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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Nebel unterm Wieselkopf

von Teekon

Es war dumm. Mehr als dumm, lebensmüde war es, allein herum zu wandern, so weit ab von allem, von irgendwas. Dumm und lebensmüde und dennoch, sie konnte sich nicht davon abhalten, sie konnte ihrer Vernunft nicht folgen, und selbst dieser gesunde Menschenverstand, von dem sie sonst so viel besaß, sträubte sich nicht, obwohl er es einsah. Nicht wichtig. Nichts wirklich wichtig.

Genau so gut hätte sie einen der vielen langen Boulevards von London hinunter laufen können, gesäumt von Lichtern, hell und schön und blinkend in allen nur erdenklichen Farben, umgeben von Menschen, die redeten, lachten, eine Traube aus Schutz. Aber sie mochte keine Gesellschaft in letzter Zeit. Nicht mal fremde Gesellschaft, nicht einmal die Anonymität der großen Stadt, in der sie doch immer zufrieden und glücklich gelebt hatte. Es ging einfach nicht. Wie Frischhaltefolie kam sie sich da vor. Durchsichtig und dennoch im Weg.

Hier draußen war es besser. Die für die Jahreszeit so ungewöhnliche Kälte und Feuchtigkeit, dieser diesige Dunst, machten es leichter irgendwie, betäubten ein bisschen die Sinne und erfrischten zugleich, wie sie langsam, Schritt für Schritt die flache Hügelkette abschritt, hinauf und hinunter. Kalt war es nicht, nein, nicht wirklich. Eben nur klamm, wie dieser feinste Nebel, wie sichtbar zusammengesetzt aus einzelnen Tröpfchen schimmernden Wassers, so dicht in der Luft hängend, dass daraus ein Schleierkabinett wurde, sich überall nieder setzte, sich selbst in den Wimpern verfing und unter die Kleider kroch. Dora Tonks fröstelte leicht und zog die schmalen Schultern ein wenig höher.

Eingehüllt in einen langen Herbstmantel, den Kragen nur halb hochgeschlagen und die Hände, zu Fäusten geballt, tief in den Taschen vergrabend, schritt sie bedächtig die pfadlosen Wiesen ab, die sich eng an die Hänge schmiegten und irgendwann steil hinauf kletterten am Wieselkopf, um den herum sich der eigentliche Feldweg schlängelte, bevor er hinab tauchte in das Dorf von Ottery St. Catchpole und dort zur Hauptstraße wurde. Der Untergrund war nicht nass, nur feucht, nicht mal glitschig, und so federten ihre schweren Schnürstiefel bei jedem Tritt sanft zurück, und das Gras gab leise, plitschende Geräusche von sich.
Verstreut stehendes Buschwerk aus spärlich blühendem Ginster und Traubenholunder musste sie gelegentlich umgehen, aber das machte nichts, denn einen geraden Weg kannte Dora heute Nacht nicht.

Es war finster, stockfinster unter dem Dach aus trüber Suppe, und ein fahler Neumond hatte nicht die Kraft, den Nebel zu durchbrechen. Sterne konnte sie keinen einzigen glitzern sehen an diesem trauerschwarzen Firmament, nicht einmal auf den Kuppen der Hügel, die sie erklomm, und die wie Hinterkopfglatzen aus der tiefhängenden Feuchtigkeit heraus schauten. Der nächste Schritt fühlte sich wieder so an, oben angekommen, und sogleich lichtete sich der Vorhang des Brütebrodems um sie herum, und der Blick lag frei über eine fantastische Landschaft. Schauerlich irgendwie, und dennoch wunderschön, und die Gänsehaut war eine Mischung aus beiden Gefühlen, wie sie ihr die Unterarme hinauf lief.

Stehen bleiben musste sie und das Schauspiel genießen, egal, ob die Glocke im Hinterkopf Alarm schrillte oder nicht. Ein perfektes Ziel da oben. Wie ein Soldat im Schützengraben mit brennender Zigarette im Mund. Und der frische Wind blies ihr die strähnigen, mausbraunen Haare um die Ohren. Angenehm war das. Die Augen schließend, drehte Dora ihr Gesicht mitten hinein in die Böen und nahm einen tiefen Atemzug bis hinunter in die Lungen. So lebendig. Und doch so ...

Das war so lächerlich, sie prustete und schüttelte den Kopf. So hatte sie sich nie zuvor gefühlt. Dora Tonks, einfach Tonks, war kein einsames Mädchen. Aufgeweckt und fröhlich, offen und lustig, war es ihr immer leicht gefallen, Anschluss zu finden, passte sie in jede Gruppe irgendwie hinein und fühlte sich auch dort am wohlsten, wo immer was los war. Sie brauchte das, diesen Austausch, Konversation, Berührungspunkte, sie musste agieren und interagieren, und nahm man ihr das weg (zum Beispiel mittels Hausarrest), dann verletzte man sie tödlich. Und jetzt? Sie wollte allein sein. Sie! Allein! Und wieso? Ja, wieso? Dafür gab es keinen Grund. Zumindest keinen guten, keinen sinnvollen.

Als wär's das erste Mal. Nein, ein Kind von Traurigkeit war sie nie gewesen, hatte auch nie einen Hehl daraus machen können, denn ihre Eltern waren so ungefähr das, was einem Muggel ein Hippie war. Rebellen. Was sie getan hatten, war heldenhaft und gleichzeitig dämlich gewesen, und deswegen hatte Dora von Geburt an das Privileg genossen, ebenfalls dämlich sein zu dürfen, solange sie dabei heldenhaft blieb. Und das hatte sie ausgenutzt. Oh Mann, und wie sie das ausgenutzt hatte. Am liebsten mochte sie mit den Augen rollen und tat es auch, wie ihr ein paar besonders hirnrissige Begebenheiten einfielen, und ja, jede einzelne davon spielte sich auf genau dieser Ebene ab, die ihr jetzt – so plötzlich, so tief, so viel zu intensiv – zu schaffen machte.

Für einen winzigen Moment riss eine erneute Windböe den zusammenhängenden Schleier aus Dunst auf, und irgendwo dort hinten, gar nicht so weit fort, aber ein paar Höhenmeter niedriger, tauchten die Lichter des schief gebauten und leicht schwankenden Hauses auf, das sie gesucht hatte, und wegen dem sie her appariert war. Wie ein Fluss aus feuchtem Dreck schlängelte sich der euphemistisch als Straße zu bezeichnende Weg durch die kleinen Mulden und um die Buckel in der Landschaft herum, und eine Laterne am Hauseingang warf noch warmes Licht auf den zertrampelten Rasen. Sich die Hände tiefer in die Taschen stopfend, gab Dora sich einen Ruck und setzte sich wieder in Bewegung, Stück für Stück und Schritt für Schritt den abfallenden Hang hinunter, auf dem sie nun gestanden hatte.

Wieso war das so? Warum war es nicht wie damals bei Michael Stroulger, diesem Deppen, oder am ehesten noch wie bei Summerbee in der Ausbildung? Ew ja, das hatte gut gezwiebelt. Aber trotzdem. Drei, vier Tage mit Schokolade auf dem Zimmer verschanzt, und es ging vorbei. Ganz von selbst. Wie die Windpocken, die sie sich von ihrem Muggelcousin geholt hatte. Wie eine lästige Erkältung. Nein, dieses Mal nicht. Keine Ahnung, warum. Vier Wochen nun schon fast, und immer noch schmerzte jeder Gedanke (und davon existierten Mirriarden, ausgelöst durch winzigste Kleinigkeiten, Gerüche, Ideen) an Remus Lupin wie heißes Wachs auf nackter Haut. Und warum? Sie wusste es nicht.

Doch, wusste sie. Weil er eben nicht Michael Stroulger war, und auch nicht Summerbee, und auch nicht dieser oder jener oder sonst noch irgendwer, nein. Weil er ... einfach Remus war. Es gab keine Worte, mit deren beschreibenden Eigenschaften man ein Bild von ihm hätte malen können. Zu viel, um ein ganzes Buch über ihn zu schreiben. Und das musste sie auch nicht, das wollte sie auch gar nicht haben, denn nichts und niemand auf der Welt verdeutlichte ihn so sehr wie ... Remus Lupin. Vielleicht deshalb. Vielleicht brauchte sie mehr als Erinnerungen. Weil es die einzige Möglichkeit war, ihn komplett zu erinnern, wenn man ihn bei sich hatte. Immer. Ganz. Von oben bis unten, von außen bis ganz zum Grund seiner Seele.

Wieder musste sie die Lungen mit der kühlen Nachtluft von Südengland füllen, so weit es eben ging, bis die kleinste und mickrigste Blase irgendwo in den Spitzen des Organs zum Bersten voll mit Luft war, um nicht zu zerspringen an diesem Gefühl der Leere. Da war etwas, jemand, herausgerissen worden, den sie schon auf eine Art und Weise in ihr Herz geflochten hatte - ganz von selbst war das geschehen, ohne ihres oder sein Zutun - wie sie sich sonst nur mit ihren Eltern verbunden hatte fühlen können. Diese Wunde klaffte und wollte sich nicht schließen. Eben. Weil sie das nicht wollte.

So ein Schwachfug. So ein blöder Quatsch! Wozu sich selbst solches Leid antun? 'Vergiss ihn, vergiss ihn einfach, geh' unter Menschen!' Genau das, was Ma gesagt hätte. Pah. Als wenn Andromeda Black auf ihre kleine Schwester gehört hätte, als die vor fast 25 Jahren das gleiche zu ihr gesagt hatte. Dieses verdammte Erbe. Mit einem Mal musste Dora schneller gehen, wollte nicht mehr allein sein hier draußen im Nebel, wo sie doch gerade noch nichts Schöneres hatte finden können als die Stille und Einsamkeit zwischen den Hügeln.

Wie ihre Mutter sähe sie aus, das sagten alle. Und wie ihr Vater benähme sie sich. Aber die hatten keine Ahnung. Mochte sein, dass die dunkelbraunen Regenbogenhäute denen der schlanken, herben Frau unendlich ähnlich waren. Konnte auch sein, dass sie Teds unerschütterliche Fröhlichkeit hatte. Das war längst nicht das selbe. Sie setzte das Puzzle auf ihre eigene Art zusammen, so, wie nur Dora es konnte, das Kind, das man nur dann bei ihrem eingetragenen Vornamen rief, wenn man sie ärgern wollte oder man sich von ihr geärgert fühlte. Kein Kind. Schon lange nicht mehr. Das wollten sie nicht begreifen, keiner wollte das. Es störte sie nicht, das Image half. Nicht heute, nicht jetzt, nicht mehr. Weil man Kindern Entscheidungen abnahm, die eine erwachsene, resolute Frau mit ihrem eigenen Kopf, ihrem eigenen Intellekt und ihrem ganzen Herzen selbst zu fällen nicht nur in der Lage war. Es war ihr Recht. Und wenn sie beschloss, ihr Leben an der Seite eines viel älteren Mannes mit dreiundsiebzig Knuts und nichts weiter als lauter Liebe von hier bis zum Mond und dreimal wieder zurück in der Tasche zu verbringen, dann war das eben so. Punkt.

Kurzes Aufflackern von unbändiger Wut war das, die sie da verspürte, wie Dora Tonks mit gebeugten Knien den letzten Hang hinunter stapfte und den überwucherten, kaum sichtbaren Straßengraben erreichte, der sie von der Bankette trennte. Wie konnte er das wagen? Zu sowas gehörten zwei. Zu dieser Sache gehörten sie beide. Nicht nur seine Zweifel, nicht nur seine Ängste, sondern auch ihre Zuversicht und ihre felsenfeste Überzeugung. Wenn der Krieg nicht wäre ... ja, dann. Sie wusste, die Dinge wären anders gelaufen. Und ganz ehrlich? Ehrlich zu sich selbst, wo schon niemand anders zuhörte, zuhören konnte (denn sie ließ nicht)? Für sie, für das Mädchen mit dem schmetterlingstanzenden Sommer im Herzen, war nichts vorbei. Und genau deshalb drückte sie die Einsamkeit, die Trauer, der Verlust, auch nach diesen vier Wochen noch immer nieder und ließ die Schwermut dieses Dementorenwetters tief in ihre Seele dringen.

Ein kleiner Satz über die schmale Schneise nördlich des Feldwegs beförderte sie auf die andere Seite, und geschickter als viele es ihr, der ehemaligen Jägerin für das Hausteam von Hufflepuff, je zugetraut hätten, packte sie einen Pfosten des niedrigen Zauns und schwang sich darüber, bis sie kniehoch im faserig zerstiebenden Nebel auf der ungeteerten Straße stand. In diesen Kanal gedrückt, war der Wind hier schneidender, und umso einladender leuchteten die Laternen im Erdgeschoss des Fuchsbaus, dem Haus der Weasleys und neuem Hauptquartier des Orden des Phönix, wo Grimmauld Place nun nicht mehr sicher war.

In den oberen Stockwerken war alles dunkel, die Fenster sorgsam verhangen mit geflickten Vorhängen aus bunten Stoffen, und dort schliefen die Jugendlichen. Dora lächelte einen Moment, wie sie an die Mädchen dachte und an den dussligen Rotzjungen, Ron, bevor sie einen weiteren Schritt auf die Eingangstür zu trat.

Nur ein kribbliges Gefühl, nicht zu sehen die magische Barriere, die sie durchschritt, die sie durchschreiten durfte als Aurorin, eine kaum zu detektierende Linie aus zauberischem Schutz, wie ihn legal nur das Ministerium selbst aussprechen konnte. Gar nicht schlecht, aber nicht unbrechbar, zu übertölpeln, wenn man wusste wie, und es gab genug Spione, hier und da. Aber es reichte fürs Gröbste, und Tonks vergaß es rasch und durchquerte mit nun zögernder Langsamkeit den Vorgarten. Nicht mal die zahlreichen Gnome ließen sich blicken, so scheußlich kühl und viel zu feucht für Juli war es hier draußen. War ihr lieber heute. Keine Lust, sich mit solchen Viechern auseinander zu setzen. Und eigentlich ...

Am liebsten wäre sie nun doch wieder umgekehrt. Was machte sie hier? Vollkommen sinnlos. Es war ein harter Tag gewesen, und Wachdienst wurde nicht angenehmer durch brütende Seelenfresser oder dieses verdammte Scheißgefühl da hinter ihrem Brustbein. Sie sollte zuhause sein in ihrer kleinen Wohnung in Soho vor dem Kamin, eingewickelt in eine Decke mit einer großen Kanne Tee und einem riesigen Haufen Schokolade, gekauft von Galleonen, die sie doch sparte, wo sie jetzt nur noch für sich sorgte. Vermalledeites Geld. Schuld dran. Mit Schuld. Zum Donnerdrubbel damit. Ihr Fuß vollführte im Gehen einen ganz merkwürdigen Kreis, wie sie sich nicht entscheiden konnte, ob sie nun heimgehen oder hier bleiben sollte. Ach, zum Kuckuck!

Es war doch bloß ein Kontrollcheck. Rasch hören, wie es stand, ob es was Neues gab an der Front, an welcher Front auch immer, ob Dumbledore Ideen hatte, ob Moody mal wieder eine seiner beknackten Strategien ausgeheckt hatte, ob Nachrichten gekommen waren von denen, die sich im Verborgenen aufhielten. Bitterlich, aber leise in sich hinein lachend, verzog Dora das Gesicht, wie sie die unterschiedlich hohen Stufen zur Haustür erreichte. Na klar. Sich selbst belügen, super. Sie konnte eben nicht schlafen, wenn sie nicht sicher war. Und diese Unruhe griff wieder nach ihr, der eigentliche Grund, wieso sie nicht gleich ins Bett gefallen war vor Erschöpfung. Keine Eule, nein. Kein Brief auf üblichen Geheimwegen. Nichts, nein. Keine Botschaften. Sie wusste nicht mal, ob er überhaupt noch lebte oder irgendwo da unten in den Ruinen von halb abgerissenen Lagerhallen der Industrialisierungszeit lag. Schlimmer als der Krampf des Schmerzes, ihn nicht mehr halten zu dürfen, dieser Gedanke.

Das war der letzte Schubs, den sie brauchte, um sich durchzuringen. Sie musste es wissen. Auch wenn es vermutlich sein würde, wie immer („nein, keiner hat sich gemeldet“), sie hatte keine Wahl. Wenn sie schlafen wollte, wenn sie sich ausruhen wollte, dann brauchte sie die Gewissheit, dass zumindest nichts bekannt war, was sie nicht mal bildlich heraufbeschwören konnte, ohne in Schüttelfrost zusammen zu brechen, und schlafen musste sie. Dringend. Noch während ihr Gewissen stritt, klopfte sie bestimmt, aber zaghaft, an das quietschrot gestrichene Holz.

Leben regte sich hinter der geviertelten Scheibe, und der in angenehmer Dunkelheit liegende Flur der Weasleys bekam einen herrlichen Anstrich von Wärme, wie die Tür zur Küche leicht geöffnet wurde und der Schein des noch immer brennenden Herdfeuers auf einen riesigen Stapel furchtbar schmutziger Schuhe und Stiefel fiel. Jacken und Mäntel hingen in Unordnung an einer endlos langen Garderobe, angebracht an der Vertäfelung der gleich links nach oben steigenden Treppe, und glitzerndes Kerzenlicht reflektierte hin und her zwischen zwei gegenüber von einander aufgehängten Spiegeln, wie die rundliche, gedrungene Gestalt von Molly im Spalt sichtbar wurde. Ihren Stumpen auf einem Teller vor sich her schiebend, huschte sie rasch hinaus, schon mit zusammen geschobenen Brauen, wie sie Ausschau hielt, wer denn da zu so später Stunde noch unangemeldet herkam.

Den bunten Schal aus violett-blau-schwarzer Wolle ein wenig herunter schiebend, damit man ihr Gesicht sehen konnte, zog Tonks eine in abgeschnittenen Fingerhandschuhen steckende Hand aus dem Mantel und winkte vorsichtig, so angestrengt lächelnd, wie sie eben nur konnte, und Mollys pausbackige Miene hellte sich auf, ihr Schritt beschleunigt, wie sie den Rock raffte. Sie griff gleich nach der Klinke, und Tonks schnappte schon nach Luft, um sie zu schelten, dass sie einfach so öffnete, ohne nach dem Passwort zu fragen, ohne sich irgendwie zu vergewissern, dass es wirklich sie war, die da auf der Matte stand mitten in der Nacht, aber Mrs. Weasley schlug das schon energisch aus, ehe sie noch die Tür ganz geöffnet hatte. „Ach, sei nicht albern, Liebes!“ grummelte sie, nur flüchtig wütend. „Wenn jemand mich überfallen wollte mit dieser Masche, käme er als Arthur und sicher nicht als du.“

Das entbehrte nicht einer gewissen Logik. Die Lippen zusammenpressend und den Kopf schief legend, zuckte Tonks die Achseln und hielt den Mund, schlüpfte an Molly vorbei auf die so wunderbar behagliche Diele, und augenblicklich sperrte sie auch einen Großteil dieser inneren Eiszeit aus, wie sich die Tür hinter ihr schloss. Noch die Finger gegeneinander reibend und mit einem Mal mit den Zähnen klappernd, stampfte Dora sich so leise wie möglich die Tröpfchen von den Kleidern. „Hallo, Molly,“ flüsterte sie grüßend, bedankte sich für den späten Einlass mit einem langen Augenaufschlag, der selbst den Eisberg vor der Titanic zum Schmelzen gebracht hätte, ehe er den Rumpf des Schiffes hatte aufreißen können.

Sich ebenfalls schüttelnd ob der unangenehm feuchten Kälte von draußen, umarmte die Mutter von sieben Kindern sich rasch mit einem Arm, mit der Rechten noch immer ihre Kerze haltend, während sich schon das liebevollste Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. „Schön, dass du vorbei schaust,“ freute sie sich, drückte der jungen Frau den Ellbogen und begann gleichzeitig, sie in den hinteren Bereich des langgestreckten Hauses zu schieben, wo es rechts herum in die Küche und um eine lange Ecke ins Wohnzimmer ging. Dorthin jedoch wollte sie nicht, hatte sich ihren Warteposten in dem Raum aufgeschlagen, in dem sie sich sowieso am häufigsten aufhielt, und so wie es aussah, beschäftigte sie sich hier mit der Wäsche für ihre immens große Familie und die bereits eingetroffenen Gäste. Das waren nicht gerade wenige. Für einen winzigen Moment verspürte Tonks diese seltsame Mischung aus ziehender Sehnsucht nach Kindheit und erfülltem Heimweh.

„Setz' dich, setz' dich!“ scheuchte Molly Weasley den späten Besucher, und nur aus dem Augenwinkel entdeckte Dora die Familienuhr, dieses einzigartige Stück, dessen Zeiger nun alle auf die eine, ganz linke Zeile deuteten, und die Wärme wurde unterbrochen von einem Schwall Prickeln den Rücken hinunter. Dieses Auf und Ab. Kaum zu ertragen. Aber mittlerweile fast schon Gewohnheit. Sogleich vertrieb das beinahe blinkende „In Lebensgefahr“ einen Großteil dieser so wonnevollen Geborgenheit, und die selben, quälenden Gedanken, dieses unablässige Gefühl, dass Schreckliches geschah, war wieder voll präsent und drückte Tonks umso tiefer in den Stuhl, den sie sich heran zog. Dieses sanfte Lächeln auf Mollys Zügen, das für sie bestimmt war, sah sie schon gar nicht mehr.

Ein kleines Feuerchen knisterte lustig in dem gusseisernen Ofen, und sogar zwei Kessel, ein großer, ein zierlicher, dampften darauf noch vor sich hin, und es roch fein nach bereits erkalteter Zwiebelsuppe vom Abendessen. Tonks war nicht hungrig, oder zumindest hatte sie keinen Appetit, was sie mittlerweile als „Kardinalssymptom des postpubertären Idiotenkummers“ bezeichnete. Zumindest heimlich. Wusste ja auch niemand, dass sie an dieser „Krankheit“ litt. Schön war's trotzdem, wie spärlich beleuchtet in diesem satten Dunkelorange sich die riesige Wohnküche der Weasleys so kurz vor halb Zwölf präsentierte. Ach, hier war's einfach märchenhaft. Nur einen Ort auf dieser Welt kannte Dora Tonks, der für sie ähnlich anheimelnd war, und so sehr sie sich plötzlich genau danach sehnte, nach dem uralten abgewetzten Ohrensessel ihres Muggelgroßvaters vor Pops offenem Kamin daheim in Penge, genau so wenig zog es sie dort hin. Nein. Nicht vor ihren Eltern so aussehen.

„Eine tolle Tarnung ist das,“ knuffte Molly ihr in die Seite und zwinkerte, wie sie zwischen das Mädchen und einen Hängeschrank trat, um mit Hilfe ihres Zauberstabs zwei hohe Becher daraus hervor zu holen. Im ersten Augenblick begriff die Aurorin gar nicht, was sie damit meinen könnte, und erst der mütterlich-zärtliche Griff der pummeligen Mama an ihre so ungewöhnlich kurz geschnittenen, farblos gewordenen und fast stumpfen Haare verriet es ihr. Ganz betroffen von ihren Worten, schoss heftigste Röte in ihre Wangen, und peinlich berührt wandte Dora sich leicht von ihr ab, dass sie es nicht sah. „Ja,“ bedankte sie sich kurz angebunden.

Ihr den Rücken zugedreht, die Schultern mit einem Mal so eingeknickt, der Nacken nach vorn gebeugt, dass ihr Kinn beinahe die Tischplatte berührte, brauchte Molly keine weiteren Erklärungen. Sie hatte Kinder, sieben Stück, und wenn auch nur eines davon ein Mädchen war, so musste ihr niemand sagen, wie das ausschaute, wenn das Herz schwerer war als ein Mühlstein. Das war keine der üblichen Metamorphmagus-Gestalten, wie Dora sie dank ihrer Fähigkeit eben des Öfteren benutzte, wenn sie Dienst hatte. Nein, das war das nach außen getragene Gefühl, in dem sie gefangen war. Was das Kind jetzt brauchte, war ein heißer Tee, und wenn sie wollte, ein paar gute Worte. Und wer immer ihr das angetan hatte, verdiente eine Tracht Prügel. Mit einer Handtasche. Oder einem Besen.

Natürlich versuchte sie, es zu überspielen, tat so, als ob nichts wäre und lenkte so offensichtlich von sich ab, dass nicht mal der Dümmste es übersehen konnte. „Gibt's was Neues? Wo ist Arthur?“ fragte sie rasch, ohne sich ihr jedoch wieder zu zuwenden, und Mrs. Weasley stellte eine der Tassen vor ihr auf den ungeschmückten Tisch, bevor sie ihr den Gefallen tat und antwortete, dabei zum Herd hinüber wuselnd, um Tee aufzubrühen. „Oh, er ist noch zur Arbeit, aber nichts Großartiges,“ versicherte sie und war sich nicht ganz sicher, ob es das war, was Dora hatte hören wollen. Ein Seitenblick, kaum zu erkennen in der schönen Dunkelheit, brachte größere Klarheit. Nein, sie war weiterhin unruhig. Andere Neuigkeiten meinte sie. Und weil Molly keine Ahnung hatte, welche davon ihr besonders am Herzen liegen mochten, probierte sie einfach durch, indem sie einerseits ihre Neugier befriedigte, andererseits aber auch auf genau die Weise ihre Stimmung abklopfte, wie sie es bei ihren Söhnen und ihrer Tochter tat.

„Kingsley war heute Mittag kurz da,“ berichtete sie Stück für Stück, derweil der Kessel auf kurze Berührung mit dem Zauberstab sofort begann, heftig zu dampfen und zu bocken auf seiner Herdplatte. Bald breitete sich der Duft von Kamille und Fenchel in Schwaden aus, und Tonks nahm einen tiefen, jedoch furchtbar zittrigen Atemzug. Ihre hübschen braunen Augen stierten ins Leere und huschten gleichzeitig. „Aber was er weiß, das weißt du auch,“ winkte Molly ab, worauf das Mädchen sogar nickte, als habe sie wirklich verstanden, was sie gesagt hatte. Shacklebolt war Auror in der selben Abteilung, und Tonks und er sahen einander oft, tauschten Informationen rascher aus, als selbst Dumbledore sie bekommen konnte.

Beide Becher füllend, griff auch Mrs. Weasley nach einem Stuhl, achtete vorsichtig, aber sorgsam darauf, einen guten Winkel zu der jungen Frau zu haben, um sie ansehen, in ihren Zügen lesen zu können. „Und wenn alles glatt geht, sitzt Harry zum Frühstück hier am Tisch!“ freute sich die Hausherrin, echt und ehrlich, und Tonks hob hastig den Kopf, wenn auch mit Verzögerung. „Morgen schon?“ hakte sie nach. Ja, von dem Plan hatte sie selbstverständlich gewusst, dass der Junge schon so früh in diesem Sommer zur Familie seines besten Freundes kommen sollte, und Molly nickte eifrig. „Ja ja, Dumbledore holt ihn! Aber er will noch etwas erledigen mit ihm, bevor er ihn bringt.“ Keine Nachfrage. Es interessierte sie nicht. Oh je, das arme Ding. Jeder andere hätte sich die Finger geleckt nach dieser Information, die Mrs. Weasley da anzubieten hatte. Nicht sie. Nicht heute.

Vielleicht war es an der Zeit, mit offenen Karten zu spielen. Die Uhr zeigte immer noch auf „In Lebensgefahr“, für jeden einzelnen ihrer Lieblinge, und Molly spürte dieses scheußliche Ziehen in der Brust, das einen eigentümlichen Schimmer von Glück beinhaltete. Ja, das stimmte schon, sie war nicht gleich von ihr eingenommen gewesen. Tollpatschig, das fanden alle, die sie nicht richtig kannten. Aber da steckte viel mehr hinter diesem herzförmigen Gesichtchen mit den wie gemalt aufgetragenen dunklen Brauen, die eine gezeichnet von einer kleinen Narbe irgendeines schief gegangenen Zaubers aus der Schulzeit, die andere durchstochen von einem silbernen Ring. Die gleiche aufopferungsvolle Seele wie bei dem grässlich lauten Kerl, den sie nicht mal hatten beerdigen können. Die Mitschülerin ihres Zweitältesten war liebenswerter als eine ganze Krabbelgruppe. Eine Frau mit Herz und Verstand, und Molly schätzte nichts höher ein an einem Mädchen.

Die Tasse mit dem wunderbar duftenden Tee zu sich heran ziehend, schloss Dora ihre beiden Hände darum und verflocht die immer noch in Wolle steckenden Finger miteinander, der selige Seufzer durchdrungen von Schmerz, was sie sicherlich nicht so deutlich wollte. Auch wenn die Keramik heiß sein musste, hob sie das Getränk an ihre Lippen und nahm einen nippenden Schluck. „Oh, danke, Molly, der ist toll!“ lobte sie und schloss die Augen, ehe sie sich ganz herunter beugte, um die Nase über der dampfenden Oberfläche kreisen zu lassen. Die Möglichkeit nutzend, griff die ältere Frau quer über den Tisch und drückte ein paar dieser zierlichen, aber kräftigen Finger, und trotz der aufgeheizten Tasse blieben sie kühl. Auch ein Anzeichen, das nicht anders zu deuten war. „Wenn du reden möchtest ...“

Augenblicklich hob Dora den Kopf, starrte die Mutter gegenüber von sich an, als habe sie soeben behauptet, Voldemort persönlich hätte die Zwiebelsuppe gekocht, und das bisschen zarte Farbe, dass der Tee in ihre Wangen getrieben hatte, rutschte wieder heraus, wie sie kräftig schluckte. Oh Merlin, sah man ihr das denn so sehr an? War das für jeden so offensichtlich, wie es das augenscheinlich für Molly war? Dieses fürsorgliche Lächeln, das ihr da entgegen glühte, veranlasste sie dazu, rasch die Augen wieder zu senken und mehrfach zu blinzeln, wie es aus ihr herausbrechen wollte. Aber das ging nicht. Das konnte sie nicht machen, nicht so offen jedenfalls, nicht sofort die ganze Geschichte erzählen. Ein bisschen reden aber ... Das könnte gut tun.

Seufzend gab Tonks auf und lächelte ebenfalls, gequält und ohne Zurückhaltung gespielt. „Ich bin das reinste Wrack,“ gestand sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, keinen Hehl mehr daraus machend, woher ihre so schlichte Aufmachung kam. Molly ließ ihr Zeit, übereilte nichts, Gespräche wie dieses hier gewohnt, und schwierigere. Jungs wie Bill waren nicht scharf darauf, ihrer Mutter ihr Leid zu klagen, schon gar nicht, wenn es um Mädchen ging, von denen sie ihnen von Anfang an abgeraten hatte. „Unglücklich verliebt?“ fragte sie vorsichtig, endlich direkt darauf zu lenkend, und ein wenig überraschte sie die Reaktion, denn Dora grunzte halb patzig, halb amüsiert, wie sie heftig den Kopf schüttelte. „Ich bin nicht verliebt, Molly,“ betonte sie.

Nur umso mitleidiger wurde Mrs. Weasleys Gesichtsausdruck, und sie drückte die Finger fester. „So schlimm also?“ Sie hatten sich verstanden. Zwei Frauen an einem Tisch, und Dora drehte eine splissige Strähne ihres Ponys um den kleinen Finger und lächelte wieder, dieses Mal etwas echter. Viel schlimmer noch als Molly es jetzt glauben mochte. „Will er dich nicht?“ riet sie einfach weiter, sich nur insgeheim denkend, wie dumm ein Mann sein musste, der ein solches Wunder zurück wies. Solche Sprüche halfen ihr jetzt nicht, das wusste sie genau. Die Jungaurorin schien nicht sicher zu sein, wie sie auf diese Frage antworten sollte, legte den Kopf in die eine Richtung schief, dann in die andere, halb das Kinn schüttelnd, halb doch nickend. Statt eine Entscheidung darüber zu fällen, was nun der Wahrheit entsprach, konkretisierte sie: „Schluss gemacht.“

Die kurz hochzuckende Braue blieb nicht unbemerkt. Fast musste Dora ein bisschen lachen darüber. Sicher. „Ich wusste gar nicht, dass du einen Freund hast.“ Hattest. Wie auch immer. Mit einem Schulterzucken schnaubte die Jüngere, das Lächeln noch deutlicher. „Wusste keiner.“ Molly würde nicht nachhaken, würde nicht wissen wollen, warum das so war, und sie würde auch nicht wissen wollen, wer dieser Jemand gewesen war. Die Gewissheit darüber tat gut, machte es leichter, und es fühlte sich richtig an, wenigstens die Tatsache an sich heraus zu lassen, einen Mitwisser zu haben. Molly konnte das, Molly wusste genau, wie sie in Gesellschaft damit umgehen musste. Beim nächsten Ordenstreffen, so viel war ganz klar, würde Tonks keine blöden Ausreden brauchen, keine dummen Sprüche ertragen müssen über ihre Müdigkeit, ihre geistige Abwesenheit, ihre so vollkommen merkwürdige Niedergeschlagenheit. Unter dem Schutz der Clansmutter.

„Ich kann ihn nicht vergessen,“ hauchte das Mädchen und schlug die Augen nieder, damit die kleine Träne nicht auffiel, auf die Mrs. Weasley nicht eingehen würde, und die ältere Frau erhob sich jetzt, um den Tisch zu umrunden und sich auf den Stuhl neben ihr zu setzen, als dieses kräftige, dreifache Klopfen an der Hintertür sie beide aufschreckte, und anstatt, wie man es erwartet hätte in solchen Zeiten des Krieges und des Misstrauens, sofort in die Innentasche nach dem Zauberstab zu langen, fuhr Tonks mit weit aufgerissenen Augen so hastig mit dem Ärmel über ihr Gesicht, dass sie rote Striemen darauf hinterließ. Ganz egal, wer das war: Niemand sollte sie so sehen, und während Molly die paar Schritte zum Fenster machte und nervös und unruhig „Wer ist da?“ und noch irgendetwas flüsterte, ergriff sie wieder mit beiden Händen fest den Becher vor sich auf dem Tisch.

Ihr Instinkt trügte sie nicht. Kein versteckter Todesser, der zum Nachtangriff blies, sondern die tiefe, ruhige Stimme von Dumbledore hinter der grün gestrichenen Tür, und Mollys Gesicht erblühte in einem Flush aus Röte. „Harry, lieber Junge! Meine Güte, Albus, ihr habt mich erschreckt!“ rief die Hausfrau aus und öffnete sofort, und immer noch kühle, aber längst nicht mehr nebelschwangere Luft waberte über die Schwelle hinein in die gerade noch so angenehm aufgeheizte Küche. Die Offenheit, die sich Tonks erkämpft hatte, verpuffte rasch in einer Mischung aus Gleichgültigkeit und zurückkehrendem Gefühl des Alleinsein Wollens, das sie überhaupt erst über die Hügel hierher getrieben hatte.

In einen weiten Umhang gekleidet, wie immer, trat der hochgewachsene Schulleiter mit seinem traditionellen Hut und dem langen, schlohweißen Bart ein, Harry gleich neben sich, und der nicht einmal 16jährige machte – was bei ihm schon fast Normalzustand war – ein verwirrt-müdes Gesicht und schaute sich blinzelnd um, während sein Begleiter sich erklärte. „Wir hatten Glück. Slughorn war wesentlich einfacher zu überreden als geplant,“ erinnerte er daran, was er heute Abend vorgehabt hatte, und obwohl Tonks keinen Schimmer hatte, worum es ging, hakte sie nicht nach. „Harrys Verdienst, natürlich,“ fuhr Dumbledore fort, und dann schien er auch sie endlich zu entdecken, die sie da in der abgedunkelten Wohnküche hockte, so ganz und gar unscheinbar. „Ah, hallo Nymphadora!“ Sie protestierte nicht mal.

„Hallo, Professor,“ grüßte sie ihn, als wäre er immer noch ihr Lehrer. „Was geht, Harry?“ Es war schwierig jetzt, wo sie sich Molly offenbart hatte, dieses Lächeln hinzukriegen, dass man es ihr auch abnahm, und sie konnte deutlich sehen in den Augen des zwar abgekämpften, aber wie immer freundlich-neugierigen Jungen, wie er sich wunderte und „hi Tonks“ sagte, während Dumbledore der perfekte Gentleman blieb und ihr mit keinem Deut zu verstehen gab, dass er die Maskerade durchschaute. Aber das tat er. Das tat er immer. Das wusste sie genau, und mit einem Mal war der Drang, diesen Raum zu verlassen, nur umso größer. Nicht nur zu viele Leute waren jetzt hier, sondern auch die Falschen. 'Er ist ein Wahnsinnslegilimentiker', hörte sie diese so zerreißend vermisste Stimme heiser in ihrem Ohr flüstern, und wenn Remus das sagte, dann stimmte es.

Nur noch ein guter Grund. Sie wollte nicht mehr bleiben. Nicht, wenn Harry hier war, nicht, wenn Dumbledore seine leuchtenden, strahlenden, durchdringend blauen Augen auf sie richten konnte, egal wie sehr sie sich nach diesem Gespräch mit Molly sehnte. Es gab keinen Ort, an dem Dora Tonks in diesem Moment lieber gewesen wäre, als wieder dort draußen auf der Kuppe eines Hügels im Nebel, wenn die Tröpfchen auf der Haut hingen und der Wind sie über den zarten Flaum ihrer ungeküssten Wangen trieb. Luft. Platz. Weite. Mondlicht. Bitte, Mondlicht. „Ich sollte besser gehen,“ erklärte sie sich hastig, stemmte sich aus dem Stuhl und schlang den Mantel fester um sich. Ihr Blick in Richtung der älteren Frau sprach Bände und sagte so viel mehr als ihre Worte: „Danke für den Tee und,“ sie stockte einen Moment, „für dein Verständnis, Molly.“

Der fieberhafte Aufbruch ließ zumindest Dumbledore nicht unbeeindruckt, und auch wenn er nicht mit der kleinsten Geste zu verstehen gab, die Ursache dafür zu kennen, hob er abwehrend beide Hände. „Bitte, geh' nicht meinetwegen,“ wünschte er höflich, auf seine so typisch väterliche, gütige Art. „Ich kann nicht bleiben, ich habe Dringendes mit Rufus Scrimgeour zu besprechen,“ machte er gleich klar, dass auch er keine Zeit hatte, zu verweilen, und somit kein Anlass bestand, das Feld für ihn und wichtige Gespräche zu räumen, doch die junge Aurorin schüttelte den Kopf, als wolle sie ihn abschrauben. „Nein nein, ich muss echt los!“ rief sie regelrecht und huschte wie eine Maus, passend zu ihrer neuen Haarfarbe, aus der kleinen Nische zwischen Schrank und Tisch heraus, die Augen die ganze Zeit auf die rettende Türschwelle gerichtet.

„Gute Nacht ...“ wollte sie wünschen und endlich verschwinden. Nichts wie weg. Sie hasste das. Diese Momente hasste sie, wenn es sie zu übermannen drohte, wenn es zu viel wurde und sie die Tränen nicht halten konnte. Noch immer wusste sie nichts, gar nichts, hatte nichts Neues von ihm gehört, wusste nicht, wie es ihm ging, was er tat, wo er sich aufhielt, ob sie ihn überhaupt je wiedersehen würde – Fehler. Dass zu denken, gab ihr den Rest, und das Wasser drückte sich in ihrer Kehle so mächtig nach oben, dass Tonks nicht sicher war, ob sie nun losheulen oder kotzen musste, und dieser eine Teil da hinten in ihrem Kopf schrie vor lauter Unvernunft, brüllte danach, nach Canary Wharf zu gehen, sich an die Docks zu apparieren und ihn selbst zu suchen, Lebensgefahr hin oder her. Sie blieb standhaft mit geballten Fäusten.

Es gefiel Molly nicht, so unterbrochen worden zu sein. Und ihr gefiel erst recht nicht dieser Streifen aus hektischer Röte, der sich Doras Nacken hinauf schießend zeigte, wie er hinter dem Schal hervorkam. Das war nicht gut. Das Mädchen hätte das hier gebraucht, und nun würde sie dafür sorgen, dass sich eine erneute Gelegenheit dazu nicht so bald ergab. Eine ganz natürliche Verteidigungsmaßnahme. Dennoch versuchte es Mrs. Weasley: „Liebes, warum kommst du am Wochenende nicht zum Essen?“ schlug sie vor, sich vorbeugend, um in das so blasse Gesicht schauen zu können. „Remus und Mad-Eye kommen auch ...“ Sie zuckte zusammen. Und Molly sah es.

Eine fast perverse Komposition aus Erleichterung und Folter huschte nicht nur über die Züge des Mädchens, sondern durchfuhr den ganzen gertenschlanken Körper von oben bis unten, so als sei sie vom Blitz getroffen worden, als habe sie einen Hexenschuss oder plötzlich einschießende Muskelkrämpfe, und Mrs. Weasley verstand augenblicklich. Remus. Natürlich. Deswegen diese Gier nach Information. Deshalb alles andere unwichtig. Und wieso nicht? Ja, wieso nicht? Vollendete Vervollständigung.

Molly konnte nichts mehr sagen, wie es ihr wie Schuppen von den Augen fiel, die ganze Geschichte so klar nun, so einleuchtend. „Nein, ehrlich, Molly ...“ weigerte Dora sich erneut. „Trotzdem danke.“ Und damit quetschte sie sich regelrecht an Dumbledore und Harry vorbei, um hinaus zu gelangen, murmelte noch ein leises „Gute Nacht, zusammen“ und eilte über den mit Stiefeln und rostigen Kesseln übersäten Hinterhof, raus aus der magischen Barriere und in Freiheit, wo sie sich, ohne ein einziges Mal zurück zu schauen in Mollys nun besorgtes und trauriges Gesicht, auf den Hacken drehte, um davon zu apparieren.

Nicht nach Hause. Nicht einmal in die Nähe. Gerade mal gut eine Meile weit fort erschien sie wieder, auf genau diesem Hügel, den sie vorhin noch als Ausguck genutzt hatte. Der Nebel war verzogen, und das letzte Licht im Fuchsbau schimmerte wie ein Glühwürmchen irgendwo dort hinten durch die Nacht, heimelig, die Bastion in der Finsternis, und die Sterne am Himmel funkelten jetzt ganz klar und rein und wundervoll wie lauter Nilkiesel, voller Kraft und Magie.

Es war noch da, dieses leere Nagen an ihrem Herzen, diese Sehnsucht, dieses Verlangen danach, sich an diese breite, sehnige Schulter zu lehnen und sich mit kratzigem, heiserem Flüstern erklären zu lassen, dass vor langer Zeit der Drache den Zirkumpolarstern beherbergt hatte, und doch befreit von einer großen Last.

Er lebte. Und nur das zählte. Fürs Erste zumindest.
Dora Tonks stand noch die halbe Nacht auf der Anhöhe unter dem Wieselkopf, beobachtete, wie die Erde sich drehte und träumte mit wachen Augen, und sie war sich sicher, dass es noch immer in den Horizont geschrieben stand: Dora Tonks liebt Remus Lupin. Und das ist gut so.


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