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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Vorbei

von Teekon

Neonlichter flackerten vor dem Fenster, ihr unregelmäßiges Summen beinahe greifbar. Winzige Tropfen aus kondensiertem Wasser hingen an den geschwungenen Röhren, die Namen von Clubs und Pubs und Bars bildeten, während der schwere, dichte Nebel dieses so merkwürdigen Sommers daran herunter lief. Längst vorbei, die Sperrstunde, die Straßen, die schmalen Gassen von Soho leer und verlassen. Nicht mal vereinzelte Betrunkene torkelten noch über das Pflaster, wie es sonst so oft war. Zu kalt, zu klamm das Wetter dafür. Man traf sich kurz, man trank etwas zusammen, man ging heim, in gemütlichere, wärmere Wohnungen, wo man auf dem Sofa vor dem Fernseher beisammen sitzen und sich gegenseitig warm halten konnte. Wenn man konnte.

Er stand da und versuchte es, die eigenen Arme fest um den schlanken, sehnigen Körper geschlungen, so eng wie es eben nur ging, aber es half nicht. Zu dünn gescheuert der Stoff des einfachen Unterhemdes, zu flatternd die leichten Hosen, zu weit offen das Herz. Als wehe ein stetiger, eisiger Wind von Norden her und zerre an ihm, so kam er sich vor, und dabei berührte ihn kein erfrischendes Lüftchen. Nur dumpfe, fahle Dunkelheit hüllte den Mann am Fenster ein, der mit einem Mal das Gefühl hatte, von über 100 Jahren gebeugt und niedergedrückt zu sein. Schwer die Glieder wie Blei, sträubten sich gegen jede Bewegung, verlangsamt und gedämpft der sonst so messerscharfe Verstand, jeder Gedankengang eine Odyssee durch viel zu viele Windungen, vorbei an viel zu vielen Einwänden und Gründen und Gefühl.

Er wusste genau, warum er hier war. Nur zu diesem einen Zweck war er hergekommen, widerwillig, wollte anderes Terrain, wollte neutralen Boden, doch das ging nicht. Wie damals. Etwas wie neutralen Boden gab es nicht mehr. Der Krieg verbot das. Diese Form von Konflikt, Misstrauen, Angst, Hinterhalt, überall. Man konnte sich nicht irgendwo verabreden, 'lass uns am Laternenpfahl untem am Pier zusammenkommen', 'wir sehen uns um 5 beim Supermarkt', es war nicht machbar. Und deshalb musste es Zuhause sein. Egal, wessen Zuhause. Heute nicht seines, nein, nicht dafür, er musste die Möglichkeit zum Rückzug haben, musste gehen können. Denn dafür war er hergekommen. Um zu gehen.

Bei Weitem nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Nein, natürlich hatte er nicht geglaubt, dass es einfach werden würde, hatte sich nicht der Illusion hingegeben, sein Anliegen vorbringen und Verständnis und sofortige Einsicht erwarten zu können. So weit war er gar nicht erst gediegen. Das lag nicht an ihr. Das lag an ihm, an ihm ganz allein. Und damit doch wieder irgendwie an ihr. Es ging einfach nicht. Er hatte es nicht sagen können, er hatte es nicht mal andeuten können. Die wenigen Worte, die er bisher gesprochen hatte, waren allesamt leise, stille Antworten gewesen. 'Hallo', 'es geht mir ...', 'ich weiß'. Mehr nicht. Weil es ihm auf dem Kehldeckel lag, weil sein Gewissen ihn dazu trieb, 'spuck' es aus!', und wenn er nur den Mund aufmachte, so hatte er Angst, würde es gleich herausspringen. Und was dann? Kein Zurück mehr.

Zurück sollte es doch auch gar nicht geben! Es wäre das Beste so, nur schnell raus damit und die Sache geklärt und dann fort und runter nach Canary Wharf, wie versprochen, wie vereinbart, möglichst bald. Bain würde warten. Aber nein. Es war nicht machbar. Er konnte es nicht sagen. Weil er ... Weil er nicht wollte, ganz einfach. Er wollte es nicht, er wollte bleiben, wollte den Auftrag vergessen, jetzt und hier, eine Eule schicken zu Dumbledore, 'es tut mir leid, ich mache es nicht'. Nein, nein. Er musste. Er schuldete es dem Schulleiter, er schuldete es ihm ganz einfach. Ihnen allen. Es musste sein, für den Sieg, für Harry. Versprochen hatte er's doch. Nun mal der Einzige jetzt, Sirius fort, nur noch er konnte etwas tun für ihn, für seine Freunde, für sie alle, die sie nun tot waren, verschlungen von dieser Bestie. Und überhaupt. Auf wen würde sie warten? Einen alten, verzweifelten Stadtstreicher mit Aussichten von hier bis zur Straßenecke.

Sie war unbeschreiblich. Viel zu weit oben. Eine Prinzessin im Elfenbeinturm, und er König Drosselbart, nur ohne Schloss und ohne Krone. So wunderbar, voller Leben, voller Lust und Leidenschaft und mit so viel vor sich. Alles konnte sie erreichen, wenn sie nur wollte, wenn sie nur zuließ. Die erste Jungaurorin seit den Longbottoms, Talent so unschlagbar wie keine Zweite, außer vielleicht eine (wesentlich diszipliniertere und deshalb vielleicht erfolgreicher scheinende) junge Dame vor knapp zwanzig Jahren. Bestimmt nur deshalb, ja? Weil sie so an sie erinnerte, ja? Das war es nicht, das tat sie nicht, er belog sich selbst und das nicht mal gut. Und trotzdem. Es war damals so gewesen, es war heute so. Zu großartig für ihn, viel zu großartig, sie verdiente mehr als geflickte Roben und ein einzelnes Zimmer in Londons schäbigstem Viertel.

Tränen kämpften sich hoch, Tränen aus Wut und aus Niedergeschlagenheit im selben Atemzug, drückten von hinten gegen seine Augäpfel und schmerzten im Oberkiefer, als habe er etwas fürchterlich Saures gegessen und könne es nicht mehr ausspucken. Aber sie liefen nicht. Winzige Spiegel aus Salzwasser bildeten sich auf den Hornhäuten, sichtbar und mit jedem Lidschlag wie Seifenlauge auf einer Windschutzscheibe auf und nieder fahrend. Das Blut schoss in die Bindehäute und färbte sie heftigst rot, das selbe Blut, das vorhin noch in schnellen, heftigen Pulsschlägen durch jede Ader seines Körpers galoppiert war. Oh, so schäbig von ihm, so furchtbar schäbig. Und Scham gesellte sich dazu und addierte sich in die Tränen hinein, dass sie dickflüssiger zu werden schienen und regelrecht auf der Linse klebten.

Und dennoch musste er sie ansehen. Sie, inmitten des Verbrechens, wie sie da lag, fest zugedeckt, und ihr bloßer Arm schaute aus der Decke heraus, die sie festhielt, als wäre das noch er, der da neben ihr lag. Die herrliche Figur, wie sie sich abzeichnete in sanften Hügeln unter dem Stoff, das angewinkelte Bein, das süße Knie, der schlanke Oberschenkel, die Silhouette des entspannten Rückgrats, bis sie sichtbar wurde am oberen Ende. Nur aus dem Augenwinkel schaute er zu ihr, wollte sich nicht bewegen, das war zu viel Arbeit, zu schwer, zu anstrengend. Aber es reichte. Sofort schlug ihm das Herz wieder schneller, nicht so dumpf und voll, nicht so körperlich, sondern hell und klar wie eine Glocke, als wolle es klingen, nicht pochen dabei. Und es durfte nicht. Er verbot es.

Durch das kleinere Fenster nach Westen hinaus schien der Mond hinein, abnehmend, und deshalb noch silbern fein, und er warf eben solches Licht auf ihre weiche Wange mit der winzigen Funkennarbe genau in der Mitte. Die langen, geschwungenen Wimpern aus dunklem Samt glitzerten in der Nacht, ihr sanftes Lächeln im Schlaf nur umso mehr betonend, und das leuchtende Pink, durchsetzt mit dunkelbrünetten Strähnchen, verblieb der einzige Farbklecks in all dieser Finsternis. Nicht einmal die Reklamen von draußen konnten so strahlend sein. Er wünschte, er könnte. Einfach wieder zurück, einfach wieder auf das Bett kriechen und zurück in ihre Arme, und dort die Zeit anhalten und niemals wieder voranschreiten lassen. Es war nicht wichtig, wie kalt es war. Nicht wichtig, wie feucht es war. Ob zu essen da war oder Strom oder Wasser oder sonst irgendwas. Solange er nur dort verharren könnte für alle Ewigkeit, wie Dornröschen, und alles wäre gut.

Aber der Wecker tickte. Der Sekundenzeiger, klein und unscheinbar, rannte vorwärts, Klick für Klick, bis wieder die Minute umsprang, und immer weiter fort schritt die Zeit. Wann war er aufgestanden? Wann hatte er versucht, sich eben auf die einfachere Art zu lösen? Ein Brief, ein paar Worte, die erklärten, sie könnte ihn nicht suchen, ohne ihn, ohne alles zu gefährden, also wieso nicht? Weil es mehr als niederträchtig gewesen wäre. Noch schlimmer, als er es ohnehin schon gemacht hatte. Wie hatte er das zulassen können? Wieso hatte er nicht abgeblockt, wieso nicht 'nein' gesagt, einfach 'nein'? Nur noch einmal. Nur dieses eine Mal. Deshalb. Weil er sich das so oft gewünscht hatte für alle, die nicht mehr waren. Nur noch einmal sagen zu können, nur noch einmal lachen zu können, nur ein winziges kleines Wort wechseln, eine Umarmung, ein Kuss, ein dummer Spruch, Abschied. Auf allen Ebenen. Deshalb. Und trotzdem war es widerlich, so zu gehen.

Sowieso müßig. Er hatte die passenden Worte genau so wenig gefunden. Zerknülltes Papier ringsherum, krampfhafte Versuche, auszudrücken, wieso er dies tat, warum es nicht nur etwas damit zu tun hatte, dass er diesen Auftrag angenommen hatte, dass er in den Untergrund ging. Keine Trennung auf Zeit, nicht das Soldaten-Lebwohl, das Seemannslied am Hafen. Wenn er zurückkäme, wenn er überstehen würde, was zu tun er gedachte (und wenn er ehrlich war, erwartete er das nicht), dann nicht zu ihr. Als Freund, ja. Wenn das ging. Wenn man das konnte nach einer solchen Geschichte. Er wusste nicht, ob. Aber sie musste verstehen. Sie musste begreifen, durfte nicht auf ihn warten. Ein für allemal. Würde er durch diese Tür treten, bald schon, so schnell er sich halt loseisen konnte, dann würde er nicht zurückkehren.

Wie sagte man das einem Mädchen? Wie erklärte man das? Ja, sie hatten oft davon geredet, er hatte ihr oft von seinen Zweifeln erzählt, immer wieder. Sie kannte die Gründe, die er auch dieses Mal anführen würde, die selben, die immer da gewesen waren und die nichts aus der Welt hatte schaffen können. Gleichgültig, wie viele Male sie dieses süße, zuckersüße, bienenlindenhonigsüße 'egal' flüsterte. Er konnte es hören, jetzt und hier, wie er an dem kalten Fenster stand und sich selbst umarmte, obwohl sie schlief, mehr als sechs Fuß von ihm entfernt, 'egal', und es verpasste ihm eine schauerschöne Gänsehaut, die jedes Haar an seinem Körper abstehen ließ. Wie Frühlingsregen. Er musste schlucken. Zu gut, viel zu gut. Zu wertvoll. Diese Hingabe. Aufsparen. Für lohnenderes Ziel. Das sollte sie, ja, das sollte sie wirklich.

Vorgestellt hatte er es sich, ein paar Mal. Charlie Weasley, das wäre eine schöne Idee, ja. Ein guter Junge, ein bisschen verrückt, genau wie sie, aus einer anständigen, liebevollen Familie. Da wäre sie gut aufgehoben. Das wär's doch. Aber er konnte nicht. Das Bild vor dem inneren Auge, das tat so weh, das war schlimmer als ... Merlin, Gott, wer auch immer, durfte man das sagen? Schlimmer als die Trümmer am Hang in Godric's Hollow, schlimmer als das ersterbende Lachen, schlimmer als das dumpfe Poltern von Knien auf Kirschholz, die alle Kraft verloren mit dem letzten Atemzug? Durfte man das vergleichen? Er wusste es nicht. Nur eins wusste er mit Sicherheit: Es fühlte sich tausendfach so grausam an. Sein Mädchen. Seine Liebe. Niemandes sonst durfte sie sein. Aber genau das wollte er doch. Damit sie glücklich war. Das allein zählte. Und wie sehr er sich das auch wünschte, mit ihm konnte das niemals geschehen, niemals. Das Lächeln, selbst im Schlaf, das sah er nicht.

Nicht einmal ihre Eltern wussten davon. Er hatte Sirius nichts gesagt, seinem besten, einzigen Freund. Keine Chance am Ende. Er war hier, heute Nacht, wie so viele Male zuvor, er hatte am Weihnachtsfest hier bei ihr unter dem verkrüppelten Bäumchen gelegen, während ihr Vater und ihre Mutter sie bei ihrem Cousin wähnten, und keinem hatten sie jemals von ihrer Beziehung erzählt. Sagte das nicht alles? Sie begriff es nicht, hatte es nie begriffen, aber er sah das, er spürte das, die Abneigung der Leute, die sich von ihm wie eine Seuche, ansteckend, auf alle übertrug, die sich zu nah, zu offen in seiner Umgebung aufhielten. Er hatte damit leben gelernt. Einsamkeit, das war sein Kumpel, der schlief bei ihm und rannte hinter ihm her, immer und überall. Das war schon OK. Remus Lupin war ein Einzelgänger, ein Einzelkämpfer, so sah er sich, damit kam er zurecht. Aber sie? Fröhlich, gesellig, sie brauchte Menschen um sich herum, möglichst viele, sie kannte jeden und jeder grüßte sie, er hatte es gesehen, auf den Straßen von Penge, wo sie aufgewachsen war, hier im Viertel in Soho, wo sie nun lebte, im Ministerium, wo sie arbeitete, überall. Man liebte sie. Weil sie diese Art hatte. Ihr das wegzunehmen, das würde sie zerstören. Und bei ihm zu sein, bedeutete, allein zu sein.

Grund genug. Und dennoch mehr. Ja, sicher, Geld war nicht alles, das sagte jeder, und alle behaupteten, sie kämen ohne aus (abgesehen von Pilzfänger Malfoy vielleicht), aber es war nun mal einfach nicht wahr. Die Leute machten sich einfach keine Vorstellung davon, was es hieß, arm zu sein. Ein bisschen weniger neue Kleider, das dachten die. Eben nicht der schnellste Rennbesen. Vielleicht gebrauchte Bücher, ja. Das war nicht alles, längst nicht. Wenn der Winter kam und die Wohnung kalt, wenn es zog an allen Ecken und Enden, weil Reparaturen zu teuer waren, dann, ja dann zeigte sich das tatsächliche Gesicht von Armut. Hunger. Oh, die wussten nicht, was Hunger war, kannten nicht diese unendliche schreckliche Leere im Bauch, die weh tat, die zehrte, wenn man spürte, wie sich der Magen ineinander stülpte, als suche er verzweifelt nach irgendwas da drinnen, bis es vorbei war. Nach ein paar Tagen. Wenn man den Hunger nicht mehr spürte.

Daran gewöhnte man sich auch. Dann schlief man halt, allein, wie eine Maus zusammengerollt, dann fühlte man weder Kälte noch beißende Sehnsucht nach einem einfachen, trockenen Stück Brot. Aber das tat man niemandem an. Natürlich, ja, sie verdiente ihr eigenes Geld hatte sie gesagt, aber wie lange? Machte sie sich eine Vorstellung davon, was mit ihrem tollen Job geschah, wenn sie offen mit ihm, mit jemandem wie ihm zusammen lebte? Vermessen zu glauben, es würde sich nichts ändern. Alles. Alles würde es anders machen, wieso sah sie das denn nicht? Sie wollte doch mal Kinder, das wollte sie doch, oder? Sie hatte es gesagt. Und sie musste welche haben, Verschwendung, wenn nicht, so liebevoll, so wunderbar, so einzigartig. Nicht mit ihm. Kein Geld. Keine Arbeit. Keine Perspektive. Und krank. So sehr es ihn anekelte, so sehr er das hasste und schreien wollte vor Wut, vor Ungerechtigkeit: Hippocrates Smethwyck hatte recht. Niemand wusste, was geschehen würde, sollte jemand wie er Kinder zeugen.

Eine einzelne Träne lief. Vielleicht war es die hastige Bewegung, wie er den einen Arm auf den Ellbogen stellte und sich die Faust unter die Nase presste, um das stete Rinnsal aufzuhalten, das sich nun seinen Weg bahnte. Die Finger zitterten, er spürte es, und umso schlimmer und heftiger, als die Decke leise raschelte. Oh, er liebte dieses Geräusch, das sie da machte! Dieses zufriedene, verschlafene Murren, halb gähnend, halb lachend, wie sie sich auf den Rücken rollte und sich reckte, dabei gleichzeitig nach ihm suchte. Und sie fand ihn nicht. Das kleine Geräusch verstummte nur leise ausrollend wie eine Welle am Meer, wie das Schnurren einer Katze, und Dora richtete sich halbwegs auf und stützte sich auf eine Hand. Die Decke hielt sie nicht einmal fest. Wozu auch? Er kannte sie.

Kühl war es dennoch in dem kleinen Schlafzimmer ihrer hübschen Wohnung in Londons Westend, und vorsichtig beugte sich die junge Frau über das Ende ihrer Matratze, um nach einem ihrer weitesten T-Shirts zu angeln. Mehr nicht, mehr zog sie nicht an, schob die Beine vom Bett und stemmte sich auf, musste sich erneut recken. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte, er wusste das ganz genau. Eine viel zu gute Nase hatte sie für die Emotionen und Gemütslagen anderer Menschen, und irgendwie, von Anfang an, vielleicht damals schon als Blumenmädchen auf einer Hochzeit in Südwales, hatte sie sein Inneres besonders gut im Blick. Auf leisen Sohlen huschte sie herüber, unglaublich, wie geschickt sie doch sein konnte, und Remus drückte sich nur noch fester die Fingerknöchel gegen die Scheidewand, bis das empfindliche Organ mit heftig einschießendem Schmerz antwortete.

Am liebsten wollte er sich entziehen, wollte einen Schritt zur Seite tun, abweisend, wie sie ohne die geringste Zurückhaltung an seine Schulter trat und sich gegen ihn lehnte. Leicht nur, nicht belastend, die Finger so sacht und zart wie Federn, berührte sie seinen Oberarm mit der einen Hand, sein Schulterblatt mit der anderen. Kleine Stromschläge zuckten über die Haut davon, und er wünschte sich so sehr, es mögen unangenehme Zeichen von Abscheu sein. Nicht mal lügend konnte er das glauben. „Hey,“ flüsterte sie, und während er noch kämpfte, während er ein letztes Mal abwog, ob er diesen Schritt wirklich tun sollte, drückte sie zärtliche Lippen leicht geöffnet auf die winzigen Fältchen zwischen Achsel und Brustkorb. Hitzeschwall. Bis hinauf in den Kopf und bis hinunter in die Zehen. Remus musste den Atem anhalten, um nicht einfach zusammenzubrechen, in ihre Arme zu sinken und um Verzeihung zu betteln für den miserablen Versuch allein, von ihr fortzugehen.

Die Möglichkeit wurde ihm geraubt, die Entscheidung abgenommen. Da lag noch das Pergament, da stand noch das offene Tintenfässchen, ihr offenes Tintenfässchen, und ihre beste Feder steckte auf dem Halter. Wie viele Anläufe? Zwölf, dreizehn, mehr? Er hatte sie nicht gezählt. Der Letzte war keine vier Zeilen lang, genauso sinnlos und schlecht formuliert und einfach nicht angemessen wie all die anderen zuvor. Aber sie sah ihn. Es wurde kalt an der Stelle seines Armes, wie sie ihn losließ und danach griff, wie ihre herrlichen, wie gemalten Augenbrauen sich fragend kräuselten. „Was ist das?“ flüsterte sie, als müsse sie leise sprechen in ihrer eigenen Wohnung, und der Mann am Fenster rührte sich nicht. Für Sekundenbruchteile vielleicht huschten seine Augen in ihre Richtung, so dass grelles Neonlicht sich darauf spiegelte, und dann starrte er wieder hinaus in den Nebel.

Nicht lange brauchte sie. Und dennoch las sie es mehrfach. Mit jedem Mal wurden die Falten auf der Stirn tiefer, so als ziehe ein Traktor den Pflug über das Feld, und die Fingerspitzen auf seinem Rücken wurden schweißnass und warm von pulsierendem Blut, ehe die Hand langsam, abwesend, an seiner Wirbelsäule hinunterglitt, so als wolle ihr Unterbewusstsein ihn zum Abschied ein letztes Mal streicheln. Er erschauerte unter dieser Berührung und musste die Lider schließen, konnte das Beben des ganzen Körpers nicht unterdrücken. Egal wie sehr das gerade weh tat, er würde diesen Moment in sein Gedächtnis brennen und sie dann vergessen, einfach vergessen was jemals zwischen ihnen gewesen war, wieder der Einsiedlerkrebs sein in einem Häuschen, das nicht ihm gehörte, das viel zu groß für ihn war.

„Was soll das?“ Ihre Stimme hatte diesen Unterton bekommen, der ihn fast, beinahe nur, zum Schmunzeln gebracht hätte. 'Du blöder Arsch'. Sirius. Black. Das knisternde Pergament, wie sie es regelrecht ausschlug, tat sein Übriges, um ihn wieder hierher zurück zu holen. Der Moment der Einprägung war vorbei. Jetzt galt es, jetzt musste er hart sein, hart bleiben. Kein Zurück mehr. Und er konnte sie trotzdem nicht anschauen. Noch immer die Faust fest zwischen Nase und Oberlippe eingeklemmt, dass der feine Bart darunter schwitzig wurde, kippte er ein wenig zur Seite, einziges Zeichen dafür, dass er zum Gespräch bereit war. Sie nahm es an.

„Du wolltest also,“ sagte sie, stemmte eine Hand in die Hüfte (oh, wie schön sie dabei aussah, und oh wie furchtbar er die Situation für sie machte, bloß im Hemdchen, sonst nichts), „einfach so verschwinden, ja?“ Was gab es da zu leugnen? Nichts. Remus nickte, vorsichtig, aber bestimmt, und die vorher so versteifte Mimik folgte. Ein schnippisches Schnauben entkam ihr, und es fühlte sich an wie winzige Dornen beim Brombeerpflücken im Hag. Sowas hatte sie noch nie gemacht. Ja, sie hatten sich gestritten hin und wieder, wegen dieser Sache auch, ja, aber es war nie ernsthaft geworden, nie ganzheitlich, immer irgendwie ... ja, liebevoll geblieben. Vielleicht ganz gut so. Vielleicht den Nerv getroffen, der es ihr am Ende leichter machen würde, ihn nicht nur gehen zu lassen, sondern ihn vielleicht zum Gehen aufzufordern.

Er konnte die Muskulatur an ihrem Kieferwinkel sehen, wo sie so viel kleiner war als er (genau da, vorhin geküsst), die sich anspannte und löste und wieder anspannte, während sie auf das Pergament starrte und überlegte. Es war die selbe, langweilige alte Geschichte, die gleichen Argumente würden dafür kommen, sie beide wussten das, und vielleicht war sie es endlich satt. Er betete darum. Schnell, bitte, nur schnell und vorbei. Und dann tat es noch mal so weh, mehr noch als erwartet, was sie sagte. „Warum hast du mir nicht gleich noch 'n bisschen Geld unter's Kopfkissen gelegt?“ Als habe sie ihm einen Leberhaken verpasst, wollte Remus einknicken, doch er tat es nicht. Sie hatte recht. Einfach nur recht. So ging man nicht, nicht so. Nicht erst ... und dann. Und Hitze schoss ihm erneut bis hinauf in die Schaltzentrale. Sie konnte das nicht missverstehen, sie kannte den Unterschied zwischen einfach so und aus tiefstem Gefühl. Und jede seiner Berührungen hatte wie Glitzerstaub seine Liebe für sie widergespiegelt.

Prompt entspannte sich die junge Frau, ließ deutlich erkennen, wie leid ihr das tat, was sie da gerade gesagt hatte, und dennoch brauchte er keine Entschuldigung oder auch nur verbale Bestätigung. So war sie eben, genau wie er, konnte das nicht, brauchte es auch nicht. Man wusste es einfach. „Remus,“ fing sie an und legte das unselige Stück Pergament endlich beiseite, legte eine sanfte Hand in seine Ellenbeuge und schaute zu ihm auf, die winzigen, süßen kleinen Zehen, die er zum ersten Mal im warmen, weichen Sand von Lulworth bewundert hatte, in der kalten Nachtluft auf dem Boden dort unten ineinander verdreht. „Remus, wir hatten das doch alles schon.“ Nur ein Hauch von Resignation war dabei zu hören, immer noch der selbe Elan, diese Beziehung zu verteidigen. Er würde das nicht durchstehen. Nicht noch einmal, sie würde ihn wieder halten und er konnte nicht, nicht heute.

Endlich löste er sich aus seiner selbst auferlegten Starre, und die bleischweren Arme wollten sich wieder bewegen. Einen tiefen Atemzug nehmend, schwang er regelrecht herum mit den breiten Schultern, wesentlich weniger Eindruck hinterlassend als er es gekonnt hätte, wäre entsprechende Masse dahinter gewesen. Sein Kopfschütteln, rasch und fest mit geschlossenen Augen, half mehr. „Nein, Tonks,“ sagte er laut, so laut, dass ein winziges Echo entstand, die Betonung auf ihrem Namen fast spuckend. Es wirkte. Sie machte einen hastigen Schritt rückwärts. Er hatte sie nicht mehr so genannt seit jenem Morgen in seinem Zimmer drüben in Aldgate, nicht einmal in der Öffentlichkeit. Oh nein, nicht hinsehen, nein. Da waren kleine Blitze in ihren Augen, nicht aus Wut, sondern aus silbern reflektiertem Mondlicht in schwimmenden Tränchen.

„Aber ich ...“ Er ließ sie nicht ausreden. Mit einer hastigen Bewegung wischte er ihre Worte beiseite, jetzt selbst die Kiefer zusammengepresst, und noch immer sah er sie nicht an, gab nur vor, von unten her minimal zu ihr herüber zu schielen, als müsse er zu ihr aufschauen. „Es geht einfach nicht, versteh' das doch!“ Sie verstand nicht. Weil es nichts zu verstehen gab. Er war anders dieses Mal, sie spürte es nicht nur, sie sah es. Keine Möglichkeit, zu ihm durchzudringen, ihn anzufassen wie sonst, ein feines 'shhh' zu flüstern und ihn zu beruhigen. Nach außen hin mochte er kühl erscheinen, aber da war etwas unter der Oberfläche, das brodelte, und das war Zorn, das war Verzweiflung, und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Das machte ihr Angst, und Dora Tonks fürchtete sich sonst vor gar nichts.

Es war nicht Furcht vor ihm als Person, auch nicht vor dem, was er tief in sich drin versteckte. Nein, davor konnte sie keine Angst haben. Sie kannte es, sie hatte es gesehen, sie kannte ihn. Mehr und besser als er das überhaupt nur ahnen konnte. Und es war ihr nicht egal. 'Egal' war das Wort, das er brauchte. Aber 'egal' war nicht das, was sie fühlte. Für das, was sie für diesen Mann empfand, gab es nur ein Wort, ein kurzes, ein kleines, das gar nichts und alles sagte. 'Ja'. Aber schon 'egal' drang nicht zu ihm vor. Erst recht nicht heute. Sie musste es trotzdem versuchen. „Geh' nicht weg, es gibt keinen Grund ...“

„Doch!“ Das war heißer Zorn. Nicht auf sie, das wusste sie, doch gleichzeitig hatte sie ihn noch nie so erlebt. Remus war besonnen, Remus war ruhig, er mochte keinen Streit, er mochte es, über Probleme nachzudenken, zu sinnieren, zu erfühlen, er kochte nicht über. Warum jetzt? Sirius. Natürlich. Und das: „Ich muss gehen, Tonks, ich habe einen Auftrag, und den werde ich ausführen!“ Die Erleichterung währte nur kurz. Einen Auftrag, das war doch OK, deshalb musste er doch nicht ... „Wieso hast du denn nichts gesagt?“ Sie hörte kaum, dass auch sie jetzt lauter wurde. Beide waren sie im Orden, beide nahmen an den Sitzungen teil, warum hatte sie keine Ahnung davon? Und es wurde ihr klar, als er fortfuhr. „Ich werde zu den Werwölfen gehen!“

Stille. Er hatte das Wort gesagt. Man konnte zuschauen, wie er sich dabei auf die Zunge biss, so fest, dass Blut kam, und er zog rasch die Unterlippe darüber und verschloss die Wunde gegen den Gaumen. Dora begriff augenblicklich, was er damit meinte. Todesser, Schwarzmagier, Drachen, auch Werwölfe, was auch immer, das war ihr alles egal, das konnte ihr nichts anhaben, pah! Eine Black war sie, ungestüm und furchtlos wie sie alle, eine Fackel, ein loderndes Feuer, aber eine Schwachstelle hatten sie alle, und die kämpften sie nieder und töteten sie, wenn sie konnten. Weil sie entsetzlich verwundbar machte. So sehr, dass Generationen von Blacks daran gestorben waren. Und die fühlte sie jetzt. Wenn er dorthin ging, wenn er sich in den Untergrund wagte, in die Nähe dieses fürchterlichen Mannes, dann begab er sich in größere Todesgefahr, schlimmer noch, als jemals in irgendeinem Gefecht. Mit einem Mal war sie das selbe kleine Kind wie im Brautzelt mit den großen, dunkelbraunen Augen.

Und gleichzeitig war ihr klar, dass er gehen musste. Er hatte keine Wahl, sie hatte keine Wahl, keiner von ihnen hatte die. Entweder sie besiegten Voldemort und seine Anhängerschaft, oder alles würde zugrunde gehen. Und das Risiko, das mussten sie eingehen. Jedes Risiko. Egal, was geschehen konnte. Niemand außer ihm war dazu in der Lage, sich dort einzuschleichen und heraus zu finden, was nur irgend möglich war. Daran gab es nichts zu rütteln, und niemals, niemals hätte Dora Tonks aus dem Hause Phineas Nigellus Black sich dem entgegen gestellt. Seine Tapferkeit war seine Waffe, Feigheit keine Option. Und dennoch bohrte sich diese unbeherrschbare Panik tief in sie hinein, während ihr im selben Moment der Unfug dämmerte.

„Deshalb musst du doch nicht ...“ Ein drittes Mal würgte er ihren Einwand ab, wusste, was sie sagen wollte. Ja, das stimmte, das war kein Grund, sie zu verlassen. Oberflächlich betrachtet. Aber es war ein Anlass, und ein guter obendrein. „Ich werde nicht zurückkommen.“ Es war fort aus seiner Stimme, das Grollen, die ganze Lautstärke. Er sagte das so leicht, so einfach, leise und gefasst, dass sie all ihre so neu aufgekommenen, so ungewohnten Ängste mit einem Mal explosionsartig wachsen fühlen und bestätigen konnte. Dieses ganze Zeug, das er sonst gefaselt hatte, Alter, Armut, Krankheit, das hatte sie nie gekratzt, das war kein Schrecken. Und auch dieses so merkwürdige Argument zog sie nur enger an ihn. Doch es machte sie stumm. Starr. Dora Tonks stand nur da und starrte ihn an, und tief im Innern wusste sie genau, dass er nicht nur ihre Beziehung meinte.

Er hielt es nicht aus. Nicht die Stille, nicht dieses Gefühl, diesen unbändigen Zorn darauf, wie ungerecht das Leben war, wie schrecklich ihn das Schicksal wirklich getroffen hatte, was er so lange verdrängt und kleingeredet hatte, bis er es hatte ertragen können. Nicht heute, nicht jetzt, nicht das. Verlust. Das kannte er. Das war nicht neu, das gehörte zu ihm wie der tägliche Sonnenaufgang, wie das Zerreißen seiner selbst, wenn der schönste Mond am Himmel stand. Größtes Leid und tiefstes Glück hatten so nah bei einander gelegen, immer, und für einen Herzschlag hörte er die Stimme von Professor Pellyn in seinem Kopf, und fast hätte er gelacht. So war's. Ja, so war's wirklich. Und trotzdem siegte am Ende der Verlust. Er spürte ihn schon wieder aufsteigen, gemischt jedoch dieses Mal mit dem Widerwillen, es so anzunehmen, wie es kam. Nicht fair. Einfach nicht fair. Es kochte und brodelte und alles Wüten würde nichts bringen. Zurück zur alten Strategie. Allein.

Zu sagen gab es nichts, auch wenn er wollte, wenn er vielleicht sogar sollte. Auszudrücken, was er wirklich fühlte, für sie, was das hier für ihn bedeutet hatte, was sie sich geteilt hatten für ein paar endlose Monate in der Zeit (Lulworth, Grimmauld, Aldgate, so viel mehr), dazu war er nicht in der Lage. Nur schwerer hätte das gemacht für sie beide. Es war das Beste, wenn sie es nicht wusste, wenn sie es als Episode abtat, so wie er es versuchen wollte. Ob es ging? Wusste er nicht. Es war auch nicht wichtig. Von Erinnerungen leben, das konnte Remus Lupin gut. Den Mund aufmachend, entschied er, dass auch Abschiedsworte überflüssig waren, und er griff mit einer Hand nach seinen restlichen Kleidern, die noch über einem Stuhl hingen, und mit Jacket und Robe durchquerte er mit schnellen Schritten das schmale Schlafzimmer. Nur raus, einfach weg und am besten gleich los, runter zum Pier, Bain finden, den Auftrag beginnen, und schon mit aller Gewalt seine Gedanken daran setzend, verließ Remus die Wohnung, schaute nicht zurück. Das brauchte er nicht. Ein Teil von ihm blieb dort.

Und das Hemd, das er noch nicht angezogen gehabt hatte, blieb auf dem Bettpfosten zurück, genau dort, wo er es immer hinhängte, wenn er sich zuhause fühlte.


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Hoch motivierte Angestellte vergessen morgens aus der S-Bahn auszusteigen, weil sie unbedingt das Kapitel zu Ende lesen müssen. Seit die Potter-Bücher auch in den Chef-Etagen aufgetaucht sind, häufen sich im Management die plötzlichen Krankmeldungen.
Meike Bruhns, Berliner Zeitung