kopf von den dünnen Gestalten an dem langen Tisch im Hauptquartier des Phönixordens, längst entschwunden, dahin gerafft vom Cacoethes-Fluch. Und auch wenn er ganz und gar nicht so aussah wie Remus' Eltern damals, musste er fest die Zähne aufeinander pressen.

Er mochte das gar nicht, wie sich Schweigen zwischen ihnen ausbreitete, wollte es nicht dazu kommen lassen und hatte doch absolut keine Ahnung, was er sagen konnte. Nicht einmal zurechtgelegt hatte er sich irgendwelche Worte daheim, keinen Schimmer, wozu sein Vater ihn hier hatte haben wollen nach all dieser Zeit. Wie zu einer Prüfung in der Großen Halle in Hogwarts hergekommen. Den Kopf schüttelnd, als könne er die Sätze besser finden, wenn er sie durcheinander würfelte, stützte Sirius beide Hände auf seine Knie und setzte zum Sprechen an. „Warst du in St. ...“ wollte er fragen, doch Orion ließ ihn nicht und wischte das mit einer Geste weg. „Ich habe nicht vor, gesund zu werden.“ Sirius verstummte.

Im ersten Moment verstand er nicht recht. Doch dann drang es ihm ans Bewusstsein, was sein Vater damit sagen wollte, und so seltsam, so heftig kochte das in ihm hoch, diese Wut darüber. Was für ein Unsinn. Was für ein hirnverbrannter Unsinn! 50 Jahre alt, stinkend reich, hoch talentiert, einflussreich, alles, er hatte alles! Starrköpfig! Stur, bis ins Mark, und dafür sterben! Sterben! Bloß weil er ... bloß weil ... Wieso eigentlich? Die Brauen des Jungen türmten sich auf zu Bergen aus Zorn, Orion konnte das sehen und hätte fast darüber gelächelt. War er wirklich verärgert deswegen? Wegen ihm? Ein kleines Licht, ganz tief drinnen. Weil es bedeutete, dass Sirius auch in diesem Falle durch und durch ein echter Black war.

Er tat etwas so Unerwartetes, dass es den jungen Zauberer kurz vor seinem zwanzigsten Geburtstag daran hinderte, so zu explodieren, wie es in seiner Natur lag, ihn so stumm zu schlagen, wie ein Silencio es nicht geschafft hätte. Die Hand nach ihn ausstreckend, berührte Orion seine Finger auf dem linken Knie, vorsichtig, ohne danach zu greifen, und seine Stimme flüsterte, wisperte, verlor dabei kein bisschen an Kraft. „Sie sagen, wir Blacks sind rauschende Flammen. Wir brennen zu heiß.“ So oft gehört, diese Legende, und dennoch erinnerte sich Sirius genau, wann man sie ihm zum ersten Mal erzählt hatte. Genau diese Stimme, genau dieser Mann, mit beiden Händen auf seinen Schultern, keine 20 Yards entfernt dort vorn im Salon, wo die Ahnenreihe die Kurzlebigkeit dieses Stammes verriet. Er musste fest schlucken, wie er zu begreifen begann.

Den Zeigefinger ausgestreckt, fuhr Orion fort, ihre Blicke so weit von einander entfernt, dass sie sich auf keinen Fall treffen konnten. „Unsere eine große Schwäche verbergen wir.“ Die Richtung, in die er deutete, zuerst halb nach oben, wo das Einstecktuch in Sirius' Jacket leuchtete, dann hinunter an die gleiche Stelle auf der eigenen Brust, war zweifelsfrei. „Und ich glaube, du weißt genau, wovon ich spreche.“ Ihre Gesichter, wie sie da unten auf dem Bürgersteig in strömendem Regen und eisigem Wind auf ihn warteten, tauchten ohne Zutun vor seinem inneren Auge auf, jeder einzelne von ihnen, Pete mit seinen Rattenzähnen, süß und lustig in seiner Dummheit und seiner Herzlichkeit, Lily, kupferrotes Haar und liebevolle Hände mit ihrem kreischenden Lachen, wenn er Quatsch redete, Remus' Gesichtsausdruck, wenn er schlief und träumte vom Wettlauf im Mondenschein, und James. Einfach nur James. Er verstand. Weil das letzte Bild in seinem Geist ein strohdoofer Junge war, der die gleichen Locken hatte wie er, und der sich immer an dem gleichen Platz unter dem Rhododendron im Park versteckte.

Trotzdem blieb der Protest. So viele schon verloren in diesem Krieg, auch wenn es der eigene Bruder war, man musste weiter streiten. Einen abgehackten Atemzug machend, richtete Sirius sich ein wenig auf, öffnete den Mund, ohne ihn anzusehen. Merkwürdig, wirklich. Als er davon erfahren hatte, war niemand auf die dämliche Idee gekommen, etwas Dümmliches wie das hier zu sagen, weil sie alle gewusst hatten, wie sinnlos es war. Und dennoch musste er. „Aber es kann doch sein, dass Re ...“ Weiter ließ Orion ihn nicht ausreden. Nicht diesen Namen. „Sirius,“ sagte er nur, und der junge Mann hielt den Mund, wie sich ihre Blicke, aus den Augenwinkeln nur, endlich wieder trafen. „Wir beide wissen, dass er tot ist.“

Natürlich. Keine Chance. Vier Monate vergangen, seit er fort war, und kein Lebenszeichen von ihm, nichts, gar nichts. Keiner hatte ihn gesehen, niemand gegen ihn gekämpft. Nur eine Sache blieb rätselhaft dabei: Dass keiner der Todesser sich brüstete mit dem Mord, dass niemand den Mumm hatte, es zu zugeben. Einen Black getötet. Auf welche Weise auch immer. Sie mochten beide nicht daran denken, auch wenn sie das hier, in dieser Gesellschaft, niemals ausgesprochen hätten. So zittrig und gebrochen wurde seine Stimme dabei. Der Trotz dagegen zerlief wie Sirup in großer Hitze. „Ich wünschte, sie hätten ihn mir wenigstens zurückgebracht.“ Sirius schloss die Augen. „Damit ich ihn begraben könnte.“ Sie wandten sich von einander ab, erkannten nicht, wie ähnlich ihr Verhalten.

Es abschüttelnd, zurückkehrend zu seinem kühlen Entschluss, seufzte Orion und schlug sich vorsichtig mit der einen Hand auf die Brust, dass auch der Sohn in Kenntnis davon gesetzt war. Der Moment war vorbei. Er konnte ihn wieder ansehen, ohne sich sein Weltbild zerstören zu müssen. Darüber hätte er fast wieder lächeln müssen, und das Clansoberhaupt überlegte, ob er jemals Arcturus, den eigenen Vater, in ähnlicher Stimmung erlebt hatte. Nein. Niemals. Und er wäre wenig begeistert dort oben in seinem Schloss, zurückgezogen und verborgen in tiefstem schottischem Moor, nicht einmal angeschlossen an das Flohnetzwerk. Nur für einen Augenblick kam ihm die Erkenntnis, dass vielleicht auch er da draußen an derselben Schwäche litt und sich nun in ihr erging. So unvorstellbar das auch war.

„Es ist wie es ist, Sirius,“ bettete der ältere Zauberer in einen Ausatmer, ein breiter, heller Streifen auf seinem linken Ringfinger leuchtend in der Düsternis des verregneten Tages. „Ich bin ein Egoist.“ Noch darauf starrend, die Brauen bereits wieder zusammen geschoben, wie er darüber grübelte und es nicht fassen konnte, zog der Sohn sich ein Stück von ihm zurück. Da war es wieder, dieses heiße Glühen wie in dem Moment, in dem Hermogenes ihm jenen ersten Brief gebracht hatte, diese Angst davor, zu viel zu hören. Und dieses Mal gab es kein Entkommen davor. Dieses Mal konnte er nicht einfach das Pergament ins Feuer werfen. Atmen war auf einmal so schwer. Am schlimmsten war dieses beschämte Kopfnicken. „Ich war euch beiden nie ein guter Vater.“ Er schnaubte selbst und lächelte gequält, und Sirius konnte kaum noch hinsehen. „Ich war euch überhaupt keiner.“

Der Sturm wurde stärker draußen, rüttelte ein wenig fester an Antennen und Fensterläden der umliegenden Häuser. Dunklere, drohend überschlagende Wolkenfelder durchbrachen die eintönige graue Fläche, die der Himmel seit Tagen gebildet hatte. So dankbar für diese Ablenkung. Längst nur noch aus den breiten und hohen Panoramafenstern des Wintergartens starrend, schluckte Sirius so fest, dass der Querbinder über seinen kräftigen Adamsapfel schrappte. Er spürte das nicht einmal, musste jegliche andere Empfindung ausschalten, solange der mit einem mal so vertraute Mann auf der Ottomane sprach.

„Es gibt keinen guten Grund dafür.“ Und dabei wusste der Junge irgendwie, dass es doch so war. „Ich will mich nicht erklären.“ Die Augen schließend, hätte sich Sirius am liebsten dafür bedankt. Er wollte es nicht wissen. Und er wollte doch. Weil sein ganzes Leben daran hing. Und doch wieder nicht. „Es würde nichts bringen und nichts ändern. Nicht für mich, nicht für dich.“ Merlins Büstenhalter, er musste gerade mehr Worte zu ihm sagen als in 20 Jahren zuvor auf einmal, schoss es ihm durch den Kopf, und dieses altbekannte Idiotengelächter irgendwo im Schädel versuchte vergeblich, ihm den Moment zu erleichtern. Es klappte nicht. Denn er hatte recht. Unwiderbringlich verloren. Also wieso danach graben?

Er ließ es sein, besser für sie beide. Der Tee auf dem Tisch dampfte vor sich hin, verbreitete angenehmen Duft nach Assam und Darjeeling, eine Schüssel mit längst erkalteter Brühe daneben, wie diese vom Regen begleitete Stille zurückkehrte. Vor Ewigkeiten hätte es gesagt werden müssen. Besser spät als niemals. Noch immer hatte sich der ganze breitschultrige, kräftig gebaute Kerl, der aus dem flinken Kind geworden war, gen Rückseite des Hauses und des Raumes gedreht, suchten seine Augen den Himmel und den Hinterhof ab. Ihm standen noch alle Türen offen. Vielleicht die einzig wirklich gute Entscheidung seines Lebens, befand Orion zu sich selbst, ohne es nach außen dringen zu lassen, als er ihn gehen ließ, als er zugestimmt hatte, wie Charlus Potter ihn gebeten hatte, ihn zu sich nehmen zu dürfen. Ja, wirklich gut gemacht.

Er schweifte selbst ab davon, ihn zu beobachten, und sein Blick traf das Kleinod neben der Teekanne, das aus zartem Rosenholz geschnitzte Kästchen, und er zog sich selbst in die Gegenwart zurück. Zeit, endlich zum Punkt zu kommen. „Du bist mein Erbe, Sirius,“ sagte er, griff über das Tischchen und berührte nur mit den äußersten Fingerspitzen die lebensecht aus dem Werkstoff gemeißelten Blüten. „Und wenn ich nicht mehr bin, wird alles hier dir gehören.“ Der Lehnstuhl knarzte entsetzlich laut in der Stille, wie Sirius herumfuhr und ihn – endlich direkt – unverhohlen anstarrte mit offenem Mund. Das konnte er nicht ernst meinen. Das musste ein schlechter Scherz sein! Alles? Alles hier? Was meinte er damit? Das Haus?

Die Panik in den Augen des Jüngeren sofort richtig deutend, konnte Orion das Lächeln nicht unterdrücken. Womit er es nur schlimmer machte. Er hatte so nicht zu schauen. „Du weißt sehr wohl, dass du magischem Erbe nicht entkommen kannst.“ 'Clansoberhaupt,' schrie es im Kopf des Sohnes. Herr über die ganze verfluchte Sippe. Sein Wort zählte. Was er beschloss, geschah. Unvorstellbar. Und körperliche Übelkeit hervorrufend, so sehr rebellierte sein ganzes Inneres dagegen. Er richtete sich auf und wollte etwas sagen, unterband es selbst, weil er den Satz richtig verstand. Orion hatte keinen Einfluss darauf. Er konnte ihn davon nicht erlösen, selbst wenn er gewollt hätte. Und er sah nicht aus, als wäre das in seinem Sinne.

„Mein Vermögen, mein Besitz, das alles gehört dir,“ fuhr er ungehindert fort, den Hüpfer, den der Junge im Sessel vollführte, geflissentlich übersehend. 'Abschaum', 'Blutsverräter', 'Schande', er hatte das alles noch in den Ohren. Wie konnte er ihn da zu seinem uneingeschränkten Nachfolger machen? Sirius verstand die Welt nicht mehr. Das war wie eine Einladung zum Kaffeeklatsch von Voldemort persönlich. Orion gab keine Erklärungen. „Deine,“ er zögerte, und ein Kniff in Mundwinkel und Braue, dass ihm der Bart steif abstand, begleitete die verächtliche Bezeichnung, um die er nicht herumkam, „Mutter hat das Recht, den Rest ihrer tristen Tage hier zu fristen,“ stand er ihr Wohnrecht zu, und ob Sirius wollte oder nicht, er verspürte eine unglaublich boshafte Befriedigung, die Vater und Sohn innigst teilten. Er wünschte für eine Sekunde, dabei zu sein, wenn sie jenes Testament, das dort vorn, perfekt abgesichert und von sieben zauberischen Notaren in Blut beglaubigt, gebunden auf dem Schreibpult lag, zu lesen bekam.

„Danach,“ das grimmige Grinsen war wie ein Spiegelbild, „ist alles deins.“ Stummes Einverständnis herrschte zwischen den beiden Männern, und ja, unter diesen Voraussetzungen konnte Sirius damit leben, der nächste Black zu sein. S.O.B. So durften ihn bisher nur seine Freunde nennen, und auch nur, wenn sie ihn ärgern wollten. OK, das wollten sie oft, aber das war in Ordnung. Es erinnerte ihn liebevoll daran, dass er sich gerade wie ein Volltrottel verhielt. „Nur eine Sache, die kann ich dir nicht geben,“ hob Orion den Zeigefinger erneut und schwenkte ihn drohend, ehe er, mit einem Mal merkwürdig gedrückt, auf die kleine Schatulle deutete, und der junge Mann lenkte seinen Blick dorthin.

Herrlich anzuschauen, keine zwei Zoll lang, anderthalb Zoll breit, ein Meisterwerk der Schnitzkunst, und noch immer duftend wie die Weinrose, aus der es vor vielen Jahren einmal gemacht worden war auf Bestellung eines frisch Graduierten. Erstaunt darüber, was so furchtbar daran sein sollte, wenn er gerade diesen Gegenstand nicht erben sollte, zog Sirius den Kopf auf seinem Hals zurück, brauchte nicht einmal mehr ein Wort zu sagen. Bereits danach greifend, hob Orion es auf, das Kästchen, den darunter liegenden Brief aus dem gleichen, birkenfarbenen Pergament wie die Botschaften, die er nach Soho geschickt hatte, zum Vorschein bringend. In seiner eigenen, so schwungvollen Schrift, war eine Adresse darauf gezeichnet, und der Sohn beugte sich unwillkürlich vor, um im schwachen Schein der ruhig brennenden Laterne erkennen zu können.

Der Vater nickte ihm zu, mit dem Kinn darauf deutend, und obwohl er eigentlich eher den Eindruck machte, ihn am liebsten hinaus schicken zu wollen dafür, gestattete er ohne die geringste Zurückhaltung: „Lies, wenn du magst.“ Sirius zögerte. Es war kein Geschäftsschreiben, das sah man sofort, keine Instruktionen für jemanden mit betriebswirtschaftlichen Absichten, ein privater Brief. Auch wenn man Orion niemals zugetraut hätte, solche Beziehungen zu pflegen. Zaghaft den Arm ausstreckend, fingerte er ihn dennoch auf, nur langsam zurück an den eigenen Körper führend, und er studierte lange und eindringlich die vier Zeilen auf dem Kuvert.

Es war keine schwarze Tinte, sie war blau, bestes Azulblau, wie man es in Klausuren verwendete, gut lesbar und sorgfältig aufgetragen, und dabei glänzte der Nachname in seltsamem Schimmer. Erst als er es kippte, fiel es Sirius auf, dass er sich änderte dann, je nachdem, wie man ihn las, viel länger in ungünstiger Haltung (und ihn einer Ohnmacht nahe bringend), kurz und so ungewöhnlich wie Evans und Thomas und Smith, schaute man gerade darauf. „Dianne Moore – Bucklehead Drive #4 – Tintagel, Cornwall“.

Ohne es wirklich zu wollen, gegen den eigenen Willen, öffneten die Finger vorsichtig die Lasche und zogen den sorgsam gefalteten Brief heraus. Und er las ihn. Lang, viel länger als die knappen Worte, die an ihn gerichtet worden waren, aber das war in Ordnung. Unbeweglich zunächst seine Miene und seine vornüber gebeugte Positur, wie die Augen Zeile für Zeile abfuhren, und Orion kam nicht umhin, ihn dabei beobachten zu müssen. Niemals zuvor davon erzählt, geschwiegen darüber für so viele Jahre, 33 Winter lang, war es ein halb erschlagendes, halb erleichterndes Gefühl. Blässe spielte dem Jungen um die Nase, wie ihm der Kiefer herunterklappte, Stück für Stück, und dann hob er leicht das Kinn und starrte ihn über das aufgeschlagene Pergament hinweg an, als habe er einen Geist gesehen. Trauriges, wissendes Lächeln kroch auf Orions Gesicht. Er sagte nichts.

Wie aus einer Trance erwachend, schockiert und gleichzeitig alles anzweifelnd, was er jemals für richtig und wahr erachtet hatte, schüttelte Sirius sich so heftig, dass seine Locken flogen. Mit dem Handrücken, fest, aber nicht gedankenlos unvorsichtig, schlug er auf die Zeilen ein, und er quietschte mehr, als dass er sprach. „Wieso hast du denn nicht ...“ Ihm war klar, worauf er hinaus wollte, und der Vater wischte diese Gedanken beiseite mit einer schmucklosen linken Hand und einem tiefen Blick. „Ich bin nicht so mutig wie du.“ Sirius verstummte. Es war wie vorhin. Dazu gab es nichts mehr zu sagen. Es war viel zu spät dazu. Und darum egal. Nur noch müder, noch ernsthafter krank sah Mr. Black aus, wie er sich in die Kissen sinken ließ und der stolze Kopf in Richtung der Wand rollte für einen Augenblick, bevor er sich wieder herumdrehte und mit der Rechten das Knie des Sohnes berührte.

„Sirius,“ begann er und schaute ihn fast bettelnd an, und unter dem Eindruck des soeben Gelesenen hätte er fast alles für ihn getan. „Ich möchte, dass dieser Brief sein Ziel erreicht.“ Erst danach. Erst nach ihm. Das brauchte er nicht zu sagen, wie er die zweite Hand ebenfalls nach ihm ausstreckte, das kleine Kästchen verborgen zwischen den zur Faust geballten Fingern. „Kreacher kann ich es nicht geben, ich vertraue ihm nicht,“ erklärte er, für einen Herzschlag lang wieder dieser misstrauische, zähneknirschende Ausdruck in seinem Gesicht. Nickend nahm der Junge es entgegen, ließ das Holz und den Brief rasch in der Innentasche seiner Robe verschwinden, ganz dicht bei seinem Zauberstab. Er würde dafür Sorge tragen, irgendwie, auch wenn er jetzt nicht daran dachte, es persönlich zu tun. Dafür erschreckte ihn der Name, die angegebene Adresse viel zu sehr. Nicht wichtig jetzt.

Damit war gesagt, was Orion Arcturus Black hatte mitteilen wollen. Sie spürten es beide, hätten ewig reden können oder gar nicht. Für Letzteres entschieden sie sich. Er hatte nicht lange bleiben wollen, kurz anhören, was er von ihm wollte und dann nichts wie wieder raus aus dieser schrecklichen, lebenden Erinnerung, die Grimmauld Place #12 für ihn war. Und auch wenn diese Stunden, die er nun hier auf dem Lehnstuhl saß und seinem kranken Vater beim Atmen zuschaute, nicht unangenehm waren, nicht grausig und furchtbar, so schwor sich Sirius Black, niemals wieder herzukommen. Nur noch grässlicher und tragischer geworden durch das, was er heute hier erfahren hatte. Nicht nur sein Leben zerstört daran.

Als sich endlich die schwarze Haustür öffnete und er hinaustrat auf die mit Moos bewachsenen Stufen, wieder fest in Mantel und Schal gehüllt, fiel noch immer der Regen, und tiefere Schatten krochen um die Häuser, wie sich der Abend auf Bloomsbury herab senkte. Seine Freunde warteten, in einem Pulk zusammen wie beim Rugby, leise redend, die klammen Finger reibend, besorgt, aber nicht beunruhigt, wie sie zu ihm aufschauten. Ja, schon klar, er musste zum Fürchten aussehen, so bleich wie er geworden war, so nachdenklich die Miene, so schleppend der Gang, als er die Beine quälend langsam hob und senkte, um zu ihnen herunter schreiten zu können. Kreacher donnerte die Tür regelrecht hinter ihm zu, ohne ein Wort des Abschieds, doch Sirius kümmerte es nicht.

Sie stoben förmlich auseinander, damit jeder ihn sehen konnte, und als Kleinster noch relativ trocken geblieben, ploppte Peter seinen Kopf zwischen den Körpern der anderen hervor. „Mann, das hat ja ewig gedauert,“ rollte er mit den wässrigen Augen, und James legte ihm einen Arm um die Schultern. Den dummen Spruch, den er auf Lager gehabt hatte, schluckte er allerdings herunter. Tatze sah nicht aus, als wäre das der richtige Zeitpunkt für ihn. Den Windschatten ihres besten Freundes ausnutzend, mogelte sich Lily halb unter Remus, der mit den Händen in den tiefen Taschen seines gebraucht erstandenen Trenchcoats stumm dastand. „Was ist denn los?“ erkundigte sie sich gleichermaßen nach seinem Befinden und dem Grund ihrer aller Hierseins.

Eine Stufe über ihnen verharrte Sirius, sich unter der Krempe seines Zylinders den Himmel anschauend, über den die Wolken zogen, als gäbe es kein Ende, der Novemberregen kalt und drückend. „Er stirbt,“ sagte er tonlos, und sie waren alle so still wie er dort oben vor wenigen Minuten im Studierzimmer mit dem so gemütlichen Wintergarten. „Was?“ entfuhr es Potter als Erstem, sich halb über Pettigrew hinweg werfend, und Lilys Hand fuhr hoch an ihren Mund. Durch Remus' Gesicht ging nur ein schwaches Zucken. Die wirrsten Ideen im Kopf, er konnte es sehen, wie James' rehbraune Augen hin und her sprangen, so typisch für ihn, aber es kam nichts davon heraus. Keine Ahnung, wieso das jetzt so sein musste, sie würden ihn gar nicht verstehen können, ohne den Brief in seiner trockenen, warmen Innentasche gelesen zu haben. Und er würde ihn auch nicht zeigen. Das blieb zwischen ihm und dem Mann, der sein Vater war. „Sie haben seinen Willen einmal gebrochen. Er wird nicht zulassen, dass das wieder geschieht.“ Und er machte den letzten Schritt von der Treppe herunter. „Er stirbt. Weil er es so will.“

Der leise Zorn darüber war noch da. Auch auf all die anderen Dinge, Geschehnisse, die ganzen Jahre in liebloser Kälte, das würde niemals vergehen, das wusste Sirius. Aber da war jetzt noch etwas Anderes, ja, fast mochte er das Mitleid nennen, und das ließ sie leichter werden, die Last auf seinem Herzen. Es war nicht OK, ganz und gar nicht, dass er so abtreten und sich aus der Affäre ziehen wollte, wo er mit all seinem Können und magischem Talent von solch großem Nutzen gewesen wäre. Doch es war eine Entscheidung. Glasklar und mutig. Und das musste und konnte Sirius Black respektieren. Sich selbst zunickend, jedoch keinen Blick zurück werfend, begab er sich auf den Bürgersteig und setzte sich in Bewegung, nach Süden, den Gehstock schwingend.

Seine Freunde schauten einander ratlos an, Pettigrew die Achseln zuckend, und keiner rührte sich, ihre Gesichter lang und sorgenvoll, bis Sirius sich zu ihnen herumdrehte und mit dem freien Arm ausholend winkte. „Was steht ihr da noch so blöd rum?“ konnte er es nicht fassen. Hatten die sich nicht lange genug begießen lassen wie Pudel vor einem Feinkostgeschäft, während Frauchen Marillenmarmelade kaufte? „Na los!“ forderte er auf und machte ein angeätztes, ungeduldiges, schnalzendes Geräusch mit der Zunge. „Es ist total widerlich hier draußen, und ich hab' Hunger!“

Remus rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf, darin unterstützt von Mrs. Potter, und Peter guckte drein, als überlege er, in St. Mungos Bescheid zu geben, dass ein Irrer frei herumliefe. Grummelnd über so viel Dreistigkeit, resignierte James, und endlich folgten sie ihm alle die schmale Straße hinunter, die sie wegführte vom Grimmauld Place, bis sie ihn einholten und in ihre Mitte einschlossen, während irgendwo in der Ferne ein Blitz über den Abendhimmel zuckte.


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Das, was Harry so liebenswert macht, sind, glaube ich, seine charakterlichen Stärken, die wir selbst gerne hätten, und es sind auch seine Schwächen, die wir nur allzu gut verstehen.
Rufus Beck