Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Verräter

von Teekon

Die Lichter im Turmzimmer waren keineswegs aus. Heimelich und angenehm strahlten die kleinen Nachttischleuchten, und nur die schweren Vorhänge vor den rundbogigen Fenstern sperrten ihren Schein nach draußen hin aus. Nur ein winziges Feuerchen knisterte in dem riesigen, schwarzen Ungetüm namens Ofen, die Klappe geöffnet, so dass der Blick frei war auf glühende Holzscheite und hüpfende Funken in blendendem Orange. Ruhig und schön war es, die Stille der Nacht herabgesenkt über dem ganzen Schloss, der perfekte Zeitpunkt, um sich in aller Ruhe mit Wiederholungsaufgaben zu befassen.

Es hatte sowieso keinen Zweck zu schlafen, solange Moony sich noch im Gemeinschaftsraum mit Alten Runen beschäftigte, egal wie spät es längst geworden war. Der tickende Wecker mit den leuchtenden Ziffern darauf zeigte weit nach drei Uhr morgens an, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war. Irgendwann, bald nun vielleicht, würde er herauf geschlichen kommen, die knarzende Tür in den Raum schieben und hinein schlüpfen, und weil er sowieso viel zu aufgedreht noch sein würde von seiner fanatischen Arbeit – Sirius grinste, wie er daran dachte – bräuchte er sicherlich entsprechende Gesellschaft. Und eigentlich war sowieso niemand recht müde.

Leise vor sich hin brummend, halb melodisch, halb grübelnd, kaute Sirius Black auf seinem Federkiel herum und überflog rasch Seite um Seite. Alle seine Kissen aufgestapelt zu einem angenehm weichen Berg, hatte sich der Lockenkopf weit oben in seinem Bett lang ausgestreckt und zurückgelehnt, einen 45° Knick in der Hüfte, und seine in schwarzen Socken steckenden Füße rieben ununterbrochen einander über den Spann. Nicht einmal umgezogen hatte er sich, trug noch immer die fast komplette Uniform seines Hauses, abgesehen von der Krawatte, die er achtlos über den milchigen Lampenschirm neben sich drapiert hatte. Ein überschaubarer Stapel seiner üblichen Schulbücher thronte auf der Matratze gleich neben seinem Oberschenkel, während auf der anderen Seite ein Haufen wirrer Notizpergamente halb eingerollt über einander purzelte bei jeder Bewegung.

Der Lehrplan ging – zumindest für ihn – mal wieder hervorragend auf. Genau deshalb brauchte er sich weder zu beeilen, noch musste er sich langweilen. Und wenn er das hier heute Nacht noch fertig bekam, sich durch die einzelnen Beschaffenheiten irgendwelcher Halbedelsteine für Zaubertränke zu kämpfen, hätte er sogar den gesamten morgigen Tag zum Faulenzen. Bei diesem herrlichen Sommerwetter da draußen war so etwas nicht zu verachten, denn der See offerierte wunderbare Temperaturen, und die Damen beschwerten sich eigentlich nie, wenn er sich mal zu lange dort unten rumtrieb. Im Gegenteil. Erst vorgestern hatte Rianna Hooper sich ganz vorwurfsvoll erkundigt, wieso Mr. Black so furchtbar viel Zeit in der Bibliothek verbringe. Dabei sei doch die neuste Bademode aus London gerade eingetroffen.

Ganz abgelenkt von diesem Gedanken, grinste er vor sich hin, die abgekaute Feder dabei zwischen die fest aufeinander gepressten Zähne geschoben, und sein Summen wurde einen Tick lauter und spielerischer. Na los. Noch zwei Kapitel. Bis dahin dürfte Moony sich dann auch endlich mal zu seinen Freunden herauf bequemt haben. Erneut warf Sirius einen kurzen Kontrollblick auf die Uhr, schüttelte seufzend den Kopf und schaute sich rasch im obersten Jungenschlafsaal von Gryffindor um.

Der einzige anwesende Rumtreiber, abgesehen von ihm selbst, war Peter Pettigrew, auch wenn er es immer wieder rätselhaft fand, wie jemand mit einer solchen Wampe auf dem Bauch liegen konnte. Wahrscheinlich hatte die Matratze schon eine Delle von den Ausmaßen eines Kometeneinschlags. Sirius grinste. Die Beine angewinkelt, dass sie vor und zurück wippten und dabei gelegentlich seinen eigenen Hintern trafen, stützte Pete sich auf seine Ellbogen und schmökerte ebenfalls in einem Buch herum. Nur für einen kurzen Moment irritiert, verzog Black die Braue, wie er sich das betrachtete. Das war definitiv nicht Zaubertränke für Fortgeschrittene, was er da aufgeschlagen hatte. Viel zu klein, dieses Exemplar da, von der Abmessung her genau wie vom Umfang. Ein dunkler, abgegriffener Einband verbarg mit Blattgold verzierte Seiten, und Sirius quiekste. Typisch. Mit Sicherheit irgendeiner von Moonys bescheuerten Muggelromanen, die ihm sein werter Großpapa regelmäßig per Eule zukommen ließ.

Ganz versunken in sein Werk, berührte Pettigrew beinahe mit der Nasenspitze die Falz, die kleinen, wässrig-blauen Augen eifrig hin und her rauschen lassend in einem Lesetempo, das ihm niemand ohne Weiteres zugetraut hätte. Normalerweise schlief er um diese Uhrzeit wie ein Stein, aber anscheinend war diese Lektüre so fesselnd, dass er sich nicht davon losreißen konnte und die fortschreitende Nacht gar nicht recht bemerkte. Begeisterungsfähig wie eh und je, das gute Wurmschwänzchen. Aus dem breiten Grinsen wurde ein freundschaftliches Lächeln, wie Sirius sich leicht zurecht rückte und den kurz geratenen Kerl wieder in Ruhe lesen ließ.

„Ich geh' mal eben schauen, ob Moony da unten verschimmelt ist,“ hatte James gemeint und die Zunge herausgestreckt, wie er in seinem bescheuerten Pyjama aus den Federn gekrochen war. Offensichtlich mit seinem Tagespensum bereits durch und überhaupt nicht erpicht darauf, voraus zu arbeiten (das war nie gut, dann verlor man den Anschluss an diese sagenhaft erfolgreiche Lerngemeinschaft), hatte sich Potter wohl gelangweilt. Eine ganze Weile schon hatte er da gesessen, die lang ausgestreckten Beine unter der Bettdecke hin und her schlackern lassend, während er sich die Hände hinter dem Kopf verschränkte, um sich gegen die steinerne Wand in seinem Rücken zu lehnen. Irgendwann half auch das ewige Durcheinanderwurschteln seiner nicht vorhandenen Frisur nicht mehr als Beschäftigungstherapie, und eine Brille konnte man auch höchstens dreimal putzen und auf der Nase zurecht rücken. Und davon musste man nun wirklich nicht derartig nervös werden.

Ach was, Sirius wusste ganz genau, was da los war. Es passte James eben einfach nicht. Da hockte Remus schon seit Stunden (es kam einem wie Tage vor) allein mit Lily Evans im Gemeinschaftsraum, die Streberköpfe zusammen gesteckt und brütend über irgendwelchen Büchern (oh, dabei fassten sie sich bestimmt ständig an, wie erotisch), und niemand verstand so genau, wozu das eigentlich gut sein sollte. Schlimmer noch! Das ging ja nicht erst seit heute Abend so! Schon das ganze Schuljahr über! Als wären die Nachhilfestunden jeden Mittwoch nicht genug. Nein nein, sehr verdächtig, höchst suspekt. Sirius musste jetzt schon wieder lachen, wie er daran dachte. Potter war manchmal echt dämlich. Seufzend schüttelte er den Kopf und kratzte sich mit der verklebten Feder seines Schreibgeräts an der Schläfe.

In dem Moment schwang die so schwere Eichentür auf, von einer Wucht geschoben, dass Sirius eigentlich gleich beide Jungs, lachend und schwatzend erwartete, aber es war nur James. Wortlos, stumm, huschte er hinein, knallte jedoch nicht das Schloss, sondern ließ das Holz einfach ruhig und leise zurück sinken, umrundete hastig den polternden Ofen und sprang mit einem einzigen Satz auf sein Bett am anderen Ende des Raums. Die dunkle Wolke um seinen hochroten Kopf war kaum zu übersehen. Gleichzeitig, egal wie spannend Peters Buch bisher gewesen war, hoben die übrigen Rumtreiber die Blicke und starrten ihm für einen Moment hinterher, was Potter sofort zu unterbinden wusste, indem er sich flink auf der Matratze herum drehte und die dunkelroten Portieren ergriff. Ratsch – sie waren zu und der Quidditchkapitän dahinter verborgen.

Ganz verdutzt, das Kinn zurückziehend, wandte Sirius sich dem dicklichen Pummel auf der anderen Seite des Zimmers zu, aber auch Peter konnte nichts weiter tun, als die Lippe zu kräuseln und mit den Achseln zu zucken. Keine Ahnung, was das wieder sollte. Und weil er wohl nicht darüber nachgrübeln wollte, langte Pettigrew mit kurzen Stummelfingern in eine raschelnde Tüte vom Honigtopf, um sich einen riesigen Keks mit Schokoladenchips darauf in den Mund zu stopfen. Essen beruhigte. Und so wie James da gerade drein geschaut hatte, war sowas definitiv von Nöten.

Sich ihm zu nähern, erfahren zu wollen, was denn so Furchtbares passiert war, hatte keinen Zweck. Erst einmal herunterkommen musste er, das wussten sie beide nur zu gut, und außerdem hatte gerade Sirius (dessen Job das schließlich gewesen wäre) gerade so überhaupt keine Lust auf weibisch-kindliches Gezetere von einem albernen Krönchen. Das hatte er in letzter Zeit zu Genüge ertragen.

Ebenso leise quieksend, hob auch Black kurz die Schultern, machte ein gleichgültiges Gesicht mit geschürzter Lippe und widmete sich wieder den magischen Eigenschaften von Malachit und Obsidian. Das reichte für Peter. Wenn Sirius keine Schwierigkeiten hatte, dann war für ihn auch alles klar, und so kaute er nur geräuschvoll auf seinem Gebäck herum und steckte die lange Nase wieder in sein Buch. Würde sich schon wieder einkriegen, das Potterchen. Und vielleicht hätte er das auch, zumindest weit genug für ein vernünftiges Gespräch, wenn er in seiner brodelnden Wut bereits eingeschlafen wäre, als die Uhr auf Zwanzig vor Vier stand.

Viel leiser, gemächlicher kehrte Remus in den Schlafsaal zurück, den er sich mit seinen drei Freunden teilte. Ihm voraus schwebte ein immenser Stapel an Büchern und Pergamentrollen im Griff eines Locomotor, wie er vorsichtig den Kopf durch den Spalt zwischen Tür und Angel schob und beim Anblick der entzündeten Laternen erst recht selig lächelte. Die waren ja alle noch wach. Schön. Dann musste er nicht durch die Dunkelheit schleichen. „Hi,“ flüsterte er trotzdem, der späten Stunde eingedenk, während hinter ihm die kleine Fackel in dem schmalen Aufgang mehr und mehr herunter gedimmt wurde. Mit den Brauen grüßte Sirius, und Peter wandte ihm das Gesicht zu und zwinkerte fröhlich zum Empfang, und nur die Vorhänge an James' Bett waren fest zugezogen.

Nur wenig müde schaute er aus, die alte Streberleiche, musste Black bemerken und erneut ein wenig verstohlen grinsen. Zwar waren da feine Ringe von zu wenig Schlaf noch unter den eigentlich immer vorhandenen Zeichen seiner Krankheit, aber er machte einen Eindruck von Zufriedenheit. Ja, richtig glücklich. Der Kehlkopf vibrierte sacht, während er sich durch das Zimmer bewegte und seine mitgebrachten Utensilien rund um den Fuß seines Bettes verteilte, nicht mal wirklich ordentlich. Die Früchte dieser Arbeit hatte vorsichtshalber sowieso Lily mitgenommen, denn in ihrem Schlafsaal musste man weniger mit zerstörerischen Anfällen der lieben Freundinnen rechnen.

Dieses zarte Lächeln, das ihm da um die Mundwinkel spielte und sich deutlich auf jedem Zug seines Gesichts widerspiegelte, verpasste einem eine leichte Gänsehaut. Glanz in den Augen, und das nicht von Abgeschlagenheit und dem dringenden Bedürfnis nach Ruhe, fiel zusammen mit einer Beschwingheit in seinen Schritten, die zumindest Sirius endgültig von seinen Halbedelsteinen loseisten. Na, was war denn das? Interessant, sicherlich, und es passte hervorragend zu Potters schmollendem Schweigen hinter seinen Portieren, und trotzdem hieß das eigentlich gar nichts. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment, wie Remus sich herumdrehte, um die Bettdecke zurück zu schlagen, und Sirius kam nicht umhin, dieses erfüllte Lächeln zu erwidern.

Mit einem Ruck, ganz ähnlich dem, mit dem er sich vorhin erst von ihnen abgeschnitten hatte, zog ein leider immer noch wacher James die Vorhänge seines Bettes zurück. Da hockte er, in seinem gestreiften Pyjama im Schneidersitz, mitten auf der Matratze, die Brille noch auf der Nase, auch wenn sie merkwürdig trüb ausschaute von fettigen Abdrücken, und das dunkle Haar stand in noch wirreren Strähnen ab als ohnehin schon. Wie ein Igel, so schien er damit, die Stacheln gesträubt in Bedrohung. Am liebsten hätte Sirius wieder laut geseufzt und so von vornherein kundgetan, was er von einem derartigen Aufstand hielt. Na, das konnte ja wundervoll werden. Den Kopf nur sacht schüttelnd, entschied er, sich da weitestgehend heraus zu halten und nur dann seinen Senf dazu zu geben, wenn es nötig werden sollte. Irgendwie bezweifelte er, dass James jemals ein Wortgefecht mit Remus überstehen könnte.

Als hätte er ihn gar nicht bemerkt, nicht mehr als auch in seine Richtung eine kurze Begrüßung wispernd, griff Moony sich an den Saum seines Pullovers und zog ihn sich umständlich erst über den Kopf und anschließend über die Arme. Potter erwiderte kein „hallo“, saß nur da mit mahlenden Kiefern und starrte den Ältesten der vier Jungs mit unverborgenem Zorn an. Auch das fiel Remus nicht auf. Was immer es war, er war viel zu gefangen in seinen Gedanken, so kurz erst zurückliegenden Erinnerungen, dass er einfach weiter vor sich hin summte und dabei nicht aufhören konnte zu lächeln. Alleine die Tatsache, wie offen er das tat, wie direkt er sich präsentierte, bedeutete für Black, den Beobachter, nur eines: Remus sah keinerlei Grund dazu, seine Gefühle zu verbergen. Und das wiederum hieß, dass er sich nichts vorzuwerfen hatte.

James würde das nicht sehen. Nicht einmal, wenn er in besserer Stimmung gewesen wäre. Schnaufend, dass man befürchten musste, Feuer und Dampf würden ihm aus den Nüstern steigen, rutschte er ein wenig vorwärts, nicht gerade sehr eindrucksvoll mit seinen nackten Füßen, und schlang eine Hand um einen gedrechselten Bettpfosten. „Wie war Alte Runen?“ fragte er, als wäre ihm das wirklich wichtig und als ginge es genau darum. Obsidian entsteht bei rascher Abkühlung von Lava mit einem ... Sirius las diesen Satz jetzt mindestens zum vierten Mal, und immer noch konnte er sich nicht darauf konzentrieren. Dieser schneidende Unterton in Potters Stimme hielt ihn davon komplett ab.

Ganz wie erwartet, überhörte Remus diese Kampfansage, wie er seinen Pullover rasch zusammen faltete und sich dazu in Richtung seines Nachttisches drehte. Steile Falten trieb diese Bewegung auf Blacks Stirn, und aus dem Augenwinkel erkannte er auch Peters irritiertes Innehalten. Das darunter getragene Hemd hing nicht nur – ganz ungewohnt – aus Lupins Hosen heraus. Es war auch noch geöffnet, jeder einzelne Knopf daran. Wozu sollte man das tun? Keiner von beiden kam dazu, diesen Gedankengang zuende führen zu können. Seufzend, so heftig, dass sich seine Schultern bis an die Ohrläppchen hoben, bettete Remus seine Antwort ganz unschuldig in einen einzigen Ausatmer. „Wundervoll.“

Oi. Fehler. Sirius zuckte regelrecht zusammen, und auch Peter biss sich mit den großen Hasenzähnen auf die Unterlippe. So doof war dann nicht einmal Pettigrew, sich auf einen solchen Fight mit Potter einzulassen. Aber Remus bekam es eben gar nicht mit. Er war ganz weit weg und scherte sich nicht um das blitzartige Funkeln in James' Augen, das sofort noch eine Spur bedrohlicher wurde. Schnippisch Luft durch die Lippen blasend, blähte der Jüngste die Nasenflügel und schlug mit der Hand gegen den Pfosten, an dem er sich festhielt. „Klar,“ befand er, schien sich nicht entscheiden zu können, ob er sich übermäßig lässig zurücklehnen wollte, oder ob er besser sprungbereit gerade sitzen blieb. „Rummachen ist immer toll.“

Erst dieses Wort, verzögert zwar, drang zu Lupin durch, und auch die anderen beiden Lauschenden runzelten darüber die Stirn. Was wollte er denn damit sagen? Natürlich wussten sie, was es bedeutete, und jeder von ihnen hatte zu so etwas seine eigenen Bilder im Kopf, aber nichts davon passte so recht zu Moony. Und dann wieder ... Er war mit Lily da unten gewesen, richtig? Den ganzen Abend. Die halbe Nacht. Kein unangenehmes Ziehen wollte sich einstellen. Es war zu absurd, um auch nur entfernt real anmuten zu können. Ganz verwirrt, die Lider blinzelnd, wie er sich vergewisserte, dass es wirklich 'Rummachen' gewesen war, was James gesagt hatte, schüttelte Remus vorsichtig den Kopf und richtete sich zu voller Größe auf, um sich zu ihm herumdrehen zu können. Nicht einmal die kleinste Winzigkeit an Röte zeigte sich auf seinen Wangen.

„Ich verstehe nicht, was du meinst,“ breitete Remus beide Arme aus und lenkte damit erst recht den Blick auf seinen entblößten Oberkörper unter dem locker um die Schultern gelegten Hemd. Als würde das eine Assoziation in Potters Kopf auslösen, konnte man regelrecht zusehen, wie ihm das Blut in einem einzigen Schwung durch die Halsschlagader in den Schädel gepresst wurde. Die Wirbelsäule zuckte von der Heftigkeit, und James spuckte es ihm vor die Füße. „Lüg' nicht!“ Einen halben Schritt rückwärts machte Lupin, so überrascht von derartigem Angriff, und er stieß mit den Kniekehlen gegen das Bettgestell, noch ehe James zuende gesprochen hatte. „Ich hab's gesehen!“

Peter kaute nicht mehr. Mitten in der mahlenden Bewegung verharrten seine Kiefer, die eine Hand noch ausgestreckt, die Fingerspitzen die Tüte berührend, in der er noch mehr seiner Kekse aufbewahrte. Die so kleinen Äugelchen waren riesengroß geworden, wie er sich diese Szene dort betrachtete. Gesehen? Also hieß das, es stimmte? Aber das konnte er sich nicht vorstellen, und Sirius auch nicht. Längst nicht mehr im Ansatz versuchend, seinen Absatz über Lavagesteine richtig zu lesen, lugte Black nur über das Buch hinweg und beobachtete. Das konnte heiter werden. Egal, ob es nun der Wahrheit entsprach, was James da von sich gegeben hatte, oder ob er sich da irgendwas zusammen sponn. Remus gehörte nunmal nicht gerade zu den Leuten, die sich und ihre Handlungen mit Vehemenz verteidigten. Schon gar nicht Freunden gegenüber, die es eigentlich besser wissen sollten.

Eindrucksvoll bewies er diese ihm so eigene Haltung auch prompt. Leicht einknickend, beschwichtigend, dass er nicht so bedrohlich wirkte in seiner Größe, ließ Lupin dieses schiefe Lächeln auf sein Gesicht kriechen. „Es ist nicht so, wie du denkst,“ murmelte er fast, und endlich kroch ein feiner Film aus Blut in seine Wangen. Es half nichts. James war wütend, mehr als wütend, und er stieß sich erst recht an diesem so durchschaubaren Versuch der Deeskalation. Er hasste das. Er hasste es (mit einem Mal) so sehr, dieses feige Ausweichen, dieses bange Kuschen. Besonders jetzt, besonders in solchen Momenten, in denen er zornig sein wollte, in denen er sich messen wollte, Remus durfte nicht davor davon laufen! Am liebsten wäre er aufgesprungen, hätte ihn geschlagen, auf ihn eingeprügelt, nur um zu sehen, ob er sich dann wenigstens endlich wehrte! Dieser Hasenfuß, dieser Weichling, dieser Waschlappen!

Ein gepresstes Geräusch aus gefangenem Atem durch Luftröhre und Kehlkopf drückend, zitterte Potters ganzer Kopf, und er ergriff mit beiden Händen jetzt die Bettpfosten, um sich von der Matratze zu ziehen. Mit geballten Fäusten, dennoch um so vieles kleiner als sein Wunschkontrahent, brüllte er es ihm entgegen. „Sie – hat – dich – geküsst!“ Aufhören sollte er damit! Nicht so tun, als wäre James dumm oder einfältig, als wisse er nicht ganz genau, warum man sowas tat! Er verstand das, oh ja, sehr gut sogar! Der neunmalkluge Schlauberger hielt sie doch sowieso alle für die reinsten Hohlköpfe und sich für was Besseres! Einmal mehr bewies er ihm das, wie er sich jetzt wieder dahin stellte und mit diesem widerlichen Oberlehrerton besänftigend die offenen Hände herunter drückte.

„James,“ sagte Remus so ruhig, so abartig ruhig, die raue Stimme weicher werden lassend, so gut es eben ging, und ihr damit nur noch mehr diesen Klang nach Belustigung verleihend. Wie ein Quantenphysiker mit Dreijährigen sprach. „Es war rein freundschaftlich.“ Und diese Bewegung mit einer seiner Hände, wie er den Kopf schief legte und auf genau die Stelle deutete, unbewusst beinahe, die vorhin noch von ihren so wunderschönen Lippen berührt worden war, ließ James erst recht überkochen. „Ha!“ rief er aus, und für einen Moment glaubte Sirius, jetzt würde er wirklich körperlich zuschlagen. „Ich tue das nicht!“ Aber er schwang die Arme nur von sich, um auf seine beiden anderen Freunde zu deuten, um klar zu machen, was er sagen wollte.

Ob Lupin den Ernst der Lage verkannte, oder ob er mit einem so leichten Scherz zu entschärfen suchte, das wusste er vermutlich selbst nicht. Mit dem Daumen nur deutete er an seinem eigenen Oberarm vorbei auf den halb aufrecht, aber trotzdem nicht alarmiert im Bett sitzenden Black. „Sirius macht's,“ zuckte er mit den Achseln und schürzte die Lippen, noch immer frei von jeglicher Gegenwut. Man konnte richtiggehend dabei zuschauen, wie sich Potters Mundboden nach unten ausbeulte, stumm geschlagen von einem solchen Blödsinn, und mit geweiteten Augen hinter beschlagenen Brillengläsern starrte er zwischen Remus und seinem besten Freund hin und her.

Zeit, Farbe zu bekennen und sich auf eine Seite der Linie zu stellen, befand Black. Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Ja, James war ihm wie ein Bruder. Ja, er hielt zu ihm, immer. Und das tat er auch jetzt. Nur eben nicht so, wie Potter es vielleicht erwartete. Das hier war lächerlich. Moony hatte sicherlich eine gute Erklärung. Und er für seinen Teil nahm es ihm durchaus ab, dass Evans ihn einfach so – rein freundschaftlich eben – mal kurz busselte. Das war doch nun wirklich nichts Neues. Da hatten sie alle doch schon viel schlimmere und eindeutigere Dinge gesehen, die dennoch verpufft waren und keine Spuren hinterlassen hatten. Wenn James sich weiterhin so aufführte, mochte das hier nur in einem Debakel enden. Einem unnötigen obendrein.

Darauf hatte Sirius absolut keine Lust. Und sowieso. Mindestens ebenso ruhig wie Remus, ohne das geringste Anzeichen von Furcht vor Potters beklopptem Zwergenaufstand, hob er beide Schultern und nickte bestimmt. Stimmte halt. Er küsste seine Freunde. Problemlos. Und nicht gerade selten.

Dass James das nicht gefiel, wie leicht und einfach sich Sirius auf die Seite dieses Treuebruchs stellte, war zu erwarten gewesen. Glücklich darüber, hinter Remus' breitem Rücken und einer nur halb zurückgezogenen Bahn aus dunkelrotem Stoff verborgen zu sein, duckte Peter sich nur noch mehr auf seine Matratze. So konnte Potter ihn nicht sehen, so musste er nicht ebenfalls Stellung beziehen. Für einen kurzen Augenblick sprachlos, stammelte der Jüngste, schlug sich mit schlaff herabhängenden Händen gegen die Nähte seiner Pjyama-Hosen und fand schließlich die passende Antwort. Fast triumphierend verschränkte er die Arme vor der Brust, wandte sich mehr an Sirius als an Lupin. „Ach, bist du dabei auch immer halbnackt?“

Am besten ging man darauf gar nicht ein. Es war offensichtlich, dass er damit auf den etwas legeren Aufzug anspielte, den Remus ihnen hier präsentierte, und ganz ehrlich gesagt war das die einzige Sache an dieser Geschichte hier, die Sirius nicht so ganz klar war. Trotzdem kein Grund, derartig auszurasten. Auch das mochte seine Gründe haben. Sie hatten sie eben nur noch nicht gehört. Erneut die Achseln zuckend und ein wenig genervt nun die Augen rollend, hob er sein Buch etwas höher, um sich dahinter zu verstecken. Konnten sie das hier, bitte, rasch zuende bringen? Es war wirklich spät, und das war albern.

Hastig, aber noch immer nicht mit den unverkennbaren Zeichen von Schuld, schloss Remus die auseinander hängenden Seiten seines Hemdes übereinander und stopfte sie sich gemeinsam in den linken Hosenbund. Winzige rote Flecken tanzten unter seinen Augen, und dennoch gab er nur diese kleinen, gedrückten Geräusche des Überlegens von sich. Wie James das erläutern, ohne es noch schlimmer zu machen? Besonders jedoch, ohne ihm alles zu verraten. Er wollte das für sich behalten, das war seine eigene Welt, sein privates Glück, ganz für ihn allein, und er musste selbst erst einmal Zeit und Gelegenheit haben, all das zu verarbeiten, was da heute Nacht passiert war. Sie wusste es! Sie wusste es, die ganze Zeit schon, und es war OK! Mehr als OK. Wie unendlich gut das tat, das würde dieser Kindskopf hier nicht verstehen. Nie.

„Ehrlich, James, es ist nichts gewesen,“ versuchte er es erneut, konnte nicht begreifen, wieso seine Bemühungen auf so unfruchtbaren Boden fielen, warum James absolut gegenteilig reagierte und nur noch wütender zu werden schien, egal was er sagte. Er tat doch alles, was man tun konnte. Er blieb ruhig, sprach langsam und entspannt, defensiv, ordnete sich unter, das musste doch in Ordnung sein. Aber das war es nicht. Ganz und gar nicht.

Tränen schossen dem Jungen mit der Brille in die Augen, verrieten zum ersten Mal, dass mehr als nur Zorn im Spiel war. Vielleicht war es die so gleichgültige Position, die Sirius dabei einzunehmen schien, er wusste es nicht. Sie wegzublinzeln versuchend, ballte er die Hände wieder zu weißen Fäusten, und die Unterarme zitterten, wie sich seine Stimme überschlug. „Du hast es gesagt!“ schluchzte er jetzt, die Zähne knirschend bei dem krampfhaften Versuch, nicht loszuheulen. „Du hast gesagt, da wär' nichts!“ schien er vollkommen überhört zu haben, dass Remus genau das soeben noch einmal bestätigt hatte. Leid tun musste er einem nun, ein verstörtes Kind, dessen kleine Welt zusammenbrach, und ihm helfen wollend, streckte Lupin beide Arme aus, als wolle er ihm die Hände auf die Ellbogen legen und ihn so beruhigen. „James.“ Der Jüngste ignorierte seine Ansprache und vollführte eine heftige Bewegung, die ihn dem Zugriff des 19jährigen entzog und ihn sich sogar zurückziehen ließ.

„Du hast gesagt,“ er musste Luft holen und verschluckte sich an den eigenen Worten, wollte sie aber aussprechen, musste sie aussprechen und ihn daran erinnern, an jenen Moment hier oben im Turmzimmer, anderthalb Jahre nun her. Und auch damals hatte er das nicht gehalten, oder? Wer war denn mit ihr zum Ball gegangen, huh? Wer denn? Wer hatte mit ihr getanzt und geredet, den ganzen langen Abend hindurch, so schön und vertraut und so glücklich? Er hatte das nicht verdient, er hatte's nicht! Noch während er das im Kopf hatte, spürte James diesen Fels aus Schuld und Reue, so etwas überhaupt nur denken zu können. Nur noch schlimmer machte das alles. „Du hast gesagt, sie liebt dich nicht!“ Einen Herzschlag lang sah es so aus, als würde James davon einknicken und zusammenbrechen. Er blieb stehen und starrte sein Gegenüber mit bittenden, flehenden Augen an.

Instinktiv wollte Remus antworten. „Das tut sie ...“ Doch. Sie tat. Sie hatte es gesagt, gerade eben noch. Geflüstert an seinem Ohr. Und es prickelte noch immer daran herunter, zog eine Spur aus kribbelndem Gefühl den ganzen Hals hinunter, als wolle es unter dem Schlüsselbein hindurch bis ins Herz sickern. Und er konnte sich nicht schämen dafür. Trotzdem leuchtete heftige Röte in seinem Gesicht auf, wie sie James nicht verborgen bleiben konnte. Noch ehe der Jüngste zu reagieren vermochte, hob Lupin erneut die offenen Handflächen. „Wir sind nur Freunde. Nur Freunde, wirklich!“ Potter glaubte ihm kein Wort. Seine rehbraunen Augen voller Zornestränen verrieten das eindeutig.

„Versprochen hast du's,“ Heiser jetzt, doch schlimmer in seiner Anklage dadurch, würgte James Silbe für Silbe hervor und gleichzeitig die Tränen hinunter. „Mir helfen wolltest du.“ 'Wenn das sechste Jahr vorbei ist, das schwör' ich dir, hast du ein Date mit Lily Evans'. Geschworen auf Herz und Ehre. Und? Bald war es vorbei, das sechste Jahr, wenige Wochen nur noch. Und Remus? Remus ließ sich von ihr den bloßen Rücken streicheln, ließ sich von ihr zärtliche Küsse auf die Haut drücken. Der Gedanke daran, dieses Bild wieder im Kopf, presste eine zerquetschende Masse aus Bitterkeit und Hohn von innen heraus gegen seinen Brustkorb. Ob er es sagen wollte oder nicht, es wurde ihm über die Lippen geschoben. „Du mieser Verräter.“

Und das Blatt wendete sich komplett. Eine Stille, so vollkommen und betäubend, legte sich über das Turmzimmer, dass Sirius sein zischendes Einatmen auf der Zunge stecken blieb. Kein gutes Wort. Peter hörte auf, mit den Füßen zu wackeln. Die Scheite im Ofen knisterten nicht mehr. Und Remus war so aschfahl mit einem Mal, als sei ihm sämtliches Blut in den Füßen versackt. Hässliche, feste Klumpen aus verkrampfter Muskulatur bildeten sich an seinen Kieferwinkeln. Mit einem eisig kalten Blick aus plötzlich so harten Silberaugen fixierte er den viel kleineren Jungen, der sich so lächerlich drohend vor ihm aufgebaut hatte, und wie er das Rückgrat durchdrückte, ließ er ihn nur noch tiefer unter sich zurück.

„Pass auf, was du sagst.“ Mehr ein raues Knurren als die vorhin noch so sanfte und friedliche Stimme ihres Ältesten, war das. Kein Mitleid jetzt mehr für den armen, übertrieben handelnden James. Vorwürfe waren eine Sache. Etwas nicht zu verstehen, was durchaus missverständlich war, ebenso. Aber das nicht. 'Verräter' war mehr als ein Tabu. 'Verräter' war eine Beleidigung, wie sie verletzender kaum hätte sein können in diesem Kreis. Und James wusste das nur zu gut. Es war ihm egal. Er meinte es so, wie er es gesagt hatte. Aber vielleicht dachte er das auch nur. „Sonst was?“ blaffte Potter heraus, den Kopf dabei so unerwartet nach vorn werfend, dass er beinahe den ersten Schlag ausgelöst hätte.

Gespannt wie eine Feder, jederzeit bereit, das Buch sofort wegzuwerfen, aufzuspringen und dazwischen zu gehen, schaute Sirius Black weiterhin nur zu. Kein Grund, einzugreifen. Noch nicht. Die Faust an Remus' Seite, fast doppelt so groß wie die von James und trotz seiner Krankheit wesentlich kräftiger, blieb wo sie war. Und trotzdem hatte Potter bekommen, was er gewollt hatte. Lupin wehrte sich. Vorbei die Gelassenheit. Das war zu viel gewesen. Aber er rastete nicht aus. Ohne mit der Wimper zu zucken, schüttelte der Älteste und noch immer Größte von ihnen bedächtig den Kopf, signalisierte damit – vor allem für Black – wie wenig Gefahr bestand. Er würde ihn nicht schlagen. Es war nicht nötig. „Du machst alles kaputt.“

Keine Ahnung hatte James, was er damit meinen könnte, konnte nicht begreifen, wovon er da redete. So schön alles gewesen, so wunderbar, das Gefühl. Wie schweben, auf einer kleinen Wolke tanzen, endlich frei und endlich nicht mehr dieser nebelhafte Schleier zwischen ihr und ihm und einfach alles so, wie es sein sollte, sein musste, um zufrieden sein zu können. Auch ohne Ägypten. Auch ohne die Träume von so viel mehr. James konnte das nicht wissen. Und wenn er es gekonnt hätte, es wäre ihm vielleicht sogar gleichgültig gewesen. Waren doch nur Remus' merkwürdige Ansichten, nur seine Bedürfnisse, nicht die eigenen, so viel wichtigeren, hinter denen alles andere, sogar Black, zurückstehen musste. Arroganter Egoist. Ihm nicht mal das zu gönnen, nicht mal den heutigen Abend. Nur für sich, für sich und immer mehr.

Patzig, sein jugendliches Alter nur noch mehr offenbarend, erwiderte James fast lachhaft. „Ich mach' alles kaputt?“ quietschte er regelrecht und streckte einen Finger aus, den er in Remus' Brust bohren wollte. „Du!“ Fest die Kiefer aufeinander schlagend, wie bei Vollmond, so laut, dass es knallte, machte Lupin einen schnellen, aber nicht eiligen Schritt rückwärts und entzog sich ihm dadurch. Keine Berührung jetzt. Die würde böse enden. Das reichte. Er benahm sich affig. Mehr als das. Ekelhaft und kindisch in seiner Wut und Enttäuschung, in seinen verletzten Liebesgefühlen, und auch wenn Remus nicht unfair sein wollte, er konnte das nicht länger hinnehmen oder ertragen.

All diese Begebenheiten drangen ihm wieder ans Bewusstsein, diese fürchterlichen Momente – Krone I. von Absurdistan – wie er sich selbst den Weg versperrt und sich dabei auch noch witzig vorgekommen war. Von seinen obszönen Gesten auf ihrem zweiten Eröffnungsfest zu Pergamentkugeln in der Bibliothek, über diese grässliche Anmache zum Gründungsball, dieses beleidigte Schmollen während der ganzen Feierlichkeiten zu seinen ekligen Witzen und den Schrecklichkeiten, die er ihrem ehemals besten Freund auf den Hals gehetzt hatte. Und Remus fragte sich, ob er das Gleiche mit ihm gemacht hätte, wenn sie nur in einen anderen Schlafsaal gesteckt worden wären.

Mit der Heftigkeit der Antwort hatte James nicht gerechnet, und auch Peter plumpste beinahe vom Bett herunter. Sirius hingegen verzog anerkennend das Gesicht, gut verborgen hinter seinem Buch. „Du dummer Junge.“ Remus brüllte nicht. Er war nicht einmal wirklich laut. Aber da war etwas in seinen Augen, das er immer für sich behielt, das er tief drinnen versteckte, weil es ihm selbst Angst machte. Für Bruchteile von Sekunden schwommen Schlieren von chemischem Grün über seine Regenbogenhäute, und Potter zuckte darunter zusammen, konnte nicht einmal mehr protestieren. „Nicht die leiseste Ahnung hast du, wovon du da redest.“ Tausend Dinge hätte Lupin jetzt sagen können, so vieles, was ihm auf der Seele brannte, nur wo anfangen und wo aufhören? Er verbot es sich und zwängte seine Gedanken, seine Worte in eine Richtung. Für sie.

„Was du gesehen hast, hatte nichts, gar nichts mit irgendwelchen bescheuerten Liebeleien zu tun.“ Viel größer als die kleinen Träume von pubertierenden Jungs, so ungemein bedeutsamer als die netten Geschichtchen vom knutschenden Black bei Puddifoots am Valentinstag, über die sich Potter so amüsieren konnte. Und er sollte es besser wissen. Seine Tränen an eben jenem Tag hier oben auf seinem Bett hatten das bestätigt. „Sie hat mich getröstet.“ Sirius wollte in die Hände klatschen. Hatte er sich's doch gedacht. Alles erklärt damit. Und dennoch sprach Remus weiter, wollte es ihm schmerzhaft vor Augen führen. „Ich habe geheult.“ Wie viel stärker ihn das machte, eine solche Schwäche zu zugeben. So wie es das immer tat, wenn Remus Lupin sich ungeniert bloßstellen ließ. Das abschätzige Wort, das er dafür benutzte, betonte das nur umso mehr. „Weil ich es ihr gesagt habe.“

Nicht nötig zu erklären, was es gewesen war. Zu präsent ihnen allen die Situation, wie sie sich in den letzten Wochen dargestellt hatte, wie sie selbst ihn immer wieder zu überreden versucht hatten, seiner besten Freundin doch endlich die Wahrheit über seinen Zustand zu verraten, bevor sie es noch von jemand Anderem erfuhr. Ein 'Bravo!' auf der Zunge schluckte Sirius herunter und grinste statt dessen nur zufrieden. Das musste selbst James besänftigen. Und der Jüngste stand nur da, klappte den Mund auf und wieder zu wie ein Fisch auf dem Trockenen, wiederholte dieses Ritual wie in einer Endlosschleife. All die Zornesröte war verschwunden, ersetzt durch das pinke Rosé von Scham.

Aber Remus war noch nicht fertig. Er hatte mehr zu sagen, und es sollte jetzt raus. Das war der passende Zeitpunkt, ob er nun so erschien oder nicht. Nicht wegen ihm, sondern wegen ihr und für sie. Lange genug gewartet damit. Zeit hatte sie haben wollen, Zeit hatte sie bekommen. Genug gezaudert. Als müsse er sich selbst bestätigen, nickte Lupin. „Ich sollte es für mich behalten,“ musterte er die jetzt in Verwirrung verwischenden Züge von James Potter. „Weil du's nicht verdient hast, so grauenvoll, wie du dich aufführst.“ Als habe er ihn mit einem Rohrstock getroffen, sackte der Jüngste noch ein Stück weiter zwischen die eigenen Schultern, obwohl er es hören wollte, was Remus offenbaren wollte. Gespitzte Ohren auch hinter Zaubertränke für Fortgeschrittene, nicht zu blinzeln trauende Augen auf dem vordersten Bett.

Als wäre es das Lächerlichste, was er jemals von sich gegeben hatte, schnaubte Remus und schüttelte den Kopf, knirschte mit den verborgenen Zähnen. Und dann sagte er es. Etwas so Unglaubliches, dass James laut lachen wollte, egal wie beschämt und blamiert er sich fühlte. „Lily hat sich in dich verliebt.“ Ein Schub aus Hitze begleitete seine Worte, aber das ging komplett unter, so überrascht hatte er seine Freunde damit. Ja ja, seltsam, nicht wahr? Hatte er's ihm nicht so prophezeit? 'Sei wie du bist und es wird sofort passieren'? Viel früher schon hätte er das haben können, dieser dämliche Idiot. „Du könntest längst,“ Lupin schluckte und schüttelte erneut den Kopf. „Längst mit ihr zusammen sein, du sagenhafter Glückspilz.“

Heiser und tonlos und trotzdem kraftvoll und sehnsüchtig zugleich, dieser letzte Satz, und als habe er bemerkt, wie viel tiefer er damit blicken ließ, wandte Remus sich augenblicklich von dem stierenden, glotzenden Potter ab, grabschte gewalttätig nach seiner Robe und drängte sich an dieser Armutsgestalt vorbei. Raus hier, nur raus und weg, keinen Nerv, näher darauf einzugehen oder irgendwem Rechenschaft abzulegen. Mit einer Mischung aus Wut und etwas, von dem niemand (selbst seine Freunde nur schwer) geglaubt hätte, dass er es besaß – Stolz – zwängte Remus eine Hand in den Ärmel, während er schon über seinen Bücherstapel hinwegsprang, auf die Tür zu und hinaus. Seine Schritte verhallten auf den Stufen, wie das Eichenholz ins Schloss fiel.

Mit Stummheit geschlagen, stand James Potter mitten im Turmzimmer und starrte ins Leere. Er hatte das nicht gehört. Remus hatte das nicht gesagt. Das war vollkommen unmöglich, konnte einfach nicht sein. Und dabei war ihm klar, dass er ihn niemals belogen hätte. Nicht wegen dieser Sache. Sich die trockenen Lippen leckend, immer wieder, entspannte er die Fäuste, ballte sie wieder und ließ die eiskalt gewordenen Finger schließlich herunter hängen. Nur langsam konnte er sich aus diesem Wattegefühl herausziehen, und sein erster Blick traf den lang ausgestreckt liegenden Peter.

Eine Hand in der Kekstüte, die andere an seinem Buch, schaute Pettigrew ihn mit blinkend geweiteten Augen an und rührte sich nicht. Wie versteinert sah er aus, und nur das kräftige Hüpfen seines Adamsapfels zeugte davon, dass er überhaupt noch lebte. Hastig den Kopf wendend, suchte James nach seinem besten Freund, und Sirius saß so ungerührt und lässig in seinem Bett, als wäre absolut nichts Ungewöhnliches geschehen. Das krasse Gegenteil zu ihm in diesem Moment. Eine Braue steil hochgezogen, ruhig mit dem Federkiel gegen die Buchseiten trommelnd, zuckte Sirius die Achseln und deutete mit dem ganzen Schädel hinter dem soeben davon Gelaufenen her. „Er hat recht,“ befand er, behielt James ohne zu Stieren im Blick.

Womit genau, das wollte Black wohl nicht sagen. Das war auch nicht wichtig. Nur an der Zeit war es. „Worauf wartest du noch?“ Weihnachten? Schulabschluss? Ihre Hochzeit? 50. Jubiläum? Wenn es sein musste, würde er ihn treten. Jetzt und auf der Stelle. Es war nicht notwendig. James begriff es von ganz allein, nickte, erst langsam, dann bestimmter, holte tief Luft und trat quer durch das Zimmer, um hinunter zu gehen, sie zu wecken, wenn es sein musste, und ihr endlich zu sagen, was er wirklich fühlte.

Zurück blieben Peter und Sirius, jeder mit seinem Buch, und sie rollten beide mit den Augen, einander einen grinsenden Blick zuwerfend. Und während Remus fluchend die Ballustraden im Inneren des Turms abschritt und James gegen den Anti-Jungs-Fluch ankämpfte, stopfte Pettigrew sich einen Keks in den Mund und kaute genüsslich darauf herum. Alles wie immer.


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
DVD: Game of Thrones - 3. Staffel
[DVD] [Blu-ray]
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Ich hatte eine ganze Seite über meine Rolle geschrieben. Doch am nächsten Tag kam Emma an - mit sechzehneinhalb Seiten!
Daniel Radcliffe