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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Und mondlos die Nacht

von Teekon

„Hau' dich doch in die Scheune!“ hatte James über die Wiese gebrüllt, als Peter, sacht schwankend wie eine übermäßig dicke Weide im Sturm über die Bankette auf den staubigen, unbefestigten Weg gestolpert war, der in einem langen Strich aufwärts führte zu der gezackten Linie aus glitzernden Felsen. Nicht mal umgedreht hatte sich der Pummel, viel zu gefährlich ein solches Manöver in diesem Zustand, nein, nein, und dabei hätte er noch problemlos einen Discofox hinlegen können. Aber seine Partnerin war ebenfalls reichlich angeschickert und kicherte genauso blöd vor sich hin wie er, und deshalb war es wohl besser, dass sie das bleiben gelassen hatten.

Wirklich: Bis runter auf den Markplatz zum 'Godric's Inn', jetzt noch? Das war viel zu weit so ganz ohne Appariermöglichkeit. Alleine bis zum Rand des Dorfes waren es fast zwei Meilen, und dann noch mal die ganzen engen Kurven der Serpentinen hinunter mit derartig viel Alkohol im Blut und so viel gutem Essen im Bauch? Gutgehen würde das mit Sicherheit nicht, da witterte man Seitenstechen, Platzwunden und aufgeschürfte Knie und Hände, und wie sähe das denn aus beim morgendlichen Frühstück (was wohl eher ein Brunch werden würde)? Richtig, überhaupt nicht elegant. Also besser Potters kleinen Ratschlag befolgen.

Einen Sommer lang hatten sie dort zusammen verbracht, die vier Jungs, oben auf dem Heuboden in der riesigen, dunkelrot gestrichenen Scheune der Familie gleich unterhalb des schönen Cottages, noch innerhalb des von hoher Hainbuchenhecke umstandenen Gartens, und krumme Kiefern schmiegten sich von zwei Seiten an die hölzernen Wände. Das und die Tatsache, dass hier Bauern aus der Umgebung ihre Fahrzeuge abstellten und ihr Heu lagerten, sorgte für unnachahmlich fabelhaften Geruch, und in molliger Wärme konnte man sich in Decken hüllen dort oben und friedlich schlafen, bis die Vögel sangen, die Hähne krähten und schlussendlich die Sonne ihren Weg über den Hügel im Osten fand.

Wesentlich kürzer bis dorthin, und auch die Rückkehr zur nächsten Fresserei tags darauf würde dann leichter und schneller gehen, und wenn Remus Lupin ehrlich war, wollte er nun auch nicht mehr so weit laufen. Irgendwo voraus in der zunehmenden Dunkelheit der letzten Stunden vor Sonnenaufgang, erhaschte er so gerade noch die ausladenden Bewegungen von Wurmi, der, Miss Gainsworth an der Hand zum besseren Halt für sie beide, den Pfad wesentlich weniger gerade nahm als er eigentlich angelegt war. Aufholen konnte er das nicht mehr, aber das machte nichts. Er würde nicht der Letzte sein, der es bis zum Anwesen der Potters schaffte, und allein war er auch nicht.

„Und du willst wirklich keine Hilfe?“ fragte James erneut, wie er sich, schon damit abgefunden und vollauf zufrieden, dass Lupin sich um seinen abgefüllten besten Freund kümmern wollte, enger an seine Braut schmiegte und Remus so blöd durch die Brillengläser hindurch angrinste, dass der gar nicht hinsehen mochte. Müde. Ja, einfach nur müde aussehen, das konnte nicht so schwer sein, doch die Schultern sinken zu lassen war zur Zeit nicht möglich. Auf einer davon hing nämlich Sirius Black, säuselte vor sich hin und begann immer wieder zwischendurch, ein Liedchen anzusummen, bis er Text und/oder Melodie vergaß und in brummelndes Schweigen verfiel. Für Sekundenbruchteile. Und der Typ war nicht gerade ein Fliegengewicht. Wenigstens roch er nicht streng.

Das lag allerdings vermutlich eher daran, dass Remus selbst eine nur langsam verfliegende Whiskey-Fahne hatte, und tief in sich hinein horchend, überprüfte er nur – zur Sicherheit – noch ein letztes Mal, ob ihm tatsächlich nicht übel war. Nein. Alles gut. Der Magen war friedlich. Also würde er das hinkriegen. Und er brauchte das, musste das jetzt haben, wollte allein sein und doch beschäftigt, und so wie Sirius sich gerade gebärdete, war beides in einem durchaus drin. „Ja ja, lass nur, ich mach' das schon,“ winkte Lupin ab und zwang sich zu einem gequetschten Lachen, das man ihm problemlos abnehmen würde mit dieser Last auf den Knochen.

Lily winkte ihm nur noch, so wie sie es immer tat, mit dieser Mini-Laola ihrer fünf Finger, und sie hatte keine Ahnung, wie sehr ihm auch das nun verdorben war. Die Linke. Mit blitzendem, blinkendem Diamant daran. Nur hinüber nicken konnte Remus, ehe er sich Sirius etwas geschickter auf die Schulter legte und sich ebenfalls zum Gehen wandte, immer auf Peters Spuren den Hang hinauf. Er schaute nicht zurück. Natürlich würden sie nicht hierbleiben, hatten ihre improvisierte Hochzeitssuite im Schlafzimmer von James' Eltern, während sein Vater ausquartiert war in seine alte Kinderstube, aber darüber wollte Remus nicht nachdenken. Er nötigte sich selbst dazu, es einfach nicht zu tun, sich nicht auszumalen, wie sie nun eine Weile am Bach stehen würden, wie sie die Sterne betrachteten, wie sie sich küssten. Remus schüttelte sich. Doch getan. Rasch aus dem Geist damit.

Es wurde kühler, angenehm frisch die späte Nachtluft, je höher die beiden Männer hinaus kamen aus der Senke, in der die Festwiese unter freiem Himmel lag. Erstaunlich sicher bewegte Sirius sich mit, setzte einen Fuß vor den anderen in angemessenem Tempo, und so hatte seine lebende Stütze nur selten das Gefühl, er wäre eine wirkliche Last. „Du bist 'n scheißschwerer Klotz, mach' dich nicht so fett!“ musste er nur ein einziges Mal sagen, als Black beinahe auf einen herumliegenden Findling gesunken wäre für eine Pause, doch Remus hatte nicht vor, länger als irgend nötig auf dem Weg zu verweilen. Er wollte fort sein, wenn der Rest der Gesellschaft kam, die Aufräumenden, die Hauselfen, das Brautpaar. Schon wieder mit den Gedanken dort, wo er nicht sein sollte. Aufstöhnend rollte er mit den Augen und war einmal mehr froh darüber, dass Sirius so überhaupt nichts blickte.

Den Kamm der schmalen Hügelkette erreichend, quasi die letzte Bastion der Beacons, bevor das Land wie eine flache Suppenschüssel abfiel zum Meer hinunter, wo irgendwo in der Ferne die erwachenden Lichter von Cardiff leuchteten, trat Remus mit seinem ehemaligen Zimmergenossen im Halbschlepptau durch die Felswände hindurch. Eng bei einander standen die hier, und Godric's Hollow kuschelte sich dazwischen an die steilen Klippen. Ein herrliches Dorf, er musste es immer wieder betonen, so ganz anders als Poppleton, als zuhause, und der Wehmut schnitt ihm ins Herz, während er noch darüber nachsann, welche Form ihm besser gefiel. Jetzt dort sein. In seinem eigenen Bett, in dem er geschlafen hatte, seit er hatte denken können. Und Mutter auf der Kante, die ihm die fiebrige Stirn kühlte und ihm ein zärtliches Schlaflied sang. Oh, wie wunderbar, wie tröstlich, wie gut das gewesen wäre. Nie mehr.

Statt dessen das verkorkste Brummen von Sirius Black im Ohr, der längst keinen Schimmer mehr hatte, welche Tonweise er jetzt eigentlich hatte wählen wollen vor nicht mehr als zwei Herzschlägen. Und es waren nicht selbstgebackene Kekse, die ihm da als Duft in die Nase stiegen, sondern bloß dieses heftige Aftershave und gemangelte Hemden. Wo auch immer das ganze andere Zeug abgeblieben war, Zylinder, Jacket, Gehstock, was auch immer, das wusste Remus nicht, und das war auch egal. All das würde morgen immer noch da sein, wahrscheinlich längst gewaschen, gebügelt, gestärkt und ordentlich sortiert von fleißigen Elfen, die sich noch in der Nacht darum kümmern würden. Und er hatte es doch jetzt fast geschafft.

Das Licht an der Haustür des Cottages brannte noch, das letzte am Dorfausgang, die Straße rasch wieder abfallend und um die Hecke herum in einem scharfen Knick verschwindend, doch die Fenster waren alle dunkel und verhangen, an manchen sogar die Läden geschlossen. Sicher, schon bald würde die Sonne aufgehen, und wer zu lange gefeiert hatte, der wollte nicht geweckt werden von ihren goldenen Septemberstrahlen. Jede einzelne Scheibe konnte Remus benennen, wusste, welches Zimmer, welcher Raum sich dahinter befand, und er musste unwillkürlich lächeln, wie er Sirius vorausschob und mit seinen Knien das niedrige Törchen öffnete, um auf den gekiesten Weg zu gelangen. Schmal, rechts und links an den Natursteinmauern emporrankend, die Rosen von Mrs. Potter, immer noch gehegt und gepflegt von dem Witwer, und keinen Lärm wollte er machen. Hastig zog er den Betrunkenen, hob ihn regelrecht am Hosenbund ein Stück auf, um ihn von den knirschenden Steinen herunter auf den Rasen zu bekommen.

Dass Black so viel mehr getrunken hatte als er ... Remus konnte sich gar nicht daran erinnern, aber wenn er ehrlich war, fehlten ihm schon diverse halbe Stunden in seiner Rechnung des vergangenen Abends. War vielleicht besser so. Er wusste es nicht. Und ehrlich gesagt war es ihm auch gleichgültig. Am Morgen würde das anders aussehen, er kannte sich, dann würde er alle löchern und herausfinden wollen, was gewesen war, und die Zwillinge würden ihn aufziehen, bis entweder Lily oder Em der Kragen platzte und sie ihm die Wahrheit brühwarm servierten. Schon wieder musste er lächeln, auch wenn es ein Stück weit weh tat, wie er daran dachte. Wie immer. Und doch ganz anders.

Wenn man erstmal um die südwestliche Ecke des Hauses herum war, hatte man nur noch ein paar Yards zu gehen. Das große Schiebetor stand weit offen, und drinnen blitzte der gut polierte Schweinwerfer eines Traktors auf. Ganz links an der Wand entlang, das wusste Remus, bis hinten durch, da ragte die Leiter empor, über die er diesen Penner noch hieven musste, um das rettende Nachtlager zu erreichen. Allemal besser als den ganzen weiten Weg bis zum Gasthof zu rollen und ihn dann dort die engen Treppen hinauf zu bugsieren. Das wäre mindestens genauso schwierig gewesen.

Seufzend blieb Remus stehen, musste Black festhalten, weil der einen Moment brauchte, bis ihm das Innehalten seines Trägers klar wurde, und nun konnte Lupin den einen Arm von sich herunter klauben. Ihn halb zusammenfaltend, wortlos, schob er Sirius vor sich her durch den schmalen Spalt zwischen landwirtschaftlichem Gerät und der Außenwand der Scheune, und mit jedem Schritt wurde es dunkler ringsherum. Mäuse wuselten durch herabgefallenes Heu und über den erdigen Boden, doch die sahen wesentlich besser als die beiden Männer und machten sich rechtzeitig aus dem Staub, bevor sie von teuren Oxford-Schuhen niedergetrampelt werden konnten.

Es war echt eine Leistung, was Sirius da vollbrachte. Völlig ohne geistiges Zutun, die Augen fast geschlossen (eh egal, so duster wars hier), dabei noch schielend mit so wenig Kontrolle über die feine Muskulatur, streckte er einfach die Patscher aus, bis er eine Sprosse erwischte und zog sich daran hoch, und obwohl Remus schwitzte vor leiser Angst, der Idiot möge ihm rücklings entgegen plumpsen, kriegte er es irgendwie gebacken, Stück für Stück die steile Leiter hinauf zu kriechen. „Meine Fresse, Sirius ...“ murmelte Remus und schüttelte den Kopf, entschied sich, lieber nicht die Aufmerksamkeit seines Freundes in irgendeiner Form zu teilen, sondern ihm besser so rasch wie möglich zu folgen. Sollte er doch noch eine Sprosse verfehlen, könnte er ihn vielleicht wenigstens abfangen, bevor sich der Trauzeuge vor dem Brunch den Hals brach.

Erst als er oben ankam, knallte Black so unvermittelt nach vorne, dass er ein Geräusch verursachte, als hebe er den gesamten Heuboden aus den Angeln und ließe ihn abwärts krachen auf all die Mähdrescher und Eggen und Pflüge, und für ein paar Sekündchen hatte Remus ein absolut widerliches Bild mit lauter Blut auf scharfkantigen Klingen im Kopf, das er sich schnell abschüttelte. Erlösung. Aber doch nicht so. Eine Hand nach vorn streckend, schob er Sirius an, bis er selbst durch die Luke schauen und sich einen Weg bahnen konnte, und zwei Schritte später stand er, geduckt, weil er viel zu groß dafür war, zwischen den vielen schräg und kreuz und quer laufenden Balken in angenehmster Luft auf dem herrlichsten Heuboden der Welt.

Tief durchatmen musste Remus, die Lider zu machen und es einfach genießen. Wie das roch! So würzig, herb, so nach Sommer und Freiheit, viel mehr als irgendein anderer Geruch auf dieser schönen Erde widerspiegeln konnte. All die Erinnerungen, die damit verbunden waren, der wahnsinnige Ausblick aus dem geöffneten Tor zum Tal hin, wo die Seilwinde im schwachen Wind baumelte und leise knarzte, das war fast überwältigend und wirkte wie Balsam auf trauerndem Herzen. Nur kurz, denn es war nur Vergangenheit, derer man sich entsann, keine Gegenwart und keine Zukunft, nur ein Schlafplatz für eine Nacht, mit dem man schon befreundet war. Remus hasste es, solch ein Grübler zu sein.

Sirius machte es richtig. So abgeschossen, dass er offenbar nichts weiter wollte als zu schlafen, krabbelte er auf allen Vieren in den guten, schwarzen Hosen seines Hochzeitsanzugs vorwärts, packte etwas im Dunkeln, das er nicht hatte erwischen wollen und verursachte damit ein lautes Aufschnarchen dieses kugeligen Berges da im Heu und entschuldigte sich bei Peters Fuß, ehe er ihn umrundete und sich eine nicht belegte Stelle suchte. Sich mit einer Hand an einem der hohen Querbalken festhaltend, sich selbst fast die Birne an einer ausgelöschten Laterne stoßend, grinste Remus kurz.

Pettigrew hatte es also nicht nur ganz allein bis hierher geschafft (Falda hatte anscheinend ein echtes Bett vorgezogen), sondern ratzte bereits auch friedlich und zufrieden im Reich der Träume. Und dabei sah er aus wie der Koch aus dem Muggelmärchen mit dem Schlaraffenland. Jeden Augenblick erwartete Lupin ein fliegendes gebratenes Hähnchen.

Einfach auf den Rücken fallen ließ sich Black, gähnte lautstark und ausgiebig, wie er sich reckte, und dann schloss er schmatzend den Mund und begann sofort, mit Wurmi einzustimmen. Na, das würde ja ein tolles Konzert geben. Und weit und breit kein Feuerwhiskey mehr, um den Pegel wieder zu erhöhen. Schon wieder musste Remus seufzen, zog sich an dem Holz über seinem Kopf vorwärts und duckte sich im Gehen, um an den beiden Schnapsnasen vorbei tapsen zu können. Vorsichtig setzte er die Füße auf, erst zwischen Peters Knöchel, zwischen das äußere Bein und Blacks Lackschuh, dann noch einmal über die langen Schenkel hinweg und hinüber auf sicheren, freien Boden. Wenn er schon neben zwei Schnarchern übernachten sollte, wollte er wenigstens den besten Platz haben. An der offenen Luke.

Hier hatte er auch immer gelegen, als sie 13, 14, 15 Jahre alte Bengels gewesen waren, konspirierend, Streiche ausheckend, als sie keine Ahnung davon gehabt hatten, wie ernst und grausam und mörderisch die große weite Welt sein würde. Wie hart das Schicksal zuschlagen konnte. Pah. Mondsucht. Was soll's? Einmal im Monat tut's weh und dann ist's vorbei und die Jungs warten und trösten und richten wieder auf. Oder begeben sich in Lebensgefahr und werden Animagi, nur um dabei zu sein. Und Filch kriecht durch die Flure und verbreitet Angst und Schrecken. Angst? Nein, das war etwas Anderes als diese kindischen kleinen Quietscher beim Anblick seiner hässlichen Knieselmischung. Und Remus Lupin, der Junge, der geglaubt hatte, er wisse, was Leid ist, hatte Qualen kennengelernt, die er niemals für möglich gehalten hätte. Wie lächerlich, wie albern. Aber die heutige, die war die Schlimmste.

So langsam hockte er sich hin, knickte die Beine unter dem schlacksigen Körper so ein, dass er gleich im Schneidersitz auf dem weichen, von Wind und Wetter gegerbten Holz aufkam, und die spätsommerliche Brise verfing sich in dem Spalt nach draußen, dass sie ihm erfrischend das Gesicht kühlte. Ihm war, als trockne sie Tränen, die gar nicht fließen wollten. Das war schon komisch. Ihm war nicht zum Heulen. Dabei war er sich absolut sicher: Das hier war der bestialischste Aspekt an seiner ganzen 'Krankheit', mit einem Abstand von hier bis Kuala-Lumpur, der brutalste Schmerz, den ihm der Wolf zufügen konnte. Und trotzdem ging es einfach nicht.

Er war nicht traurig, nicht im klassischen Sinne, nicht so wie man sich fühlte, wenn die Ferien kamen und man weg musste von den Freunden oben in Hogwarts, nicht so wie damals, als sie Großvaters Terrier mit ein paar gezielten Schaufelhüben unter den Rosen im Garten vergraben hatten. Es war tiefer und gleichzeitig höher, spielte sich im Innern von Herz und Seele ab, statt an der Oberfläche zu schwimmen, war weniger greifbar. Ja, es tat weh. Manchmal zwickte es, stach irgendwie unangenehm so wie ein eingeklemmter Nerv in den Rippenzwischenräumen, dass man sich kurz zusammenkrümmte und die Stelle reiben musste, und doch wusste man, es war nicht körperlich gewesen. Und dann wieder war es unendlich deprimierend, niederschmetternd geradezu, raubte ihm die Kraft, sich morgens aus dem Bett zu stemmen und irgendwas mit einem Tag anzufangen, der damit endete, dass keiner ihm einen Job geben wollte und seine beste Freundin ... ja.

Allein. Peter schnarchte in seinem Rücken, und Sirius war zu zirpendem Pfeifen übergegangen, genau dem Geräusch, das er jede Nacht im Schlaf fabriziert hatte, seit jenem Septembermorgen vor sieben Jahren. Und trotzdem war Remus John Lupin allein. Sich geistesabwesend die Schnürsenkel aufknüpfend, zog er daran, und erst jetzt begann der Fußspann an jeder Seite, heftig zu brennen von all der Schinderei des Tages. Er war auf sich gestellt. Natürlich waren die Jungs nicht aus der Welt; sie waren seine Freunde, immer noch, wieso auch nicht? Aber sie. Es gab Dinge, die er nur mit ihr besprach, nur mit ihr besprechen konnte. Weil sie den drei Männern zu 'hoch' waren. Weil sie ihn nicht verstehen konnten, manchmal. Oh nein nein, sie waren keine Dummköpfe, und er liebte sie alle, so wie sie waren, aber ... keiner von ihnen war Lily Evans. Keiner von ihnen war sein bester, allerallerbester Freund. Und eine Lily Evans gab es jetzt nicht mehr.

Jetzt waren es doch kleine Tränen. Sie drückten sich hoch in Kehle und Nasenrachenraum, nicht ganz so heftig und unaufhaltsam wie vorhin, und dennoch leichter zu zulassen. Das war ein bekanntes Gefühl, er erinnerte sich daran, ungern, doch es kam ungefragt hoch. Die selben Perlchen aus Salzwasser hatte er geweint, als er aus St. Mungos zurückgekehrt war und niemand, keines der Dorfkinder ihn hatte besuchen wollen auf seinem Platz im Erkerfenster in der Monkshood Alley Nummer 12. Die selben Jungen, mit denen er auf der Wiese zwischen Fulford und Heslington Zauberdrachen hatte steigen lassen. Mit denen er von der Brücke aus in den Bach gespuckt hatte. Mit denen er, der Längste und Schnellste von ihnen, der Lauteste, der Keckeste, der Schlauste, um die Wette gelaufen war bis runter ins Dorf zum Laden. Kindertränen. Über unverdient verlorene Freundschaft.

Sie liefen stumm, eine nach der anderen, wie an einer Schnur aufgereiht und immer die gleiche Bahn nehmend, aus dem Augenwinkel den Nasenrücken hinunter, scharf abbiegend in die kleine Falte zwischen Flügel und Wange und hinein in das winzige Bärtchen, jetzt umstanden von rauen Stoppeln bis hinunter zur Drosselgrube. Wenn er schluckte, spannte sich die Haut dort für einen Moment von Schlüsselbein zu Schlüsselbein zwischen offen stehenden Kragenspitzen, um sich sofort wieder flach anzulegen und diese kleine Atemkuhle zu bilden, vibrierend im Auf und Nieder des Brustkorbs.

Remus hatte keine Ahnung, wie lange er dort saß, wann er die Schuhe gänzlich auszog und die Socken dazu, sich an seinem eigenen großen Zeh festhielt. Die Nacht war mondlos, zwei Wochen hin, bis der Trabant wieder silberhell sein Leben zerreißen und ihn vergessen lassen würde, und er sehnte sich danach. Ja, merkwürdig. Er vermisste ihn. Was für ein Geschenk, jetzt das Bewusstsein verlieren und über die Hügel sprinten zu können, kühles Taugras an den Pfoten, Mirriarden von Düften in der feinen Nase. Aber seine Augen nahmen Farben wahr, sein Raster war nicht so grob, und er konnte sehen, wie sich ein schmaler, grünlich-gelber Streifen bildete am Horizont, dort wo die Zelte gruppiert bei einander standen und die Wimpelchen in wieder aufflackerndem Wind sacht klirrten.

Schlafen. Ja, er sollte schlafen und träumen. Das war zwar nicht dasselbe, aber es konnte so sein, auch wenn er fürchtete, ganz andere Bilder vor seinem inneren Auge dann zu sehen. Kalt war es nicht, eine Decke würde er nicht brauchen, und dennoch schaute Remus Lupin über seine Schulter hinweg und schätzte ab, ob es sich lohnte, über die beiden Freunde zu steigen und sich eine zu besorgen. Weil er mehr Wärme brauchte. Am liebsten wäre ihm eine Sauna gewesen, Sonnenhitze, er fürchtete sich davor, frierend aufzuwachen. Das kannte er zu gut, die stechende Gänsehaut, wenn er nach Vollmondnächten zu sich zurückfand. Heute nicht. Ertragen könnte er das jetzt nicht. Er mochte nicht daran denken, mochte es sich nicht vorstellen, keine zwanzig Yards entfernt dort vorn in jenem Haus, konnte nicht fassen, wie er innerlich darauf reagierte.

Mit noch mehr Sehnsucht. Er wollte auch. Er brauchte das auch. Er musste es haben, es war so unfair. Fast lachte Remus, heiser und bitter, schüttelte den Kopf und beugte den Nacken zwischen zuckende Schultern. Geht auch ohne, das hatte er schon mal gesagt. Sogar laut, nicht nur zu sich selbst, so viele Male, wenn er Sirius dabei zugesehen hatte, wie er ein Minzbonbon nach dem anderen verteilte. Vor dem Ball damals. Als sie ihn gebeten hatte, ihr Begleiter zu sein. Nur diesen einen Abend. So lächerlich die Annahme, das wären bloß Triebe, die man beherrschen, die man abschalten könne. Nein, 's war nicht wahr. Das war viel mehr. Das war genauso Grundbedürfnis wie Essen und Schlafen. Irgendwann mal hatte er das gewusst. Von Geburt an. Verdrängt, verloren im Aufwachsen, immer daran erinnert, dass für ihn alles anders sein musste, weil er zwei schräg durch das Gesicht verlaufende Narben trug.

Diese Erinnerungen brachen herein wie Tsunami-Wellen, eine auf die nächste folgend und jede davon höher, zerstörerischer, und Remus schloss die Augen und hielt den Atem an, um sie alle auszuhalten. Zärtliche Mädchenhände, die ihm die blutige Braue streichelten, und nass geschwitzte Finger, geküsst im Fieber. Schauderschöne grüne Augen, die beschämt beiseite huschend fortblickten, damit er es nicht merkte. Ein dankbares Lächeln im Schnee. Die Hitze, die Spannung im Dunkeln, einen Achtelzoll zwischen den Lippen, dass es einem die Brust zersprengte. Diese umwerfende Schönheit in märchenhaften Kurven in einem mit silbernen Steinchen bestickten Kleid, fest geschmiegt an seine Seite im Tanz. Dieses schwüle Kribbeln in jedem Winkel seines Körpers auf dem Bahnsteig, die Mitte komplett verlagert, als schlage das Herz nicht mehr unter den Rippen, sondern tiefer, viel tiefer, so scharf der Puls. Er schluckte Trockenheit aus seinem Mund und ballte die Fäuste. Sinnlos. Würde es nie geben. Niemals erfüllt das begierige Verlangen.

Die Nachtluft half, kühlte, der Herzschlag ebbte ab und zog sich dorthin zurück, wo er hingehörte. Ja, es war wirklich Zeit, oder er konnte gleich ganz durchmachen, und das wollte er eigentlich nicht. Noch immer sägte Wurmi lieblich halbe Tropenwälder ab, der wesentlich größere Mann in der Dunkelheit neben ihm nun ganz ruhig und in oberflächlichem Schlaf der Ausnüchterung, und Remus Lupin rollte halb herum und stemmte sich auf ein Knie. Platz genug zwischen der Luke und Black, um nicht bei der kleinsten Bewegung herauszupurzeln und ein paar Fuß tief zu fallen, entschied er, streckte seinen langen Körper aus und sortierte das Heu darunter mittels rutschender Bewegung. Dick genug, das Polster, sehr bequem und immer noch so fabelhaft riechend, wo es so gut getrocknet worden war. Kein bisschen muffig, sondern herrlich aromatisch. Ganz ähnlich wie Sirius, wenn er nur eine Nacht hier gepennt hatte.

Beide Hände unter der linken Wange faltend, drückte Remus das Rückgrat ein letztes Mal durch, ehe er die Augen schloss. Der Schlaf würde nicht gleich kommen, das wusste er, so viel Gnade konnte er nicht erwarten. Noch mehr Denken, ein paar Tränen mehr, dann würde er hinüber gleiten, ohne es recht zu bemerken. Schon wieder musste er fast lachen darüber, wie gut er sich selbst kannte und wie wenig zur gleichen Zeit. Es kroch ihm bereits in die Glieder, diese Kälte, vor der er sich gefürchtet hatte, und das machte es nicht leichter. Ach bitte, einfach schlafen. Was danach kam, damit konnte er sich später befassen.

Das Grollen, das Sirius von sich gab, halb sich selbst aufweckend, halb den eigenen Körper dazu anhaltend, gefälligst weiter zu schlafen, brachte ihn zum Schmunzeln. So wohl vertraut, er genoss das sehr, aber die Idee, sich einfach das Turmzimmer vorzustellen, verpuffte im Nichts, wie der Nachbar sich auf die Seite rollte, ganz nah, ganz dicht, und locker einen schlaffen Arm unter die präsentierte Achsel schob, dass Remus sich in unerwarteter Umarmung wiederfand. Nicht einmal stutzen tat er, rollte mit den Augen und konnte nicht anders. Er musste grinsen. Sirius war nicht mehr ganz weg, aber auch definitiv nicht richtig bei sich, dieser Bescheuerte. Schon doof. Dass ihm die besten Witze immer dann einfielen, wenn keiner richtig zuhörte. Seufzend, aber viel zu faul, sich zu bewegen, die so kraftlos herabhängende Tatze von sich herunter zu schubsen, blieben Remus' Lider geschlossen. „Black?“ murmelte er nur, deutlich genug, doch die Reaktion kam nicht. „Lass das. Ich bin nicht Serena.“ Ihm huschte sein schiefstes Lächeln durch die Mundwinkel, egal, ob Sirius das sehen konnte (hätte er die Augen offen gehabt) oder nicht.

So unvermittelt und viel zu behände für einen schlaftrunkenen Säufer, schlug Black mit eben jener gerade noch so harmlos wirkenden Hand zu, genau wo sie war, klatschend auf Remus' Brust, dass Lupin nach Atem ringend zusammenzuckte und gleichzeitig wieder lachen musste. Keine Notwendigkeit bestand, sich umzudrehen, um zu wissen, dass Sirius mindestens genauso fein und sacht lächelte, ungewohnt für ihn, wie er, halb in die eigene Schulter gebrummt, seine passende Antwort dazu kundtat: „Blöder Arsch.“ Darüber konnte man doch nur lachen. Das war durch und durch Sirius. Seine so typischen Sprücheklopfereien fühlten sich gut an, erleichterten, lockerten auf, und Remus konnte kaum erklären, wieso das so war. Irgendwas blieb eben doch beim Alten. Auch wenn er, wenn sie beide, jetzt ohne besten Freund dastanden. Der Arm blieb, wo er war, und Lupin schloss wieder die Augen und entspannte sich.

Mehr und mehr beruhigte er sich, und dieses wohlig taube Kribbelgefühl kroch von den Zehen an aufwärts, das einem zeigte, wie sehr der Körper mit einschlafen beschäftigt war. Die Nähe gewöhnt, die Berührung nicht neu, war es ok, dass Sirius aufrückte. Nicht viel anders als gerade noch, als Remus ihn hier herauf halbwegs getragen hatte, Seite an Seite, Rücken an Bauch, schon als Kinder so gemacht. Kein Bedürfnis danach, allein zu liegen. Ganz im Gegenteil. Sich dabei ertappend, wie er nur noch tiefer atmete, nur noch leichter und so wunderbar liebevoll freundschaftlich unterstützt (als hätte Sirius seine Gedanken gelesen, Wärme, Tuchfühlung) eindöste, kippte Lupin sacht in seine Richtung.

Die Einladung wurde angenommen. Sich fast bedankend, schlang Black den Arm fester um die breite Brust, umfasste die Seite des Rippenkastens, die im Heu lag, und zog sich Zoll um Zoll näher. Ob es ihm einfach ganz genau so ging wie ihm? Remus hatte keine Ahnung. Und er wollte nicht fragen. Weil er sowieso keine vernünftige Antwort bekommen hätte. Nicht von Sirius Black, nicht zu einem solchen Thema, schon gar nicht jetzt und hier. Die belebte Stille, die angenehme Ruhe nicht kaputt machen. Sie brauchten das hier beide, und das wurde ihm so plötzlich klar, dass er nicht anders konnte, als die Geste endlich zu erwidern. Eine Hand unter der Wange hervorziehend, die Rechte, legte Lupin den ganzen Arm über den um seine eigene Brust geschlungenen und hielt ihn, leicht nur, nicht führend, im Handgelenk fest.

Das war wie die Feuerwhiskey-Schwelgerei von vorhin. Eine andere Ebene vielleicht, aber der selbe Grund, die selbe Lösung, die selben Männer. Es war ihm egal. Er dachte nicht darüber nach. Das musste er nicht, befand Remus Lupin. Nichts Falsches, nichts Verqueres. Wie Sirius das sah? War das wichtig? Konnte sein. In diesem Moment war ihm klar, auch ohne es ausgesprochen wissen zu müssen, dass sie sich absolut einig waren. Sicher, auf eine gewisse Art und Weise waren sie sich immer näher gewesen als Peter und James, oder auch als Remus sich jemals Potter gegenüber gefühlt hatte. Einmal im Monat teilten sie die gleichen Sinne. Der Hund und der Wolf, die selbe Nase, die selben Ohren, die selbe Wahrnehmung. Wie sehr das verband, das hatten sie nie diskutiert.

Die Entspannung verflog. Nicht gewaltsam, nicht zerreißend, ganz natürlich, so wie ein überlaufendes Rinnsal aus einem übervollen Tank zu tröpfeln begann, um stetig heftiger zu werden, und trotzdem urplötzlich. Nur einer konnte solchen Mut aufbringen, diese Grenze zu überschreiten. Und nur einer konnte so stoische Ruhe bewahren, sich das gefallen zu lassen, bis er sich bewusst machen konnte, wie vollkommen in Ordnung das war. Es kribbelte und kitzelte und schickte Nervenimpulse wie elektrische Funken an die unmöglichsten Stellen, und es war einfach unglaublich, wie leicht und seelenruhig er sich hineinfallen lassen konnte in eine solch eindeutige Berührung. Nur durch den dünnen Stoff des Hemdes, die Fingerkuppen noch um den Brustkorb verhakt, rieb Blacks Daumen fast zaghaft, aber bestimmt die noch so vage Erhebung unter der aufgenähten Tasche.

Remus wehrte sich gar nicht erst, ließ ihn gewähren, konnte aufkommendes Herzklopfen gar nicht verbergen und wollte es auch nicht. Wenn er gelacht hätte darüber, so wie er es vorhatte, vielleicht wäre der Moment zerbrochen, vielleicht hätte Sirius es anders verstanden, sich zurück gewiesen gefühlt. Besser still bleiben, abwarten, ausprobieren, wie man genug Sauerstoff bekam und gleichzeitig nicht zu ausladend atmete, während sich diese ganze Hand flach auf dem Schwertfortsatz ausbreitete, als wolle er spüren, wie ihm diese Kleinigkeit schon den Puls in die Höhe trieb. Ein Knopf sprang auf, von geschickten Fingern gelöst, die flink und trotzdem ohne Hast dazwischen glitten, dass ihm der Atem gänzlich stockte. Von jetzt an der Weg klar. Also entweder hier Stopp oder gar nicht.

Sich nicht zu rühren trauend, überließ er dem so unendlich viel Erfahreneren die Führung, dessen raue Hand ihm klitzekleine Schauer aus Blitzlichtern vor die Augen zauberte, als habe er das Holz heimlich dazu benutzt, dabei waren es nur geübte Finger. Zeiger und der Mittlere, sacht zusammenarbeitend, viel zu eng die geschaffene Öffnung im Hemd, und dabei das Gelenk noch immer gehalten von langsam wärmend klamm werdender Rechter. Als fiele ihm erst jetzt wieder ein, dass er auch noch Gliedmaßen hatte, so überrepräsentiert der Rumpf gerade im Kopf, gelang die Bewegung beinahe übereilt, wie Remus selbst befreite. Nur einen Knopf, mehr wagte er nicht, dann brauchte er wieder Halt. Vielleicht war es besser so, wenn man keinen Schimmer hatte, was man verpasste. Aber in Träumen passierte es eben doch. Und dann lieber wahr erinnert. Und in tiefstem Vertrauen.

Es war wie grad noch, sinnierend in der offenen Luke, hinausstarrend auf ein schlafendes Dorf im Süden von Wales. Nur nicht in Gedanken, nicht mehr nur heraufbeschworen von dem, was gewesen war und hätte sein sollen (Dummkopf, blöder), sondern ganz real und als direkte Reaktion. Er konnte nicht anders, er musste es genießen, hier gab es keinen Zweifel und keine Vorbehalte, da war Bedingungslosigkeit die Grundlage. Freundschaft. Das reichte. Ihm reichte es. Und dem anderen Mann offenbar auch. Vorsichtig, verharrend, aber nicht zögerlich nach jedem Schritt vorwärts, knöpfte er ihm auch die letzten Verschlüsse auf, und wie feinste Schweißtröpfchen in der Brustbeinrinne erschienen, unterdrückte Remus das wohlige Keuchen nicht mehr.

Wo Sirius fließend steigerte, ruhig, gemächlich, bedächtig, konnte Remus das nicht. Zu lange zurückgehalten? Er wusste es nicht zu benennen. Ruckartig musste er sich Luft machen, musste er sich zwingen, so viel Nähe zu zulassen, und er war erschrocken über sich selbst, wie leicht ihm das fiel. Whiskey. Und diese Angst vor Kälte. Und Trost. Es wirkte. Fabelhaft wirkte es. Sich selbst einen Drall gebend, rollte er herum, so weit es eben ging, spürte die jetzt so prägnant paradoxe Mischung aus kühlendem Morgengrauen und lebendigen Fingern auf der Haut, wie das offene Hemd davon herunter rutschte. Völlig auf Brustatmung umgestellt, musste er die Wirbelsäule aufbäumen, um nicht zu ersticken. Dass er damit auch sein Gesicht zeigte, das war ihm nicht egal, aber er wollte nicht mehr anders.

Es war doch gar nichts Besonderes. Sonst hart zupackende Hände, die bewundernswert sanft streicheln konnten, die Nase, fast genau so kalt wie bei dem riesigen schwarzen Wolfshund, knapp unterhalb seines Ohres und kitzelnde, sich schon zu kräuseln beginnende Stoppeln, die sich kratzig an seiner Halsbeuge rieben. Warum hatte das so durchschlagende Wirkung, machte das so kribblig nervös auf die angenehme Art, nicht wie vor Examensarbeiten, wie vor einer Karusselfahrt? Und wieso dachte er jetzt darüber nach? Weil er sich dann nicht fragen musste, warum er die eigene Hand zu ihm herüber schob, wieso er sich an seinem Oberschenkel festhielt, die Finger verhakt in die ausgebeulte Hosentasche, unwillkürlich zu erwidern beginnend.

Als hätte er damit einen Schalter umgelegt. Fröhlich beinahe, fing Sirius zu summen an, längst nicht mehr so zusammenhanglos wie noch vorhin auf dem Weg hierher, sondern klar und harmonisch, dass sich Remus' die Nackenhaare aufstellten, und er musste mit den Augen rollen, weil das fast so gut tat wie die Fingerspitze auf der Brust. Sein Bart flirrte davon wie Luft in Sommerhitze, und das übertrug sich auf Ohrläppchen und Schläfenbein, so prickelnd, dass es bis hinunter tropfte in die winzigen Gruben links und rechts des unteren Rückgrats. Nun erst recht pochte der Puls umso voller unter dem Leistenband.

Der erste Tropfen, groß und rund wie eine glänzende Murmel, löste sich von Remus' Braue und lief, genauso sachte und gemächlich wie die Hände des Freundes, kerzengerade an der Schläfe abwärts, und obwohl er den Atem anhielt und seinen ganzen Körper von oben bis unten anspannte, so neu, so erschreckend für ihn die Reaktionen seiner selbst auf diese doch so gänzlich unerwarteten und fast schon schlagartigen Zärtlichkeiten, konnte er es nicht verhindern, zustimmend, halb dankend, aufzuschnurren.

Flach, ausgestreckt die Hand und alle Finger abgehoben bis auf diesen einen Daumen, der langsam, quälend langsam Härchen um Härchen abwärts glitt, das natürliche Hindernis des Nabels überspringend wie ein hüpfendes Kind, ignorierte Sirius Black die allerletzte Barriere zwischen ihnen, und während er mit folternder Behäbigkeit die Haken von den Ösen löste, schloss Remus lieber wieder die Augen.

Draußen wuchs der helle Streif am Horizont. Vögel erwachten in den Kiefern und in der Hainbuchen-Hecke, und wie sie ihre Lieder anzustimmen begannen, kroch die Sonne höher über die Beacons, bis der Himmel in Flammen stand, und das ganze Tal hinter den Felsen von Godric's Hollow erstrahlte als ein einziges Feld aus goldenem Gras.


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