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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Sherlock Dervish hat Angst

von Teekon

Leise vor sich hin summend schritt der schlacksige, groß gewachsene Mann rückwärts die beiden Stufen hinunter und rieb sich das spitze Kinn dabei. Das Ende eines langen Arbeitstages, die Halbjahresabrechnung fertig gestellt, da konnte man frohen Mutes und guten Gewissens den Laden abschließen und hinüber gehen ins 3 Besen, um sich ein Butterbierchen zu gönnen. Vielleicht würden ein paar Leute dort zusammen sitzen, nicht zu viele, denn das mochte der Geschäftsmann nicht, und er erwartete es auch nicht an einem solchen Abend.

Ein angenehm laues Lüftchen umwehte die letzten Häuser von Hogsmeade am östlichen Ende des Dorfes, und das sanfte Zirpen von Grillen und Heuschrecken begleitete den Wind. Blätter an voll belaubten Sommerbäumen rauschten, als wäre das Meer nicht weit. Sonst jedoch war alles still und friedlich, die Nacht herabgesenkt auf das tief eingeschnittene und lang gezogene Tal der Schule für Hexerei und Zauberei. Sanfte, blauschwarze Schatten spielten zwischen den Sträuchern im Garten seines eigenen kleinen Hauses, in dem auch das Ladenlokal untergebracht war, und im hellen Mondlicht glitzerten die weißen Kiesel auf dem Hof und dem schmalen Weg hinaus zum schmiedeeisernen Törchen wie winzige Erdtrabanten selbst.

Hübsch sah das aus, einer der Gründe, wieso Sherlock Dervish eben genau diesen Belag für die Pfade gewählt hatte. Ringsherum aufgeschüttet um das längliche Gebäude an der Hauptstraße, verliehen sie einen hervorhebenden Glanz, der das Auge des Betrachters sofort darauf lenkte. Altenglisches Fachwerk unter einem hohen Giebel, pechschwarz gestrichen die Balken dazwischen, grasgrüne Fensterläden, die Butzenscheiben dahinter verdeckend, war es ein imposantes Haus, und das vor Kurzem erst wieder frisch bemalte Schild schwankte in gut geölten Ringen aus geschmiedetem und geschwärztem Stahl über dem Haupteingang. Zwei Stufen aus behauenem Naturstein führten zur Tür des Geschäfts hinauf, die Auslagen zu beiden Seiten hinter hübsch eingefassten Fenstern ordentlich dekoriert mit allerhand magischen Kleinodien.

Dervish & Banges war ein Laden für Zauberutensilien. Hauptsächlich Gerätschaften wurden hier gehandelt und an den Zauberer oder die Hexe gebracht, besonders natürlich an die Schüler aus dem nahe gelegenen Schloss oder auch mal an eine der Lehrkräfte, jedoch konnten die beiden älteren Herren nur überleben, wenn sie auch bereits in Gebrauch befindliches Material reparierten oder andere Serviceleistungen daran durchführten. Immerhin handelte es sich bei ihrer Kundschaft um Jungvolk, spärlich ausgestattet mit Taschengeld und höchstens mal einem Bolus ihrer Eltern, um eventuell kaputt gegangenes Material zu ersetzen oder eben eine Instandsetzung in Auftrag geben zu können. Aber beklagen konnte sich Sherlock keineswegs. Er lebte gut davon, und respektabel, und er mochte seine Arbeit hier draußen.

Mit seinem Talent und Banges' Geld, schon in ihrer gemeinsam verbrachten Jugend, hätten sie sich sicherlich ein Lokal in der Winkelgasse leisten können, doch im Nachhinein waren beide froh darüber, nach Hogsmeade gegangen zu sein. Ruhiger im Allgemeinen, nicht dieser ewig aufgedrehte Bienenstock, den man in London tagtäglich erlebte. Mehr Möglichkeiten und weniger Konkurrenz, und dazu eine wesentlich angenehmere Aussicht. Und obendrein noch zwei der besten Gaststätten von ganz Großbritannien in bequemer Reichweite. Jedenfalls für magische Personen. Da brauchte man in der Mittagspause nicht einmal selbst für den Lunch zu sorgen. Rosmerta kümmerte sich gern darum, und dabei war sie nicht teuer.

Sherlock Dervish legte Wert auf einen guten Preis. Nicht nur, wenn er selbst einkaufte, sondern vor allem auch im eigenen Geschäft. Gierig durfte man nicht werden, aber sich auch nicht unterbezahlen lassen, nur weil einem die kleinen Kulleraugen so leid taten, die einen da ganz traurig anstarrten, einen halben Fuß unter dem Tresenrand, weil der heißgeliebte Trillerkreisel es nicht mehr tat, oder wenn der Krachmacher nicht rechtzeitig zum nächsten Quidditch-Spiel wieder ganz der Alte war. So streng, wie der Ladenbesitzer über seine winzige, runde Brille hinweg lugen konnte, probierte das sowieso jeder nur einmal. Danach trauten sie sich kaum noch, überhaupt Widerworte zu geben. Naja. Abgesehen von den ganz Schlimmen, den frechsten Jungs, den lautesten Rabauken, Namen brauchte er nicht zu nennen. Und das Mädchen, nein, das schüchterte man auch so rasch nicht ein. Das wollte er allerdings auch nicht. So höflich, wie Miss Evans dabei blieb, wenn sie ihre Bitten und Vorschläge vorbrachte, und dennoch so determiniert und bestimmt, da konnte man einfach nur lächeln. Würde eine gute Geschäftsfrau abgeben.

Über den Hinterausgang, sozusagen seine tatsächliche Wohnungstür, war Sherlock hinaus getreten in den schmalen Garten, der sich unter einen steilen Hang duckte und somit ständig in angenehm kühlem Schatten lag. Hier schien die Sonne nicht mal herein, wenn sie fast senkrecht am Himmel stand an irgendeinem schönen Mittsommertag, und die Pflanzen, Efeu und Geißblatt, dazwischen die hohen, weißbeflockten Stengel von Silberkerzen, dankten es. Immer ein wenig feucht war es dort zwischen den Eibenhecken, wo sich eine niedrige Holzbank unter die ausladenden Äste einer Traubenkirsche schmiegte, und wo besonders Banges gern saß und schmökerte. Dervish hielt sich lieber im Inneren des Hauses auf, um aus dem hohen Fenster seines Büros zu schauen und die Eichhörnchen zu beobachten, wie sie sich mit den Krähen um Futter balgten.

Er war sich fast sicher, dass ein kleiner Kobel vorsichtig in die hintersten Ecken der Hecke gebaut war, und hin und wieder schlich er sich nah an das Gehölz heran, um danach zu suchen. Heute Nacht jedoch war das sinnlos. Obwohl der Vollmond strahlend zwischen den Bergkuppen hindurch leuchtete, war es zumindest in seinem Garten einfach zu dunkel dazu.

Auf dem Hügel dort oben, der die hintere Begrenzung des Dervish'schen Landes bildete, ragte die Nordwand von Aberforths Pub auf und sperrte erst recht sämtliches Tageslicht aus, wenn die Sonne endlich über den Horizont glitt. Jetzt, um diese späte Stunde, glühten die Augen des Hauses in verhangenem Lampenschein von drinnen, und durch das nur angelehnte Fenster drangen Lachen und Murmeln und der unverkennbare Geruch von gestrecktem Tabak hinaus in diesen abgelegenen Teil des Dorfes. Sherlock rümpfte die Nase und stellte für einen Moment das Summen ein. Ach, nicht schön, nein, wirklich nicht. Nur rasch ein magisches Siegel auf die Hintertür und dann nichts wie hinüber zu Rosmerta, zu wärmerer und einladenderer Gesellschaft.

Das Geschäft mitsamt der Wohnung des unwesentlich älteren Teilhabers war das letzte Haus auf der Hauptstraße. Dahinter begannen die weiten Wiesen auf langgestreckten Hängen, die rasch anstiegen zu felsigen Klippen, deren Füße bald schon von Ausläufern des Verbotenen Waldes überwuchert wurden. Wie eine dunkle Wand schossen die Bäume dort nach oben, selbst in einer lauen Frühsommernacht wie dieser ein wenig bedrohlich. Unbefestigt, nach wenigen Yards schon nur noch ein breiter Streifen aus Schlamm mit einer Narbe aus saftigem Gras in der Mitte, verlor sich der Weg in den ungepflegten Rasenflächen, und aufsprießende Ableger von Hartriegel zeugten davon, dass hier dringender Handlungsbedarf bestand, oder der Wald, und damit seine Bewohner, würden viel zu nah an Hogsmeade heranreichen können.

Obwohl es warm war, fröstelte Sherlock bei diesem Gedanken und wandte sich gleich von diesem Pfad ab. Zwei von Kieseln bedeckte Säume führten hinaus aus seinem hübschen, fast verwunschen anmutenden Garten, und der freiere, hellere, war derjenige, dem er nun lieber den Rücken zukehrte. Schneller war es ohnehin, wenn er zwischen den eng bei einander stehenden Häusern hindurch schlüpfte und sich so auf die Straße begab, und Schlüssel und Zauberstab in den Taschen seiner Sommerrobe versenkend, zog Dervish die Schultern hoch. Der Mond beleuchtete seine Schritte, wie der hagere Mann in seinem immer gut geschnittenen Cutaway mitsamt Einstecktuch und Taschenuhr das kurze Stück zurücklegte. Er wusste nicht wieso, aber nach Summen war ihm mit einem Mal so gar nicht mehr zumute.

Das war doch lächerlich. Das hier war Hogsmeade! Sein Zuhause seit – ach – mindestens 50 Jahren, wenn nicht sogar noch länger! Aber in diesem Moment konnte er sich nicht einmal dazu durchringen, sich genau daran zu erinnern. Die Nackenhaare sträubten sich ihm aus unerfindlichen Gründen, und Sherlock Dervish schnaubte, um sich selbst zu schellten. Gut, dass ihn niemand so sehen konnte. Frühling, beinahe Sommer, nicht Halloween oder irgendeine eisig-stille Winternacht war das hier. Und trotzdem hatte er das Bedürfnis, sich wenigstens rasch umzusehen und zu vergewissern.

Alles war wie immer. Die Bank dort hinten war leer. Das in die nach vorne hinaus niedrige Hecke eingelassene Tor war verschlossen, sogar den Riegel konnte er erkennen, herunter gedrückt und befestigt mit einem Bolzen. Tautropfen glitzerten im kurz geschnittenen und perfekt getrimmten Rasen, wie gemalt schaute der Garten aus. Tief getränkt in silberhelles Licht, wo kaum eine Wolke am Himmel stand, und die wenigen Fetzen, die dort oben flogen, von einem frischen Wind so rasch vorbei getragen, dass der Mond in seiner Kraft nicht behindert wurde. Keine Katze schlich durch das Gras, keine Eule schüttelte in den Ästen der ordentlich gestutzten Bäume ihre Federn aus, und auch keine Grille nervte mit unaufhörlichem Gezirp.

Moment. Wieso waren die Insekten so still? Soeben noch ausgeholt zu einem hastigen Schritt, der ihn tiefer zwischen die Häuser gelenkt hätte, blieb Dervish erneut wie angewurzelt stehen. Hitze schoss ihm nun den engen Vatermörder-Kragen hinauf, wo ihm gerade noch so unangenehm kalt gewesen war. Das machte keinen Sinn, und trotzdem bestätigte es dieses merkwürdige Gefühl. Diese Ahnung, beobachtet zu sein. Dieses grässliche Kribbeln der Angst, wenn man sich sicher war, nicht allein zu sein, und die Augen, die einem folgten, waren nicht freundlich gesinnt. Er mochte das nicht. Ganz und gar nicht. Die Hintertür magisch versiegelt, nach Osten hin nur das freie Feld bis zum Waldrand, nach Süden der steile Hang. Der einzige Weg von hier fort führte durch die schmale Gasse zwischen seinem eigenen Geschäft und dem kleinen Wohnhaus der Scrivenshafts.

Er verlor keine Zeit. So schnell er nur konnte, stopfte sich der Händler die zierlich anmutenden Hände, eiskalt von Blutleere, in die Taschen seiner Robe, duckte sich wie eine furchtsame Schildkröte zwischen die eigenen, dürren Schultern und eilte mit lang ausholenden Beinen in den kurzen, aber dunklen Schatten zwischen den Gebäuden. Und da hörte er es. Ein rollendes Knurren. In mächtiger Kehle steckendes Brodeln, die Richtung aus der es kam, nicht auszumachen in der Enge, die ihn jetzt umgab. Schweiß schoss in dicken Tropfen auf die bleiche, eingefallene Stirn, besprenkelt mit Altersflecken. Wohin nun? Zurück? Versuchen, doch noch rechtzeitig die Tür zu öffnen, einfach hinein? Oder vorwärts und Laufen, nur Laufen, bis er das offene Lokal erreichte? Die Entscheidung zu fällen, war ihm nicht möglich.

Was es war, das wusste er nicht. Musste er das denn wissen? Er lebte im Schatten des Verbotenen Waldes, Ewigkeiten schon, und er konnte sich ungefähr vorstellen, welche Art von Kreaturen dort hauste, auch wenn er wenige davon jemals mit eigenen Augen gesehen hatte. Einhörner kamen manchmal herunter bis an die Grenzen des Dorfes, aber weder knurrten diese wunderschönen Tiere, noch verursachten sie eine derartige Panik. Ganz im Gegenteil. Und scheu waren sie, liefen sofort davon, wenn sich Menschen in ihre Nähe begaben, deren Anwesenheit sie nicht gewohnt waren. Kentauren waren der englischen Sprache mächtig, und hätten sie sich aus den Bäumen gewagt, sie hätten ihn angerufen. Doch keines dieser beiden Lebewesen war auch nur entfernt zu vermuten. Und Sherlock Dervish konnte absolut nichts sehen.

Eine zu laufen beginnende Spur aus kaltem Schweiß rollte ihm in die Braue und schlug sich auf dem Inneren seiner Brillengläser nieder. Er zitterte, er spürte es in jedem Knochen, nicht bloß oberflächlich, und dennoch stand er wie angewurzelt da. Zauberstab. Er hatte doch seinen Zauberstab. Seine Hände kamen nicht aus den Taschen heraus. Was auch immer es war, was dort irgendwo in der Dunkelheit lauerte, seine pure Gegenwart raubte einem Menschen den Atem, verdammte ihn zu versteinertem Warten auf was kommen mochte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, der alte Mann konnte sich nicht entscheiden, ob er seinen Gegner sehen wollte oder lieber nicht. „Wer,“ presste er heraus, seine Stimme so fistelig, dass sie sich überschlug, „wer ist da?“

Keine Antwort. Natürlich nicht. Es war keine Person, es war kein magisches Wesen mit Sprache und Ausdruck, sondern etwas Schlimmes. Etwas Gefährliches. Sein Körper spürte es instinktiv, verriet es ihm mit jedem keuchend gewonnenen Atemzug, mit dem so unwillkürlichen Weitstellen seiner Pupillen. Fluchtreaktion. Er war kein guter Läufer. Dafür war er mittlerweile zu alt, und auch früher schon hatte er eben lieber hinter einem Schreibtisch gesessen, und auch wenn Sherlock Dervish drahtig geblieben war, so fühlte er sich kaum in der Lage, davon zu rennen. Vielleicht war das auch gar nicht angebracht. Es mochte nur die Aufmerksamkeit der Kreatur auf ihn lenken, wenn er vor ihr weglief. Wer wusste das schon? Dafür müsste er wissen, womit er es zu tun hatte, aber er wollte es nicht sehen, er wollte einfach nicht. Es würde ihm nicht helfen, diese Erkenntnis zu haben, auch das wusste er, ohne sicher sein zu müssen, und im Hinterkopf war es ihm längst klar.

Vollmond. So klar, so rund, so hell und rein, dass man die einzelnen Krater auf der Oberfläche erkennen konnte. Sogar Squibs und Muggel spürten seine magische Kraft. Im Augenwinkel des Händlers schien er nur, eine silberweiße Scheibe, so schön, so schaurig, so wunderbar und so bedrohlich. Es konnte nichts Anderes sein. Und da war es wieder, dieses Geräusch. Länger gezogen dieses Mal, höher in der Frequenz, näher. Hinter ihm. Dervishs Starre löste sich so ruckartig, wie sie gekommen war, und er schwang seinen schlacksigen Körper herum und starrte mit großen Augen in die Dunkelheit. Dort hinten, unter der Traubenkirsche, wo die Bank stand, irgendwo dort.

Er trat heraus, der Wolf, die langen Haare auf dem Rist steif abstehend, als habe er es nötig, seine eindrucksvolle Gestalt tatsächlich noch zu vergrößern. Ein unglaublich kräftiges Tier, mindestens 250 lbs, wenn nicht noch mehr, und von der langen, breiten Schnauze bis zu der viel zu buschigen Rute sicherlich 6'4'' messend. Gespannt, fast neugierig, waren die Ohren nach vorn gerichtet, so wie es Hunde taten, wenn sie sich einem zuwandten. Der Wolf lief elegant, setzte eine massige Pfote vor die andere, und in dem weichen, feuchten Gras klickerten keine Krallen. Als schwebe er über den Rasen, die starken Muskelbäuche unter dem schimmernden, weiß-grauen Fell herrlich arbeitend, dass es eine Freude war, dabei zu zuschauen. Und dennoch gefror dem alten Mann das Blut in den Adern. Es gab keine Wölfe auf den britischen Inseln. Nur solche wie diesen hier.

Zu groß, zu kräftig, jedes Merkmal stimmte, und fast hätte Sherlock gelacht. Wie lange war das her, seine OWL-Prüfungen? Wann hatte er das letzte Mal nachgelesen, wie diese Bestien ausschauten? An jede Einzelheit erinnerte er sich plötzlich, und er wünschte, es wäre nicht so. Vollmond. So hell. So stark. Ein Werwolf. Das Licht seines Meisters fiel in die merkwürdig verzerrten Augen, die Pupillen entrundet und lang gestreckt zu vertikalen Elipsen aus tiefstem Schwarz in einem so unnatürlich grellen Mitisgrün, wie Salazar persönlich es sich nicht hätte vorstellen können. Faszinierend schön. Man mochte darin versinken und es einfach geschehen lassen. Aber gleichzeitig schlug das Herz in schreiender Panik, weil es weiterleben wollte.

Er hatte eine Wahl. Sie bestand darin, die Augen zu schließen und abzuwarten, bis er umgeworfen wurde, den tödlichen Biss in die Kehle herbeizusehnen, zu hoffen, dass er hungrig war und es schnell hinter sich brachte, oder aber zu kämpfen, zu laufen, nicht aufzugeben. Dervish entschied nicht selbst. Seine Beine taten das für ihn. Mit einem geschickten Satz, die geballten Fäuste aus den Taschen ziehend, rannte er los, stützte sich mit der einen Hand an der Hauswand des kleinen Wohngebäudes ab und langte mit der anderen in seine Innentasche. Auch wenn er keine Ahnung hatte, welcher Zauber, welcher Fluch ein solches Wesen abhalten oder zumindest eine Weile in Schach halten konnte, so wollte er zumindest bewaffnet sein. Höchstens drei, vier Schritte waren es durch die schmale Gasse, und dann in gestrecktem Galopp um Hilfe schreiend die Hauptstraße hinunter, mehr bräuchte es nicht.

In seinem Rücken verharrte das Tier nur für Sekundenbruchteile. Es war die Bewegung. Hastig, panisch, besser wahrzunehmen für die Augen eines jagenden Wolfes, der Instinkt geweckt durch die Flucht potentieller Beute. Und nur über das unterschiedliche Klappern der gamaschenbestückten Lederschuhe allein konnte er es hören: Dieser Mensch würde nicht weit kommen. Seine Beine waren nicht so gesund, wie er es mit diesem Lauf vorzutäuschen gedachte. Augenblicklich, ob er wollte oder nicht, stahl sich ein breites Grinsen aus aufsteigender Lust in das Gesicht des stattlichen Räubers, und er leckte sich rasch die Lippen, bevor er zur Verfolgung ansetzte. Nicht zu schnell, es war nicht nötig, sich und die Läufe in Gefahr zu bringen. Gemächlich, fast lässig, huschte er durch den Durchschlupf und kam hinaus auf die von Pfützen übersäte Hauptstraße, keine 20 Fuß hinter seinem Opfer.

Offenes Feld. Freie Bahn. Fast zu leicht, ein Kinderspiel, und das für nicht mal wirklich gutes Fleisch. Egal jetzt. Viel zu lange her eine solche Jagd, nie zuvor belohnt, außer mit Mäusen, Vögeln, nichts wirklich Großes oder gar das, was er wirklich wollte. Der Junge ließ ihn nicht. Nie. Nie, nie, erst recht nicht, seit er dieses Fenster zu ihm in seinen Geist geschnitten hatte. Aber etwas wie das hier, ein rennendes Objekt, das weckte den Beutetrieb, das half, ihn zurück zu drängen, zu dominieren, vielleicht lang genug, um zum Zuge zu kommen. Wo sie nicht da waren, die anderen. Er erlaubte sich leise Vorfreude, wie ihm die lange Zunge zwischen den gebleckten Fängen hinaus glitt und er in eiligeren Trab verfiel. Und das Schönste, das Allerschönste für den Wolf, das war diese gelassene Ruhe irgendwo dort oben zwischen seinen Gehirnhälften. Fast wie Einverständnis. Er genoss das wonnevoll.

Sherlock Dervish hatte keine Angst. Was er spürte, ging weit darüber hinaus. Todesfurcht. Er hatte nur eine Chance, er wusste das, musste so schnell wie möglich so weit wie möglich kommen, und irgendwo musste eine Tür offen stehen und ihn einlassen. Alle Fenster dunkel weit und breit, nur die altmodischen Gaslaternen in regelmäßigen Abständen entzündet, und weit dort hinten in der Dunkelheit leuchteten die Fenster des 3 Besen. Rettung. Aber so weit, so furchtbar weit, und der Wolf schon aufholend, ohne sein volles Potential auszuschöpfen. Er war verloren, er wusste es.

Im Rennen schaute er über die Schulter, das Gesicht so blass jetzt, als wäre er derjenige, der am Morgen danach aufwachte, nackt und bloß zwischen dem Hirsch und dem Hund, die zusammengerollte Ratte auf der Brust, und seine Augen füllten sich mit Wasser. Ein so schönes Leben gehabt, und dennoch so viel verpasst. Keine Frau, keine Kinder, wieso nicht? So viel doch noch zu sehen und zu erleben, er wollte noch nicht gehen. Und schon gar nicht so, nicht auf diese Art, auf offener Straße zerrissen von einem Monster, das morgen früh wieder ein unschuldiger Mensch sein würde, vielleicht nicht einmal wissen würde, was er getan hatte in dieser so wunderbar warmen und schönen Frühlingsnacht voller blinkender Sterne am Himmel. Wie sein Fuß sich an einem hervorstehenden Stein mitten auf dem Weg verfing, das bekam Dervish erst mit, als er lang ausgestreckt, so gerade eben noch die Hände hebend, in glitschigem Matsch landete.

Einen halben Zoll war seine Nase von der sich kräuselnden Oberfläche einer Pfütze entfernt. Kalt und nass, ihn nur noch schneller auskühlend, war der Schlamm unter und zwischen seinen Fingern, saugte sich durch die dünnen Stoffhosen und sogar bis auf den Cut unter seiner Robe. Die bügellose Brille, mehr ein Zwicker aus gehärtetem Silber, versank regelrecht in dem aufgeweichten Boden, und die Sicht vor seinen Augen verschwamm augenblicklich. Sherlock brauchte sich nicht herum zu drehen, um das Herannahen des Ungeheuers gewiss zu haben. Nun keine Chance mehr, davon zu laufen. Entweder kämpfen oder sterben. Doch wie er sich auf den Rücken rollte, die Rechte mit einem rotierenden Schwung erhebend und den Spruch bereits murmelnd, so gut er konnte vor Atemnot, sah er es auch schon.

Zerbrochen. Die Spitze des Zauberstabs abgeknickt, dass sie nur noch wie an einem Faden an einer einzelnen Holzfaser mit dem Schaft verbunden blieb, schlenkerte sie hin und her und flog schließlich gänzlich ab, wie er den Fluch zu vollenden versuchte. Das war's. Alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Und der Wolf, mit Zugriff auf den Verstand eines Menschen, schnurrte auf vor Zufriedenheit, als das Grinsen nur noch breiter wurde und die Elfenbeindolche seiner Reißzähne entblößte. Der nächste Schritt offenbarte schwarze Hornspitzen an jeder seiner fünf Zehen, die Krallen, die sonst gerundet geschnittene Fingernägel waren. Sherlock Dervish schloss einfach die Augen, lehnte sich zurück auf seine dünnen Ärmchen und flüsterte ein stilles Gebet.

Gallopierende Hufe. Er konnte sie hören, aber sie waren nicht real. Eine Erinnerung, zugehörig den wirren Bildern aus seinem Leben, die er vor sich sehen konnte, Momente, an die er denken wollte, ein letztes Mal, bevor der Wolf ihm ein Ende bereiten würde, und sie verstummten tatsächlich. Um dann lauter wieder einzusetzen. Die Stirn runzelnd, verwundert darüber, noch zu atmen, noch pulsierendes Blut in den Adern zu haben, öffnete Dervish vorsichtig die Lider, und das Erstaunen war über alle Maßen groß. Der Hirsch musste gesprungen sein, über den Weidezaun dort vorne. Deshalb hatte er ihn für einen Augenblick nicht mehr hören können. Unscharf und verwischt seine Sicht ohne die geschliffenen Gläser, konnte der Händler es dennoch deutlich erkennen: Es war ein kapitaler Zwölfender!

Da gab es nichts zu verstehen. Den kräftigen Hals gesenkt, stand der Hirsch direkt zwischen ihm, dem gefallenen Zauberer, und dem nun tief in die Vorderläufe gestemmten Wolf, der aggressiv, furchterregend die Zähne fletschte und nicht mehr nur knurrte, sondern grollte. Souverän, ohne die geringste Angst, präsentierte der Bulle sein ausladendes Geweih, ganz so, als wolle er um sein Platzrecht kämpfen. Verwirrt, noch immer den Brustkorb so heftig hebend und senkend, dass er sich kaum still genug halten konnte, lag Dervish in kaltem, nassem Dreck und starrte diese so unnatürliche Szene an. Es war nicht möglich. Was tat dieses Tier da? Und wieso? Es griff einen Werwolf an, völlig ohne Anlass, sein eigenes Leben erst gefährdet, seit es in diese Arena getreten war.

Als wäre es nicht schon seltsam genug. Wie aus dem Nichts stob der riesige schwarze Hund den Hang vom Hog's Head herunter, keinen Laut von sich gebend, nicht einmal bellend. Die Ohren schlackerten ihm gegen den massigen Kopf, die Zunge hing heraus, als wolle er den Wolf widerspiegeln, und für einen Moment lang befürchtete Sherlock, er würde dem Hirsch in die Seite springen und sich in dem hohen Rist verbeißen. Hin und her gerissen zwischen Entsetzen und Neugier, hob der alte Mann rasch einen Arm über seinen Kopf, um sich selbst zu schützen, doch es war nicht nötig.

Die Hinterbeine des Wolfshundes überstreckten sich, wie er die Pfoten in den schlammigen Untergrund rammte, um sich selbst zum Stehen zu bringen, und noch in der selben Bewegung nahm er die warnende Haltung eines gleichberechtigten Rudelmitglieds ein. Halb geduckt, die Ohren jetzt hart angelegt und die Fänge entblößt, schnappte er die Luft, als sei sie ein saftiges Steak.

„Was geht denn ...“ Hier vor, wollte Dervish sagen, konnte nur noch den Kopf schütteln. Seine Sinne mussten ihm einen Streich spielen. Ein Hirsch und ein Hund, aufgetaucht wie Feenstaub aus heiterem Himmel, verteidigten ihn gemeinsam, arbeiteten zusammen, gegen die schreckliche Bestie des Werwolfs, der tatsächlich weiter in eine Art Hocke ging und Stück für Stück zurückwich. Ganz gefangen von diesem Schauspiel, hätte Sherlock beinahe nicht mehr reagiert. Das war seine Chance. Wenn die beiden Tiere das Ungeheuer nur lange genug aufhalten konnten, so wäre es ihm möglich, die rettende Kneipe zu erreichen. Gleichgültig jetzt die Brille in der Pfütze, egal auch das abgebrochene Ende seines Zauberstabs. Diese Dinge konnte man alle neu kaufen. Sein Leben jedoch nicht.

Hastig, ohne das Spektakel auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen – tanzte da etwas auf dem Rücken des Hirsches? – drehte sich der Ladenbesitzer wieder herum, trat regelrecht Wasser, wie er versuchte, sich auf die Füße zu stemmen. Beschmiert von oben bis unten, gebadet in hellen Lehm, aber unverletzt, abgesehen von aufgeschlagenen Knien und abgeschürften Ellbogen, gelang es ihm endlich, in halbwegs waagerechte Position zu kommen, und augenblicklich schoben ihn seine Beine vorwärts. Sherlock Dervish rannte einfach, den Blick die ganze Zeit über die Schulter zurück geworfen, doch je weiter er kam, desto verschwommener wurde sein Sichtfeld ohne die notwendigen Brillengläser. Es war egal. Er war am Leben. Entkommen. Nur noch wenige Yards bis zur Türschwelle, auf der er endlich, krächzend, zu schreien, zu brüllen nicht in der Lage, auf den Stufen zusammenbrach und mit beiden dreckigen Fäusten gegen die Tür hämmern konnte.

Am anderen Ende der Hauptstraße jedoch, gehüllt in die laternenlose Dunkelheit des Dorfausgangs, winselte der schwarze Hund entschuldigend und wedelte mit dem Schwanz, während der Hirsch sich aus der Drohgebärde aufrichtete und die Ratte das wilde Hüpfen einstellte. Der Mensch war fort. Außer Reichweite jetzt, nur noch sein Geruch zurück bleibend auf dem vom Mairegen feuchten Boden. Angstschweiß und kochendes Blut, aber der Wolf beruhigte sich rasch. Keine Ahnung hatte Sherlock Dervish, wie groß sein Glück gewesen war. Und während er japsend auf einem Stuhl vor dem Kamin saß und in zittrigen Atemstößen halb Hogsmeade seine unglaubliche Geschichte erzählte, legte der Wolfshund mit treudoofen, braun-grauen Augen dem Werwolf seine Schnauze auf die Schulter, und der Hirsch scharrte mit den Hufen. Knapp gewesen, das. Mal wieder. Alles gut gegangen. Helden waren sie. Und sie liebten es.


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