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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Abseits der Winkelgasse

von Teekon

Angenehm warm und dunkel war es in dem Kellergewölbe, und die hohe, abgerundete Decke spannte sich darüber aus wie ein künstlicher Himmel. Im flackernden Schein von ein paar Fackeln im Treppenaufgang und der schmalen Laterne gleich neben ihm, tanzten lustige Schatten darüber hinweg, und man konnte sich wie in einer Bärenhöhle geborgen fühlen. Nicht einmal kahl waren die Wände, sondern über und über mit Regalen bedeckt, vollgestopft von den untersten Pfosten bis nach ganz oben mit lauter Heften, Büchern, historischen Wälzern und Listen. Immer vielleicht fünf Exemplare einer Ausgabe reihten sich aneinander, stapelten sich, je nach Format und Dicke und Größe, damit möglichst viel in einen Raum passte, und trotzdem mussten zusätzlich Tische, Rollwagen und Hocker herhalten. Und das hier war nur der Hauptkeller.

Verborgen zwischen Schränkchen und Kommoden zweigte hier und da ein niedriger Gang in die Tiefen der Katakombe ab, wo es in muffige, enge Kammern ging, und dort lagerten weitere Schätze an Literatur, Nachschlagewerken und Lexika. Nur die wenigsten Angestellten durften jemals alle davon gesehen haben, denn je weiter hinten sich eine Publikation befand, umso seltener wurde sie verlangt oder erst recht gekauft. Hier unten kannten sich nur die Ladenbesitzer selbst aus, was in nächster Zeit zu einem Problem werden durfte, denn mittlerweile konnte Mr. Blotts sich schon mal gar nicht mehr weit genug herunter bücken, um überhaupt nur in einen der Stollen hinein blicken zu können, geschweige denn, darin herum zu stöbern und auch noch das Passende heraus zu holen.

Viel zu wenige junge Leute interessierten sich für das Handwerk des Archivars und Buchhändlers in diesen Tagen, das hatte Mr. Flourish vorhin noch beklagt, und das tat er ziemlich oft neuerdings. Die selben Schwierigkeiten hatten andere traditionelle Zweige auch, vor allem die Zauberstabmacher, und das war ja immerhin ein mindestens genau so essentieller Bestandteil der Hexerei wie das Sammeln von Rezepten und die Niederschrift zauberischer Errungenschaften, oder etwa nicht? Der junge Mann hatte sich zurückgehalten und lieber nicht seine Meinung kundgetan, dass, rein logisch betrachtet, so ein Zauberholz doch ein klitzekleines Bisschen wichtiger war als Bücher, und wenn er selbst sie noch so gern hatte.

Schmunzelnd rieb er sich nun den Bart, wie er darüber nachdachte und den Federkiel erneut vorsichtig, aber bestimmt, am gläsernen Rand des Tintenfasses abschlug. Fast lachhaft, ein wenig bitterlich sogar, mochte er das nennen, wenn Mr. Flourish ihm seine Nachwuchssorgen beichtete, ausgerechnet ihm, der sofort und ohne zu zögern eine Lehrstelle angenommen hätte, auch wenn er das dafür übliche Alter längst weit überschritten hatte. Ein Buchladen. Ein Traum. Aber der Foliateur kam nicht einmal auf die Idee, ganz instinktiv nicht, und dafür brauchte er nicht einmal ignorant oder heuchlerisch zu sein. So war das eben. Er durfte sich hier gern die Nächte um die Ohren schlagen, aber oben blicken lassen, nein, das ging nicht, und weder musste Mr. Flourish darum bitten, noch hätte Remus Lupin es jemals in Betracht gezogen.

Wie er es erwartet und berechnet hatte, war er genau zur rechten Zeit fertig geworden mit seiner Arbeit. Draußen hinter dem winzigen Fensterchen, keinen Fuß breit und kaum ein Drittel so hoch, mit einem schweren, verwobenen Eisengitter geschützt, flackerte so gerade erst das zarte Licht von Morgendämmerung auf. Genau richtig, um die einzelnen Schreibgeräte sorgfältig zu säubern, während die letzten geschriebenen Worte und Zahlen in dem dicken, gebundenen Buch von feinstem Pergament noch vor sich hin trockneten. Mit guten Leinentüchern wischte er die Federn ab, zärtlich regelrecht, um ja nicht die Spitzen zu verbiegen, aber gewissenhaft, dass auch kein Tröpfchen verklebender Tinte daran zurück blieb. Jedes einzelne Fässchen in den drei üblichen Farben für derlei Arbeit – Azur, Karmesin und Kobalt – verschraubte er wieder mit dem dazu gehörigen Deckel, pflanzte die Federn auf und putzte den Abakus ab, den er für seine Berechnungen verwendet hatte.

Nur ein kleines Schälchen mit schwarzer Farbe, einen alten Kurzkiel darauf, ließ er noch offen, damit der Meister selbst unterschreiben konnte, wenn er gleich herkam wie verabredet, und dann schob Remus Lupin langsam den Stuhl nach hinten und reckte sich ausgiebig. Eine lange Nacht war das gewesen, und die Augen schmerzten ein wenig, so dass er sich Daumen und Zeigefinger gegen die Lider drücken musste. Geschafft, er konnte zufrieden sein. Auf den Knut genau stimmte die Abrechnung, nichts verloren gegangen, nichts unerklärlich dazu gekommen, und das sauber und einfach nachvollziehbar. Wie in jedem Jahr. Mr. Flourish und Mr. Blotts würden sich keine Gedanken machen müssen.

Auf die Uhr zu schauend, die er sich vom Handgelenk gelöst und lang ausgebreitet auf der Tischplatte neben seinem Arbeitsutensil abgelegt hatte, war gar nicht notwendig. Eumenes Flourish war immer pünktlicher als der Hogwarts Express am 1. September, und die ersten Schritte seiner Gamaschen-bestückten Schuhe klapperten schon über die steinernen Stufen, ehe der Schlüsselbund schepperte, um die Tür vom Geschäft zum Keller hinunter aufzuschließen. Sein vergnügtes Murmeln mischte sich mit dem Rascheln eines Papierstapels, vermutlich Bestellisten und der neuste Tagesprophet, wie er einen langen, aber von nur funzligem Licht verschwommenen Schatten hinunter in das Gewölbe warf, den enorm großen, schwarzen Schlüssel aus dem Schloss zog und die ersten Stufen abwärts eilte.

„Guten Morgen, guten Morgen!“ wünschte der Buchhändler, und der großgewachsene Mann, der noch die Füße unter seinem Stuhl gekreuzt hatte, drehte sich herum und lächelte aus müden, aber zufriedenen Augen. „Guten Morgen, Mr. Flourish,“ grüßte seine heisere Stimme mucksmäuschenstill, so als müsse er bereits mit Kundschaft rechnen, und ein bisschen klang er dabei immer noch wie ein ehrfurchtsvoller kleiner Junge, der mit großen Augen über die Ladentheke stierte und diese riesige Menge an Büchern kaum fassen konnte. Davon musste der Geschäftsinhaber kurz inne halten und ihn sich betrachten, wie er da hockte an viel zu niedrigem Schreibtisch, längst alles ordentlich zusammen geräumt, die schäbigen Kleider viel zu weit und beinahe mehr graue Flecken im Haar als er selbst. Er konnte es nicht ändern. Oder zumindest nicht mehr als er es auf bescheidene Weise schon tat.

Die letzten Yards überwindend, wuselte Mr. Flourish im Slalom um seine eigenen Bücherstapel herum auf den heimlichen Mitarbeiter zu, erreichte ihn, noch ehe Remus „ich bin fertig, Mr. Flourish“ sagen konnte wie ein artiger Schüler in der Klasse und dabei mit ausgestreckter Hand sein Werk präsentierte. Eigentlich brauchte er sich das gar nicht großartig anzusehen. Es würde perfekt sein, wie immer, und so klopfte der Buchhändler ihm nur auf die Schulter und beugte sich kurz darüber, um die letzten verglimmenden Glitzerchen von gerade eben trocknender Tinte zu erhaschen, drückte sich die Brille fester auf die Nase und nickte mit geschürzten Lippen. „Sehr schön, Remus, sehr schön,“ lobte er, langte ohne die kleinste Kontrolle nach dem übrig gebliebenen Federkiel und setzte seine enge, fast wie gedruckt ausschauende Unterschrift unter die letzten Zeilen.

Damit war seine Arbeit gänzlich erledigt. Verantwortung trug er keine, aber nur ein Dummkopf verprellte gute Kundschaft, und gerade das war Remus Lupin keinesfalls, dumm. Ihn von der Seite her, vorbei an seinem eigenen kaiserlichen Backenbart, anschauend, zwinkerte Mr. Flourish und griff sich in die Innentasche seines herrlich warmen Lodencapes, dass er über einem schweren, dunklen Tweedanzug trug. Heraus zog er den wie immer vorher vereinbarten Lohn, ein fröhlich klimperndes, faustgroßes Säckchen mit Ausbeulungen aus lauter Münzen. „Das hier ist für dich, Remus,“ überreichte er es fast feierlich, und wie in jedem Januar wurde der junge Mr. Lupin ein wenig rot davon. Denn diese Ausgabe verzeichnete er nie in dem soeben fertig gestellten Bericht.

Zögerlich nahm der Teilzeitmitarbeiter die Jute entgegen, traute sich kaum, sie in den Händen abzuwiegen und erst recht nicht, die Kordel zu lösen, um oben hinein zu schauen. So etwas konnte man sich in seiner Position kaum leisten. Allerdings war er hier sicher, konnte davon ausgehen, dass Mr. Flourish und Mr. Blott lieber heimlich etwas mehr hinein taten als zu wenig. Die Abhängigkeit beruhte auf Gegenseitigkeit, und auch wenn er hier wenig Möglichkeiten hatte, die Herrschaften hinein zu reiten, so hatte er sie doch gewissermaßen in der Hand. Beide Parteien wussten das, doch wenigstens hier musste sich niemand Sorgen machen. Lupin war nicht der Typ für Betrügereien, die beiden Buchhändler vertrauten ihm. Und er wusste, wie sehr seine Arbeit geschätzt und entsprechend entlohnt wurde. Jedes Mal.

Nur ganz sacht lächelnd, versenkte der junge Mann das Säckchen in seinem eigenen Mantel, einem viel zu dünnen Baumwollstoff, wie sein kurzzeitiger Arbeitgeber bemerken musste und beklommen die Stirn in Falten legte. Einen fransigen alten Schal schlang Remus um seinen Hals, wie er seufzte und nach dem einen Ärmel forschte, um sich anzuziehen. „Ich geh' dann wohl mal,“ deutete er mit Kinn und ausgestrecktem Zeigefinger, schon umständlich dabei, sich den Trenchcoat über die Schultern hochzuziehen, auf die schwere Eisentür mit den mittelalterlichen Beschlägen gleich neben dem winzigen Fensterchen. Durch den Laden und die Tür im Schaufenster hinaus zu treten, war nicht wirklich ratsam, auch wenn es noch sehr früh und weit vor Geschäftszeiten war. Lieber ein bisschen heimlicher, wenn man konnte.

Man mochte ihn gar nicht so nach draußen schicken. Er sah aus wie ein Blatt im Wind, und dabei stand er noch gar nicht auf der zugigen Gasse. Keine Stiefel, bloß ausgetretene braune Lederschuhe, die Hosen darüber etwas zu kurz, dass die Kälte in die schlackernden Beine hinauf kriechen konnte, und dieses euphemistisch nur als Mantel zu bezeichnende Kleidungsstück ragte dem sehr großen Mann bis grad mal an die Knie. Hier drin war es herrlich warm, hatte der Kamin, der von hier unten auch tagsüber den Laden beheizte, alles hübsch wohlig gehalten, aber es war nunmal tiefster Winter. Ach, selbst wenn er etwas hätte tun können: Remus hätte es nicht zugelassen. Nur Arbeit ließ er sich bieten, nur eine Möglichkeit, sich das, was er brauchte, zu verdienen.

„Wenn ich dich mal wieder brauche ...“ holte Mr. Flourish Luft, wie der junge Kerl schon die schwere Klinke herunter drückte und sich dem Zuruf noch einmal zuwandte. „Dann finden Sie mich sicherlich, Sir,“ lächelte er und wusste genau, dass es nicht allzu schwer war. Eine Eule, ein Sickle in den Händen eines Straßenjungen und schon konnte man die „Ich-GmbH Remus Lupin – Buchführung, Bauplanung, Archivierung und Recherche“ engagieren. Naja. Er machte auch Umzüge und Kaminkehrerei, egal, was anfiel. Zufrieden und freundlich erwiderte der Buchhändler die Mimik und hob zum Abschied eine Hand. Was für eine Verschwendung.

Schon als er das massive Tor in den wunderbar warmen Kellerraum zog, wusste Remus eins: Nach Hause, so schnell wie möglich, und selbst das wäre die reinste Tortur. Es war eisig kalt. Schneidender Wind rauschte in die schmale Gasse hinein und verfing sich in dem Windfang unterhalb der fünf Stufen, die hier herunter führten. Augenblicklich kroch ihm die Kälte mit tastenden Fingern nicht nur in die Hosenbeine, sondern auch zwischen die Knöpfe seines Mantels bis runter auf den bloßen Bauch, und eine schmerzhafte Gänsehaut breitete sich über seine ganze Front von den Knöcheln bis zum Hals hinauf aus, wo der Schal sie stoppte. Aua. Die eine Hand tief in einer dünnen Tasche versenkend, duckte er den Kopf zwischen die Schultern und hoffte, dass Mr. Flourish nicht sah, wie grässlich er fror. „Wiederseh'n,“ grüßte er noch, bekam den Namen jedoch vor klappernden Zähnen nicht mehr heraus und schlüpfte hinaus auf die Hintertreppe.

Es wurde nicht besser dadurch, dass er die Tür ins windstille Gewölbe zuzog. Rasch auch die zweite Hand in eine Manteltasche stopfend, krümmte Remus sich so weit zusammen, wie es eben ging, aber bei dieser Größe und Statur war das komplett vergebliche Liebesmüh. Der Sturm erwischte ihn auch so wie eine schlanke Tanne allein auf weitem Feld. Wenigstens regnete oder schneite es nicht auch noch. Es war einfach nur trocken und fies kalt, aber das reichte aus, um einem die wenigen Meter nach oben und aus der schmalen Seitengasse hinauf auf die Hauptstraße des Einkaufsviertels zur Hölle zu machen. In Aldgate würde es kaum wärmer sein, erst recht nicht, wo er die ganze Nacht fort gewesen war. Am besten gleich ins Bett. Das konnte er sich heute leisten, ein bisschen ausruhen, schlafen unter der kuschligen Decke, und dann vielleicht am Abend noch nach einer Mahlzeit (endlich was Warmes – er tätschelte liebevoll das Goldsäckchen) und dem nächsten Job umschauen.

Noch ehe der schrecklich dürre Mann die ersten Stufen hinauf geeilt war mit augenblicklich eingesteiften Gelenken und verhärteten Muskeln, die krampfhaft zu zittern versuchten, war ihm die Nase ganz eingefroren und bekam eine deutlich violett-blaue Tönung ganz vorn an der Spitze. Er bemerkte das kaum, stapfte einfach nach oben und wappnete sich für eine mit Sicherheit über ihn hereinbrechende Böe aus klirrendem Frost, die er auch prompt in voller Breiseite abkriegte. So tief in sich selbst versunken, um den schmächtigen Körper mit den eigentlich für mehr Kraft und Gewicht ausgelegten Schultern vor dem Wetter zu schützen, hätte er die andere Person dort in der Gasse gar nicht bemerkt, hätte sie ihn nicht angesprochen.

Er war eben unverkennbar. Man konnte ihn nicht übersehen, dafür war er zu lang, und man konnte ihn auch nicht verwechseln mit der prominenten Nase, den rautenförmigen Ohren ohne Mütze, den fussligen, hellbraunen Haaren und dieser ganz speziellen Art, sich flüssig, aber nicht geschmeidig zu bewegen. Innehaltend, wie sie auf der kleinen Stufe zur Hintertür stand, den Zauberstab schon gezückt, um das Schloss zu öffnen, drehte sich die junge Frau gänzlich herum und zog ihr Gesicht hinter dem weichen Kaschmirschal hervor, um sprechen zu können. „Remus?“ fragte sie ganz verdutzt darüber, ihn hier anzutreffen, so früh am Morgen und an diesem Ort. „Remus Lupin?“

Wie angewurzelt blieb der schlanke Mann sofort stehen, und als wenn das nicht schon Bestätigung genug gewesen wäre, reckte er den Hals trotz der Kälte aus seinem Kragen heraus und präsentierte damit seinen charakteristischen Kiefer, übersät mit ein paar Tage alten Stoppeln und einem flaumigem Bart auf Oberlippe und Kinn. Silbergraue Augen, leicht gerötet von durchgemachter Nacht und müde, blinzelten zu ihr auf, wo er noch auf der Treppe stand und sie ein wenig erhöht in der Gasse. Er war es wirklich. Und augenblicklich erkannte er auch diese umwerfende Dame, die ihn da aus seinen Träumen von Erbseneintopf mit Würstchen gerissen hatte, und das wie immer so blasse und kränkliche Gesicht strahlte mit einem Mal wie einer der Sterne am nach und nach von Sonnenlicht erobertem Himmel.

Trotz der Kapuze ihres mit grau-braunem Fell gefütterten Mantels musste man gleich wissen, wer das war. Langes, brünettes Haar spielte um die weichen Wangen, und ihre großen, runden Augen sprühten regelrecht. Gut eingepackt für die Jahreszeit, trug sie passende Handschuhe, und der Zauberstab ging fast darin verloren, so riesig wurden ihre doch sonst so zierlichen Finger darin. „Serena?“ fragte Remus auch nur der Versicherung halber, und die beiden alten Schulfreunde brachen in kurzes Gelächter aus. „Was machst du denn hier?“ konnte sie wohl kaum glauben, ihm ausgerechnet in der Winkelgasse über den Weg zu laufen, nur ein winziger Schuss dieser selbstverständlichen Meidung dazwischen gemischt, die auch Mr. Flourish so reuelos in sein Verhalten hinein spielen ließ.

Die Antwort gab Remus nicht selbst. Gut geölt machte die Hintertür des Buchladens kein Geräusch, wie der Inhaber sie wieder aufstieß und nun selbst heraus schlüpfte, sorgfältig abschloss und mit einem dicken, schweren Schinken in Leder gebunden und ohne Stanzschrift darauf unterm Arm die Stufen erklomm. Wie er den jungen Mann entdeckte, der nun am oberen Ende des Geländers lehnte und sich mit einer gut bekannten Dame in der Gasse unterhielt, griff automatisch sein Öffentlichkeitsgesicht, und ein mürrisches, misstrauisches Leuchten glitt in seine Züge. Er musterte Remus so abschätzig, als kenne er ihn gar nicht, als müssten abgetragene Kleider wie diese Zweifel und Skepsis hervorrufen, während er gleichzeitig in Richtung der jungen Frau seine Melone lupfte und freundlich, aber distanziert „guten Morgen, Ma'am“ grüßte und sich schon in Richtung der offenen Straße bewegte.

„Guten Morgen, Mr. Flourish!“ antwortete Serena fast flötend, und ihr schien kaum aufzufallen, wie merkwürdig der Buchhändler jemanden betrachtete, der soeben noch aus seinem eigenen Keller herauf gekommen war. Ganz verlegen nestelte Remus an seinen bloßen Händen herum, und erst jetzt bemerkte sie, dass er, im Gegensatz zu ihr, keine Handschuhe trug. Weiß wie frisch gefallener Schnee waren seine langgliedrigen Finger, und bläulich schimmerte das Nagelbett hindurch. Schon vom Hinsehen wurde ihr kalt, aber der Jahrgangsbeste von 1978 hatte offenbar kein Gespür dafür. Mit einem Achselzucken ruckte sein Kopf dorthin, wo soeben noch Eumenes Flourish gestanden hatte, und entschuldigend lächelnd erklärte er ihr die Situation. „Ich mache ihm die Geschäftsführung,“ sagte er, „er sieht nicht mehr so gut.“

Nur für wenige Sekunden kam ein wenig Stille auf zwischen ihnen beiden, bevor der junge Mann sich fing und wieder aufschaute, genauso strahlend wie vor diesem kleinen Zwischenfall. Er freute sich ehrlich, sie zu sehen. Und sie sich auch, ihm begegnet zu sein, das konnte und wollte sie gar nicht leugnen. „Und was treibst du zu so früher Stunde hier?“ grinste er sie an, so verschmitzt und albern wie zu Schulzeiten, und die hübsche Dame in ihrem schicken Mäntelchen deutete auf die Tür, auf die sie zugehalten hatte. „Oh, ich wollte nur rasch in die Kanzlei meines Mannes,“ hielt sie eine kleine Aktentasche hoch, die sie dort abzugeben gedacht hatte, wo noch niemand in den Büroräumen war. Nur ganz winzig auf dieser Seite, wesentlich kleiner als am Haupteingang für die Kundschaft, prankte hier ein Schild mit der Aufschrift: Anwälte für magische Angelegenheiten – Prittchard und Meadowes – Sprechzeiten nach Vereinbarung.

Moment. Sie hatte „Mannes“ gesagt. Ganz verdutzt knickte Remus in der Hüfte ein und deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger und steil hochgezogenen Brauen auf die beiden Namen, die sich dort deutlich vom Hintergrund abhoben, und auch wenn beides irgendwie ungewöhnlich schien in seinen Augen, traute er Serena Dearborn (die jetzt wohl nicht mehr so hieß) doch ein gewisses Maß an Geschmack und Anspruch zu. Den Zeiger um das eigene Grundgelenk rotieren lassend, spitzte er die Lippen und fragte halb belustigt: „Dennis Meadowes?“ Die Dame quiekste und senkte den Blick, zog gleichzeitig die Schultern hoch und kicherte sich in den Fellbesatz ihres Kragens, wie es nun an ihr war, die dick eingemummelten Finger miteinander spielen zu lassen.

Ausgerechnet Dennis? Na, wenn das mal keine Überraschung war. Lachend, aber nicht schadenfroh, sondern sich ehrlich für sie freuend und dabei trotzdem sein Erstaunen über diese Entscheidung kund tuend, klopfte Remus Lupin sich auf den Oberschenkel und richtete sich wieder auf. „Ein bisschen merkwürdig, nicht wahr?“ lächelte Serena und wischte sich mit dem Daumen über die vollen Lippen. Ohne zu zögern grinste er. „Allerdings.“ Und sofort mussten beide wieder lachen, ehe sie erneut die Achseln zuckte. „Naja, er ist ein guter Freund meines Bruders,“ brauchte sie eigentlich nicht zu erinnern, und Remus' Nicken bestätigte ihr, dass er sich gut entsinnen konnte. Den Kopf rasch hebend, leuchtete sie ihn richtiggehend an, wie sie „wir haben zwei süße Mädchen!“ eröffnete. Sein Brauenhochziehen und der angedeutete Pfiff, ersetzt durch ein gratulierendes „Oha!“ gefielen ihr mindestens genau so gut.

Er freute sich darüber so süß und echt und ehrlich, dass sie sich gleich noch mal so grässlich vorkam. Da stand er, dieser furchtbar liebe und nette Kerl, arm wie eine Kirchenmaus, das war so deutlich wie der helle Streifen am Horizont den Tag ankündigte. Und hier war sie, eine vielleicht gerade mal im oberen Durchschnitt angesiedelte Schülerin mit ihrem teuren Nerz und den Perlenketten, die er nicht sehen konnte, und er dort unten, der Jahrgangsbeste, ein glattes Outstanding-NEWT, und machte heimlich einem Verkäufer die Bücher, der ihn nicht einmal auf der Straße grüßte. Manche mochten sowas witzig finden, mochten sich darüber amüsieren, wie tief er gefallen war, der letzte der Könige von Hogwarts, aber sie konnte das nicht. Sie hatte diese Jungs gekannt. Wie Pech und Schwefel. Wie Salz und Meer. Wie Feuer und Flamme.

„Dennis Meadowes,“ wiederholte Remus und schüttelte schmunzelnd den Kopf, schreckte Serena damit aus ihrer Grübelei, und sie musste schon wieder lachen. Er war nicht der Einzige, den ihre Wahl mehr als verwundert hatte, und das war ja nun auch nicht allzu schwierig. Kichernd rollte sie mit den schönen Augen und musste schon wieder die Schultern heben. „Ja, ich weiß,“ streckte sie ganz leicht die Zunge heraus. „Passt eigentlich gar nicht zu mir, der Gute.“ Prustend hielt Remus sich eine Hand vor den Mund und rieb sich den vor Kälte steif abstehenden Bart. „Viel zu bodenständig und solide und so grauenvoll,“ sie zog das Wort ungebührlich in die Länge, „langweilig!“

Das war vielleicht übertrieben, aber lustig war es allemal. Ja, Dennis war nicht gerade der Partyknüller gewesen auf der Schule, und zum Amusement seines Hauses hatte er auch recht wenig beigetragen. Aber er war ein guter Kerl, ein tapferer Kerl, ganz so wie seine Familientradition es heraufbeschwor. Er konnte ihn sich ausgezeichnet vorstellen an ihrer Seite, mindestens genau so sehr wie in der roten Robe des Anwalts, so wie es auch Charlus Potter und seine Tante Dorcas vor ihm getan hatten. Noch in Gedanken bei dem griesgrämigen Jungen aus der Klasse über ihm, war Remus unbewaffnet, wie Serena fortfuhr und das eigentlich selbst gar nicht wollte. „So ganz anders als ...“

Sie brauchte den Namen nicht auszusprechen. Beide wussten, von wem sie sprach, und während sie den Blick senkte und ihre eigenen Hände betrachtete, versackte der letzte Rest warmen Blutes aus seinem Kopf. Es tat eben immer noch weh. Nach all diesen Jahren war es der gleiche, schockierte Schmerz, zusammengeknüllt zu seiner kleinen Kugel irgendwo zwischen den Rippen, die kurz aufbrannte wie ein Tauchsieder und wieder verlosch, um Leere und einen großen Berg von Nichts zu hinterlassen. Der eisige Frost nagte nur noch oberflächlich an ihm, und er konnte ihre leisen Fragen ertragen. „Hast du,“ Serena zögerte und wog den Schädel hin und her, „hast du mal was von ihm gehört?“

Augenblicklich schüttelte Remus den Kopf, um das gleich wieder zu revidieren und die Nase kraus zu ziehen. „Er hat mir Briefe geschickt,“ fiel es ihm wieder ein, und er hatte nicht so recht Ahnung, wieso er ihr das eigentlich erzählte. Es war nicht von Belang. Nichts im Bezug auf jenen Mann war von irgendeiner Bedeutung. „Oh?“ hörte er sie hoffnungsvoll fragen, und auch ohne Hinzusehen wusste er, dass sie dazu aufschaute und ihn forschend betrachtete. „Ich habe sie nicht gelesen.“ Für einen Sekundenbruchteil hätte er schwören können, dass sie ihn um die Zeilen bitten wollte. Aber selbst wenn er sie gehabt hätte, wäre das keine gute Idee gewesen. Verbrannt. Jeden einzelnen. Ungeöffnet.

Wie sie rasch zwei Schritte von den Stufen herunter trat und nun endlich die gewohnten Verhältnisse herstellte, bekam er gar nicht so recht mit. Erst als sie mit den herrlich weichen Kaschmirhandschuhen nach seinen halb erfrorenen Fingern greifen wollte, schreckte Remus hoch und entzog sich der Berührung vorsichtig, aber bestimmt. Dieses Mitleid da auf ihrem Gesicht, das war nicht auf seine Situation an sich gemünzt, doch das machte es nur wenig erträglicher. „Das von damals tut mir alles so leid,“ flüsterte die hübsche Dame und streifte ich die Kapuze ab, dass ihre Haare in den kräftigen Böen leicht flatterten. Und er lächelte. Halb achselzuckend, halb greinend, legte Remus die Wange auf seine eigene Schulter und schloss die Lider in verlängertem Reflex. „Das ist schon sehr lange her, Serena,“ behauptete er, und sie konnte es ihm nicht glauben.

Und wenn es 100 Jahre werden würden. Wie könnte eine solche Wunde jemals heilen? Ja, der Krieg war vorüber gegangen, der Krieg war gewonnen worden, aber um welchen Preis? Und wer hatte ihn gezahlt? Was auf viele Schultern verteilt gewesen war, am Ende war es hier gelandet, auf dem Rücken dieses Mannes, der da vor ihr stand. Allein. Sie alle gegangen, beste Freunde tot, das Mädchen (und das konnte er leugnen, so oft er wollte) seines Herzens tot, der alleinig Übriggebliebene ein Verräter. Und er? Seine Hände waren jetzt blau. Seine Nasenspitze glühte wie die eines Säufers. Der ganze schlanke Körper zitterte unter bebendem Frost. Es war nicht fair. Dass er noch lebte, dass er hier stand und sie anlächelte – lächelte! – ein grausames Wunder.

Fröstelnd zog Remus den Hals herunter, wie er aus seinen Gedanken aufwachte und die Lippen zusammen gepresst seufzte. „Aber du hast zu tun, und ich ...“ deutete er verlegen auf die Tür zur Anwaltskanzlei und auf die Aktentasche unter ihrem zierlichen Arm, und Serena Meadowes errötete heftig. „Oh. Ja,“ fiel es ihr selbst wieder ein, dabei war das alles gar nicht so wichtig. Er schaute eher aus, als könne er einen heißen Tee mit Milch und Zitrone gut vertragen, und es wäre sicherlich schön gewesen, mit ihm zu frühstücken. Sie könnte ja bezahlen, das wäre ja kein Problem, aber. Nein. Das würde er nicht zulassen. „Und ich sollte dann mal ...“ weiter kam er wieder nicht, wie er jetzt den Arm in Richtung der Winkelgasse ausschwenkte.

Am liebsten wollte sie ihm irgendwas mitgeben, nur eine Kleinigkeit, alles, was ein Gewissen beruhigen konnte, wie ihm der Wind die so früh graumellierten Haare zerzauste, aber alles, was sie in ihrer Manteltasche fand, war eine der kleinen Pergamentkärtchen ihres Mannes. „Ja, also,“ fing er schon an und lächelte schon wieder, ein bisschen wehmütig, aber immer noch ehrlich. „Es war sehr schön dich zu sehen, Serena.“ Und er meinte das so, das war wie kleine Silberstreifen in seinen so hübschen Augen zu erkennen. Die hatte sie noch nie bemerkt, fiel ihr jetzt auf, und die blitzenden grünen Sternchen darin waren tanzende Schnuppen. „Dich auch, Remus,“ konnte sie ganz wahr bekunden, und musste ihn unbedingt drücken. Dünn war er, aber kräftig die Arme, gestählt von harter Arbeit, und es fühlte sich gut an, sich von ihm umarmen zu lassen. Gar nicht so unbehaglich und furchtsam, wie sie sich das vorgestellt hatte. Sowieso lächerlich, die Vorstellung.

„Hör mal,“ musste Serena unbedingt noch los werden, wie sie das Zettelchen aus ihrer Tasche zog und es ihm hinstreckte. „Wenn du irgendwas brauchst, ganz egal was,“ da kroch schon eine solche Abwehr in seine Züge und seine ganze Körperhaltung, wie Remus sich die Hände in die Taschen stopfte und einen schwankenden Schritt rückwärts tat, „Arbeit von mir aus,“ winkte sie ab, dass er das nicht falsch verstand. Kein Almosen geben wollte sie. Das hatte er nicht nötig, und das würde sie ihm auch nicht antun. „Meld' dich bei Dennis, hörst du?“ Der großgewachsene Mann Anfang 30 entspannte sich und beugte sich wieder vor, nahm die Visitenkarte entgegen und nickte zustimmend. Na gut, dagegen hatte er nichts. „Danke,“ murmelte er klar und zog sich wieder zurück, um endlich den Heimweg anzutreten.

Sich die Kapuze wieder über den Kopf ziehend, die Wärme davon jedoch nicht genießen könnend, trat auch Serena auf die Stufen hinauf, die zur Hintertür führten. „Ja, also dann,“ sagte sie und winkte ihm mit den dicken Fäustlingen, und Remus Lupin hob eine blässlich-blaue Hand mit rissig trockener Haut. „Mach's gut, Kleine!“ grüßte er, und seine langen Beine holten aus, das Kopfsteinpflaster der Winkelgasse zu betreten, von woaus er rasch apparieren konnte. Warum sie das jetzt wissen wollte oder wieso sie darauf kam, davon hatte sie keine Ahnung. Aber wenn jemanden fragen, der es wirklich beantworten konnte, wen, wenn nicht ihn?

„Hey, Remus!“ rief sie ihn zurück, und mit gerunzelter Stirn schaute er um die Ecke herum, hinter der er schon halb verschwunden gewesen war. „Ja?“ Es kam ihr albern vor und lächerlich; auch sie hatte die Berichte gelesen und kannte die Fakten, magische wie logische. Trotzdem war der Zweifel da, und sie konnte sich nicht vorstellen, damit die einzige zu sein. Denn wenn doch, dann war so vieles in ihrem Leben genauso gelogen und betrogen worden wie in dem jenes jungen Mannes dort hinten. „Glaubst du, er hat das wirklich getan?“

Es sah nicht mal so aus, als überlege Remus Lupin lange. Er sackte nur leicht in sich zusammen und hielt sich an der Ziegelmauer des Hausecke fest, starrte einen winzigen Moment ins Leere und sah sie wieder an. „Ich wünschte, ich müsste nicht,“ erwiderte er dann genau das, was er fühlte, grüßte noch einmal mit dem Kinn und war fort. Sie blieb zurück, Serena Meadowes, geborene Dearborn, atmete die frische, kalte, klare Winterluft und nickte sich selbst zu. Ja, sie wünschte auch.


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