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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Wahnsinnstat

von Teekon

Er war nicht der einzige, der gedankenverloren, geistesabwesend mit einem Stock oder einem rostigen, abgebrochenen Spieß aus ehemaligem Stahlbetonverbund im Feuer herumstocherte. Übersprungshandlung, antrainiert, so wie man auf und ab ging, wie man ständig Karten mischte oder wie man mit einer alten Perlenkette herumspielte und die Schmuckstücke daran abzählte, als wäre es ein Rosenkranz. Das beschäftigte, das lenkte ab von diesem nagenden Gefühl irgendwo tief dort unten zwischen den Rippen, von dem maßlosen Hunger, den sie fast alle nur zu gut kannten. Und Schmacht hatte die ganze Runde, die hier beisammen hockte, spärlich geschützt vor aufziehendem Regen durch ein überhängendes Wellblechdach, unter dem einstmals Güter aus aller Welt auf Lastwagen verladen worden waren, um ihre Reise über die Insel antreten zu können.

Die Funken flogen, wie die Scheite knackten, zerschlagene Stühle und Schreibtische, Möbel aus den verlassenen Büros ringsherum, zusammengeworfen mit abgerissenen Büschen und auseinander genommenen Schiebetoren und Stützpfeilern aus den sowieso nicht mehr benutzbaren Hallen. Viele der Dachstühle waren so leck, dass man sie kaum noch als vorhanden bezeichnen konnte, also wieso sie nicht abreißen und zu Feuerholz verarbeiten? Auch das eine Beschäftigung im rauen Alltag hier draußen an den alten Docklands. Eins von den Dingen, mit denen sich diejenigen nützlich machten, die keine Lust oder keinen Schneid oder ein zu großes Gewissen hatten, um zu schmuggeln, zu rauben, zu stehlen, den Todessern behilflich zu sein.

Lyons übernahm diese Aufgabe in ihrem kleinen Abschnitt des Reviers, still und zurückgezogen, der drahtige, kurz geratene Kerl mit der fisteligen Stimme, und selten benutzte er diese überhaupt. Die meiste Zeit huschte er hierhin und dorthin in den Schatten, die das flackernde Lagerfeuer in die vielen Ecken warf, und tanzend flirrte seine Silhouette über die blanken Wände aus moosigem Backstein. Sie alle sahen nicht gut aus, so kurz nach dem vollen Mond, müde und geduckt und leise frierend, obwohl die Nacht keineswegs kalt war. Der Frühling zog mit Macht herauf, entfaltete längst erste Blumenpracht in den herrlichen Parks der Stadt an der Themse, und sogar in dieser spätindustriellen Einöde sprossen Löwenzahn und Spitzwegerich aus den Ritzen des glatt gelaufenen Kopfsteinpflasters.

Es war wohl eher die Feuchtigkeit, Überbleibsel des vorübergezogenen Regens, der den Nachmittag über gefallen war, und sie hatten sich in den zugigen, dunklen Räumlichkeiten verborgen gehalten und aus den speckigen Scheiben und durch zersplittertes Glas hinaus gestarrt, wie feines Band aus gezogenem Wasser endlos herniederging, und das knisternde Plitschen spielte eintönige Musik dazu. Nun war das vorbei, tröpfelte es noch von den Simsen und Ortgängen der Dächer, gurgelte es in den hohlen Rohren, die von den Regenrinnen herab hingen. Spiegelnde, flache Pfützen, von Grasbüscheln bestanden wie Miniaturseen, schimmerten im Schein von einigen wenigen Straßenlaternen, die so alt waren, dass sie wohl noch aus den Nachkriegsjahren stammten, und das Feuer wurde davon zurückgeworfen.

Gesprochen wurde wenig, leise, flüsternd mehr, selten erhob sich eine Stimme über das Anbranden der Wellen vom tideabhängigen Fluss, das tutende Hupen ablegender Schiffe weiter unten am Ufer. Verkehr war nur als entferntes Rauschen wahrzunehmen, die Stadt als glitzernder Berg aus leuchtenden Gemmen, Fenster um Fenster wärmenden Lichts am Horizont, außerhalb ihrer Reichweite. Aber was am meisten fehlte, was ihnen allen zu schaffen machte und was so viel überlagerte, das war die Tatsache, dass kein Kessel über den Flammen dampfte, dass niemand einen Laib Brot herumreichen konnte, und der Hunger, die Sehnsucht nach etwas Essbarem, was den Magen füllen konnte, war Ursache für den größten Unmut. Seit Wochen nun schon. Doch heute Nacht übertroffen von den Ereignissen des Vollmonds.

Mit den Zähnen knirschend, schüttelte Dragan Scabior missmutig den Kopf und beugte die breiten Schultern noch ein wenig weiter nach vorn, wie er sich in seinen schwarzen Mantel wickelte und die Arme vor der mächtigen Brust kreuzte. Zugesetzt hatte die letzte Nacht auch ihm, und die linke Hand trug er in einer schmutzigen Schlinge, sich nicht mal recht erinnern könnend, wie es zu dieser Verletzung gekommen war. Am Pier war er aufgewacht. Aber das bedeutete nichts. „Hast ihn geseh'n?“ knurrte er seinem Nachbarn zu, der gleich bei ihm auf einem abgesägten Fass hockte und, ganz ähnlich wie der Mann links außen, das Feuer umschichtete, so dass Funken stoben und Wärme in seine Richtung wallte. Aus grau-blauen, so gewöhnlichen Augen, die langsam aber sicher eine Lesebrille hätten gebrauchen können, warf ihm der Angesprochene einen Blick zu, wie er nickte, und man hätte schwören können, ihm rutsche sowieso kaum vorhandene Farbe aus dem Gesicht.

Lächerlich, oder? Dass einem wie ihm, dass überhaupt einem von ihnen davon schlecht werden konnte. Aber es stimmte schon, und jeder, der davon gehört, erst recht diejenigen, die den Leichnam gesehen hatten, verspürte ein gewisses Maß an Ekel und Schaudern, wenn man daran zurückdachte. Schon ganz steif, die Arme noch immer angezogen, als wären sie weiterhin die Vorderläufe des Wolfes, hatte er da gelegen, der Kopf zurückgerollt, die durchtrennte Kehle mit dem herausgerissenen Knorpel entblößt und die Lider geöffnet. Nein, kein schöner Anblick. Sogar Greyback hatte ausgespuckt und flämend die Zunge herausgestreckt, wie er sich das angeschaut und den Toten mit dem Stiefel angeschoben hatte. Das war alles, was von seinem Wachposten, von Paul Stapleton noch übrig gewesen war, und niemand musste großartig darüber spekulieren, dass dies mit Sicherheit nicht die Tat eines gewöhnlichen Zauberers oder eines Landstreichers, vielleicht eines entflohenen Häftlings aus dem Dartmoor Gefängnis gewesen sein konnte.

Der Spion. Wer sonst? Genau derjenige, auf den Stapleton hatte warten sollen, der Grund, wieso er sich dorthin appariert hatte vor seiner Verwandlung, bevor er nicht mehr in der Lage sein würde, rational für sich zu entscheiden. Verloren. Eindeutig, auch wenn er offenbar seinem Gegner ebenfalls Wunden zugefügt haben musste. Aber was würde das schon nützen? Sie alle waren geschunden und zerkratzt und teilweise auch zerbissen, blieben sie bei einander in jenen Nächten. Daran würde man ihn nicht erkennen können. Ganz zu schweigen davon, dass so gut wie keiner von ihnen eine blasse Ahnung hatte, wo er denn gewesen, wo er sich herumgetrieben hatte, bevor der Morgen kam und sie erwachten, wieder sie selbst.

Darüber spekulieren taten sie eigentlich alle ständig und ohne Unterlass, seit Jungs wie Dragan, die Zugang hatten zum innersten Kreis um ihren Alpha, die Kunde nach draußen getragen hatten. Jemand infiltrierte sie, und es konnte nur einer von ihnen sein, also ein waschechter Werwolf, so wenig Sinn das auch ergab. Unmöglich, sich zu verstellen. Greyback kannte sie alle, denn die meisten hatte er selbst geschaffen. Die Übrigen waren nur unglückliche Zufallsopfer. Einen Mondsüchtigen zu spielen, um sich einzuschleichen und die Geheimnisse des Rudels zu verraten, war schlicht und ergreifend unmöglich. Doch schwierig, denjenigen zu finden, denn er war vorsichtig, und bisher hatte niemand einen greifbaren Verdacht. Obwohl es natürlich einige Kandidaten gab.

„Ich glaub' nicht, dass es einer von den Kleinen war,“ schüttelte Bain erneut den Kopf und stierte wieder hinunter in die knisternde Glut, rollte ein Stuhlbein herum und presste die Kiefer aufeinander, wie er von den Rangniederen sprach, die sich in den äußeren Bereichen des Reviers aufhalten mussten, damit aber auch rascher das Gebiet verlassen konnten, und damit unbemerkter. Sie alle, die sie da zusammensaßen, Barrymore mit baumelnden Beinen auf der Verladerampe, beide Hände mit durchgedrückten Ellbogen links und rechts von sich aufgestemmt, Dragan ganz rechts, Lupin links außen und der innehaltende Lyons, der so heftig verneinte, dass seine strähnigen Haare flogen. „Käm' ja sonst auch wohl kaum an Interessantes,“ bestätigte Scabior den Gedanken, den nun wirklich selbst die größten Hohlköpfe haben konnten. Allerdings war das vielleicht genau das, was sie der Spion denken lassen wollte. Und sofort grübelte die ganze Gruppe wieder.

Grollend aus tiefster Kehle, stieß sich der am weitesten außen Stehende von der glitschigen Mauer ab, gegen die er gelehnt hatte, den Kragen eines alten Trenchcoats hochgeschlagen. „Is' jedenfalls kein Weichei, die Drecksau, die Stap angefressen hat,“ grummelte Holmes zwischen den Zähnen hindurch, halb zornig, halb anerkennend. Er hatte Paul gut gekannt, den schwarzen Wolf, der nun in der Themse gen Nordsee schwamm. Schnippisch, bitter lachend zuckten sie alle mit den Achseln. Nein, ganz sicher nicht. So eine Schweinerei zu hinterlassen, das erforderte einige Kaltblütigkeit. Nur einer von ihnen blieb still, doch gewohnt waren sie das von ihm, bis Remus Lupin den Stahlspieß tiefer in einem alten Brett verhakte, um es in das Innere des Feuers zu werfen, und seine so feste, aber immer irgendwie leise Stimme mit der für sie alle so typischen Heiserkeit den Einwand vorbrachte: „Das ist keiner von uns bei Vollmond.“ Die Reaktion wiederholend, nickten sie einander zu und mussten schon wieder lachen. „Auch wahr,“ befand Dragan und zwinkerte dem Linksaußen zu. Kein Dummkopf, der gute Lupin. Den hätte man drauf ansetzen müssen, aber Greyback traute ihm nicht. Noch weniger als er sonst irgendeinem von ihnen traute. Was man auch nicht tun sollte.

An Bainrhydghe vorbei, so nach vorn gebeugt mit seiner verletzten Hand, schaute Scabior zu ihm herüber, beobachtete den hochgewachsenen Zauberer in seinem langen Mantel, aufrecht sitzend und gleichzeitig so verloren in seinen Hirnwindungen, die Brauen ineinander geschoben. „Was denkst du?“ fragte Dragan, nickte in seine Richtung und wusste genau, dass ihn die silberfarbenen Augen durchaus wahrgenommen hatten. Nicht gleich antwortend, kaute Remus auf der eigenen Zunge herum (mangels ordentlicher Nahrung wahrscheinlich), und sie alle richteten ihre Blicke auf ihn, manche scharf musternd, andere neugierig freundlich zugewandt. Man mochte von ihm halten, was man wollte, Spinner, Memme, Schürzenkind, aber zu übersehen, dass er da war, das spürte jeder, wäre ein unverzeihlicher Fehler.

Schließlich bewegte er sich – ein Schulterzucken, ein Seufzen? – drückte die eine Hand umständlich verdreht direkt über dem Knie in den Oberschenkel und runzelte die Stirn noch mehr. „Es ist jemand, der,“ fing er an, wog den Kopf bedächtig hin und her, „wusste, dass Paul dort sein würde.“ So logisch diese Folgerung auch war, so sehr schockte die Erkenntnis ein wenig, denn das war nur den obersten Kreisen bekannt gewesen. Nur, wer wirklich in der Besprechung dieses Einsatzes gewesen war, konnte davon Ahnung gehabt haben, und das waren kaum mehr als eine Handvoll. Sie alle begannen sofort, in Gedanken ihre Gesichter und Namen zu erinnern und hastig abzuwägen, wem dieser Männer sie Verrat unterstellen konnten. Aber Remus zog ihnen den Wind von den Segeln ab, wie er, sein so undurchsichtig schiefes Lächeln im Mundwinkel von unten her jeden Einzelnen in der Runde abwechselnd anschaute. „Zum Beispiel einer von uns.“

Die erschrockene Überraschung, die Furcht davor, gleich selbst von ihm beschuldigt zu werden, wich augenblicklich einem herzhaften Lachen von allen Seiten, sobald sie begriffen, wie er das gemeint hatte. Na klar. Scab konnte doch nie seine Klappe halten. Und er selbst war zwar auch eine gar nicht so dumme Vorstellung, aber es stimmte einfach. Ihnen, seinem kleinen Teilrudel, erzählte er immer wieder so viel aus diesen Unterredungen unten im Hauptquartier, dass sich ein halbwegs gescheiter Idiot genügend zusammen reimen konnte. Das mochte in den anderen Grüppchen kaum anders laufen.

„Naja, komm' schon!“ winkte Dragan immer noch lachend ab und warf sich ein wenig rückwärts auf der Kiste, auf der er saß, um mit einer schwungvollen Geste seine Worte zu unterstützen. „Allen hab' ich's jetzt aber nicht unter die Nase gerieben,“ erinnerte er sich, schon auf den Längsten von ihnen, abgesehen von sich selbst, deutend. „Du warst zum Beispiel nicht da,“ war es ihm deutlich im Gedächtnis, dass Remus sich schon davon gemacht hatte für die Nacht, bevor er mit dem Daumen über seine Schulter zeigte, wo Holmes wieder knirschend, die gelblich verfärbten Zähne präsentiert, sich immer noch an die Wand drückte. „Und Filbert wusste es auch nicht.“ Mit dunklen Augen rollend, blutunterlaufen noch vom gerade überstandenen Martyrium, aber auch von dem Bild des toten Freundes im Kopf, schüttelte der Mann im Trenchcoat den Kopf. „Mir hat er's selbst noch gesagt,“ relativierte er wieder.

Nur langsam kriegten sie sich wieder ein, willkommen die kleine Auflockerung, während der Abend weiter fortschritt und mehr und mehr zur Nacht wurde. Sie konnten immer schlecht schlafen in der ersten Nacht nach dem Vollmond, der Rhythmus noch komplett verschoben, was es nur noch schwieriger machte, Normalität zu leben. Wahrscheinlich würden sie sowieso noch eine geraume Weile hier zusammem hocken. Mochte angehen, dass sie einander nicht vertrauten, dass sie sich oftmals gar nicht mal leiden konnten oder sogar offene Feindschaft hegten, doch die Gesellschaft war besser als Einsamkeit, und Wärme strahlte von den anderen ab. Leichter zu ertragen so. Dragan rieb sich noch den Kinnbart, immer ausgeprägter die Färbung in Salz und Pfeffer, und Lyon löste sich aus der Kaninchenstarre, um neues Holz herbei zu schaffen, während Remus längst wieder in seinen Gedanken versank.

Hatte schon recht, der Schlaumeier. Es schränkte gar nichts ein, dass es um solch vertrauliche Informationen ging, die doch nur unter den obersten Rängen rund um Greyback bekannt sein sollten. Immer noch konnte es jeder sein innerhalb des Rudels. So schwierig war das nicht. Und trotzdem: Das erforderte Mut und Abgebrühtheit und eine gehörige Portion dreister Intelligenz, eine solche Nummer abzuziehen. Und was noch schlimmer war: Der Kerl ging über Leichen. Unbarmherzig und kompromislos. Ob sie es zugeben wollten oder nicht, es verpasste jedem von ihnen ein verflucht mulmiges Gefühl, und Barrymore sprach aus, was sie dachten: „Dabei heißt's immer, das wär'n alles Pfadfinder.“ Zustimmend, aber wortlos, nickten sie alle, durchaus begreifend, was er damit sagen wollte, und diesen Gedanken teilend.

Keine Ahnung hatten die. Der Geschmack ging ihm nicht aus dem Mund, er konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass ihm noch immer die geronnen Klumpen in der Nase klebten, und mit jedem zu tiefen Atemzug drang der Gestank von Blut wieder herauf. Übelkeit. Ihm war viel zu schlecht, um etwas zu essen, selbst wenn sie etwas gehabt hätten, und nur daran zu denken, wie das versickernd fließende Rot aus anfänglichem Puls in ruhiges Strömen übergegangen war unter dem silbern weißen Mond, ließ die Welt vor seinen Augen in wirrem Schwindel verwischen. Sollten sie denken, ein eiskalter Killer ging unter ihnen um. Ein James Bond der Werwölfe mit souverän durchgezogenem Auftrag. Dann verdächtigen die ihn nie, der er da zwischen ihnen saß und fror. „Keinem können wir vertrauen,“ murmelte er fast unbewusst, aber sie hatten ihn verstanden.

Das Unbehagen, das sich einen Moment lang unter ihnen ausbreitete, veranlasste sogar Maitland Barrymore, das ständige Schaukeln seiner Beine einzustellen, und beinahe hätte der herumwuselnde Lyons seine Scheite fallen gelassen. Schweigend huschten die Augen von einem zum anderen, musterten sie einander wie bei der ersten Begegnung und steckten neu ab, was sie von jedem einzelnen halten sollten oder überhaupt halten konnten. Zu einem Ergebnis zu gelangen, war nicht möglich. Wenige Menschen konnten besser wissen als diese hier, wie ungenügend das Äußere eine wirkliche Aussage über einen Charakter zu vermitteln in der Lage war. Holmes hatte gut geschnittenes Haar. Und dennoch war er einer ihrer schärfsten Wachen, wie ein bissiger Rottweiler, sogar ohne den Mond. Dagegen Bain, nichtssagend und unscheinbar, vermochte fast ungelernt, gefährliche Kampfzauber heraufzubeschwören.

Schnaubend, gar nicht gern diese urplötzlich durch so einfache Worte aufgekommene Gedrücktheit in seinem Rudelteil begrüßend, knurrte Barrymore und fing wieder an, die Füße gegen die Backsteine unter seinem Betonsitz schlagen zu lassen. „Du bist 'n Scheißkerl, Lupin,“ beschwerte er sich darüber, dass dieser komische, ewig stille Streber die so angenehme, wenn auch von Hunger und Ungewissheit bestimmte Atmosphäre des Abends noch ein Stück dunkler gemacht hatte, und obwohl er das wirklich ernst meinte und ganz schön genervt von ihm war (mal wieder), klopfte Fryssington seinem Sitznachbarn nur auf die Schulter, und niemand ging darauf ein oder unterstützte Maitland in seinem Unmut. Sie hatten genug Stress an der Backe und Probleme bis über beide Ohren. Ein Streit untereinander war jetzt nicht ratsam, erst recht keine handfeste Auseinandersetzung, wie sie sonst so oft vorkam in diesen Kreisen. Gestern erst war Vollmond gewesen. Ihre Kräfte sollten sich erst einmal erholen.

Nur Remus selbst zuckte noch einmal die Achseln, seufzte und versenkte den Spieß gänzlich in dem aufgehäuften Holz, das knackend vor sich hin verbrannte und verkohlte. „Wir sollten einfach die Augen und Ohren offenhalten,“ milderte er ab, was er gerade noch gesagt hatte, und als wäre es das Stichwort gewesen, gebrauchten sie besonders letztere Sinnensorgane, noch ehe sie alle zustimmend genickt haben konnten.

Es war, als schlage man einen riesigen Gong an, so als befinde sich der ganze kleine Teil des Reviers, den diese sechs Männer hier für sich beanspruchten, unter einer enormen Glocke, die nun geläutet hatte, und der ohrenbetäubende Lärm zwang die übermüdeten und noch so zerschlagenen Mondsüchtigen nach vorn, sich beide Hände gegen die Seiten des Schädels pressend. Lyons wimmerte und brach halb zusammen, und Barrymore sprang in einem Satz von der Verladerampe herunter, dass er fast im Feuer gelandet wäre. In Deckung gehend, stieß Holmes sich von der Wand ab und verschwand regelrecht unter den Mülltonnen rings um sich herum. Ewig her, dass dieses Geräusch erklungen war, nicht mehr, seit offiziell Krieg herrschte und seit jedem klar war, auf wessen Seite die Werwölfe standen, und dennoch war es das: „Apparieralarm!“ zischte Bainrhydghe, halb im Dreck kniend, und längst hatte Dragan den Mantel abgeworfen, seine Verletzung jetzt offen zur Schau stellend. Mit großen, geweiteten Augen stierten die übrigen Jungs ihn an, warteten auf seinen Befehl.

Nicht grundlos war Dragan Scabior aus Croydon so hoch gestiegen in der Hierarchie der Wölfe. Blitzschnell reagierend, vergaß er den Schmerz in der Linken, warf die Schlinge ab und deutete nach West und Nordwest, wie er Einsatz gab. „Sel, Mait, Bain!“ beorderte er jedem einen Abschnitt zu, und ohne Widerrede stemmten sie sich auf und stoben davon, während Dragan sich schon umdrehte. „Holmes da rauf! Lupin, mit mir!“ deutete er in weitere Richtungen, und Filbert grunzte zustimmend und rannte los. Remus nickte hastig, die Gedanken hinter seiner Stirn ratternd wie fallende Register, das konnte man regelrecht in seinen Augen sehen, und dann lief er ihm nach, dem Führer seines Trupps. Radiär schwärmten sie so aus, derweil ihnen von den angrenzenden Gebieten die Kameraden entgegen kommen mussten. Wer auch immer da so bescheuert gewesen war, sich in diese Gegend zu apparieren, würde ihnen so kaum entwischen können. Egal, wie sehr Remus sich wünschte, es gäbe eine großartige Chance.

Bald schon, gerade um die Halle herum und ein Stück die Gasse hinunter, teilten sie sich wortlos auf, hastete Scabior zu den Docks, und Lupin scherte nach links aus und erklomm mit seinen langen Beinen schnell den steilen Anstieg, der über die Flutzone hinauf führte. Weitere leerstehende Gebäude, halb verfallene Lager und enge Verwaltungshäuser erstreckten sich hier in relativer Dunkelheit, unbewohnbar und zum größten Teil ohne Dächer, und keine einzige Laterne erhellte hier die vermüllten Gehwege und die von Trümmern und Gerümpel übersäten Innenhöfe. Schwierig, jemanden aufzuspüren, der sich hier auskannte, aber für jemanden, der noch nie hier gewesen war, rasch tödliche Falle.

Er wollte nicht hier sein, er musste aber, er musste schneller sein als die Anderen, musste den Wahnsinnigen finden, der es gewagt hatte, hierher zu kommen auf solche Art und Weise, denn nur ein Mitglied im Phönixorden konnte es sein, da war sich Remus absolut sicher. Und wenn dieser jemand so tolldreist und so laut und auffällig herkam, dann wollte derjenige gefunden werden, und zwar von ihm und nur von ihm und es musste unglaublich wichtig sein. Keine Ahnung, wieso, keinen Schimmer, was sein konnte. Und es drückte ihm den Puls in solche Höhen, dass er im Laufen, Springen kaum Atmen konnte. Wie das geschehen sollte, dass er ausgerechnet der Erste sein sollte in dieser nicht gerade winzigen Parzelle, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, und am liebsten hätte er lauthals geflucht über eine solche Irrsinnstat. Harry? Oh, er würde ihn eigenhändig erwürgen, schwor sich Remus Lupin, wie er sich unter einen überhängenden Balken duckte und sich daran festhielt, um den langgestreckten, offenen Bau überblicken zu können, in den er nun hinein spähte und nach dem Eindringling Ausschau hielt.

Keuchend verharrte der schlanke Mann Ende 30, seinem Gefühl vertrauend, während die knallenden Schritte auf dem Pflaster draußen noch unregelmäßig verhallten und irgendwo weiter klackerten, abgeschirmt nun von Hauswänden, und nur der gerade erst abnehmende Mond gab ihm ein wenig Licht. Nur langsam gewöhnten sich die Augen an die schattengebende Finsternis unter dem halb verfallenen Dach der Lagerhalle, dass es schwer fiel, irgendwas darin auszumachen, und dennoch machte Remus sich die Mühe, drehte den Kopf hierhin und dorthin und konnte kaum seine Atemfrequenz herunter schrauben.

Und er wusste nicht umsonst, wieso. Denn da war etwas, was dort nicht hingehörte, er kannte diese Ecken wie seine Manteltaschen, dies sein zugeteiltes Patrouillengebiet, wo Dragan absoluten Wert darauf legte, dass jeder seine abgesteckten Territorien im Auge behielt. Wie gut diese Überlegung war, zeigte sich jetzt im Ernstfall, und fast hätte Lupin ihm einen bewundernden Gedanken geschickt. Kein schlechter Anführer, Dragan Scabior.

Geduckt unter einen umgeworfenen Stapel von Tischen hockte dort jemand, ein dunklerer Klumpen in der Finsternis, und selbst von hier aus schimmerte das Mondlicht zu deutlich auf der Spitze eines hellholzigen Zauberstabs, der zitternd und drehend in den Fingern gehalten wurde. Der Boden davor, leicht nur, aber offensichtlich, war befreit von dem zolldicken Staub, der überall dort die Dielen und den Estrich bedeckte, wo ein wenig Schutz vor Regen bestand, so wie da vorne. Er überlegte nicht lange, zückte nicht mal den eigenen Erlenstab, wie ihm das Herz in der Brust hochsprang bis unter den Kehlkopf und diesen noch weiter hochdrückte, bis auch das Zungenbein an den Gaumen stoßen musste, die Silhouette ausreichend zur Identifizierung, und Remus überwand ohne zu zögern eine monatelang aufgebaute Distanz mit ein paar wenigen Sätzen über zerstörtes Mobiliar hinweg.

Sie erkannte ihn genauso schon am Schrittmuster, schon am Geräusch seines heftigen Atmens und erst recht am Geruch, an der Form seines Schädels, wie er sich in den Dreck warf, und an der rauen Zärtlichkeit der Hände, die ihre Oberarme packten. Regelrecht hineinfallen ließ sich das Mädchen in diese Berührung, schloss die Augen für einen Moment, und er konnte nicht begreifen, wieso er Erleichterung in den Schweißperlchen auf ihrer süßen Stirn entdecken konnte. Tonks. Dieses durchgeknallte Weib, war die übergeschnappt? „Was machst du hier?“ presste er heiser aus der Kehle, wollte sie anschreien und konnte es nicht riskieren, keine Ahnung, wie weit die beiden anderen Männer von ihnen entfernt waren, während sie nichts weiter sagen konnte als „Remus“.

Nur ihre zierlichen Fingerchen in abgeschnittenen Handschuhen ausstreckend. berührte sie die blassen Schläfen, jetzt schwitzig von der eiligen Jagd durch die Häuserschluchten auf der Suche nach eben dieser Person, ein reines Wunder, dass er, ausgerechnet er sie gefunden hatte und das so schnell, und da schwamm erlöster Unglauben in dem höher steigenden Wasser auf ihren Hornhäuten, wie der Kontakt ihrer Fingerbeeren prickelndes Kitzeln auf den glühend roten Narben auslöste. „Bist du verrückt geworden?“ schüttelte er sie leicht, um sie aufzuwecken und Antworten zu bekommen, und er musste schon mit den Augen rollen. Natürlich war sie das. Sie war schon immer verrückt gewesen. Sie war eine Black, verdammte Scheiße! „Wir haben Apparieralarm!“ fügte er überflüssigerweise an, als hätte sie das nicht längst selbst bemerkt.

Das war genau das, was sie gebraucht hatte, um sie aufzurütteln, und jetzt ebenfalls die Pupillen drehend, unterdrückte Tonks ein grummelndes Knurren. Ach, wirklich? Diese grässlich ängstliche Bedrücktheit der letzten Wochen, die so stetig zugenommen und heute in dieser kopflosen Kurzschlussreaktion ihren Höhepunkt gefunden hatte, fiel von ihr ab wie der Kokon einer hässlichen Raupe von einem strahlend schönen Schmetterling im Sonnenlicht, und die Erleichterung des Herzens katapultierte sie zurück zu sich selbst, auch wenn die sonst so leuchtenden Haare mausgrau blieben. Er lebte. Er war unverletzt, so weit sie das sehen konnte, und am liebsten hätte sie ihn von oben bis unten abgetastet, um sich davon zu überzeugen.

„Ich musste dich sehen!“ keuchte sie, ihre sich überschlagende Mädchenstimme wesentlich besser zu überhören im Tröpfeln des versiegten Regens und im Knarren der Balken über und um sie herum, und egal wie gefährlich diese Situation gerade war: Remus konnte nicht verhindern, dass ihm dieses so einfache Geständnis (und das war eine Bejahung seiner Frage, aber sowas von!) einen Schauer aus Feuerwerk unter das Brustbein zauberte, wie spontanes Aufblühen eines ganzen Gartens voller prächtiger Blumen, während es gleichzeitig dafür sorgte, dass sein Hirn in Schock entflammte, so wie sich dieser Hitzeschub anfühlte. Sie machte das hier wegen ihm. Eine solche lebensmüde Aktion! Genau das hatte er immer befürchtet, genau deshalb hatte er sie verlassen, verfluchter Mist nochmal! Gar nicht daran denken mochte er, wie er gegangen, was er als Letztes zu ihr gesagt hatte, und hier kniete sie im Dreck und schluckte sich die Mundtrockenheit weg, um wie ein Wasserfall loszusprudeln.

„Jemand ist von Greyback angefallen worden, und ein Wolf ist getötet worden, haben sie gesagt, und ich wusste doch nicht, wo du bist und wie es dir geht, und ich hatte Angst, dass ...“ Er unterbrach den Redeschwall. So unerwartet legten sich die beiden großen, langgliedrigen Hände um ihre Wangen, dass Dora fast vergessen hätte, Luft zu holen, bevor seine Lippen ihre trafen und sie nichts weiter tun konnte, als sich zu ergeben und diesen Kuss, voller zu lange unterdrückter Leidenschaft und sehnsüchtig wie ein Verhungernder, einfach zu erwidern. Herzschlag um Herzschlag hätten sie zählen können, aber es ging nicht; nur hochfrequentes Rauschen in den Ohren, bis dieser krächzige, grollende Ruf ertönte: „Lupin!“

Er löste sich von ihr, ließ ihre Wangen nicht los, die Spitzen ihres Zeige- und Mittelfingers, den Daumen, am stoppeligen Kieferwinkel, und er nahm auch nicht den Blick aus diesen schokoladenbraunen Augen, die Lippen noch schimmernd, antwortete nur laut und deutlich: „Hier ist nichts von Bedeutung!“ Das Mädchen lächelte und biss sich auf die Zunge, errötete regelrecht und kicherte stumm. Und ob. Von größter Bedeutung. Das einzig Wichtige auf dieser Welt. Das änderte nichts, das wusste sie, aber das war jetzt egal. Er lebte. Nur das zählte. Wie er irgendwo dort unten im Dunkeln nach ihrer Hand griff, lauschend, ob sein Kamerad näher kam oder nicht, bemerkte sie kaum, strich noch mit der Rechten bis an sein Kinn und ließ sich dann hochziehen. „Komm,“ wisperte Remus und setzte zur Flucht an.

Er führte sie, immer in geduckter Haltung, was schwer war für einen so langen Kerl, niemals ihre Hand loslassend, durch den hinteren Teil der Halle und aus dem alten Hintereingang auf die verwinkelten Gassen. Abkürzungen kennend, Wege und Schleichpfade über von Gras überwucherte Schienen, halb kriechend durch offene Kellerfenster und über Balken balancierend durch das angrenzende Gebiet eines niederen Grüppchens innerhalb des Rudels, auf kürzester Strecke hinaus aus dem Revier des Fenrir Greyback und seiner Männer, bis er die offene Straße erreichte, wo neue, postmoderne Straßenlaternen die frisch geteerte Fahrbahn erhellte und noch unbewohnte gläserne Hochhäuser in den Himmel ragten am Canary Wharf.

Gleich spüren konnte es die Aurorin, dass hier der Apparierschutz aufgehoben war, den sie durch ihren Alarm ausgelöst hatte, aber nur widerwillig überschritt sie diese Grenze, wollte ihn nicht loslassen, seinen kräftigen Puls warm und so vertraut auch nach so langer Zeit getrennt von einander am Handgelenk. Zerkratzt waren seine Unterarme, und blutiger Schorf stand ihm im Nacken, das Ohrläppchen angerissen und nur zaghaft verkrustet, so jung wie diese Wunden waren, und er musste ihr nicht erklären, woher die Verletzungen stammten. Gar nichts musste er sagen. Es war nur eines wichtig jetzt, und das war, dass er am Leben war, und er konnte das sehen, tanzend auf ihren Regenbogenhäuten, wie schillernde Sternschnuppen. Unglaublich, wie sehr das immer noch griff. Nein, daraus gab es kein Zurück. Morgen würde er das wieder leugnen, das wusste Remus Lupin; doch solange sie so nah war, gab es nur die Wahrheit, und die stand in den Himmel geschrieben.

Regelrecht schieben musste er sie vom Bürgersteig, ihr seine Hand vorsichtig, sanft, aber bestimmt entziehend, und mit flehender Miene, scharf atmend von dem schnellen Lauf hierher, der keine fünf Minuten gedauert haben konnte, bat er sie: „Geh schon.“ Ganz leicht doch, einfach apparieren, gleichgültig wohin, Hauptsache weg. Sie machte keine Anstalten, dem nachzukommen, stand nur da, angestrahlt in ihrer so verletzlichen Schönheit und grundfester Zähigkeit und konnte ihre Augen nicht von ihm nehmen. Mit beiden Händen scheuchen musste Remus, sie daran erinnern, dass sie hier nicht im Sonnenlicht im Park spazierten. „Na, geh schon!“

Endlich wachte Dora auf, schüttelte sich leicht, und ihre Brust hob sich in einem tiefen Atemzug, ehe er es ihr von den Lippen ablesen konnte, und dann drehte sie sich auf dem Absatz und verschwand in der Nacht, spurlos, während hinter ihm in den Gassen und Straßenschluchten die Suche nach dem Eindringling fortgeführt wurde, Rufe die Stille durchbrachen und trappelnde Füße über das Pflaster hallten. Erst jetzt begreifend, was für ein sagenhaftes Glück sie da gehabt hatte, musste Remus sich eine Hand so fest unter die Nase flach auf den Mund schieben, er hätte sich beinahe übergeben.

Wie sich die großgewachsene, breite Gestalt mit Salz und Pfeffer in den Haaren flach gegen die Wand hinter der nächsten Ecke drückte und mit in der Finsternis leuchtenden Augen nachdenkend den Kopf hin und her schwankte, das konnte er nicht wissen.


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