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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - In Weasleys' Küche

von Teekon

Und der Schnee fiel immer noch in herrlich dicken, weichen Flocken zur Erde herab, von keinem zerrenden Lüftchen bewegt, und in der absoluten Flaute bedeckten sie die bereits gut einen Fuß hoch eingeschneiten Wiesen und Hügel und kleinen, eingeschnittenen Täler mit einer frischen Schicht puderigen Überzugs. Halb zugefroren, wieder aufgebrochen und erneut unter den Frost geraten, holperte der schmale Bachlauf durch die nahe liegenden Schafweiden, auf denen nun nicht einmal Rehe ihre Spuren hinterließen. Viel zu tief und zu dicht für größere Tiere. Gnome jedoch pflügten sich gelegentlich wie Maulwürfe durch die Schneewehen hindurch, und dann konnte man sie vor Vergnügen kreischen und Salti schlagen hören.

Jetzt, so kurz nach Mittag, war gerade die hellste Zeit des Tages, und obwohl die Wolken so niedrig über den kurz geratenen Bergketten von Südengland hingen, dass der Wieselkopf ausschaute wie ein alter Mönch mit gut geschnittener Tonsur, leuchteten die weiten, weißen Flächen mit einem milchig-schönen Glanz. Nur ein feiner, graublauer Stich in der Farbe ließ erahnen, wo Horizont in Himmel überging, wo aus Erde Atmosphäre wurde. Und über dieses bleiche Panorama trudelten und wirbelten die Kristalle unermüdlich hernieder, als gäbe es kein Ende und die Welt müsste ein für allemal von Schnee zugedeckt werden.

Die kahlen Äste der Obstbäume in dem verwilderten Gärtchen trugen Lagen, die dreimal so hoch wie sie selbst dick waren, herunter gedrückt von der Last und dennoch nicht beschwert. Geschwollene Knospen, bereit, sofort zu treiben, sollte sich der gestrenge Winter zurückziehen, zierten keulenförmig die Seiten, und das Astloch gleich unter der Krone war so zugestopft mit Blättern und Heu, dass dort drin nur ein Eichhörnchen schlafen konnte. Wie groteske Bilder von Picasso oder Dalí schauten die halb verborgenen und damit unkenntlich gewordenen Pflanzen in ihren Beeten aus, der niedrige Zaun so eingebettet in von fleißigen Schüppen und dem Wind der vergangenen Nacht aufgetürmten Wehen, dass er eher wie eine kleine Mauer imponierte, eine von der Sorte, wie es sie zuhause gab, oben in Yorkshire.

Freigeschaufelt der Weg von der kaum noch erkennbaren Straße durch das immer schief in den Angeln hängende Gartentor, führte er, gespickt mit den Spuren von vielen trappelnden, trampelnden Füßen und den erst kürzlich dazu gekommenen (und deshalb noch nicht vom erneuten Schneefall verwischten) Zeichen eines fest aufgedrückten Gehstocks, bis hinauf zu der roten Haustür der Weasleys. Es war noch nicht so lange her, dass der unerwartete Besuch wieder verschwunden war. Und zwiegespalten hallte die Begegnung bei den einen noch nach, während sie bei den anderen bereits demonstrativ verdrängt wurde.

Nein, man wollte den Weihnachtstag genießen, und während „Twelve Days of Christmas“ aus dem Magischen Radio drang und das gemütliche Wohnzimmer der großen Familie mit feinem Klimpern und dem wiederkehrenden Versmarathon dieses Stückes flutete, gellten die Rufe der Zwillinge dazwischen, die sich eine Partie Zauberschnippschnapp mit ihrer Schwester genehmigten. Und die gröhlte noch am lautesten.

Eisig sah es aus da draußen hinter den Scheiben, an den unteren Ecken fein berankt von Blumen aus überfrorenem Wasser, glitzernd kristallin wie gemalt aus Zuckerguss, und ein paar dicke Flocken klebten an den Fenstern, wie sie dagegen flogen. Hier drin jedoch war es wunderbar warm, die wohlige Hitze von Kaminfeuer, von Herd und viel zu vielen Menschen auf engem Raum, kroch einem in die Hosenbeine und unter die Hemdsaufschläge, sogar, wenn man die Ärmel hochgerollt hatte, so wie der Mann in der eigentlich zu winzigen Küche des Fuchsbaus, der simple Vorhang im Rahmen zum Salon zurückgeschoben, so dass er aus dem Augenwinkel dort hinüber hätte schauen können zu der zusammen hockenden Bande.

Sie waren alle da, Arthur mit seiner speckigen Hornbrille ganz vorn in einem der beiden Sessel, die Gläser fest reibend, putzte er sich das Sehgerät, und dabei schüttelte er den Kopf und erwiderte etwas auf die Frage seines ältesten Sohnes Bill, der, händchenhaltend mit seiner Freundin, der Französin Fleur, auf der kleinen Couch zurückgelehnt war. Die junge Frau hing regelrecht auf seiner Schulter und streichelte mit beiden Händen seine kräftigen Fluchbrecher-Finger, während Molly mit noch ganz roten Wangen aufgeregt wie eines ihrer Hühner nach einem Gnomaufstand im Vorgarten zwischen den Sitzgelegenheiten hindurch wuselte und krampfhaft nach einer Beschäftigung zu suchen schien. Fred und George hatten sich mit Ginny um den langen Couchtisch zurückgezogen für ihr Kartenspiel, und teils aufmerksam und anteilnehmend zuschauend, teils in ein leises, geflüstertes Gespräch verwickelt, hockten die drei Freunde in einer Ecke zusammen, und jedes Mal, wenn Hermine eindringlich wisperte, wurde Harrys Gesicht ein wenig gräulicher. Ronald kaute sich nur grübelnd auf der Lippe herum.

Er bekam das alles nicht mit, was sich da in seinem Rücken abspielte. Ja, er hatte nicht vergessen, was gerade noch geschehen war. Und ja, es beunruhigte ihn, und er würde Dumbledore eine Nachricht mit einem detaillierten Bericht zukommen lassen über Scrimgeours schwachen Versuch, den Jungen auf seine Seite zu ziehen und aus ihm die Galleonsfigur seines Kampfes gegen Voldemort zu machen. Aber das hatte Zeit. Das musste nicht sofort geschehen. Ein bisschen, wenigstens ein winziges Momentchen lang, wollte auch Remus Lupin so etwas wie Weihnachtsfrieden genießen. Sich ausruhen. An Anderes denken. So sehr er es auch versucht hatte die letzten beiden Tage: Es funktionierte nicht, nein. Erst recht nicht mehr seit diesem gemeinsamen Mittagessen. Und das hatte nichts mit dem Minister zu tun oder mit Percy, nichts mit dem aufziehenden Krieg und nicht mit dem Gedanken an die baldige Rückkehr in die kalten, halb abgerissenen Lagerhallen am Canary Wharf. Einzig und allein mit dem, was Molly gesagt hatte.

Allein. Allein, hatte sie gesagt. Und er konnte sich das kaum vorstellen, wollte es nicht, wie sein Blick starr durch die klirrend kalten Fensterscheiben mit dem hübschen Sprossen dazwischen glitt, die fallenden Schneeflocken genau so wenig wirklich wahrnehmend wie den dahinter liegenden aufsteigenden Hügel, wie Hang um Hang zum Wieselkopf aufgetürmt wurde, weiß und klar. Das Tweed-Jacket mit den abgewetzten Ellbogen, auf einer Seite so ein richtig klassischer brauner Flicken darauf, hatte er abgelegt, die Ärmel eines mit feinen, braunroten Streifen verzierten Hemdes aufgerollt bis auf die Oberarme, und er stützte sich mit den Fäusten auf dem schmalen Streifen an Holz rund um die Spüle ab, wie er hinaus starrte. Die Hosenträger spannten ein wenig zu sehr, mussten die beste Hose, die er besaß, gut festhalten können, denn sie war ihm zu weit geworden über das vergangene halbe Jahr.

Er schob es auf den Auftrag. Ja, der war anstrengend, nervenaufreibend, auch wenn er während der eigentlichen Gefahren nie so richtig das Gefühl hatte, und dennoch stimmte es eben. Es war nun mal kein Spaziergang da unten bei Greyback und seinen Schergen, von denen einige kaum einen Deut besser waren als er selbst, obwohl die meisten nur einfach Mitläufer oder bestenfalls stumme, stille Unterdrückte waren. So zu tun, als wäre man eben genau einer von diesen, das war nicht gerade das gesündeste für einen Organismus. Geschweige denn, dass Unterkunft und Verpflegung zur Zeit seinen Bedürfnissen entsprochen hätten. Klar, sicher, er hätte sich, wie all die Jahre, ein wenig an Freunde halten können, wie die Weasleys, wie heute hier, aber das ging nicht, wenn er möglichst wie einer von ihnen ausschauen sollte. Da musste der Hunger eben auch durchgestanden werden. Ja. Klar. Das war der Grund. Der einzige Grund.

Wieso nicht zuhause? Wieso nicht bei ihren Eltern? Er konnte das nicht begreifen. Das ergab keinen Sinn. Warum sollte jemand einen solchen Tag, Weihnachten, die Feiertage, in einer kleinen Wohnung ganz für sich verbringen, wenn man das Glück hatte, einer Familie anzugehören, Menschen zu haben, die einen liebten? Nein, nein. Es stimmte wahrscheinlich einfach nicht, Molly hatte das nur so gesagt. Aber wieso sollte sie? Als verstehe er das jetzt erst so recht, als gelange jetzt erst an seinen Geist, was sie damit gemeint hatte und wieso sie ihn so merkwürdig angesehen hatte dabei, spürte Remus Lupin einen Flash glühender Hitze seinen Nacken hinauf mitten in die Schaltzentrale rauschen, der nichts mit dem heißen Spülwasser zu tun hatte.

Sie wusste es. Sie wusste davon, ja, sie musste irgendwie Wind davon gekriegt haben. Doch das konnte nicht sein, das war vollkommen widersinnig. Es sei denn ... Dora hatte es ihr erzählt. Die rechte Faust auf der Anrichte ballte sich etwas stärker, wie er gut gebremst, aber bestimmt, auf das Holz schlug, und die Zähne knirschten, Keramik über Keramik, als ziehe jemand eine Gabel über einen Porzellanteller. Remus' Stirn fiel in viele schäbige Längsfalten, und dennoch wollte keine Wut in ihm hochkochen. Nur ein schwaches Aufschäumen, mehr war nicht drin. Wenn er nur an sie dachte, erschien ihr verlegen lächelndes Gesicht mit roten Bäckchen vor seinem inneren Auge, ihr peinlich berührtes Kauen am Ärmel ihrer Robe oder ihres heißgeliebten schwarzen Mantels, das Beißen auf den Daumennagel, mit der Innenfläche nach oben und gegen die Nase gedrückt. Es war unmöglich.

Eine seltsame Mischung aus wirren Gefühlen tanzte in seinem Innern umeinander herum, während der ehemalige Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste weiter hinaus blickte in die weiße Winterlandschaft rund um den Fuchsbau, so herrlich malerisch eingeschneit und eingebettet in ein Meer aus Puderzucker. Noch immer roch es in der Küche fantastisch nach dem gebratenen Vogel und der Füllung, und obwohl er völlig vollgefressen war, bekam er davon erneut Appetit. Sein Magen grummelte zufrieden, aber das war es nicht, was da, ganz ähnlich wie die Flocken da draußen, auf emotionalem Wind segelte. Er wollte so gern zornig sein. Es war zwischen ihnen beiden gewesen, und da hatte es bleiben sollen, auch nach dem Ende dieser Beziehung. Er hätte nie geglaubt, dass sie dieses Geheimnis brechen würde, niemals. Aber sie hatte. Denn Molly wusste mit Bestimmtheit. Und missbilligte. Nicht die Tatsache an sich, dass sie zusammen gewesen waren. Als ihm auch diese Einsicht dämmerte, wurde das Chaos nur noch unerträglicher.

Vor einem Jahr war alles anders gewesen. Sirius am Leben, das Hauptquartier des Ordens gut versteckt im Grimmauld Place, alle zusammen dort am Weihnachtsabend. Naja. Zumindest dieses Baggage da im Wohnzimmer, die Weasleys und Harry. Er traute sich nicht, sein eigenes Fest viel schöner zu nennen. Gar nichts Besonderes, einfach nur zusammen hocken, den Duft vom Bienenwachs der abbrennenden Kerzen, das herbe Aroma der Tannennadeln von diesem armen, krüppligen Geschöpf und das knisternde Feuer im Kamin, und dennoch. Ihm wurde das Herz ganz weit. Die wonnevolle Dunkelheit, die Hitze der Flammen, flackernd auf der weichen Haut, das zarte Licht von Straßenlaternen im Schneetreiben und blinkend bunter Lichter am Baum, das alles drang von allen Seiten auf ihn ein, als würde seine Erinnerung wieder Wirklichkeit, und es war komplett egal, dass es hellichter Tag viel zu weit fort von jenem Ort war. Remus seufzte unwillkürlich auf wie jemand, dem man nach hartem Arbeitstag die Schultern massierte, ohne es mit zu kriegen.

Nein, nein, das durfte er nicht, das wollte er doch auch gar nicht. Dieses Schuldgefühl wurde wie eine weitere Zutat an einem Plätzchenteig hinzu gefügt, und langsam wurde das Gebräu zu schwer, zu gut gewürzt. War doch alles gut und richtig. Er – hatte – das – Richtige – getan. Das wusste er doch, das war doch so. Und trotzdem. Allein, hatte Molly gesagt. Und ob er wollte oder nicht: Er konnte einfach nicht glauben, dass sie gelogen haben sollte. Es war so. Ja, hier und jetzt, so weit fort war ihm klar, dass es eben einfach stimmte, dass Dora Tonks die Weihnachtstage lieber allein verbrachte als bei ihrer Familie oder erst recht als hier, eingeladen oder nicht. Und er schämte sich mit einem Mal. Wie Molly Weasley ihre Jagd dort drüben im Salon des Fuchsbaus aufgab und zu ihm herüber kam, endlich eine Beschäftigung gefunden, die sinnvoll war und die ihr als Ventil für die aufwühlende Konfrontation mit ihrem abtrünnigen Sohn dienen konnte, das bemerkte Remus nicht, so tief in Gedanken steckte er.

Ein Tablett mit Geschirr, Tassen mit Kakaorändern und Gläser mit Satz von gelblich-trüber Flüssigkeit – Egg Nogg – darin, transportierte die Mutter des Hauses auf einem vor ihr her schwebenden Tablett, wie sie durch den schmalen Rahmen trat und dazu den schweren Vorhang noch ein wenig mehr zur Seite ziehen musste. Reichlich Teller und Besteck und Schüsseln und Servierplatten waren das, was Remus da, halb magisch, halb auf Muggelart, abzuspülen begonnen hatte, und allein die Tatsache, dass er das überhaupt tat, obwohl er ihr Gast war, hätte die stolze Dame normalerweise zur Weißglut gebracht. Heute hatte sie, wie schon seit Tagen, Wochen, Monaten, beim Anblick dieses Mannes hier andere Dinge im Kopf. Und vor allem bessere Anlässe, ein leises Zornesgefühl auf ihn zu hegen. Tief einatmend, entrunzelte sie ihre Stirn so gut sie konnte, um es ihn nicht gleich erkennen zu lassen. Man sollte sich immer erst im Guten bereden.

Er schien wirklich nicht wahrzunehmen, dass jemand in die im Verhältnis zu dem dort hinein gezwängten Tisch für acht Personen zwergenhaften Küche kam, so wie er sich halb über die von einer fleißigen Bürste geschrubbte Pfanne beugte und nicht eine der fallenden Flocken vor dem Fenster fixierte. Er sah die Scheiben nicht, den kurzen Sims nicht, das Beet, die verschneite Wiese, nicht den Zaun, die Straße und den Graben auf der anderen Seite. Wo er wieder war mit seinen Gedanken, das konnte Molly nicht sagen. Niemand konnte das. Remus behielt für sich, was er dachte, was er fühlte, was er wollte. Nur einen kannte sie, der diesen Zugang zu ihm gehabt hatte, der an einer unwillkürlichen Geste, an einem Zucken der Muskulatur in seinem Gesicht, einer klitzekleinen Farbänderung seiner rissigen Narben seinen Gemütszustand hatte ablesen können, der aus seinen manchmal matten, dann wieder so strahlend hellen Silberaugen jedes Wort aus seinem Schädel hatte ziehen können. Für einen Moment verdunkelte sich auch ihre Miene. Ja, sie hatte ihre Schwierigkeiten gehabt mit Sirius Black. Und dennoch fehlte er hier, der Sturkopf.

Blass, so blass wie die Welt draußen, außerhalb dieser Mauern, zur Zeit war, und dennoch glühten feine Äderchen flächenhaft unter seinen Augen im satten Rot von seinem Blut. Eine seltsame Mischung. Wie der ganze Mann. So kämpferisch konnte er sein, so kompromislos und hart wie Granit im West Country, in Moore, und dann wieder so weich, so verletzlich, zarter als eine junge Pflanze im Frühjahr. Und genauso war er in der Lage, sensibel und fürsorglich zu sein, immer ein ruhiges Wort für die Kinder zu haben, während er im nächsten Augenblick albern, roh und völlig rücksichtslos handelte. Der Wolf? Molly wusste es nicht. Alles, was sie jetzt vor ihrem geistigen Auge sah, war das stumpf gewordene Haar und die hängenden Schultern, das gequälte Lächeln einer jungen Frau. Immer noch, nach über einem halben Jahr.

Wenn sie ihn einfach nicht leiden gekonnt hätte, wäre es fast in Ordnung gewesen für Mrs. Weasley, die Mutter von sieben Kindern. Doch dem war nicht so. Er war ein netter Kerl, ein guter Kerl, der es einfach ein bisschen schlecht getroffen hatte. Sie mochte ihn, hatte ihn immer gemocht, schon damals, als er für sie nur einer der vielen Freunde ihrer beiden Brüder gewesen war. Zu Fred und Georges Geburt war er hier gewesen, der einzige der Bande, der sich nicht wie ein Idiot aufgeführt hatte an der Wiege der Zwillinge. Dieses sanfte Lächeln, wen das nicht für ihn gewann, der hatte kein Herz. Und genau deshalb ärgerte es sie so. Es war so unpassend, so gar nicht er, so überhaupt nicht Remus. Aber dann wieder ... Doch irgendwie typisch, auch wenn sie es sich nicht erklären konnte. Für derlei Dinge hatte Molly weder Verständnis noch Verstand.

Wäre er bloß irgendein blöder Arsch gewesen, ein Herzensbrecher und Liebesschwindler, dann hätte sie dem Mädchen einfach geraten, ihn ganz dringend zu vergessen, und sie war sich sicher, dann hätte sie das auch geschafft. So war es eben nicht. Er war's wert, dass man um ihn kämpfte. Er war's wert, dass man ihn liebte. Und das tat Tonks. Das war so offensichtlich. Niemand trauerte so sehr um eine Beziehung, machte sich so viele Sorgen und Gedanken, obwohl doch alles vorbei war, wäre dem nicht so. Man las es in ihren Augen, auch ohne Legilimentik zu beherrschen. Und er? Er sah es nicht. Natürlich nicht. Denn er ging ihr gezielt aus dem Weg. Ließ sich nicht.

Erneut seufzte Molly, wie sie nun an all den noch immer kreuz und quer stehenden Stühlen vorbei jonglierte und das Tablett vor sich her fliegen ließ, Schritt für Schritt näher rutschend, doch immer noch stierte er mit glasigem Blick hinaus in den Schnee und weit darüber hinaus. Wie weit? Das wusste der Himmel. Sie jedenfalls nicht. Vielleicht nicht mal er selbst. Extra laut klirrte das Geschirr, wie das Servierbrett auf die Anrichte niederging, und Mrs. Weasley griff nach einem Trockentuch. Selbstverständlich könnte sie das mit ihrem Zauberstab erledigen. Aber so dauerte es länger. Und das bedeutete mehr Möglichkeiten. Wie nebenbei begann die Frau in ihren späten Vierzigern zu summen, griff nach einer Gemüseschale und begann, sie sorgfältig abzureiben, bis sie glänzte.

Einen Einstieg in ein Gespräch zu finden, war Molly sich sicher, war ihr noch nie so schwer gefallen wie hier und heute. Und das wollte was heißen, denn die Ehefrau von Arthur Weasley war eine begnadete Aus-der-Nase-Zieherin. Das musste man auch sein, wenn man einen vollkommen bekloppten Kerl liebte, der auf Muggelartefakte stand und damit allerhand Blödsinn anstellte, der seinen Job regelmäßig dazu missbrauchte, diese schrecklichen Gerätschaften zu verhexen und irgendwie für sich nutzbar zu machen, und auch als Mutter von sechs Jungen (von denen mindestens drei entsetzliche Flausen im Kopf und einer ein Hirn hatte, das mit der Geschwindigkeit einer eiligen Weinbergschnecke arbeitete) und einem viel zu schlauen Mädchen war das eine dringend erforderliche Eigenschaft. Umso anstrengender, wenn es eben nicht so leicht war.

Remus half ihr, ohne es eigentlich zu wollen, wie er sich plötzlich abwesend schüttelte. Die feine Gänsehaut, die seinen Hals bis zum Haaransatz hinauf schoss und sofort wieder abebbte, hatte sie genau gesehen, und sich halb an die Anrichte lehnend mit der Taille, so weit unter ihm bei dem Größenunterschied, betrachtete Molly sich das aufmerksam. Die Brauen kurz lupfend, verneinte er stumm im Selbstgespräch, ehe er leise seufzte und den Zauberstab in seiner rechten Hand unruhig drehte. Da war noch ein riesiger Stapel an Tellern, der weg musste. Sich lieber diesem widmend als den kruden Gedanken und Gefühlen in seinem Innern, fing Remus Lupin wieder an, neues Geschirr in die Spüle und unter die kräftig scheuernde Bürste zu dirigieren.

Die Chance nutzend, streckte die nur sieben Jahre ältere Frau einen ihrer kurzen Finger aus und deutete auf die größte der Schüsseln, die schon zum Abtropfen aufgereiht da lag, sprach leise, aber nicht zögerlich. „Reichst du mir die mal, bitte?“ Er wunderte sich nicht einmal darüber, dass sie ihn gewähren ließ in ihrer eigenen Küche, nickte nur und angelte nach dem schweren Porzellan, um es langsam und vorsichtig in Mollys Hände gleiten zu lassen. Ihm eines von diesen mütterlichen Augenzwinkern schenkend, das er ebenfalls nicht wirklich wahrnahm, bedankte sie sich und trocknete auch dieses Teil ab. Aber sie hatte etwas gesagt, und er hatte darauf geantwortet. So durch die Wiese, wie der war, so daneben und gar nicht bei der Sache, würde er nicht einmal bemerken, dass sie völlig aus der Luft gegriffen fragte. „Und du hast mit niemandem gesprochen in letzter Zeit?“

Augenblicklich schüttelte er so heftig den Kopf, dass die feinen, beinahe schon ein wenig fussligen, rötlich-braunen Haare mit den vereinzelten hellgrauen Strähnen darin an seinen Schläfen ein bisschen flogen, und er bewies ihr damit eindrucksvoll, wie weit herunter gefahren seine Schutzbarrieren nun waren. Das konnte sich schnell ändern. Rasch, aber nicht hastig, fuhr sie fort. „Auch nicht gesehen?“ Die Lider halb geschlossen verkrampfte er die Kiefermuskulatur für eine Sekunde oder zwei, ehe sein Kinn wieder hin und her pendelte. „Nicht mal Mundungus?“ fiel ihr der Taugenichts und Scharlatan als die Kontaktperson ein, die in den Kreisen, in denen Remus zu verkehren gezwungen war, noch am ehesten unauffällig war. Normalerweise hätte ihn solches Ausquetschen stutzig und nervös gemacht, doch Remus war noch immer beschäftigt, einerseits mit Schrubben, andererseits mit Grübeln, als dass es ihm aufgefallen wäre.

Und Molly schlug zu. „Oder Tonks?“ Sichtbarer Hitzeschub. Das war das selbe, festwurzelnde Innehalten wie bei ihr damals, in eben dieser Küche vor fast sechs Monaten, in einer nebligen Nacht, bei der Ankunft von Harry nach den Sommerferien (wenn man es denn einen Sommer hätte nennen wollen oder können), die gleiche, unkontrollierte Zuckung, die augenblicklich durch eine Art kompensatorische Pause ausgeleitet wurde. Vorhin beim Essen, als sie schon mal diesen Namen erwähnt hatte, war es nicht so ausgeprägt aufgefallen, aber dennoch da gewesen. Und dieses mal nun überdeutlich. Wenn es ihm egal gewesen wäre, hätte es ihn dann so getroffen?

Gleichzeitig weckte es ihn auf, und spürbar zog sich Remus erst aus seiner Gedankenwelt zurück und dann ein wenig hinter seine Mauern. „Nein,“ sagte er mit Bestimmtheit und blieb kurz angebunden. Natürlich würde er nicht darüber reden wollen. Das tat er nie. Arthur hatte es versucht nach dem Kampf im Ministerium, hatte ihn trösten wollen, doch Lupin 'ging es immer gut', und er verbot sich derlei Zunahetreten, ohne das wirklich auszusprechen. Nonverbal, sein deeskalierendes Lächeln, ein sachtes, fast unbeholfenes Wischen mit den Fingerspitzen über die Stirn, und dann verschwand er irgendwie. Jetzt aber war zwischen ihm und dem Ausgang der überladene Tisch auf der einen, Molly Weasley auf der anderen Seite. Und ein Stapel schmutzigen Geschirrs, dass er nie und nimmer einfach stehen lassen würde, stehen lassen konnte, ohne sich eine nackte Blöße zu geben.

Ihm auf keinen Fall das Gefühl geben dürfend, in einer Falle zu sitzen, achtete die Hausfrau gut darauf, sich nicht allzu breit zu machen (was schwer fiel bei dieser Statur) in dem schmalen Durchgang zwischen Anrichte und Tafel, aber dennoch stellte sie das Abtrocknen ein und wandte sich ihm offen zu. „Vielleicht solltest du aber.“ Ohne weitere Worte, ohne einen Blick auf die Dringlichkeit in ihrem Gesicht werfen zu müssen, wusste er nun Bescheid, worum es ging, in welche Richtung diese Unterhaltung laufen sollte, wenn es nach ihrem Willen lief. Es gefiel ihm gar nicht. Diese steile Falte wanderte genau auf seine Nasenwurzel und ragte in Richtung des Scheitels gen Decke. Er antwortete nicht, drehte sich nur demonstrativ etwas weiter von ihr weg, als gehöre das zum Spülen dazu.
Es war anders als sonst. Anders als bei der Trauer um Sirius. Weil er eben nicht beruhigend lächelte.

Molly würde nicht so schnell aufgeben, das bewies sie gleich, wie sie einen Seufzer niederkämpfte, um ihn nicht unter Druck zu setzen, und trotzdem weitermachte. „Sie sieht sehr abgeschlagen aus in letzter Zeit.“ Ein Achselzucken, als wäre es ihm gleichgültig, und sie nahm es ihm nicht ab. „So etwa seit Ende Juni.“ Für einen Herzschlag huschten seine Pupillen in ihre Richtung, ehe er ein erneutes Geräusch der Unkenntnis von sich gab. Größere Geschütze also, ja? Die konnte er haben. Ihr Pulver war noch lange nicht verschossen. „Ihre Metamorphmagus-Fähigkeit funktioniert nicht mehr so richtig, wusstest du das?“ Jetzt hielt er doch inne, und Mrs. Weasley unterdrückte das Frohlocken, das ihr in Form eines breiten, halb schadenfrohen, halb siegessicheren Lächelns auf die Lippen schlüpfen wollte. Ein feines Knirschen erklang anderthalb Köpfe über ihr, und harte Klumpen bildeten sich an den Kieferwinkeln.

Er zwang sich zur Entspannung, was mehr schlecht als recht klappte. Ungewöhnlich für ihn, den immer Ruhigen, Besonnenen, der selbst in totaler Agonie noch seine Pflicht erfüllte. So deutlich unangenehm war es ihm, so exakt wussten sie beide, warum sie so sprach, dass sie genau wusste, was dem zugrunde lag, und außerdem wurde ihr eines rasch klar: Seine Abschottung hatte Bestand gehabt. Er hatte das nicht gewusst. Noch ehe er den Kopf, zaghaft jetzt, schüttelte, war ihr das bewusst. Zeit, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Nur ein kurzer Kontrollblick, ob die Familie im Salon sich weiterhin mit sich selbst beschäftigte, dass niemand dort drüben mitbekam, was hier drinnen vor sich ging, und dann blies Molly zum Generalangriff. „Sie vermisst dich.“

Die Reaktion war so prompt und so heftig, zeugte von so viel verstecktem Gefühl dahinter, dass die ältere Frau für einen kurzen Augenblick einen heftigen Schauer verspürte, wie sie einen viel zu kleinen Eindruck bekam von dem brodelnden Meer aus Leidenschaft und Emotion, das dieser gezeichnete Mann so sorgfältig vor der Außenwelt verbarg. Sich mit beiden Händen auf der äußersten Kante der Anrichte abstützend und über die Spüle lehnend, der Erlenholzstab in der Rechten steil nach oben zeigend, verdrehte Remus auf merkwürdig verkrampfte und besorgniserregende Art und Weise die Halswirbelsäule gegen den Schädel, die Augen dabei so weit geschlossen, dass nur ein feiner Streifen von glitzernder Hornhaut darunter zu erkennen war, durchschimmernd durch dichte, dunklere Wimpern. Den Brustkorb mit einem tiefen, zittrigen Atemzug so komplett füllend wie eben möglich, bettete er dieses inständige Ersuchen in einen einzigen Seufzer: „Bitte, Molly.“

Sogleich schaltete die Mutter der sieben Weasley-Kids einen Gang höher. Er war darauf eingegangen, er wusste genau, wovon sie redete, und obwohl es ihr nie jemand gestanden hatte, nie explizit gesagt hatte, Informationen nur gezogen aus dem Verhalten der beiden Beteiligten, lag quasi die Angelegenheit vor ihr ausgebreitet. Ihr Temperament schon höher schraubend, warf Molly das Trockentuch beiseite. „Warum tust du dem armen Mädchen das an?“ klagte sie ihn direkt an, brauchte nicht zu erklären. Als wäre es sonnenklar, dass nur er der Part gewesen sein konnte, der die Beziehung beendet hatte. Und weil sie recht damit hatte, explodierten förmlich seine Wangen in Schamesröte, ob er das wollte oder nicht.

Sie hatte doch keine Ahnung. Keinen Schimmer, nicht den Geringsten, auch wenn sie gut riet, oder vielleicht hatte Dora, Tonks, wie auch immer er sie nennen sollte, um es in seinem Kopf nicht zu zärtlich, zu vertraut klingen zu lassen, ihre Seite berichtet. 'Egal'. Dieses dusslige, dumme 'egal'. Abwechselnd Kälte und Hitze schossen in prickelnden Stößen vom Kreuzbein bis rauf in die Kieferwinkel. Das reichte eben nicht! Die ihn erwartungsvoll von der Seite anstarrende Dame des Hauses nicht ansehend, wehrte er ab. „Es ist das Beste für sie.“ Keinen Zweck, es irgendwie zu leugnen, zu behaupten, es gäbe keinerlei Grundlage für ihre Anschuldigungen. Ja, er hatte gewusst, dass es nicht leicht fallen würde, weder ihm noch ihr. Aber es musste eben sein. Und sie würd' schon drüber wegkommen, sie würd' schon. Irgendwann. Schneller als er. Bestimmt. Sie musste. Sie musste einfach. Seine rechte Hand mit dem Zauberstab glitt von der Anrichte und ballte sich im Schatten seines schlanken Körpers zur Faust.

„Das Beste?“ spuckte Molly regelrecht aus, und beinahe hätte sie darüber vergessen, dass niemand sie hören sollte. Das ging keinen etwas an, und gerade die Kinder brauchten diese Dinge nicht zu wissen. Schon im Weiterreden wurde sie leiser, flüsterte erregt nun. „Sie kann nicht mehr morphen, so durcheinander ist sie!“ Jemand, der so bewandert war in magischer Bildung, sollte doch begreifen können, was das hieß, wie tief dieser Schock sitzen musste, um ihr diese Fähigkeit zu rauben.

Seine Zähne mahlten schon übereinander, doch noch immer hielt er den Kopf kerzengerade und stierte nun wieder aus dem Fenster auf die dicht fallenden Schneeflocken im langsam heraufziehenden Nachmittag. „Seit sechs Monaten nicht, Remus! Wozu soll das gut sein?“

Sein eigener Schmerz doch so offensichtlich, so schwer zu verbergen, schwieriger selbst als der Trübsinn und die Wehmut nach Sirius' Tod, und die waren ihm ins Gesicht geschrieben gewesen wie die Narben einer Vollmondnacht, konnte Molly es einfach nicht verstehen. Er fühlte doch was. Das konnte er doch nicht abstreiten. Und warum sollte man nicht zusammen sein, wenn doch beide es wollten? Während sie noch ganz konfus den Kopf schüttelte und mit wandernden Augen seine Züge nach Hinweisen absuchte, biss Remus sich fest auf die Zunge, bis metallische Bitterkeit seinen Mund ausfüllte. „Abgesehen davon, dass ich bei ihrer Geburt im zweiten Sängerstimmbruch war und mich zweimal die Woche rasieren musste?“ Zynisch. Und damit erst recht verletzend und verletzt.

Verständnisloser mit jedem vergehenden Moment, zog Mrs. Weasley den Kopf auf ihrem Hals zurück, so sehr, dass sie davon ein Doppelkinn bekam. „Ist das alles?“ konnte sie kaum fassen. Weil er älter war als sie? Ein paar Jahre nur mehr auf dem Buckel hatte? Sie war sich nichtmal genau sicher, wie viele es waren. Einfach, weil es keine Rolle spielte. Aus dem Augenwinkel sah sie ihren eigenen Mann da sitzen, gleich alt, ja, aus dem selben Jahrgang, aber sie wusste in jedem Puls ihres Lebens, dass sie ihn genau so geliebt hätte, diesen blöden Hammel, wäre er kaum jünger gewesen als ihr eigener Vater. Fast schnippisch prustete Remus und fing an, sich die Nagelhaut seiner Linken mit dem Daumen herunter zu kratzen. „Ich kann ihr nichts bieten, Molly, gar nichts.“

Auch das noch. Immer schöner. Sie lachte regelrecht auf, kalt und fassungslos, breitete nur die Arme aus, um ihm zu erklären, was sie meinte. Geld war knapp bei Familie Weasley, immer gewesen. Arthur hatte nichts gehabt, und sie hatte auch nichts mitgebracht in die Ehe. Alles hart erarbeitet, aber gerne, mit Stolz, mit Hingabe. Und was hätte das besser verdeutlichen können als diese schäbige Küche voller zusammengewürfelter Stühle an einem viel zu großen Speisetisch, die Porzellanteller mit all den Macken, die er selbst gerade abspülte, die zu dünnen Scheiben, beschlagen und mit Eisblumen berankt? Ihre Kinder da vorn im Salon trugen selbstgestrickte neue Pullover, wie zu jedem Weihnachtsfest, und dennoch lachten sie und quietschten sie vor Glück. Wer brauchte schon Galleonen? Sollte er das nicht wissen? Gerade er? „Abgesehen von lauter Liebe für ein ganzes Leben?“ fragte sie rhetorisch, so spöttisch, dass es ihn nur zu mehr Protest anregen konnte, auch wenn er für einen Augenblick wieder fest die Zähne aufeinander pressen musste bei diesem schrecklichen Wort.

„Molly, ich bin ein ...“ „Pah!“ Sie warf den Kopf zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, als hätte sie nur auf dieses Argument gewartet. Sein Handfestestes, sein Bestes, unschlagbar, dagegen konnte keiner was sagen, das war nun mal eben so und das war unumstößlich und unabänderlich. Und es war schrecklich. Sie musste das doch sehen, sie wusste doch, wie es ihm ging, wie man ihn behandelte. Konnte sie denn das für Tonks wollen? Wie einer ihrer eigenen Söhne sah er jetzt aus, dabei war er näher an Molly selbst als an derem ältesten Kind, und dennoch kam er ihr ganz genau so vor. Viel jünger, unreifer, als er es eigentlich hätte sein sollen, große, wässrig schimmernde Kinderaugen, zwei volle Köpfe über und trotzdem irgendwie unter ihr, blickten sie jetzt direkt an. Diese Masche, die er da unbewusst anwandte, die zog nicht bei einer siebenfachen Mutter. „Lächerlich,“ grunzte sie. „Und dafür brichst du einem so zauberhaften Mädchen das Herz?“

Wie von Stockschlägen getroffen, als hätte sie ihm eine satte Backpfeife verpasst, zog er rasch das Kinn beiseite in Richtung der watteweißen Winterlandschaft draußen vor dem Fenster, damit ja niemand im Wohnzimmer sein Gesicht sehen konnte, das einerseits wieder heftig errötete vor Scham, andererseits in eigener Pein regelrecht entgleiste. Durch die zusammengepressten Kiefer quetschte er es heraus, krächzend, belegt. „Ich wollte ihr nie weh tun.“ Wieso er sich das überhaupt gefallen ließ, warum er sich so verteidigte, obwohl es Molly doch überhaupt nichts anging, sie kein Recht hatte, sich einzumischen und es absolut nicht ihre Sache war, wollte ihm nicht gleich einfallen. Und dann doch. Ja. Weil er sich vor sich selbst rechtfertigte. Schon wieder. Immer noch. Und scheiterte.

Erneut spitz auflachend, schnaubte sie. „Aber das hast du getan, Remus, das tust du immer noch.“ Mit jedem ihrer Worte stahl sich ein Bild in seinen Kopf, kaum zu ertragen, Tränen in ihrem so fröhlichen Gesicht, die ganze so mit allem einverstandene Lebenslust aus ihr herausgelaufen wie das Wasser aus einem undichten Reservoir. Wegen ihm. Verdammt, warum wegen ihm? „Sie vermisst dich,“ wiederholte Molly, und ein Großteil der Schärfe schwand aus ihrer Stimme dabei, um gleich noch mal so schneidend zurück zu kehren. „Verdient hast du's nicht.“

So viel hätte er dazu sagen können. Oder nichts. Glaubte die etwa, das wäre leicht für ihn? Dachte die, er wollte das oder hätte das jemals gewollt? Alle dreizehn Gamotsdruiden, er sehnte sich so sehr nach diesen Fingerchen auf seinen Schulterblättern, sie hatte ja keine Ahnung! Die kühlen Lippen, weich und zart, hinter dem Ohr, wenn sie ihn weckte, das kitzelnde Kichern, dieses unendlich hochtreibende Lachen, meinte sie etwa, er vermisse das nicht? Aber am meisten, am meisten fehlten ihm die pieksigen Stiche, die kratzenden Gravuren ihres Federkiels auf seiner Brust, wenn sie ihn als Schreibunterlage benutzte, die Art, wie Morgenlicht auf ihren Wimpern spielte. Der Schmerz, diese Leere, grub sich, fraß sich so plötzlich und ganzheitlich mitten in ihn hinein, dass er in die Knie gehen wollte, dass er spüren konnte, wie die Kontrolle entglitt. Und das Schlimmste daran war, dass Mollys letzter Satz so laut in seinem Kopf klang, als säße er in einer Glocke, und darin schallte und hallte es wieder und wieder. 'Verdient hast du's nicht'.

Statt ihr all das entgegen zu brüllen, anstatt ihr klar zu machen, was er wirklich fühlte, wie sehr er kämpfte, kehrte diese Ruhe in den viel zu dünn gewordenen Mann in ihrer Küche zurück, und sich aufrichtend, dabei noch immer hängende Schultern präsentierend, nickte er zaghaft, immer bestimmter. „Ja,“ sagte Remus Lupin und griff schon nach seinem Jacket auf dem einen Stuhl gleich neben sich. „Ja, du hast recht.“ Er schlüpfte in den einen Ärmel, dann in den anderen, und Molly war zu perplex, um ihn davon abzuhalten, an ihr vorbei in Richtung des Salons und damit des Flurs zu gelangen. „Ich hab's nicht verdient.“ Und mit zwei, drei Schritten seiner langen Beine war er an dem Sessel, in dem Arthur noch immer seine Brille putzte, beugte er sich über die Lehne und sprach leise mit ihrem Mann.

Molly Weasley stand noch immer an der Spüle, und nun war es an ihr, hinauszustarren in die kalte Landschaft, in der nach wie vor der Schnee niederging, während der hagere Gast sich von den Kindern verabschiedete und hinaus trat, so dick eingewickelt in Robe und Mantel und Schal, wie es eben nur ging. Der nun wieder aufkommende Wind zerzauste ihm die lichter werdenden Haare nur kurz, bis Remus den Garten weit genug durchquert hatte, um sich apparieren zu können, und auf die Stelle schauend, wo er eben verschwunden war, hörte sie Arthur heiser raunen: „Was hast du zu ihm gesagt? Molly, was hast du gesagt?“

Da war er schon fort. Nicht am zugigen Canary Wharf. Auch nicht in seinem unbeheizten Zimmer in Aldgate East, auch wenn er an diesem Ort hier nun kaum mehr hätte frieren können. Unter dem Zauber der Desillusionierung, gut geschützt vor neugierigen Augen und nur zu erkennen von denen, die den Flockenflug beobachteten, hockte er auf dem breiten, schneefreien Sims, drei Stockwerke über leuchtenden Neonreklamen und eilig vom Gottesdienst nach Hause hastenden Menschen mit hochgeschlagenen Kragen, lachend, die sich auf ein gutes Abendessen freuten.

Keine Ahnung, wieso er hergekommen war. Blödsinnig, kein wirklich brillantes Heilmittel. Ein Herzenswunsch, ein Weihnachtswunsch, den hatte er sich erfüllen müssen. Dieses Fenster war ihm so vertraut. Sprossen aus rötlich gebeiztem Holz, der Erle seines Zauberstabs so ähnlich, mit Scheiben aus dünn gewalztem Glas dazwischen, nun von innen behangen mit Schleifen und Kränzen und gleichmäßig aufflammenden und wieder erlöschenden Lichtern. Ein Schiebefenster, zur Seite zu öffnen, doch jetzt verriegelt, fast symbolisch. Ausgesperrt da draußen, wo er im Sommer oft gesessen hatte.

Die kalten Finger ohne den Schutz warmer Handschuhe, presste er gegen das Glas, spürte das eisige Stechen sofort und hieß es dennoch willkommen. Da drinnen war alles geschmückt, das enge, langgestreckte Schlafzimmerchen auf dem Zwischengeschoss mit dem Bett gleich hier unter dem Fenster. Richtig weh tat das, wie sie da lag, sie da zu sehen, zusammengerollt schlafend an einem Weihnachtstag, an dem sie bei ihrer Familie hätte sein sollen, unten in Penge, wo Ted und Andromeda vor dem kuschligen Kamin in dem tollen alten Ohrensessel von seinem Muggelgroßvater hocken würden und Geschenke auspackten.

Egal, wie kalt es war. Er blieb dort. Von keinem Auge gesehen. Betrachtete sie nur, lange, so lange wie es eben ging, bis der Erdtrabant sich über den Rand der Welt schob und diese Grausamkeit ihn zwang, sie wieder zu verlassen. Und wie der volle, silbern helle Wintermond über die Dächer von London zog, hielt Dora Tonks in ihrem Bett noch immer den Penny in ihrer Hand und rieb ihn zärtlich zwischen Daumen und Zeiger, als wären es seine Finger.


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