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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Zuhaus

von Teekon

„Langsam, ganz langsam!“ bat der junge Mann, doch der schmächtige Herr, halb in seinem Arm, dachte gar nicht daran. Fast ein wenig zickig klopfte er ihm abwehrend, aber liebevoll mit den Fingern auf die Elle, die ihn nach vorn hin schützte, und ein wenig ärgerlich, jedoch nicht ernsthaft, schnaubte John Lupin. „Lass mich,“ bat er und versuchte, sich etwas aus dieser Umklammerung zu befreien, um sich selbst an der Armlehne abzustützen. „Wenigstens setzen können werd' ich mich wohl noch allein,“ tadelte er seinen Sohn für zu gut gemeinte Fürsorge, und nur widerwillig sah der Junge es ein und ließ ihn aus seinem Griff gleiten.

Mit den Schultern rollend bewies John, dass er noch genügend Kraft hatte, hielt sich selbst am Canapé fest und sank vorsichtig hin, den Stock und das eine Bein ausgestreckt und auf dem Teppich vor dem Kamin als Widerlager verwendet. Es ging gut, dauerte vielleicht etwas länger, aber er konnte es. Und Eile hatte er nicht. Schweiß trat ihm auf die Stirn davon, und er ließ seinen Sohn nicht sehen, wie sehr ihm diese Anstrengung den Atem raubte.

Gleich saß er ja, dann konnte er sich ausruhen, und die nächste Umbettungsaktion war ja noch eine Weile hin. Erst einmal würde Remus es sich nicht nehmen lassen, ihnen ein gemeinsames Abendessen zu zubereiten, nebenan in der Küche, und das würden sie zusammen essen und reden, bis der nun so alt gewordene Mann zu müde wurde, um die Augen weiter offen zu halten.

Obwohl er immer noch die Brauen gekräuselt hatte, um den Jungen damit zu rügen, stahl sich ein kleines Lächeln auf Johns Gesicht. Wer hätte das jemals gedacht, als er ihn damals von der Straße geklaubt hatte, beide Hände und Arme getränkt mit seinem Blut, in Fäden halb geronnen aus dem Staub gezogen, dass er heute hier sein würde, geschweige denn, dass er aufrecht hierhin und dorthin eilte mit diesem beinahe lächerlich anmutenden Bärtchen auf der Lippe und sich so herzensgut und wunderbar um seinen kranken Vater kümmern konnte? 'Vielleicht überlebt er's gar nicht' hatten sie gesagt. 'So kann er ihn doch nicht nach Hause nehmen' hatten sie gesagt. Dummköpfe. Alles Dummköpfe ohne Herz und ohne Verstand. Und wo wäre er heute ohne seinen Jungen?

Richtig: Bei seinem eigenen Vater, der mittlerweile weniger gebrechlich war als er, egal wie viel älter er war, denn Edward brauchte weder einen Stock, noch eine so fleißige Haushaltshilfe wie Remus. Schlohweiß, das Haar und der Bart, und die Brille nahm er nicht mehr nur zum Lesen, dennoch trug er weiterhin stolz und aufrecht seine feinkarierten Tweed-Anzüge und spazierte jeden Tag einmal rund um den Universitätscampus. Obendrein übersetzte er immer noch Bücher aus dem Griechischen und Latein, übertrug ägyptischen Hieroglyphen in Tabellen und schrieb ganz nebenbei an einem eigenen Buch über seine Forschungen in der Bretagne nach dem Krieg. Und die Mohnblumen blühten wie eh und je in seinem Garten, dem selben, in dem zuerst John und dann Remus als Kinder gespielt hatten, und die weißen Sprossenfenster waren weit aufgestoßen und mit eisernen Haken befestigt.

Oh, und wie herrlich es dort war! Der hübsche Faulbaum, sorgfältig geschnitten und gepflegt, schmiegte sich gleich am Haus an die Wand und wölbte sein Blätterdach fein rauschend über genau dieses offene Panorama, und schattenspendend lud er zum Verweilen ein. Dort saßen sie immer, auch diesen Morgen, erst zum Frühstück, bis Brunch daraus wurde, und dabei war das Gras fein geschnitten bis direkt an den Rand der Blumenrabatten, nur zum Kiesbett rund um das Fundament saftig und dunkelgrün aufgesprossen, Feuchtigkeit selbst in der Sommersonne bewahrend. Atlasblumen in strahlender Lavendelfarbe blühten im hellen Licht gleich neben den bläulichem Lederbalsam, und darüber hinaus ragten die langen grünen Stiele von gelben Nachtkerzen. Das ganze versteckte Kleinod zwischen von Prunkwinden hübsch überwucherten Spalieren summte und brummte voll von Bienen und Hummeln, und wie durch die Himmelstür selbst fielen goldene Strahlen durch einen Torbogen aus rankenden Rosen.

Ewig hätte er dort sitzen können, auf den weißen Stühlen aus Gusseisen auf dem schmalen Kiesbett zwischen offenem Fenster zur Bibliothek und der Wiese, tief ein- und ausatmend, bis ihn der Hustenreiz überkam, und dann erholen und wieder von vorn beginnen. Aber so lange sitzen konnte John nicht mehr gut, und essen tat er sowieso nicht viel, nippte lieber an dem wundervollen Lung Ching, den Vater aufgebrüht hatte, und schaute Remus dabei zu, wie er ein Sandwich nach dem anderen verdrückte (oder eher verschlang, und John konnte nicht anders, als ihn daran zu erinnern, dass Vollmond erst in gut zwei Wochen war). Schön, wenn ein Sonntag so begann.

Längst wieder Teezeit nun, wo sie in ihrem eigenen Heim angekommen waren und Remus darauf bestand, dass er sich nun auf dem Canapé ein bisschen ausruhe. Ein Mittagsschläfchen vielleicht, während er in der Küche herumfuhrwerkte und Abendessen auf den Tisch zauberte. Natürlich längst nicht erreichte er die Klasse von Isabel, aber das hätte John ihm niemals gesagt und ließ nicht mal einen Anflug davon auf seine Züge wandern, wenn er nur daran dachte. Keine vier Monate. Und die Stille in der Nacht, wenn er in seinem hohen Himmelbett in dem Schlafzimmer zur Gasse hinaus lag, war nicht auszuhalten. Unerträglicher als die Luftnot, die Beklemmung in der Brust, wenn ein erneuter Anfall ihn plagte, und schon der Gedanke daran ließ ihn das Gesicht gänzlich verziehen und sich fest den Schwertfortsatz reiben. Remus konnte es nicht sehen.

Sich rasch mit Daumen und Zeigefinger unter die eigene, schmale Lesebrille fassend und durch die Nasenfalten wischend, seufzte der Hausherr und versuchte, dieses Gefühl zu verdrängen, zu lächeln und den August zu genießen. Bald würde der Sommer wieder vorbei sein, und die Jahreszeit, die nun folgte, brachte ihm sicherlich erneut besondere Pein. Das hatte er mittlerweile gelernt, so lange, wie er nun schon an diesem Fluch krankte, und es war wie ein Ritual geworden, sich darauf vorzubereiten. Dieses Mal nun allein. Und es konnte ja nicht ewig so weitergehen, dass Remus hier zuhause herumlungerte und seinen Pfleger spielte, während seine Freunde in London einen drauf machten. Und da war doch noch die Hochzeit, bald schon, darum musste er sich doch auch kümmern. Viel wichtiger, als Aufwartung beim alten Herrn.

Er ließ sich davon nicht abbringen. Genauso stur, wie John auf ein bisschen Selbständigkeit beharrte, pochte Remus auf sein Recht (und seine Pflicht, welch merkwürdiges Kind), sich um ihn zu kümmern, bei Tag und bei Nacht, und nur selten kriegte man ihn dazu, wenigstens mal mit den Jungs auszugehen und bis zum Morgen bei Mr. Black zu nächtigen. Dabei tat es ihm so gut. Aber dann wieder ... John verstand das schon. Beschäftigung. Er suchte, seinen regen Verstand auf Trab zu halten, nur keine Zeit zum Grübeln zu haben, zu viele Sorgen auf den jungen Schultern. Es war nicht fair. Aber was war das schon? Nicht mal Quidditch bei Madame Hooch.

Wie er längst weggedöst und bald eingeschlafen war, das bemerkte John gar nicht, eingewickelt in eine Decke trotz der hohen Temperaturen, und Spellbound lag auf der Rückenlehne und maunzte, den Schwanz wie das Pendel einer Uhr sacht hin und her schwenken lassend. Das war schon fast wieder zu viel Aufregung gewesen, befand Remus, wie er mit einer großen Schüssel Erbseneintopf durch den schmalen Durchgang zum Flur herein trat. Längst aßen sie nicht mehr an der Anrichte in der Küche, wo sie sonst auf ihren Hockern gesessen hatten, denn auf solchem Sitzmöbel konnte John sich nicht richtig halten, und kühl war es dort drüben auch. Besser hier, wo das grünliche Schimmern des Flohpulverfeuers noch in winzig flickernden Flammen erstarb. Ohne dieses kleine, feine, interne Netzwerk hinauf in das Haus eines Muggels wären Ausflüge überhaupt nicht mehr möglich. Vater sah das nicht gern ein, aber so war es nunmal. Egal. Sie waren wieder hier. Ein weiteres Mal.

Machte nichts. Der frisch Graduierte stellte den Bottich ab auf einem der zahlreichen Ziertischchen, dem kräftigsten, der das auch aushielt, und er setzte sich auf einen der hohen Ohrensessel, die als Kind für ihn tabu gewesen waren. Und dann wartete er einfach, schaute mal hinaus aus den Scheiben des Erkers, wo die Blumen auf der Fensterbank standen, wo draußen die Kinder auf dem unbefestigten Weg spielten und zur großen Wiese zwischen Fulford und Heslington hinunter rannten, um Steine in den Bach zu werfen, ließ die Blicke schweifen über die so süß vertrauten Bücherregale und die geschnitzte Holzvertäfelung des Salons, oder er beobachtete den schlafenden Mann auf dem Sofa direkt vor sich.

Dünn war er geworden, sehr dünn. Mager mochte man beinahe sagen, die Haut wie Pergament, so dünn, und winzige bräunliche Flecken hatten sich über die Handrücken und Unterarme ausgebreitet. Wie bei einem Greis. Die Krankheit, der Fluch, raubte ihm Jahr für Jahr. Längst nicht so schnee-hell wie die seines Vaters waren die Haare, und schwieriger, den Bart glatt und ordentlich zu halten. Aber seine Augen leuchteten immer noch, und das war ein Trost, das gab Kraft, das war Beweis dafür, dass er nicht aufgab. Niemals. Ein Gryffindor, bis zuletzt. Seine eigenen, langgliedrigen Hände, vor sich auf den Knien abgelegt, vorsichtig hin und her drehend, starrte Remus sinnierend auf die rauen Felder in der Innenfläche, zählte die dickeren und die dünneren Venen darauf und schaute ihnen zu, wie sie unter seiner eigenen so blassen Haut nach oben wanderten und schließlich kurz unterhalb der Ellenbeuge unter dem aufgekrempelten Hemdsärmel verschwanden. Ob er auch eines Tages so aussehen würde? Wenn er diesen Krieg überlebte?

Wie sein Vater aufgewacht war und sich zu ihm herumgedreht hatte, er hätte es nicht mitbekommen, wenn John nicht lächelnd darauf gedeutet hätte. „Hast du von deiner Mutter,“ meinte er, und man konnte für einen Moment erahnen, wie ein Schatten über seine Stirn huschte und er sich gleichzeitig fest von innen auf die Lippe biss. Das hätte er nicht sagen dürfen. Besser nicht erwähnen. Aber Remus schien nicht getroffen. Er nickte nur sacht und drehte sie noch immer hin und her, die eigenen Hände, ehe er aufschaute und seufzte. „Suppe?“ fragte er, stemmte sich bereits aus seinem Sessel und griff nach den beiden mitgebrachten kleineren Schüsseln, um seinem Vater zuerst, und dann sich selbst etwas einzuschenken. „Ja, bitte,“ entgegnete John, nun wieder offen lächelnd, sich langsam aufsetzend.

Sie aßen gemeinsam, nicht schweigend, sich leise miteinander unterhaltend über Edward und sein Buch, über die nickenden Mohnblumen mit ihren so zauberhaft roten Köpfchen, sprachen von Damocles Belbys neusten Versuchsreihen und von den kleinen Strauchrosen mit dem hübschen Namen Winchester Cathedral, die sie auf Isabels Grab pflanzen wollten. Die hatte sie gern gemocht. Englische Rosen, in Weiß, das waren ihre liebsten gewesen, und so sollte sie auch welche haben. Und wenn sie redeten, dann merkte John auch nicht, wie viel er tatsächlich zu sich nahm, und das konnte Remus nur recht sein. Also brachte er Thema um Thema auf, erzählte von den Vorbereitungen, die er begleitete, von den Zelten und dem Schmuck und der scheußlichen Galarobe, die James Potter sich zuerst ausgesucht hatte, bis Sirius Black ihm das hatte ausreden können. Und von Peter, den sie als Blumenmädchen abstellen wollten, wogegen er sich aber mit Händchen und Füßchen wehrte. Von der Vorstellung allein mussten Vater und Sohn herzlich lachen.

Diese Hochzeit war das Wichtigste für die fünf Freunde, die gerade erst die Schule verlassen hatten, das musste John niemand erklären. Und wahrscheinlich war ihnen das selbst nicht einmal klar. Leben feiern, inmitten von all dem Krieg, wo nun immer öfter im Tagespropheten Vermisste gemeldet wurden, wo Hexen und Zauberer verschwanden oder starben, die sich gegen diesen Wie-hieß-er-noch-gleich und seine Schergen stellten. Alles, was sie taten, drehte sich nur darum, keiner kümmerte sich um Zukunft, denn Zukunft hatten sie vielleicht nicht. Nur das Hier und Heute. Nun gut, Mr. Potter konnte sich auf das Vermögen seines guten alten Vaters stützen, und das nicht nur für eine möglichst ausgelassene Festivität auf dem Anwesen der Familie in Godric's Hollow, und Mr. Black hatte ja ebenfalls dank einer Unachtsamkeit beim Mischen eines Zaubertranks keinerlei Geldsorgen mehr (und soweit John das beurteilen konnte, dürfte er auch nie wieder welche haben), aber die restlichen beiden Herren könnten schon den ein oder anderen Knut vertragen. Und das möglichst rasch. Paddys Witwe hatte nicht viel. Die Entschädigung der Besenfirma war sicherlich nicht sehr hoch. Und Remus ...

Das Lächeln, das John hinter seiner an die Lippen gehobenen Suppenschale verbarg, war eine Spur gequält. Schlecht verdient hatten sie nicht, Is und er, nein. Aber billig war das auch alles nicht gewesen. Nicht nur der Ausbau des Kellerraumes. Nein, vor allem das viele Geld, dass er heimlich in die Forschungen seines Freundes Belby gesteckt hatte. Zutaten zu beschaffen, die streng reglementiert waren, die man erst mühevoll aus dem Ausland besorgen und nach England schaffen musste, fielen nicht in die Preiskategorie „Ei, Güteklasse A“. Natürlich wusste Remus nichts davon, natürlich hatte er ihm das nie gesagt. Und dennoch musste er irgendwann. Er konnte sich selbst von dem, was er hatte, gut über Wasser halten, und er hatte das Haus, und das musste eben reichen. Doch für Zwei, für ihn und seinen Jungen, würde es beileibe nicht genug sein.

„Hast du denn schon etwas gehört?“ fragte er also kleinlaut an, und ohne dass er es wirklich angesprochen hatte, wusste sein Sohn, wovon er redete. Fest schluckend, dass sein Kehlkopf einen Augenblick unter dem Zungenbein hängenblieb, bevor er langsam in seine Ausgangsposition zurückrutschte, rollte Remus die Augen nach oben. Er brauchte eigentlich nicht mehr zu antworten, diese Gestik war Ausdruck genug, und dennoch schüttelte er langsam und bedächtig den Kopf, dass sich aufsteigender Dampf von seiner Suppe als Tröpfchen in seinem Bart verfing. Heiser war es, was er heraus brachte, und sofort räusperte er sich: „Hab' noch nichts geschickt.“ Nein, auch das hatte John sich fast gedacht. Angst. Die erste Ablehnung mit fadenscheiniger Begründung hinauszögern. Nicht alle würden so feinfühlig sein. Mit Bedacht und Vorsicht wählen, wo man sich bewarb. Er drängte ihn nicht, auch wenn das Gefühl immer mulmiger wurde. Er musste einen Job finden. Möglichst bald.

Das selbe Bauchdrücken hatte sein Gegenüber, konnte es nur wesentlich schlechter verbergen. Am liebsten hätte er diese Prozedur hinausgezögert bis nach der Hochzeit, doch die war noch fast einen ganzen Monat hin. Solange würde er nicht warten können, und dennoch widerstrebte es Remus ungemein, sich jetzt schon damit befassen zu müssen. Es würde sowieso nicht gutgehen. Er wusste es, er wusste es einfach, und noch war es ihm unmöglich, einen Weg hinaus zu sehen aus diesem Problem. Beziehungen? Tricks und Kniffe? Wo fand man Arbeit, die niemand machen wollte? Wie kam man an die, die heimlich gaben? Er hatte keinen blassen Dunst. Nur manchmal, ganz leise im Hinterkopf, flüsterte ihm diese oft so gleichgültige Stimme zu, wie es vielleicht ginge, wo es einen Anfang gäbe, doch dann unterdrückte er sie jedes Mal ganz rasch und schüttelte sich und tat, als würde er sie nicht hören können. Bain. Canary Wharf. Nein, dorthin wollte er nicht gehen.

Die neu aufgekommene Stille zwischen ihnen gefiel keinem von beiden, und fast hätte John sich geschämt, einen so schönen Sonntag im Hochsommer von Yorkshire verdorben zu haben. Es war eine wichtige Frage, ja, aber die war für montags, für dienstags, für jeden anderen Abend, aber nicht diesen. Einen dürr gewordenen Arm ausstreckend, griff er nach Remus' Halsbeuge, so wie er es auch schon gemacht hatte, als ein 14jähriger Junge unter dem Weihnachtsbaum da vorn am Kamin gelegen und eine Kiste mit Zauberkreide jongliert hatte. Nur leicht drückte er zu und schob ihn vor und zurück, sein Zeichen von Beruhigung. „Vergessen wir das,“ flüsterte er, und fast klang seine Stimme genau so rau wie die seines Sohnes, wenn der volle Mond untergegangen war.

Nur zu gern! Lächelnd legte Remus seine stoppelige Wange gegen die Finger an seiner Schulter und rieb sich sacht daran, bevor er zwinkerte und seinen Teller abstellte. Mit den eigenen Händen umschloss er sie, zog sie nur zärtlich von sich herunter und hielt sie einen Moment fest, diese ehemals so kräftigen, geschickten Zauberstabmacher, nun nur noch Haut auf Knochen mit Gelenken, die wie geschwollen wirkten daran. Johns Hände. Vaters Hände. Und vorsichtig küsste er den Knöchel des Zeigers, ganz versunken in Erinnerung daran, was damit alles vollbracht worden war, ehe er begriff, was er da tat und errötend aufschreckte. Beinahe ein bisschen zu hastig erhob Remus sich und hielt dabei weiter den Arm fest, gab ihm schon einen kleinen Ruck, wie er ihn von dort oben anstrahlte. „Komm,“ forderte er ihn auf, „es ist Sonntag!“ John verdrehte die Augen und lachte, wo er doch ganz genau wusste, was sein Sohn damit meinte, und wie im Chor ergänzten sie: „Zeit für ein heißes Bad!“

Tradition im Hause Lupin! Einer nach dem anderen in früheren Zeiten, und sie behielten bei, was irgend ging, auch ohne eine Dame im Haus. Sicherlich, John konnte das nicht allein, oh nein, und auch wenn es ihm ein bisschen peinlich war: Wo er ihm anfangs nur Schutz, dann Stütze hatte sein müssen, so war er nun darauf angewiesen, dass Remus ihn – ja, schmerzlich war das, denn umgekehrt war es mal gewesen, noch gar nicht so lange her – vollständig in den Zuber heben musste. Und wie eine Fliege hob er ihn immer auf, so viel stärker und behender als so viele es ihm zutrauten. Guter Junge. Zum Überleben geboren.

„Also gut,“ gab der ältere Mr. Lupin auf, wie er schon die Beine vom Canapé schwang und die Decke von sich herunter schob. „Gehen wir.“ Und er stemmte sich mit großer Anstrengung auf die Füße, bereits japsend und keuchend von diesem Kraftakt. Sofort sprang Remus auf, breitete beide Arme aus, dass er ihm, schwankend wie er dort verharrte, nicht umfiel, doch John wehrte mit einer offenen Hand ab. „Gib mir einfach nur Zeit,“ bat er, und seine Brauen kräuselten sich schon wieder so zart missgestimmt. Nein, was er allein konnte, das wollte er allein bewältigen, und am liebsten hätte Remus geröhrt wie ein brünftiger Elch. Sturkopf. Trotz kleiner Schweißperlchen am Haaransatz blickte sein Vater lachend auf und zwinkerte ihm zu. „Bring du das Geschirr weg und lass Wasser einlaufen, und ich mache mich auf den Weg,“ deutete er mit den Armen schiebend Schneckentempo vor, so als müsse er sich wie eine Schildkröte durch den Sand ans Ufer ziehen, und nun war es an dem jungen Mann, mit den Augen zu rollen.

Ebenfalls halb lachend, zückte Remus den mahnenden Zeigefinger und drohte seinem Vater auf die selbe Weise, wie es Isabel immer getan hatte, wenn ihre beiden Männer wieder nur Blödsinn ausheckten. „Aber nur bis zur Treppe, hörst du?“ mahnte er, schaute ihn wie von unten her an. „Da wartest du auf mich.“ Schmunzelnd senkte John kurz die Augen, genau wie Kinder es taten, wenn ihre Mütter sie mit solchen Warnungen bedachten. „Ja ja, ich warte,“ versprach er, und noch einen Moment verharrte Remus und stierte ihn an. Wenig glaubwürdig. Naja, dann würde er sich halt beeilen müssen, damit der alte Herr es eben wirklich nur bis dorthin schaffte. Abspülen konnte er ja später. Es würde reichen, die schmutzige Schüssel, die beiden Teller und das Besteck in die Küche hinüber zu tragen, bevor er loseilen und die schönen Messingarmaturen im Bad öffnen konnte.

Sich abwendend und in den halboffenen Kragen seines Hemdes versteckt grinsend, schüttelte Remus vorsichtig den Kopf und sah zu, dass er Land gewann. Alles ineinander gestapelt war es nur ein kurzer Gang den Flur hinunter, vorbei an der weiß gestrichenen Wandvertäfelung unter der Treppe und in den Ziegelanbau auf der Rückseite des Hauses, über dem sein eigenes Zimmer lag. Oh, fantastisch, dieser Ausblick! Die ganze Fensterfront glühte förmlich, wie der Horizont in goldgelbe Flammen gesteckt wurde, wie sich der Himmel in Curry verfärbte und die gleißende Scheibe der Sonne ihr Haupt ein letztes Mal zwischen den Hügeln präsentierte, ehe sie dahinter versank und ein wohlig sommerlicher Schatten der aufziehenden Nacht sich über den blühenden Garten legte. Remus musste sich auf die Anrichte stützen und seufzen. Das hätte Vater sehen sollen.

Er hörte seine schlurfenden Schritte auf dem Korridor, und das bedeutete, dass er schon viel zu weit war und den Salon bereits durchquert hatte. Jetzt aber nichts wie rauf, oder er würde sich wieder nicht daran halten und sich allein die Treppe hochziehen, Schritt für Schritt, jede Stufe mit beiden Füßen betretend, aber aufwärts, und danach müsste er mindestens eine halbe Stunde auf dem Stuhl auf der Galerie sitzen, bevor er weitergehen könnte. Diese Nummer kannte Remus schon, und die würde er nicht noch mal mitmachen. Unnötige Kraftverschwendung. Flink, als wäre er eher ein Wiesel, huschte der junge Mann mit dem schlanken, hoch aufgeschossenen Körper an seinem Vater vorbei, der schon lachen musste davon, und auf allen Vieren polterte Remus nach oben, kurz rechts, sofort links und ins Badezimmer. Er würde es trotzdem nicht schaffen, alles vorzubereiten. Keine vier Vorwärtszieher war John von dem herrlichen Kirschholzgeländer entfernt, das so sorgsam poliert in dem Halbdunkel des Lupin'schen Flures glänzte.

Weiche Handtücher legte der Junge bereit, während süßlich nach Jasmin duftendes Badewasser einlief, die breite und fast sechseinhalb Fuß lange Wanne aus weißer Keramik mehr und mehr füllend, und leise nur summte er dabei vor sich hin. Die Lampe auf der Galerie sprang von allein an und leuchtete in gedämpftem Licht, wie Spellbound daran vorbei lief mit hoch erhobenem Schwanz und gesträubtem Fell, und das war es, was Remus aufmerksam werden ließ. Das war kein gewöhnlicher Kater, das war eine Knieselmischung, ein schlauer Kerl, den siebten Sinn und ein Gespür für alles um sich herum, und dass Spellbound sich so hastig und so aufgeregt bewegte, wo doch alles ruhig und still im Haus war, das mochte ihm nicht gefallen, und Remus spitzte die Ohren und zog instinktiv den Zauberstab aus seiner Gesäßtasche.

Herzklopfen. Merkwürdiges, tiefes Pochen, nicht das hohe, helle Hämmern wie vor einem Kampf, und er stand da, vornübergebeugt und lauschte, während nur das Wasser in den Rohren rauschte und so gleichmäßig den Spiegel anhob, dass es nicht einmal plätscherte. Kein Schlurfen. Ob Vater wirklich unten wartete? Das wäre eine Premiere. Und er wusste nicht, ob er das begrüßen oder eher fürchten sollte. Es schlug so urplötzlich in Panik um und trieb ihm das Blut in einer enormen Amplitude direkt in den Kopf, dass augenblicklich rasender Kopfschmerz einsetzte, doch Remus spürte das nicht. Dieses Geräusch würde er niemals vergessen, und mit so vielen Dingen, die ihm schon widerfahren waren und noch widerfahren würden, mischte es sich immer in das Crescendo des Schmerzes, wann immer ihm ein Seelenfresser zu nahe kam.

Wie eine Glocke, die man festhält und dann anschlägt. Wie ein Magnet, der auf sein Gegenstück trifft. Ein dumpfes, echoloses Klong, zwei Mal, so leicht versetzt, so kurz hinternander, dass man es kaum auseinander halten konnte. Ihm sträubten sich die Nackenhaare und die Augen weiteten sich, und zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte Remus Lupin eine gesunde Gesichtsfarbe, so sehr pulsierten ihm die Äderchen. Knie auf Kirschholz. Er ließ die Handtücher fallen und griff nach dem Türrahmen, riss sich aus dem Bad, sprang regelrecht über den kurzen Absatz der Galerie hinweg und wäre fast direkt die Treppe hinunter geflogen. Der Kater miaute, laut und kläglich, und alles, was Remus in der zunehmenden Finsternis des Abends erkennen konnte, war der zusammmengesunkene und nach vorn kippende Körper seines Vaters auf der zweiten Stufe. Ein Schritt zu viel.

Fluchen wollte er, sich die Haare raufen, ihn schelten, dass er es nicht hatte abwarten können, ehe es ihm auffiel: Er keuchte nicht. Er schnappte nicht nach Luft. Alles, was John Lupin tat war, sich eine Hand fest in das Hemd verkrallt gegen die Brust zu pressen, den Stock mit der anderen noch immer umklammert, zitternd, sich damit aufrecht stemmend, um nicht einfach hilflos und ohne die Chance, sich abzustützen, mit dem Gesicht auf die Stufen zu schlagen. Und dabei liefen seine Lippen tiefblau an, die Farbe sich ausbreitend wie ein Lauffeuer. Remus stürzte vorwärts, gerade rechtzeitig, wie die Hand nachgab und der Gehstock wegknickte, scheppernd gegen die Geländersprossen klackerte und auf dem Fußboden zum Liegen kam. Zu verstehen, was da geschah, war der Junge, zu dem der Mann geworden war, nicht in der Lage, und er wollte es auch nicht. „Pa!“

Sein Vater fiel ihm einfach in die Arme, steif wie ein Brett, das Rückgrat so weit durchgedrückt, wie er nur konnte, und dennoch wie blockiert die Atemwege. Nichts ging mehr. Nur rein, nicht raus, er konnte in der Umarmung spüren, wie sich der Brustkorb Stück für Stück und jedes Mal ein bisschen mehr ausdehnte, bis es nicht mehr ging, und die krampfhaften Züge versiegten langsam, während winzige rote Punkte auf das klare Weiß seiner Augäpfel traten. „Pa! Pa, nein!“ konnte Remus nur schluchzen und mit so viel Gewalt wie er aufbrachte, den Kragen seines Hemdes aufreißen, dass die Knöpfe nur so flogen, leise klirrend auf dem Holz aufkamen und ausrollten wie gedrehte Münzen auf einem Tisch, aus Spaß, gleich neben seinem Erlenstab. Es half nicht.

Sich selbst nun rückwärts fallen lassend, verschaffte der Sohn sich mehr Platz, dass er den Vater herumdrehen konnte, legte ihn sich halb auf den Schoß, doch auch das brachte keine Erleichterung. Der Krampf löste sich nicht, er kam nicht heraus, nur immer mehr und immer weiter blockierten sich kollabierende Lungenbläschen, und das Herz in der engen Brust raste und steuerte dagegen und damit nur immer weiter aufs Verderben zu. Bis es das nicht mehr aushielt. Und aussetzte.

„Nein, nein, nein ...“ wiederholte Remus nur immer wieder, wie ein sinnloses Mantra, genauso albern und hilfreich wie der Spruch eines Aviophobikers - „ich habe keine Angst vorm Fliegen“ - während ihm Hitze aus übermächtigem Schock in jeden Zipfel seines Körpers rauschte, wellenartig, so heftig und brutal, dass ihm die Finger pochten wie entzündet, jeder einzelne, und er hielt nur schaukelnd den Mann in seinem Arm, der nicht mehr atmete, der nicht mehr kämpfte. Und wie Remus John Lupin flüsternd flehte, „lass mich nicht allein, Pa, bitte lass mich nicht allein“, verlöschte das Silber und wurde grau und stumpf, und das Leiden hatte sein Ende gefunden.

Er saß da, auf der fünften Stufe, und das Wasser lief über den Rand der Badewanne und bedeckte den gefliesten Boden, sickerte hinaus auf die Galerie und tröpfelte wie in langen Fäden auf die Treppe aus Kirschholz, bald in Kaskaden, doch es war ihm egal. Er hielt ihn nur fest und wiegte ihn, so wie er ihn damals auf der staubigen Straße in einer Juni-Nacht gehalten hatte, verloren diesmal, für immer. Und die Tränen fielen nicht, sie rannen, und das Herzblut floss, bis er nichts mehr davon zu haben schien und taub und kalt und müde war, und vielleicht schlief er sogar so ein. Allein. Ganz allein. Denn John Edward Lupin war nach Hause gegangen.


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